Skip to content

Vergütung für die Sicherung von Videodateien

AG Frankfurt – Az.: 29 C 3658/16 (21) – Urteil vom 02.03.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 393,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Vergütung für die Sicherung von Videodateien.

Der Kläger führt seit dem Jahr 2012 für die Beklagte Videosicherungen durch, wobei die Beklagte zumindest bis Februar 2016 die Rechnungen vollumfänglich beglich.

Am XX.XX.2016 führte der Kläger im Rahmen von Ermittlungsverfahren die Videosicherung mehrerer Überwachungskameras im … Hotel in Frankfurt am Main durch (hinsichtlich der einzelnen Leistungen und der Höhe wird Bezug genommen auf die Rechnung vom 02.07.2016, Bl. 33 d. A.). Vorangegangen waren ein Telefonat und eine E-Mail des … Polizeireviers, in denen der Kläger gebeten wurde, die Sicherung der Videoaufnahmen durchzuführen (es wird Bezug genommen auf die E-Mail vom 28.06.2016, Bl. 32 d. A.).

Auf die Rechnung vom 02.07.2016 in Höhe von 571,20 EUR zahlte die Beklagte auf Grundlage des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten, Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (im Folgenden: JVEG) lediglich einen Betrag von 210,00 EUR.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 393,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das JVEG sei anwendbar und der Kläger als Dritter im Sinne von § 23 Abs. 2 JVEG anzusehen. Danach sei die Beklagte an die Vorgaben des JVEG gebunden und könne nur in Höhe der dort aufgeführten Sätze abrechnen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 393,20 EUR gemäß § 611 BGB i.V.m. der zwischen den Parteien geschlossenen Vergütungsvereinbarung gegen die Beklagte.

Zunächst ist festzustellen, dass zwischen den Parteien eine privatrechtliche Vereinbarung über die Sicherung von Videodateien getroffen wurde. Der Vertragsschluss kam konkludent durch Aufnahme der Tätigkeit nach Anfrage durch die E-Mail des … Polizeireviers vom 28.06.2016 zustande. Die Parteien haben sich auch konkludent auf die Höhe der Vergütung geeinigt, nachdem der Kläger bereits zuvor für die Beklagte tätig gewesen ist, entsprechend abgerechnet hat und bezahlt wurde. Die Tätigkeit wurde auch entsprechend der in Rechnung gestellten Positionen ausgeführt.

Vergütung für die Sicherung von Videodateien
(Symbolfoto: Von ResiLente/Shutterstock.com)

Entgegen der Ansicht der Beklagten schließt das JVEG vorliegend eine Abrechnung nach der zwischen den Parteien getroffenen privatrechtlichen Vereinbarung nicht aus. Das JVEG ist vorliegend nicht anwendbar. Zunächst ist das JVEG schon deshalb nicht anwendbar, weil die Heranziehung durch die Polizei nicht im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft gemäß § 1 Abs. 3 JVEG erfolgt ist. Das BVerfG (Beschl. v. 29.3.2007 – 2 BvR 189/07, BeckRS 2007, 22770) hat hierzu ausgeführt:

„Der Gesetzgeber hat in § 1 JVEG – im Gegensatz zu § 1 ZSEG in der bis zum 30. 6. 2004 geltenden Fassung – zwischen der Heranziehung eines Dolmetschers durch die Justizbehörden (§ 1 I Satz 1 Nr. 1 JVEG) und der Heranziehung durch die Polizei (§ 1 III JVEG) unterschieden. Die Heranziehung durch die Polizei steht einer solchen durch Justizbehörden dann gleich, wenn sie im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft erfolgt. Der Wortlaut der ab dem 1. 7. 2004 geltenden Vorschrift ist insofern eindeutig, als die Staatsanwaltschaft vor der polizeilichen Heranziehung einen entsprechenden Auftrag erteilt oder ein von der Polizei mitgeteiltes Handeln ausdrücklich gebilligt haben muss (vgl. Zimmermann, Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG, 1. Aufl. 2005, § 1 Rn. 53; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 23. Aufl. 2005, § 1 Rn. 1.8; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 1 JVEG Rn. 6; Bund, Die für den Sachverständigen wichtigsten Neuerungen im JVEG, veröffentlicht DS 2005, S. 99). Die zu § 1 ZSEG vertretenen, gegensätzlichen Ansichten zur Frage, inwiefern das Gesetz anlässlich einer Heranziehung durch die Polizei überhaupt zur Anwendung kommen dürfe, mithin der Justizhaushalt zu belasten sei (vgl. Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 22. Aufl. 2002, § 1 Rn. 4.1.2), ist durch die Einführung des JVEG hinfällig geworden: Während die Polizei als Ermittlungsbehörde im ZSEG keine Erwähnung fand, die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Mittler- oder Botentätigkeit für die Staatsanwaltschaft in Betracht komme, mithin offen schien, wird die Heranziehung eines Dolmetschers durch die Polizei oder durch eine andere Strafverfolgungsbehörde im JVEG ausdrücklich abschließend geregelt. Dies hatte der Gesetzgeber zur Beendigung der oben genannten Meinungsverschiedenheiten in Fachkreisen auch beabsichtigt. Insbesondere sollten Fälle einer nachträglichen Billigung des Vorgehens der Polizei durch die Staatsanwaltschaft nicht vom Anwendungsbereich des JVEG erfasst werden (vgl. Begründung im Gesetzentwurf zum KostRMoG zu § 1 JVEG, BTDrucks 15/1971 S. 177).“

