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Vereiteltes Berufsziel – Ersatz des Einkommensverlustes

Hessisches Landessozialgericht, Az.: L 5 V 505/73, Urteil vom 10.07.1974

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. März 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Entschädigung wegen vereitelten Berufswunsch
Symbolfoto: JanPietruszka / Bigstock

Der 1915 geborene Kläger erhält wegen

„1) Verlust des linken Oberarmes;

2) Narbe unter dem rechten Schlüsselbein und Herabsetzung der groben Kraft im rechten Arm” als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. (Umanerkennungsbescheid vom 9. Mai 1952). Das Vorliegen besonderen beruflichen Betroffenseins wurde im Bescheid vom 4. November 1960 nicht anerkannt, da er in der Lage sei, den erlernten Beruf des Textilkaufmanns (Verkäufers) ohne wesentliche Einschränkung durch die Schädigungsfolgen auszuüben. In den Jahren 1960, 1963, 1965 und 1967 beantragte der Kläger die Gewährung von Badekuren. Die jeweiligen Kurgutachten ergaben keine Änderung des schädigungsbedingten Gesundheitszustandes, wohl aber vegetative Überregbarkeit und im Oktober 1966 ein anginöses Syndrom. Im Verlaufe der auf einen weiteren Kurantrag hin im November 1968 durchgeführten Untersuchung wurde auch eine Aortensklerose festgestellt. Das ärztliche Schlusszeugnis vom 30. Juli 1969 erwähnt überdies ein Cervikalsyndrom.

Am 7. März 1969 beantragte der Kläger bei dem Versorgungsamt D. Berufsschadensausgleich. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er unter Beifügung von Fotokopien aus seinem Arbeitsbuch an, nach dem Besuch der Volksschule 4 Jahre als kaufmännischer Lehrling ausgebildet worden zu sein. Nach Ableistung des freiwilligen Arbeitsdienstes im Jahre 1934 sei er ein Jahr lang als kaufmännischer Volontär und dann ab August 1935 bis Juli 1939 als Verkäufer und Dekorateur tätig gewesen. Nach seiner Verwundung und Entlassung aus dem Wehrdienst habe er 1943/44 als stellvertretender Geschäftsführer in P. gearbeitet und schließlich bis November 1944 als Geschäftsverwalter, anschließend als selbständiger Einzelhandelskaufmann. Nach dem Kriege sei er zunächst in den Jahren 1948/1950 ambulanter Händler gewesen, bis er sich ab 1. Oktober 1950 rund 10 Jahre lang als selbständiger Einzelhandelskaufmann in K. betätigt habe. Danach sei er in den O. verzogen, hier von 1962 bis 1965 Immobilienmakler, dann 4 Monate lang kaufmännischer Angestellter bei einer gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft gewesen. Anschließend habe er mangels einer passenden Beschäftigung nicht mehr gearbeitet. Sein angestrebtes Berufsziel sei Textilkaufmann (Dekoration und Verkauf) gewesen. Er und seine Ehefrau seien je zur Hälfte Eigentümer zweier Geschäfts- und Wohnhäuser in K. und eines Einfamilienhauses in B.

Mit Bescheid vom 21. August 1969 lehnte das Versorgungsamt den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe seinen Beruf vor und nach der Schädigung teils unselbständig und teils selbständig ausgeübt. Nach den Aktenunterlagen sei keine Verschlimmerung im Zustand der anerkannten Schädigungsfolgen eingetreten. Auch beziehe er weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeitsrente. Ein etwaiger Einkommensverlust könne deshalb nicht auf Schädigungsfolgen zurückgeführt werden. Mit ihnen wäre er nach wie vor in der Lage, in seinem Beruf einer verdienstbringenden Beschäftigung nachzugehen.

Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. April 1970).

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Darmstadt die Akten des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen über den Kläger, dessen Einkommenssteuerbescheide der Jahre 1950 bis 1960 und Einkommensteuererklärungen ab 1962 einschließlich 1964 beigezogen.

Nach Auffassung des Beklagten ist daraus nicht zu entnehmen, dass eine weitere Berufsausübung des Klägers an den Schädigungsfolgen gescheitert sei. Zwar sei sein Einkommen aus Gewerbebetrieb bis zum Jahre 1960 abgesunken. Andererseits sei aber das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung ab 1957 stetig angestiegen und das Einkommen aus Kapitalvermögen gewachsen. Diese Entwicklung zeige, dass die Vermietung und Verwaltung der in den Jahren 1954 und 1959 erbauten Häuser die Arbeitskraft des Klägers überwiegend in Anspruch genommen habe. Eine intensive Ausübung seines eigentlichen Berufes des Textilkaufmanns sei deshalb nicht mehr möglich gewesen.

