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Verkehrssicherungspflicht – 10 Zentimeter hohe Treppenstufe in Hauseingang

OLG Hamm – Az.: I-7 U 76/19 – Urteil vom 09.04.2021

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.09.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (AZ I-2 O 67/19) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO)

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Verkehrssicherungspflicht - 10 Zentimeter hohe Treppenstufe in Hauseingang
(Symbolfoto: Patryk Kosmider/Shutterstock.com)

Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich ergänzten Beweisaufnahme durch Einholung eines lichttechnischen Gutachtens teilt der Senat die Ansicht des erstinstanzlich erkennenden Richters, dass die streitgegenständliche Stufe in einer Entfernung von 2,45 m vom Hauseingang mit einer Höhe von ca. 10 cm auf der zur Straße hin abschüssigen Zuwegung des Grundstücks der Beklagten, G-Str. ## in N zum Unfallzeitpunkt ausreichend erkennbar war. Damit ist der Sturz des Klägers am 00.00.2018 gegen 6 Uhr morgens nicht durch die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten verursacht. Im Einzelnen:

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 23.04.2020 – III ZR 250/17 – juris Rn. 25 m. w. N.) ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer zu vermeiden. Da eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, aber nicht zu erreichen und nach der berechtigten Verkehrsauffassung auch nicht zu erwarten ist, reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht angesichts dessen nur dann, wenn eine Gefahrenquelle geschaffen oder andauern gelassen wird, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2014 – VI ZR 299/13 – juris Rn. 9 m.w.N.; so auch BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16 – juris Rn. 13). Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen zur Gefahrenabwehr ist folglich (nur) dann geboten, wenn sich bei sachkundiger Beurteilung die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung Anderer ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06 – juris Rn.10 m. w. N.).

2.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Einzelfall – im Ergebnis mit der erstinstanzlichen Entscheidung übereinstimmend – zur Verneinung einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle:

Es ist nicht in Zweifel zu ziehen, dass gerade Treppenstufen im Hauseingangsbereich eine Gefahrenquelle darstellen können. Daher ist sicherzustellen, dass sie als solche bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt rechtzeitig erkennbar sind. Dies war bei der streitgegenständlichen Stufe nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlich durchgeführten umfassenden Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse, des Benutzerkreises sowie der konkreten optischen und witterungsbedingten Ausgestaltung des Weges der Fall. Weder die vom Kläger gerügte fehlende und vom Sachverständigen empfohlene Markierung noch eine unzureichende Beleuchtung vermögen die Annahme einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle zum Zeitpunkt des Sturzes zu begründen.

a.

Nach den Feststellungen im lichttechnischen Gutachten (Anlage A 5) befindet sich ausgehend vom Hauseingang hinter der Haustür zunächst ein ca. 13 cm hoher Absatz. Dieser mündet in den rund 2,20m breiten, zum Bürgersteig hin abschüssigen und insgesamt ca. 8,45 m langen Zuweg. In einer Entfernung von 2,45m vom Absatz aus befindet sich die streitgegenständliche Stufe mit einer Höhe von rund 10 cm.

Diese ist optisch deutlich durch ihre Ausgestaltung als ein sich über die gesamte Wegbreite erstreckendes Element von dem im Übrigen gepflasterten Weg abgesetzt. Dadurch wird – wie üblich – der Charakter als Stufenstein optisch hervorgehoben. Einer gesonderten Markierung – wie vom Sachverständigen empfohlen – bedurfte es daher (noch) nicht. Die vom Sachverständigen festgestellten alters- und witterungsbedingten farblichen Angleichungen zwischen den Pflastersteinen und dem Stufenelement über die gesamte Stufenbreite führen zu keiner anderen Bewertung, da jedenfalls zum Zeitpunkt der dem Sturz nachfolgenden Begutachtung die unterschiedliche Gestaltung des Zuwegs noch hinreichend vor der Stufe warnte.

b.

Letzteres war auch unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse am frühen Morgen der Fall:

Nach dem überzeugenden anhand von Lichtbildern dokumentierten Ergebnis der lichttechnischen Untersuchung war der Stufenstein für den Kläger beim Verlassen des Hauses als solcher unschwer zu erkennen. Soweit der Sachverständige gleichwohl meint, wahrnehmungspsychologisch sei wegen der zunehmenden Verwitterung des Stufensteins der Rückschluss auf eine Stufe nicht zwingend, teilt der Senat diese Wertung nicht. Auch wenn auf den Lichtbildern (Anlagen A 19 ff. des Gutachtens) eine Verwitterung des Stufensteines erkennbar ist, so hebt diese jedoch seine Kennzeichnungsfunktion (noch) nicht auf. Vielmehr stützt die Gestaltung der ca. 8,45m langen Zuwegung diese; denn der Höhenunterschied zwischen höhergelegenem Hauseingang und tiefer gelegenem Bürgersteig wird dadurch hervorgehoben, dass mittels der Pflasterung optisch insgesamt ein Treppencharakter angelegt wurde. Die Einheitlichkeit der Pflasterung ist nämlich dadurch aufgehoben, dass in regelmäßigen Abständen in Querrichtung eine Reihe kleinerer Pflastersteine eingebracht ist. So entsteht optisch der Eindruck langgezogener Treppenstufen über die gesamte Länge des Zuwegs. Innerhalb dieses Bereichs hebt sich das einzig nicht gepflasterte streitgegenständliche Stufenelement, das die einzige tatsächlich vorhandene Stufe markiert, deutlich als „Fremdkörper“ hervor. Vor diesem Hintergrund ist dem Sachverständigen lediglich zuzugestehen, dass seine Empfehlung zur Anbringung einer farblichen Markierung die Sicherheit weiter erhöht hätte. Erforderlich aber war eine solche Markierung zum Unfallzeitpunkt (noch) nicht, da trotz zunehmender Verwitterung die Warnfunktion eben durch die insgesamt auffällige Gestaltung des Zuwegs (noch) vorhanden war. Infolgedessen war die Gefahrenstelle auch für den Kläger bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt beim Verlassen des Hauses am frühen, noch dämmerigen Morgen rechtzeitig erkennbar. Da ihm im Übrigen auch beim Betreten des Hauses die Gestaltung des Zuwegs und der Stufe nicht verborgen geblieben sein kann, war es ihm sogar überobligatorisch möglich, sich auf die bereits bekannte und aktuell erkennbare Stufe einzustellen. Dass er dies nicht ausreichend getan hat, belegt sein (bedauerlicher) Sturz. Dieser unterfällt in rechtlicher Hinsicht seinem allgemeinen Lebensrisiko und ist nicht der Beklagten zuzurechnen, eben weil eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich erst dort beginnt, wo – anders als vorliegend – auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist.

c.

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung lässt sich damit auch nicht mit Blick auf einen Verstoß gegen § 14 BauO BY begründen. Soweit danach gemäß Abs. 1 bauliche Anlagen und die dem Verkehr dienenden nicht überbauten Flächen bebauter Grundstücke verkehrssicher sein müssen und nach Abs. 2 die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht gefährdet werden darf, waren – wie gezeigt – diese Anforderungen im Unfallzeitpunkt gewahrt.

II.

Mangels Haftung der Beklagten ist auch der auf Feststellung einer Ersatzpflicht sämtlicher weiterer materieller und immaterieller Schäden gerichtete klägerische Antrag unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die diesbezüglichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

 

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