Eine vorherige Billigung oder ein Auftrag der Staatsanwaltschaft i.S. von § 1 Abs. 3 JVEG lag hier unstreitig nicht vor. Die hierzu geäußerten Bedenken in der Literatur (vgl. z. B. Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG Rn. 8), nach denen herangezogene Berechtigte in der Regel nicht erkennen können, ob sie von der Polizei eigenständig herangezogen worden sind, kommen vorliegend nicht zum Tragen. Der Kläger wurde aufgrund einer vorher getroffenen privatrechtlichen Vereinbarung tätig und ist nicht schutzbedürftig (vgl. BVerfG Beschl. v. 29.3.2007 – 2 BvR 189/07, BeckRS 2007, 22770, Rz. 3).

Letztlich kommt das JVEG auch deshalb nicht zur Anwendung, weil der Kläger lediglich bloßer Ermittlungsgehilfe und nicht Dritter gemäß § 23 JVEG ist. Nach § 23 Abs. 2 JVEG sind Dritte, Personen, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorlegen oder deren Inaugenscheinnahme dulden, sowie Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1, § 98a der Strafprozessordnung) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden oder in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Auskunft erteilen.

Der Kläger ist vorliegend zunächst nicht aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung verpflichtet. Auch gibt er vorliegend nicht aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände heraus oder erteilt Auskunft. Er selbst ist nicht Verpflichteter des Ersuchens. Der Kläger kann die Videoaufnahmen nicht herausgeben oder hierüber Auskunft erteilen. Der Kläger ist weder im unmittelbaren, noch mittelbaren Besitz der Informationen (vgl. zu § 142 ZPO BeckOK ZPO/von Selle ZPO § 142 Rn. 8), noch mangels Gewahrsam zur Herausgabe nach § 95 Abs. 1 StPO verpflichtet. Die Videoaufnahmen sind im Besitz bzw. Gewahrsam des … Hotels, welches damit als Verpflichtete im Sinne des § 95 StPO und Dritte im Sinne des § 23 Abs. 2 JVEG anzusehen ist. Anders als dem … Hotel steht es dem Kläger anlässlich der polizeilichen Hinzuziehung frei, seine Tätigkeit zu erbringen oder nicht. Eine Anwendung des JVEG und Abrechnung über die §§ 8 ff. JVEG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger ist offensichtlich nicht Sachverständiger (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 2 Ws 441/16 (165/16) -, juris).

Auch der Sinn und Zweck des JVEG gebietet vorliegend keine andere Auslegung. Weil der Kläger hier als bloßer Ermittlungsgehilfe (vgl. Wenzel, NZWiSt 2016, 85) mit der Beweissicherung eine originäre Aufgabe der Beklagten erfüllt (vgl. §§ 160, 161 StPO), wird die Schutzfunktion des JVEG, nach der der Beschuldigte vor einer späteren Überbürdung möglicherweise überhöhter Verfahrenskosten bewahrt werden soll (vgl. zum ZSEG: OLG Celle, Beschluss vom 29. September 1992 – 2 Ws 113/92 -, juris) nicht berührt. Die vorliegenden Kosten der Beweissicherung können dem Beschuldigten nicht als Verfahrenskosten gemäß §§ 465, 464a StPO in Rechnung gestellt werden (vgl. OLG Koblenz, Beschluß vom 04.12.1997 – 1 Ws 719/97; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O.). Auch andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Der Anspruch auf Zahlung der zuerkannten Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos