Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Az.: 5 U 78/04
Urteil vom 21.02.2006
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Az.: 3-16 O 30/03
Gründe:
I.
Die Beklagte ist ein Unternehmen aus dem Bereich neue Technologien. Anlässlich ihres Börsenganges im November 1999 legte sie einen am 26.11.1999 publizierten Verkaufsprospekt/Unternehmensbericht vor, mit dem sie zum Handel ihrer Aktien in dem damaligen Börsensegment des neuen Marktes nach dem Regelwerk der A AG zugelassen worden war.
Die im Finanzteil des Verkaufsprospektes und Unternehmensberichtes ausgewiesenen Umsätze seit 1998 beruhten überwiegend auf vorgetäuschten Umsätzen, weil der frühere Vorstandsvorsitzende und Großaktionär C die zugrunde liegenden Umsätze insoweit frei erfunden hatte.
Der Kläger erwarb in der Zeit zwischen 16.02.2000 und 03.03. 2000 insgesamt 5.771 Aktien der Beklagten zu insgesamt 1.272.563,20 €, die er zwischen 24.02.2000 und 06.03 2000 mit einem Gesamtverlust von 24.526,75 € wieder veräußerte.
Auch nach dem Börsengang wurden in von dem früheren Vorstand der Beklagten veranlassten Ad-hoc-Mitteilungen falsche Umsatzzahlen verbreitet. Durch eine Sonderprüfung nach dem 20.2.2002 stellte sich heraus, dass 98,6 % des Umsatzes in 2001 in Höhe von 93,6 Mio € über Luftbuchungen und auch schon im Börsenprospekt diese behauptete Geschäftsbeziehung falsch dargestellt worden war.
C wurde mittlerweile rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz auch aus § 826 BGB u. a. mit der Begründung in Anspruch, bei wahrheitsgemäßen Angaben im Prospekt hätte die Beklagte die Börsenzulassung nicht erhalten, und hat behauptet, sich zu jedem Zeitpunkt des Engagements darüber informiert zu haben, welche Zahlen die Beklagte als Quartalszahlen und Jahresabschlusszahlen vermeldet habe und nur im Vertrauen auf die dargestellten Zahlen und die falsch dargestellte geschäftliche Entwicklung gekauft zu haben.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.526,75 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat Verjährung geltend gemacht, eine ihr zurechenbare vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers auf Grund unrichtiger Unternehmensmitteilungen und den Schädigungsvorsatz des Herrn C in Abrede gestellt, bestritten, dass der Kläger jemals den Verkaufsprospekt besessen und von dessen Inhalt Kenntnis erlangt habe, die Kausalität unternehmensbezogener Mitteilungen oder Informationen für den Kaufentschluss in Abrede gestellt, die Kausalität zwischen falscher Unternehmensmitteilung und Kursverlust bestritten, geltend gemacht, die Schadensberechnung verstoße gegen die Grundsätze der hypothetischen Kausalität und den Schutzzweck der Norm, ein Mitverschulden des Klägers eingewandt und gemeint, etwaige Schadensersatzansprüche seien ausgeschlossen, weil sie nur durch Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Gesellschafter erfüllt werden könnten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 153 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Viel spreche dafür, dass der Kläger, der nicht dem typischen Bild eines geschädigten Aktionärs entspreche, nicht durch falsche Prospektangaben oder Ad-hoc-Mitteilungen zum Kauf veranlasst worden sei, was aber offen bleiben könne.
Denn Ansprüche seien weder auf Grund der börsenrechtlichen Prospekthaftung (§ 44 Börsengesetz) noch unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung begründet. Die Handlungen des ehemaligen Vorstandes seien der Beklagten nicht über § 31 BGB zurechenbar, ein Ersatzanspruch sei auch wegen des Verbotes der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Aktiengesetz ausgeschlossen.