Auf die Behauptung des Klägers hin, seine Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis bei der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft in B. e GmbH. sei an den Schädigungsfolgen gescheitert, hat das Sozialgericht eine schriftliche Auskunft von dem Rechtsanwalt und Notar B. in seiner Eigenschaft als damaliger Aufsichtsratsvorsitzender dieser Genossenschaft eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 3. November 1972 verwiesen. Ferner hat es um Darlegungen des Klägers geboten, bei welchen Arbeitgebern er sich nach dem 31. August 1967 beworben habe. Hierzu hat er auf das Fehlen von Unterlagen sowie auf Meldungen beim Arbeitsamt verwiesen, was das Sozialgericht zu entsprechenden Antragen, auch bei dem Hausarzt des Klägers, dem Facharzt für innere Krankheiten Dr. Z., veranlasst hat. Letzterer hat am 27. Dezember 1972 bescheinigt, den Kläger seit über 10 Jahren zu behandeln. Gegenstand der Überwachung seien eine Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße, eine Gefügestörung der Halswirbelsäule mit Nervenwurzeleinklemmung sowie ein psycho-physischer Erschöpfungszustand. Dieser letzte Sachverhalt habe ganz im Vordergrund der Beschwerden gestanden, bei denen psychische Unausgeglichenheit eine wesentliche Rolle gespielt habe. Da die medikamentöse Behandlung keine nennenswerte Besserung gebracht habe, sei dem Kläger von ihm geraten worden, seine zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit aufzugeben. Das Arbeitsamt D. gab im Januar und Februar 1973 bekannt, eine Meldung des Klägers als Arbeitsuchender sei am 3. Juli erfolgt und es sei eine Unterlage über dessen erstmalige Meldung am 20. Juni 1961 vorhanden. Für Meldungen in den Jahren 1963 und 1968 seien keine Nachweise zu finden.

Nachdem der Kläger auf Befragen noch mitgeteilt hatte, seit 15. Juli 1970 bei der Christoffel-Blindenemission in B. tätig zu sein und 1.363,– DM brutto monatlich zu verdienen, hat das Sozialgericht sein auf Aufhebung des Bescheides und Gewährung von Berufsschadensausgleich in der Leistungsgruppe III der kaufmännischen Angestellten gerichtetes Begehren mit Urteil vom 23. März 1973 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, ein schädigungsbedingter Einkommensverlust liege nicht vor. Die Aufgabe des Berufs des selbständigen Textilkaufmanns sei den Verletzungsfolgen nicht anzulasten, ebenso wenig wie die Einstellung der Maklertätigkeit, die Nichtübernahme in ein festes Arbeitsverhältnis bei der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft und die Tatsache, dass er erst im Juli 1970 wieder eine Stellung gefunden habe.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 4. Mai 1973 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 21. Mai 1973 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung verweist er auf ein Schreiben der Industrie- und Handelskammer D., aus dem hervorgehe, dass Lehrabschlussprüfungen im kaufmännischen Beruf erst seit 1934 durchgeführt würden. Es sei ihm also nicht anzulasten, wenn er keine Prüfung nachweisen könne. Er bestreite, dass er sich nicht laufend beim Arbeitsamt D. um eine Beschäftigung bemüht habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. März 1973 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21. August 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1970 zu verurteilen, Berufsschadensausgleich unter Eingruppierung in die Leistungsgruppe III der kaufmännischen Angestellten im Wirtschaftsbereich Einzelhandel zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Hinweis des Klägers auf seine abgeschlossene kaufmännische Lehre sei unwesentlich, weil bei der getroffenen Entscheidung die Erlernung des Berufs als Textilkaufmann berücksichtigt worden sei.

Die Akten des Versorgungsamts D. mit der Grundl. Nr. … haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–). In der Sache hatte sie keinen Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 21. August 1969 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides ist nicht rechtswidrig.

