Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Az: 4 L 322/07
Urteil vom 29.04.2010
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Vergnügungssteuern.
Sie betreibt auf der Grundlage einer Gaststättenerlaubnis vom 13. Januar 2004 (Ergänzungsbescheid vom 05.08.2004) eine – verschiedene Betriebsräume umfassende – Diskothek im Stadtgebiet der Beklagten. Im Rahmen des Diskothekenbetriebs sind dabei nach den Angaben der Klägerin u. a. folgende „Größenvarianten“ möglich:
Veranstaltung mit einer Tanzfläche 420 m²
Veranstaltung mit zwei Tanzflächen 760 m²
Veranstaltung mit Open-Air-Fläche 1.400 m²
Veranstaltung nur Open-Air 650 m²
Für den Erhebungszeitraum März 2004 bis September 2005 hatte die Beklagte für verschiedene Veranstaltungen der Klägerin Vergnügungssteuern auf der Grundlage der Fläche des jeweils benutzten Unterhaltungsraumes erhoben und sich hierbei auf die Flächenangaben der Klägerin zu den jeweils genutzten (unterschiedlichen) Veranstaltungsflächen gestützt.
Im Hinblick auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 23. Januar 2006 (5 B 20/06), die eine an die Klägerin gerichtete Aufforderung zum Gegenstand hatte, betriebswirtschaftliche Abrechnungen vorzulegen, und in der eine von der Beklagten in Betracht gezogene Steuererhebung nach der Roheinnahme wohl als nicht zulässig, eine pauschale Besteuerung nach der jeweils unverändert anzusetzenden Nutzfläche indes als unbedenklich angesehen wurde, änderte die Beklagte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Vergnügungssteuerbescheide für den Zeitraum März 2004 bis September 2005. Sie legte für alle Veranstaltungen im Veranlagungszeitraum nunmehr jeweils eine einheitliche pauschale Veranstaltungsfläche – für Veranstaltungen in Räumen – in Höhe von 760 m² (statt zuvor bei einzelnen Veranstaltungen auch 396 m², 420 m², 600 m², 690 m² und 720 m²) bzw. von 1400 m² für Open-Air-Veranstaltungen zu Grunde und setzte der Klägerin gegenüber eine Nachforderung von 2.793,00 € fest.
Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Der Änderungsbescheid sei nicht akzeptabel, da lediglich die Quadratmeterzahlen von verschiedenen Veranstaltungstagen erhöht worden seien. Dies sei unrichtig. Sie habe der Vorgabe der Beklagten, die Veranstaltungen der Satzung entsprechend nach Quadratmetern abzurechnen, Folge geleistet. Da die Veranstaltungen etwa freitags nur sehr dürftig besucht worden seien, habe sie auch nur einen Teil der Diskothek geöffnet. Daraus habe sich eine Fläche von 420 m² ergeben. Seit Dezember 2004 habe sich freitags die Gästezahl so weit reduziert, dass nur noch der kleine Tanzbereich zuzüglich zwei Ruhezonen geöffnet worden sei. Daraus folge die Reduzierung der Quadratmeterzahl auf 396 m². Seit Juni 2005 habe sie ausschließlich samstags geöffnet.
Durch Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen: Bei der Anwendung der pauschalen Besteuerung nach der Nutzfläche sei weitestgehend von einer sich nicht verändernden Nutzfläche bei jeder Veranstaltung auszugehen. Die zur Vergnügungssteuer heranzuziehende Veranstaltungsfläche belaufe sich auf 765 m². Die von der Klägerin tatsächlich genutzte Fläche bleibe für die Berechnung der Pauschalsteuer unberührt.
Mit ihrer fristgemäß erhobenen Klage hat die Klägerin demgegenüber geltend gemacht, dass die jeweils tatsächlich genutzte Fläche nach der Satzung der Beklagten Grundlage der pauschalen Besteuerung sei.
Die Klägerin hat beantragt, den Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Magdeburg im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sei der Besteuerung der jeweiligen Veranstaltungen eine unverändert bleibende pauschale Raumgröße zu Grunde zu legen. Im Übrigen sei die Klägerin nach der Vergnügungssteuersatzung verpflichtet, vor der Veranstaltung auch die Raumgröße anzugeben. Die Klägerin habe sich aber offenbar erst bei Beginn der Veranstaltung vor Ort anhand der sich entwickelnden Besucherzahlen entschieden, welche Räume sie öffnen werde.
Durch Urteil vom 23. Oktober 2007 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die Klage abgewiesen: Die von der Beklagten der Neufestsetzung zu Grunde gelegte „einheitliche Veranstaltungsfläche“ von 760 m² ergebe sich der Höhe nach ohne Weiteres aus der am 13. Januar 2004 der Klägerin erteilten Gaststättenerlaubnis. Soweit die Klägerin darüber hinaus eine Differenzierung nach der tatsächlichen Nutzfläche jeder einzelnen Veranstaltung begehre, stehe dem entgegen, dass sich bei einer solchen Differenzierung der zu besteuernde Vergnügungsaufwand nicht mehr oder nur noch unverhältnismäßig schwer feststellen und nachvollziehen ließe. Sinn und Zweck des pauschalierten Steuermaßstabs sei es aber gerade, derartige Ermittlungen im Einzelfall, die mit einem nicht verhältnismäßigen Aufwand verbunden seien, zu vermeiden.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 2. Kammer – vom 23. Oktober 2007 abzuändern und den Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 aufzuheben.