Gegen diese Beurteilung wendet sich der Kläger, mit der er den Zahlungsanspruch voll umfänglich weiter verfolgt. Er rügt insbesondere die Verletzung materiellen Rechts, soweit ein Anspruch aus § 826 BGB verneint worden ist, und macht geltend, jeder Kauforder habe eine fundamentale Bewertung des Unternehmens zugrunde gelegen, die ihm vom Landgericht unterstellte Motivation zum Kauf habe es so nicht gegeben.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.02.2004 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.526,75 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.02.2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf folgende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen: des Klägers vom 21.06.2004 (Bl. 184 bis 191 d. A.) sowie der Beklagten 11.03.2005 (Bl. 227 bis 251 d. A.) und vom 30.01.2006 (Bl. 274 bis 294 d. A.).
Die Beschuldigtenvernehmung des C vom 15. April 2002 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden; dass der Kläger in Übereinstimmung mit der Beklagten im Berufungsantrag das Verkündungsdatum des angefochtenen Urteils unrichtig angibt, stellt eine offensichtliche und deshalb unschädliche Unrichtigkeit dar.
Die Berufung ist begründet, das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 546, 513 Abs. 1 ZPO).
Die Klage ist gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründet, die Beklagte hat gemäß § 31 BGB für das Handeln ihres früheren Vorstandes C einzustehen.
Der Verkaufsprospekt, in dem C für 1998 Umsätze in Höhe von 4.567.382,67 DM, obwohl 63 % dieses Umsatzes nicht stattgefunden haben, und für 1999 im Zwischenbericht zu mehr als 98 % vorgetäuschte Umsätze hat veröffentlichen lassen, was dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren gegen die Beklagte (vgl. u. a. Senatsurteile vom 29. November 2005: 5 U 153/03, 5 U 209/03 und 5 U 145/04, jeweils unveröffentlicht) bekannt ist und der Tatbestand des angefochtenen Urteils im Ergebnis verlautbart, ist unstreitig unrichtig.
Die Kausalität der unrichtigen Prospektangabe für den Aktienerwerb des Klägers ist nicht zweifelhaft, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Prospekt dem Kläger bekannt war und er seine Kaufentscheidung (auch) auf die in ihm enthaltenen Angaben gestützt hat. Insoweit liegt der Fall anders, als wenn es (nur) um die Unrichtigkeit von Ad-hoc-Mitteilungen ginge.
Die unrichtige Prospektangabe kann, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Aktienerwerb des Klägers entfiele. Ohne die Angabe des Umsatzes von 1998 hätte dem Prospekt eine unerlässliche Mitteilung gefehlt, so dass es nicht zu einem Börsengang gekommen wäre. Zur Zulassung in diesem Marktsegment mussten nach dem Regelwerk der A AG als Marktveranstalterin nämlich u.a. die Zulassungsvoraussetzungen zum geregelten Markt erfüllt werden. Dazu gehörte in einem Unternehmensbericht gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 2 Börsengesetz a.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 Verkaufsprospektverordnung die Mitteilung des Gesamtumsatzes des letzten Geschäftsjahres (vgl. Senat, Beschluss vom 7.11.2003 – 5 W 31/03, AG 2004, 453, Juris-Rz. 9; Urteil vom 15.10.2004 – 5 U 262/03, unveröffentlicht).
Die unrichtige Angabe war auch adäquat ursächlich, denn die Zulassung der Aktien und der spätere Erwerb durch einen Anleger sowie dessen Schädigung lagen nahe.
Es kann ausgeschlossen werden, dass der Kläger Aktien der Beklagten auch dann erworben hätte, wären die richtigen Umsatzzahlen bekannt gegeben worden.
Es trifft zwar zu, dass für den Börsengang ein bestimmter Mindestumsatz nicht Voraussetzung war und auch bei Angabe korrekter Umsatzzahlen möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit bestand jedoch nur theoretisch.