Rechtsgrundlage ist § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung des 3. Neuordnungsgesetzes (NOG), wonach Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich in monatlicher Höhe von vier Zehntel des Verlustes oder nach einer bezifferten Höchstgrenze erhalten (§ 30 Abs. 3 BVG). Einkommensverlust ist dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes (§ 30 Abs. 4 BVG). Gemäß § 30 Abs. 7 BVG ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen nicht vor. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger vom Zeitpunkt seiner Antragstellung an bis heute einen schädigungsbedingten Einkommensverlust hat. Das erkennende Gericht ist vielmehr in Wertung des Akteninhalts und Parteivorbringens der Auffassung, dass der Kläger einmal trotz der anerkannten Schädigungsfolgen sein erstrebtes Berufsziel erreicht, den Beruf des selbständigen Textilkaufmanns nicht aus schädigungsbedingten Gründen aufgegeben hat und dass zum anderen sein berufliches Schicksal seit 1960/61 nicht auf den Zustand infolge der nachgewiesenen Kriegsunfälle und Verwundungen zurückzuführen ist.

Das Vordergericht hat den Berufsweg des Klägers in richtiger Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Berufsschadensausgleich bereits aufgezeichnet, so dass hieraus Bezug genommen werden kann. Zutreffend hat es dabei hervorgehoben, jener habe nicht in erster Linie als Dekorateur gearbeitet und nach dem Krieg arbeiten wollen, sondern den Beruf des Textilkaufmanns angestrebt. Ihn habe er mit der Variante des Dekorierenkönnens in eigener Person erreicht gehabt. Der Umstand, dass der Kläger als Textilkaufmann keine von einer amtlichen Stelle registrierte Prüfung absolviert hat, ist für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Belang. Die von ihm mit der Berufungsbegründung eingereichte Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer D. vom 22. November 1973 ist daher nicht entscheidungserheblich. Zutreffend hat der Beklagte darauf verwiesen, es ergebe sich schon aus dem Widerspruchsbescheid, dass bei der getroffenen Entscheidung die Erlernung des Berufs eines Textilkaufmanns berücksichtigt worden sei. Das ist tatsächlich der Fall. Wenn das Vordergericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, der Kläger habe in der von ihm angegebenen Berufsrichtung (Dekoration und Verkauf) keine Prüfungen abgelegt, dann ist das wohlverstanden keine dem Klagebegehren entgegenstehende Begründung, sondern vielmehr lediglich eine – tatsächlich richtige – Feststellung. Negative Folgerungen in Bezug auf die vom Kläger beantragte Eingruppierung in die Leistungsgruppe III der kaufmännischen Angestellten sind daraus völlig zu Recht nicht gezogen worden.

In seinem Beruf des Textilkaufmanns ist der Kläger unmittelbar nach seiner Schädigung verblieben, wie seine eigenen Angaben ausweisen. Die Beendigung seiner Arbeiten als stellvertretender Geschäftsführer eines Textilhauses in P. und Geschäftsverwalter in K. beruhte auf Ereignissen des verlorenen Zweiten Weltkrieges. Sie ist mit den anerkannten Schädigungsfolgen ebenso wenig in Verbindung zu bringen wie die Aufgabe der Existenz als selbständiger Einzelhandelskaufmann in Sch./Kreis K.

Der Kläger musste vielmehr vor der herannahenden Front flüchten und sich wie eine Vielzahl anderer Flüchtlinge an einem anderen Wohnort eine neue Existenz zu gründen versuchen. Er wurde dort zunächst Wohlfahrtsunterstützungsempfänger und begann nach der Geburt seines Sohnes ab August 1948 eine Tätigkeit als ambulanter Händler, d.h. eine solche, die sein erlernter Beruf sowohl in Ansehung seiner finanziellen Verhältnisse als auch der allgemeinen Wirtschaftslage in unmittelbarem Anschluss an die Währungsreform erlaubte.

