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Verjährungshemmung bei unzulässiger Klageerhebung


BGH

Az: III ZR 56/10

Urteil vom 09.12.2010


Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, eine in Liquidation befindliche Bauträgergesellschaft, nimmt die Beklagten, zwei ehemals in einer Sozietät verbundene Steuerberater, auf Schadensersatz in Anspruch. Sie stützt ihre am 4. Dezember 2007 eingereichte Klage auf eine von E. B. (Vater der Liquidatorin und vormaligen Geschäftsführerin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin) am 9. Juni 2002 an seine damals noch minderjährige Enkelin R. W. (Tochter der klägerischen Liquidatorin) abgetretene und von dieser am 3. Dezember 2007 an sie weiter übertragene Schadensersatzforderung. Zum Zeitpunkt der Abtretung an die Klägerin war noch vor dem Landgericht Stuttgart ein Verfahren rechtshängig, in dem die Zedentin ihrerseits die Schadensersatzforderung gegen die Beklagten geltend gemacht hatte.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 1 habe im Zusammenhang mit einem von diesem vermittelten Grundstückskauf B. durch wahrheitswidrige Angaben über die Bebaubarkeit veranlasst, ihr zur Ablösung des für den Grundstückserwerb aufgenommenen Bankkredits ein Darlehen über 1,1 Mio. DM zu gewähren. Da sie zur Rückzahlung des Darlehens außerstande gewesen sei, sei B. ein erheblicher Schaden entstanden. Die Beklagten haben unter anderem die Verjährungseinrede erhoben.

Die Klage hat in beiden Instanzen keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind etwaige Schadensersatzansprüche verjährt.

Unterstelle man die Darstellung der Klägerin als richtig, habe der Beklagte zu 1 im Rahmen eines stillschweigend mit dem Zedenten B. abgeschlossenen (Auskunfts-)Vertrags bewusst falsche Angaben im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Kreditgewährung gemacht. Die Gesamtwürdigung der Umstände ergebe insoweit, dass beide nach dem Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten hätten machen wollen. Der Vertrag sei dabei nicht mit dem Beklagten zu 1, sondern mit der Sozietät zustande gekommen. Der Beklagte zu 1 habe nicht als Privatperson, sondern für die Sozietät gehandelt, die nach dem klägerischen Vortrag damals B. betreute. Für die vertragswidrige Auskunft hafteten beide Beklagten in entsprechender Anwendung von § 128 HGB. Da nach Maßgabe des klägerischen Vortrags Vorsatz vorliege, seien auch die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung erfüllt, wobei das deliktische Verhalten entsprechend § 31 BGB der Sozietät und entsprechend § 128 HGB den Gesellschaftern zugerechnet werde.

Etwaige Schadensersatzansprüche seien aber verjährt, da die am 4. Dezember 2007 eingegangene Klage den Lauf der Verjährungsfrist nicht gehemmt habe. Nur die Klage eines Berechtigten falle unter § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies sei zwar grundsätzlich der Rechtsinhaber, jedoch nur dann, wenn er auch die Befugnis zur klageweisen Geltendmachung des Anspruchs habe. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei aber noch das von der Zedentin R. W. eingeleitete Verfahren rechtshängig gewesen. Diese habe während des laufenden Prozesses die ihr von B. abgetretenen Schadensersatzansprüche an die Klägerin übertragen. Die Rechtshängigkeit der Ansprüche habe bis zur Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2009 fortbestanden, ungeachtet dessen, dass die Zedentin den Vorprozess zuletzt nicht mehr weiterbetrieben und deshalb die mit der dortigen Einleitung des Verfahrens verbundene Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 2 BGB vorzeitig geendet habe. Solange der Vorprozess rechtshängig gewesen sei, sei die Klägerin nach § 265 Abs. 2 ZPO nicht zur klageweisen Geltendmachung der Ansprüche befugt gewesen. Vielmehr sei deren Rechtsverfolgung ausschließlich dem Vorprozess zugewiesen. Damit sei die Klägerin mangels Prozessführungsbefugnis nicht als Berechtigte im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzusehen. Zum Zeitpunkt der Rücknahme der Klage im Vorprozess sei aber bereits Verjährung eingetreten gewesen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klage eines Zessionars, der die vom Zedenten bereits eingeklagte Forderung nach deren Rechtshängigkeit erwirbt und noch während der Rechtshängigkeit des Vorprozesses erneut rechtshängig macht, hemmt die Verjährung der Forderung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

1. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung einer Leistungsklage gehemmt. Diese Vorschrift setzt – ebenso wie schon § 209 Abs. 1 BGB a.F. – eine Klage des Berechtigten voraus. Zwar enthält § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB – anders als § 209 Abs. 1 BGB a.F. – nicht mehr ausdrücklich dieses Tatbestandsmerkmal. Am sachlichen Erfordernis einer Berechtigung des jeweiligen Klägers hat sich aber nichts geändert. Denn nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Schuldrechts wollte der Gesetzgeber lediglich aus systematischen Gründen die in § 209 Abs. 1 BGB a.F. vorgesehene Unterbrechung der Verjährung in eine Hemmung umwandeln. Davon abgesehen sollte § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB aber der Vorschrift des § 209 Abs. 1 BGB a.F. weiterhin entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – I ZR 191/07, NJW 2010, 2270 Rn. 38 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/6040, S. 113).