Es ist weder von der Beklagten, die insoweit nach den allgemeinen Regeln die Darlegungslast hat, hierzu konkreter Vortrag gehalten noch sonst ersichtlich, dass sich bei Angabe der zutreffenden, deutlich geringeren Umsatzzahlen, an denen dann möglicherweise eine Steigerung ablesbar gewesen wäre, aber keine solche um 756 %, wie, was dem Senat aus anderen Verfahren gegen die Beklagte bekannt ist, in der „Erläuterung zum Zwischenbericht zum 31. August 1999 und Ausblick“ (S. 89 des Verkaufsprospekts/Unternehmensberichts) unrichtig verlautbart, eine Bank bereitgefunden hätte, die Emission, die in diesem Fall nicht erfolgversprechend gewesen wäre, zu begleiten.
Dies hat C im übrigen auch bei seiner Beschuldigtenvernehmung eingeräumt und ausgesagt, der tatsächliche Umsatz des Jahres 1998 hätte für den geplanten Börsengang nicht gereicht. Gleiches habe für die Umsatzzahlen aus dem Jahr 1999, die im Herbst 1999 absehbar gewesen seien, gegolten (Seite 8/9 der Vernehmungsniederschrift).
Hiernach kommt es auf eine angebliche Verkaufsstimmung und den Streit der Parteien um die Kausalität unzutreffender Umsatzzahlen/ad-hoc-Mitteilungen für die Kaufentscheidungen des Klägers und dessen Kenntnis der Verlautbarungen der Beklagten nicht an. Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob der Kläger den Prospekt kannte oder besaß, ebensowenig darauf, dass es sich angesichts des Volumens seiner Käufe bei ihm nicht um einen typischen Anleger der Beklagten handeln mag. Denn auch der Kläger vorliegenden Verfahrens hätte die Aktien der Beklagten nicht erwerben können, wäre sie nicht an die Börse gegangen.
Die von der Beklagten vorgelegten Beschlüsse des Bundesgerichtshofes vom 28. November 2005 (II ZR 246/04 und II ZR 80/04) rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.
Ausweislich der Gründe der Beschlusse war in jenen Fällen die Haftung mit von C bzw. der Beklagten veröffentlichten bewusst unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen und einer hierauf hervorgerufenen Anlagestimmung begründet worden, nach der vom Bundesgerichtshof gebilligten Ansicht der Vorinstanz waren die maßgeblichen Voraussetzungen der Kausalität dieser falschen Kapitalmarktinformation für die Anlegeentscheidung nicht hinreichend dargelegt worden.
Im Streitfall hat der Kläger sich aber nicht allein auf unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen, sondern auch auf die Unrichtigkeit des Prospekts gestützt. Der Senat weicht bei der Beurteilung der Kausalitätsfrage daher von den maßgeblichen Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht ab.
Der Kläger hat einen Vermögensschaden erlitten, für den die richtige Prospektangabe adäquat ursächlich war.
Insoweit schuldet die Beklagte, da auch die weiteren Voraussetzungen der Haftungsnorm vorliegen, Naturalrestitution (§ 249 BGB) in Form der Erstattung der gezahlten Kaufpreise unter Anrechnung der erzielten Veräußerungserlöse, ohne dass wegen der Investitionen in ein Papier des hoch spekulativen Neuen Marktes eine Einschränkung gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 [Infomatec], BGHZ 160, 149, Juris Rdz. 42).
Der Anleger ist im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die für den Prospekt Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Mitteilung nachgekommen wären. Da der Kläger in diesem Fall mangels Börsengangs der Beklagten die Aktien nicht erworben hätte, kann er nach § 249 Abs. 1 BGB Geldersatz in Höhe des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises unter Anrechnung der erzielten Veräußerungserlöse (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 [Infomatec], Juris-Rz. 40) verlangen, die Beträge als solche sind jeweils unstreitig.
Der Schaden ist nicht mit der Begründung zu verneinen, der Wert der gekauften Aktie entspreche immer dem Börsenkurs, weil der Wert der durch die Aktie verkörperten Mitgliedschaft nicht von dem jeweiligen Börsenkurs, der spekulativ oder von sonstigen, nicht wertbezogenen Faktoren beeinflusst sein kann, bestimmt wird, sondern von dem wirklichen Wert des Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 172/81, NJW 1982, 2827, Juris-Rz. 16 m. w. N.).