Dass der Kläger als Dekorateur nicht mehr oder nur unter unzumutbarer Aufbietung seiner verbliebenen Körperkräfte hätte arbeiten können, liegt auf der Hand und muss nicht betont werden. Diesem Umstand kommt indessen keine prozessentscheidende Bedeutung zu. Denn der Kläger war nach wie vor im Hauptberuf des Textilkaufmanns verblieben und führte diesen als selbständiger Einzelhandelskaufmann in K. ab Oktober 1950 fort. Dabei hat er durchaus beachtliche finanzielle Erfolge erzielt, wie seine Steuerunterlagen und insbesondere die Tatsache ausweisen, dass er 1954 und 1959 je ein Geschäfts- und Wohnhaus errichtet hat. Diese Gebäude besitzen 9 und 6 Wohnungen, so dass er veranlasst war, sich der Verwaltertätigkeit zu widmen. Für die Jahre 1950 bis 1960 sind schon deshalb keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine schädigungsbedingte Minderung von Umsatz und Gewinn aus Gewerbe sprechen. Zutreffend hat der Beklagte im Verlauf des Klageverfahrens darauf hingewiesen, dass die größenmäßigen Schwankungen dieser Einkommensart allgemein-konjunkturelle Gründe gehabt haben. Das folgt schon daraus, dass der Kläger in der gesamten Zeit keinen Antrag auf Neufeststellung seiner anerkannten Schädigungsfolgen wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gestellt hat. Wenn auf der anderen Seite ab 1957 sein Einkommen aus Vermietung und Kapitalvermögen laufend gestiegen ist, dann wird daraus gleichfalls deutlich, dass sich seine Berufstätigkeit tatsächlich verlagert hatte. Hierfür sind aber nur wirtschaftliche Motive ersichtlich. Die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 17. August 1972 zu diesem Punkt entsprechen voll der Lebenserfahrung. Der Senat macht sie sich deshalb zu eigen und ergänzt sie noch insoweit, als er auf die bindende Ablehnung des im September 1960 geltend gemachten Begehrens verweist, eine höhere MdE unter Berücksichtigung des Berufs zu erlangen. Entgegen den Angaben des Klägers, keinen Beruf mehr ausüben zu können, wurde nämlich damals festgestellt, dass er 1959 und 1960 immer noch auch als selbständiger Textilkaufmann gearbeitet hatte. Ein schädigungsbedingtes Mindereinkommen im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG konnte deshalb nicht festgestellt werden, insbesondere, nachdem RMR Dr. Sp. befragt worden war. Er hielt den Kläger aus medizinischer Sicht nicht für gehindert, einer regelmäßigen Tätigkeit im kaufmännischen Beruf nachzugehen. Diese Meinung ist zu unterstreichen. Denn gerade der Beruf des Kaufmanns mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Veränderung der Körperhaltung und des Wechsels von Sitzen, Laufen und Stehen kommt Armamputierten sehr entgegen.

Was den Kläger zur Aufgabe des Textilgeschäftes in K. bewogen hat, waren in Wahrheit nicht die Schädigungsfolgen, die sich ausweislich der verschiedenen Kurgutachten und des Ergebnisses der im September 1960 zum Zwecke einer Kapitalisierung der Rente durchgeführten Begutachtung objektiv und nachgewiesenermaßen nicht verändert hatten. Es war vielmehr sein allgemeiner schlechter Gesundheitszustand und der seiner als mithelfendes Familienmitglied tätigen Ehefrau. Auch hierüber geben einmal die Kurgutachten, die Schlussberichte der vom Kläger besuchten Kuranstalten und gibt zum anderen der Befundbericht des Dr. Z. klare Auskunft. Insbesondere danach ist erwiesen, dass der Kläger gleich nach Übersiedlung nach B. wegen Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße, Gefügestörung der Halswirbelsäule sowie wegen psycho-physischen Erschöpfungszustandes behandelt worden ist, Letzterer stand nach dem Bericht des Dr. Z. ganz wesentlich im Vordergrund. Er äußerte sich in Herzschmerzen, Kreislaufschwierigkeiten, leichter Überfunktion der Schilddrüse, Schlaflosigkeit, nervöser Überregbarkeit und schneller Erschöpfbarkeit. Ein Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen ist insofern nicht herzustellen. Mit diesen allein hätte der Kläger sowohl in K. als auch in B. nach wie vor im erlernten und nach der Schädigung jahrzehntelang ausgeübten Beruf erfolgreich weiter tätig sein können. Die persönliche Erwägung, nicht zuletzt auch wegen der finanziellen Sicherung durch Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen ruhiger leben zu können, zumal im zusätzlich erworbenen Einfamilienhaus in einem reizvoll gelegenen Ort wie B., ist nach Lage des Falles noch nicht einmal annähernd gleichwertig auf die Kriegsverletzung zu beziehen. Dass der Kläger dort ab 1982 den Beruf des Immobilienmaklers aufgenommen hat, wird vordergründig durch den Gedanken bestimmt worden sein, die seinerzeitige Konjunktur in diesem Beruf zum guten und nicht allzu zeitaufwendigen Verdienen nutzen zu können. Insoweit sind aus Akten und Vorbringen des Klägers gleichfalls keine schädigungsbedingten Gründe ersichtlich, zumal nicht bei der Art der Schädigungsfolgen. Das gleiche hat für die Aufgabe dieser Tätigkeit zu gelten, wenn die Bescheinigung des Dr. Z. vom 27. Dezember 1972 wieder in die Betrachtung einbezogen wird.