2. Maßgebend für die Frage der Berechtigung ist die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. November 1966 – V ZR 176/63, BGHZ 46, 221, 229 und 3. Juli 1980 – IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 4). Berechtigter ist somit der Rechtsinhaber, es sei denn, es fehlt ihm ausnahmsweise diese Befugnis, wie etwa im Falle der Insolvenz (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juni 1965 – III ZR 219/63, LM § 209 BGB Nr. 13; BGH, Urteil vom 26. Januar 1966 – I b ZR 94/64, LM § 209 BGB Nr. 14) oder der Nachlassverwaltung (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1966, aaO); dann ist der Insolvenzverwalter oder der Nachlassverwalter Berechtigter. Berechtigter kann auch der materiell-rechtlich wirksam zur Durchsetzung einer Forderung Ermächtigte sein (BGH, Urteil vom 16. September 1999 – VII ZR 385/98, NJW 1999, 3707), selbst wenn das für die Klageerhebung in gewillkürter Prozessstandschaft als Zulässigkeitsvoraussetzung notwendige schutzwürdige rechtliche Interesse des Klägers fehlt (BGH, Urteil vom 3. Juli 1980, aaO S. 4 ff).

3. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin – nach Maßgabe der vom Berufungsgericht als wirksam unterstellten Abtretungen – Gläubigerin etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geworden und war insoweit auch materiell verfügungsbefugt.

a) Allerdings waren diese Ansprüche bereits zuvor von der Zedentin rechtshängig gemacht worden. Jedoch schließt die Rechtshängigkeit das Recht einer Partei nicht aus, den geltend gemachten Anspruch abzutreten (§ 265 Abs. 1 ZPO). Prozessual hat die Abtretung auf das laufende Verfahren keinen Einfluss; der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei anstelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben (§ 265 Abs. 2 ZPO). Vielmehr wird der Rechtsstreit vom Zedenten in gesetzlicher Prozessstandschaft fortgeführt und bindet nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO auch den Rechtsnachfolger. Dem neuen Rechtsinhaber fehlt die Prozessführungsbefugnis, er kann sich lediglich als Nebenintervenient am Vorprozess beteiligen. Eine eigene Klage des Zessionars ist danach unzulässig. Ihr stünde im Übrigen auch der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen.

b) Jedoch hemmt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auch die unzulässige Klage eines Berechtigten die Verjährung (vgl. nur Urteile vom 19. Januar 1994 – XII ZR 190/92, NJW-RR 1994, 514, 515; vom 28. September 2004 – IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 263; und 6. Dezember 2007 – IX ZR 143/06, NJW 2008, 519 Rn. 24, jeweils m.w.N.). Dies gilt etwa für die Klage vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 1978 – VIII ZR 24/77, NJW 1978, 1058; Senat, Urteil vom 11. Juni 1992 – III ZR 134/91, BGHR BGB § 209 Abs. 1 Klageerhebung 4, insoweit in BGHZ 118, 368 nicht abgedruckt), für das Fehlen des Feststellungsinteresses bei einer Feststellungsklage (vgl. BGH, Urteile vom 22. Mai 1963 – VIII ZR 49/62, BGHZ 39, 287, 291 und 25. Februar 1988 – VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 302) oder für eine wegen Nichteinhaltung eines vorgeschriebenen Vorverfahrens unzulässige Klage (Senat, Urteil vom 20. Dezember 1973 – III ZR 154/71, LM TelegrafenwegeG Nr. 3/4).

An dieser Rechtslage hat sich durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nichts geändert (so auch BGH, Urteil vom 28. September 2004, aaO S. 262 f). Zwar ist § 212 BGB a.F. entfallen. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung galt die Unterbrechung durch Klageerhebung unter anderem dann als nicht erfolgt, wenn die Klage durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Prozessurteil rechtskräftig abgewiesen wurde; erhob jedoch der Berechtigte binnen sechs Monaten von neuem Klage, so galt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten (unzulässigen) Klage unterbrochen. Die Streichung von § 212 BGB a.F. sollte aber nach dem Willen des Gesetzgebers nichts daran ändern, dass eine Klage, auch wenn der Rechtsstreit nicht mit einer Sachentscheidung endet, weil die Klage zurückgenommen oder durch Prozessurteil abgewiesen wird, die Verjährung hemmt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 117 f zur Nachfrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.).

c) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts gelten diese Maßstäbe auch für die vorliegende Fallgestaltung. Auch dann, wenn dem Forderungsinhaber die Prozessführungsbefugnis fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1980, aaO S. 4 ff) oder der Anspruch anderweitig rechtshängig gemacht worden ist (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 204 Rn. 27), hemmt die unzulässige Klage des materiell Berechtigten die Verjährung. Soweit das Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung die Parallele zu den Fällen der Insolvenz und Nachlassverwaltung gezogen hat, hat es übersehen, dass in diesen Fällen dem Rechtsinhaber nicht nur die Klagebefugnis, sondern auch die materielle Verfügungsbefugnis fehlt und deshalb der Rechtsinhaber nicht (mehr) als Berechtigter im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB anzusehen ist. Im Unterschied dazu ändert, wie sich unmittelbar aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergibt, die Rechtshängigkeit eines Anspruchs und die fortbestehende Prozessführungsbefugnis des Zedenten nichts daran, dass infolge der Abtretung die materielle Verfügungsbefugnis auf den Zessionar übergeht (Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 265 Rn. 78).

4. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls dabei Gelegenheit haben, sich mit der Gegenrüge des Beklagten zu 2 – auf die näher einzugehen der Senat im gegenwärtigen Verfahrensstadium keine Veranlassung sieht – auseinanderzusetzen, wonach das behauptete Fehlverhalten des Beklagten zu 1 der Sozietät nicht zugerechnet werden könne.

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