Hypothetische Verluste wegen anzunehmender Anlagen des Klägers in andere am Neuen Markt gehandelter Papiere schließen den Schaden nicht aus.
Es gibt keine Erfahrungssätze zu typischem Anlegerverhalten, die den Schluss auf entsprechende Anlageentscheidungen des Klägers zuließen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 17. März 2005 – 1 U 149/04, AG 2005, 401, Juris-Rz. 16). Denn die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienkäufers stellt einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss dar, bei derartigen individuell geprägten Willensentschlüssen gibt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 [Infomatec], Juris-Rz. 41).
Konkreten Vortrag zu einer bestimmten anderen Anlageentscheidung des Klägers hat die hiefür darlegungsbelastete Beklagte hingegen nicht gehalten.
Der Schutzzweck der Norm steht einer vollumfänglichen Haftung der Beklagten ebenfalls nicht entgegen.
Da der Kläger bei redlichem Verhalten des früheren Vorstands Aktien der Beklagten nicht erworben hätte, ist die Einbuße, die auf einem durch etwaige andere Gründe verursachten Kursverlust der Aktien beruht, Folge des Erwerbs und daher als adäquat verursachter Schaden gleichfalls zu ersetzen. Infolgedessen kommt eine Beschränkung der Haftung auf einen etwaig geringeren Kursverlust, der bei isolierter Berücksichtigung der Prospektunrichtigkeit zu ermitteln wäre, nicht in Betracht.
Im übrigen unterliegt der Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung nach der Rechtsprechung des Senats nicht den Beschränkungen der §§ 44, 45 BörsG (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2003 – 5 W 34/02, OLGReport Frankfurt 2003, 193), so dass unter dem Blickwinkel des Rechtswidrigkeitszusammenhangs/Schutzzwecks der Haftungsnorm für eine unrichtige Prospektangabe, die auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung i.S. des § 826 BGB erfüllt, eine Beschränkung der Rechtsfolgen zugunsten des Schädigers nicht veranlasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 [Infomatec], a. a. O, Juris-Rz. 43. für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen).
Der subjektive Tatbestand des § 826 BGB ist erfüllt.
C wusste, dass die Umsatzangaben im Verkaufsprospekt/ Unternehmensbericht für die Jahre 1998 und 1999 weitgehend unrichtig waren, weil er die zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle vorgetäuscht hatte, um den Börsengang zu ermöglichen.
Er handelte mit direktem Vorsatz, wobei es im Rahmen des § 826 BGB genügt, dass der Täter die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgend welcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens voraussieht und mindestens billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – IIZR 402/02 [Infomatec] a.a.O. Rdz. 47).
C wusste, dass nur infolge seines Täuschungsmanövers der Börsengang und der Handel mit Aktien der Beklagten ermöglicht wurde und unterblieben wäre, hätte er die richtigen Umsatzzahlen genannt. Dass dadurch die Anleger am Sekundärmarkt in der dargestellten Weise geschädigt werden würden, nahm er hierbei billigend in Kauf.
Diese vorsätzliche Falschangabe ist sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB, d.h. als „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßend, anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 [Infomatec], a. a. O., Juris-Rz. 49).
Dafür genügt zwar nicht die bloße Tatsache eines Verstoßes gegen eine gesetzliche Vorschrift und der Vermögensschädigung Dritter. Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens muss sich vielmehr aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben. Das ist hier deshalb der Fall, weil C die Schädigung eines großen Anlegerkreises aus Eigennutz billigend in Kauf nahm. Die Vorspiegelung von Umsätzen, die in Wahrheit in wesentlich geringerem Umfang angefallen waren, hatte das Ziel, das Unternehmen an die Börse zu bringen, weil die D AG nach der Einlassung des C sonst über kurz oder lang am Ende ihrer Mittel gewesen und zur Betriebsaufgabe gezwungen gewesen wäre (Seite 11 der Vernehmung). Diese Manipulation der Zahlen zeigt, dass C bedenkenlos bereit war, sich über grundlegende Anforderungen des Kapitalmarkts hinwegzusetzen, um den Börsengang zu ermöglichen.