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Anders war es auch nicht bezüglich der Stellung als Angestellter der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft. Objektiv betrachtet ist die Halbtagstätigkeit des Klägers dort nämlich keinesfalls aus schädigungsbedingten Erwägungen beendet worden. Gerade unter Berücksichtigung der von dem Rechtsanwalt und Notar B. angegebenen Umstände für die Kündigung ist das nicht anzunehmen. Denn der Kläger war aus nicht offenbar gewordenen und heute nicht aufklärungsbedürftigen Gründen einem Aufsichtsratmitglied der Genossenschaft nicht genehm. Anstelle dieses tatsächlichen Entlassungsmotivs sind gesundheitliche Gründe in den Vordergrund gespielt worden. Das beweist sich daraus, dass Rechtsanwalt und Notar B. die Argumentation eben dieses Aufsichtsratmitgliedes als unsachlich bezeichnet hat. In der Tat ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die anerkannten Schädigungsfolgen des Klägers irgendwelche nachteiligen Einwirkungen auf seine Tätigkeit als Bürochef hätten haben können.

Seinen Behauptungen, er habe 1963 und 1968 beim Arbeitsamt D. Anträge auf Vermittlung eingereicht, die sich indessen nicht haben beweisen lassen, brauchte der Senat bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht noch einmal näher nachzugehen. Auch wenn diese Meldungen und noch andere oder weitere als erfolgt unterstellt würden, könnte sich die gefundene Entscheidung nicht ändern. Denn es ist nicht erkennbar, dass dem Kläger wegen seiner Schädigung keine zumutbare Beschäftigung im Beruf des kaufmännischen Angestellten vermittelt werden konnte. Die von ihm eingereichten Schreiben des Kaufhauses V. in M. vom Oktober 1961 und der Firma H. vom November 1966 ergeben das gleichfalls nicht. Der Inhalt dieser Formularschreiben macht nur Gründe des Arbeitsmarktes, der Konjunktur und des freien Wettbewerbs deutlich. Diesen Risiken sind jedoch sämtliche Stellungsuchenden gleichermaßen unterworfen, wohingegen der Kläger sogar seine Sonderstellung als Schwerbeschädigter in die Waagschale werfen konnte.

Alles in allem ist der Senat der Überzeugung, dass der berufliche Werdegang des Klägers bei unterstellter Unversehrtheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich anders verlaufen wäre. Dafür, dass er schädigungsbedingt keine Tätigkeit mit Merkmalen der Leistungsgruppe III der kaufmännischen Angestellten ausübt, sind keine konkreten Anhaltspunkte zu finden. Wenn sich der Kläger, statt sich 1948 selbständig zu machen, zu selben Zeit eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter gesucht hätte, würden die Folgen der anerkannten Kriegsverletzung nicht entgegengestanden haben. Dass er den Aufbau einer selbständigen Existenz verzog, ist ebenfalls nicht relevant im Sinne des § 30 Abs. 3 und 4 BVG. Diese Entscheidung entsprang seinen eigenen freien Entschluss in Bezug auf einen beruflichen Werdegang, der ihm Erfolg gebracht und erlaubt hat, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen zu ziehen. Rückschauend gesehen waren die seinerzeitigen beruflichen Erwägungen hiernach durchaus richtig. Ob der Kläger, der mit seinen Schädigungsfolgen ab Juli 1970 wieder als kaufmännischer Angestellter bei der Christoffel-Blindenmission in B. arbeitet, den gleichen Erfolg gehabt hätte, wenn er 1948 an seine Verkäufertätigkeit in der Textilbranche angeknüpft hätte, ist zu bezweifeln. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust ist für den streitigen Zeitraum jedenfalls nicht nachweisbar.

Nach alledem war der Berufung der Erfolg mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zu versagen.

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