Die Beklagte tritt dem Begehren entgegen und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht darauf verwiesen, dass im Hinblick auf den pauschalen Charakter der Steuererhebung nach der Fläche des benutzten Unterhaltungsraumes eine Differenzierung der Steuerfestsetzung nach der tatsächlichen Größe des benutzten Raumes nicht geboten ist.
Die Vergnügungssteuer ist eine indirekte örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer i.S. von Art. 105 Abs. 2 a GG. Sie zielt darauf ab, im Ergebnis die mit der Einkommensverwendung für ein Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu belasten (BVerwG, Urt. v. 03.03.2004 – 9 C 3/03 – m. w. N., zit. nach juris). Gegenstand der vorliegenden Steuererhebung ist dabei nach § 2 der hier noch Anwendung findenden Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 7. März 2002 – VStS – der Diskothekenbetrieb der Klägerin, der eine Tanzveranstaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VStS darstellt.
Nach § 7 VStS wird die Steuer als Kartensteuer, Pauschalsteuer (§§ 12 – 14) oder als Steuer nach der Roheinnahme erhoben. Steuermaßstab bei der Erhebung einer Pauschalsteuer ist in den Fällen des Betriebes von Geräten im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 4 VStS die Anzahl der aufgestellten Geräte (Gerätesteuer); in den sonstigen Fällen des § 2 die Fläche des Unterhaltungsraumes.
Nach § 14 Abs. 1 VStS („Steuersätze“) kann die Steuer für Veranstaltungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 nach der Größe des benutzten Raumes erhoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung der Kartensteuer nicht gegeben sind oder die Durchführung der Erhebung einer Kartensteuer nicht hinreichend überwacht werden kann. Die Größe des Raumes wird nach der Fläche der für die Vorführung und Zuschauer bestimmten Räume festgestellt (Abs. 2).
Hiernach ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vergnügungssteuer in Form der – gegenüber der Erhebung der Kartensteuer nachrangigen – Erhebung einer Pauschalsteuer nach § 14 VStS (1,50 € je 10 m²) gegeben sind. Die Pauschalsteuer nach den §§ 12, 14 VStS verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verletzt die in den §§ 12, 14 Abs. 1 und 2 VStS vorgesehene Bemessung der Pauschalsteuer nach der Größe der Veranstaltungsfläche nicht Art. 105 Abs. 2 a GG oder den Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Zwar steht die Größe der Veranstaltungsfläche ersichtlich in keinem direkten Zusammenhang mit dem Aufwand des einzelnen Besuchers der Veranstaltung, wohl aber zur Umsatzerwartung des Veranstalters. Mit der Größe der Veranstaltungsfläche werden typischerweise auch die Einnahmen steigen, weil mehr Gäste aufgenommen, mehr Waren und Leistungen angeboten werden können und so im Regelfall auch mehr konsumiert werden wird. Der bei einer Veranstaltung erzielte Umsatz seinerseits jedoch steht – ebenso wie die für die Bemessung der Kartensteuer maßgeblichen Gesamteinnahmen aus den Eintrittsgeldern – in Relation zu dem durchschnittlichen Aufwand der Veranstaltungsbesucher und stellt so den geforderten Bezug zwischen der Veranstaltungsfläche und dem im Ergebnis zu besteuernden Benutzungsaufwand her (BVerwG, a. a. O.).
Wenn die Größe des benutzten Raumes in zulässiger Weise die pauschale Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Vergnügungssteuer darstellt, rechtfertigt dies jedoch nicht die pauschale Zusammenfassung von Räumlichkeiten unterschiedlicher Größe. Die Satzung knüpft die (pauschale) Bemessung der Steuer – in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – an die Größe des benutzten Raumes, mithin an die Fläche der für die Vorführung und Zuschauer bestimmten Räume einschließlich der Erfrischungsräume (§ 14 Abs. 2 Satz 1 VStS). Die pauschale Bemessung der Vergnügungssteuer nach der Größe des jeweils tatsächlich benutzten Raumes erweist sich dabei nach den vorstehenden Ausführungen angesichts der Schwierigkeiten, den zu besteuernden individuellen Vergnügungsaufwand festzustellen, als unbedenklich, rechtfertigt jedoch nicht eine pauschale Raumgröße, die losgelöst von (teilweise) mit unterschiedlicher Raumgröße durchgeführten Veranstaltungen, an die wiederum unterschiedliche Umsatzerwartungen als Bezugsgröße für die Steuererhebung geknüpft sind (BVerwG, a. a. O.), bestimmt wird. Damit aber kann die angefochtene Steuerfestsetzung vom 21. Februar 2006, die die Unterschiede bei den Raumgrößen pauschalierend auflöst, keinen Bestand haben. Die von der Beklagten aufgezeigten Probleme bei der Anmeldung der Veranstaltung, die allenfalls als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden können, rechtfertigen demgegenüber eine undifferenzierte Steuererhebung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.