Der Einwand der Beklagten, ihrem früheren Vorstand sei es um einen Kursanstieg und damit um eine Bereicherung der Anleger gegangen, entlastet ihn nicht.
Das Verhalten des C ist gleichwohl als objektiv unlauter zu qualifizieren, im Rahmen des § 826 BGB muss die Verfolgung eigener Zwecke weder vorrangiges noch End-Ziel der ungesetzlichen Handlungsweise sein (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 [Infomatec], a. a. O., Juris-Rz. 50).
Für den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) des Klägers bei der Entstehung des Schadens, weil er in ein hochspekulatives Papier investiert habe, ist rechtlich kein Raum (Schwark, § 45 BörsG, Rz. 56).
Für die vorsätzliche Falschinformation ihres Organs gegenüber dem Anlegerpublikum des Sekundärmarktes hat die Beklagte nach § 31 BGB einzustehen, sofern – wie hier – § 826 BGB verletzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, Juris Rdz. 15; Senatsbeschluss vom 14. Februar 2003 – 5 W 34/02, OLG-Report Frankfurt 2003, 193).
Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht das Verbot der Einlagenrückgewähr im Sinne von § 57 Abs. 1 AktG oder des Verbots des Erwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff AktG) nicht entgegen.
Das Integritätsinteresse des durch ein vorsätzlich sittenwidriges, der Gesellschaft zurechenbares Handeln des Vorstands geschädigten Anlegers, der wie hier die Aktien durch derivative Umsatzgeschäfte auf dem Sekundärmarkt erworben haben, hat Vorrang vor dem in den Vorschriften der §§ 57, 71 Abs. 2 S. 2 AktG zum Ausdruck kommenden Gedanken der Kapitalerhaltung und Vermögensbindung, zumal der Umstand, dass es im Rahmen einer Schadensabwicklung zu einer Übernahme eigener Aktien kommen kann, lediglich Folge der kapitalmarktrechtlichen Naturalrestitution unter Wahrung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbotes ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, Juris Rdz. 16 ff).
Das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53 a AktG) ist nicht tangiert, weil die beklagte Aktiengesellschaft den Schadensersatz begehrenden Aktionären unabhängig von deren Aktionärsstellung als Schuldnerin gegenüber steht. Dass es bei einer Vielzahl von Gläubigern unter diesen zu einem „Wettlauf“ kommen mag, ist keine Besonderheit des vorliegenden Falles.
Der von der Beklagten erhobene Einwand der Verjährung greift gegenüber dem deliktischen Anspruch nicht durch, nachdem bei Zustellung der Klage am 13. November 2003 die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war und durch Eintritt der Rechtshängigkeit gehemmt worden ist (§§ 195, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB). Der Lauf der Verjährung begann erst mit dem Schlusse des Jahres, in dem der Kläger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangte (§ 199 Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB), mithin hier nicht vor dem 31.12.2002, nachdem am 20.02.2002 bekannt geworden war, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E ihr Mandat wegen Unregelmäßigkeiten bei der Beklagten niedergelegt hatte.
Die geltend gemachten Zinsen sind dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Verzuges durch Klageerhebung (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB) ab dem auf die Zustellung folgenden Tag (§ 187 Abs. 1 ZPO), also ab dem 14. November 2003 zuzuerkennen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Frage, ob der aktienrechtliche Kapitalerhaltungsgrundsatz und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien einen Anspruch gegen die Gesellschaft aus § 826 BGB ausschließen, ist zwischenzeitlich durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02 geklärt, von der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes zur Kausalität bei Inanspruchnahme wegen unrichtiger Unternehmensmitteilungen weicht der Senat nicht ab.