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Verkehrssicherungspflicht Bauunternehmer – Abstellen eines Bauzaunes auf dem Bürgersteig

AG Hamburg-Altona, Az.: 315b C 308/12, Urteil vom 04.04.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.132,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.10.2011 sowie weitere 155,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 31.03.2013 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche zukünftigen Schäden aus der Verkehrssicherungspflichtverletzung (Nichtabsicherung eines Zauns) vom 12. Oktober 2009 in der Pstraße in H mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits bei einem Streitwert von € 1.500 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Verkehrssicherungspflichten und die sog. Interventionswirkung.

Die Beklagte war im Spätsommer 2009 als Subunternehmerin auf einem Bauvorhaben in der Pstraße 11 in H mit dem Gewerk Rohbauleistungen tätig. Dort behauptete Verkehrssicherungspflichtverletzungen durch ungesichert abgestellte Bauzäune und ein hierdurch am Fahrzeug der Klägerin entstandener Lackschaden stehen zwischen den Parteien im Streit. Vorgerichtliche anwaltliche Mahnungen, Schadenersatz zu leisten, u. a. vom 25.10.2011, blieben erfolglos.

Die Klägerin verkündete der Beklagten in einem vorangegangenen Zivilrechtsstreits vor dem Amtsgericht Hamburg-Altona zum Geschäftszeichen 318 a c 257/10, mit dem sie den Generalunternehmer des Bauvorhabens in der Pstraße 11 auf Schadenersatz in Anspruch nahm, mit am 16.8.2011 zugestellten Schriftsatz vom 24.5.2011 den Streit. Auf das klagabweisende Urteil vom 17.8.2011, gegen das eine Berufung erfolglos blieb, wird ergänzend Bezug genommen. Die Beklagte trat dem Rechtsstreit nicht bei.

Die Klägerin behauptet, am 12.10.2009 habe ein Kind einen ungesichert an der Hauswand lehnenden Bauzaun versehentlich umgeworfen, der auf das Fahrzeug der Klägerin gestürzt sei und hierdurch Schäden verursacht habe, für die ergänzend auf die Lichtbilder Anlage K 1 verwiesen wird. Die Klägerin macht die Nettoreparaturkosten auf Basis eines kostenpflichtigen Kostenvoranschlags geltend, wofür auf Anlage K 2 ergänzend Bezug genommen wird, und verlangt eine Kostenpauschale von € 25. Für die Zusammensetzung der mit der Klage geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wird ergänzend auf S. 7 f. der Klagschrift Bezug genommen.

Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, aufgrund der Nebeninterventionswirkung der Streitverkündung sei der Beklagten die Berufung auf den Vortrag verwehrt, sie sei für den umgestürzten Bauzaun nicht verantwortlich.

Die Klägerin beantragt mit der am 31.1.2013 zugestellten Klage:

Verkehrssicherungspflicht Bauunternehmer - Abstellen eines Bauzaunes auf dem Bürgersteig
Symbolfoto: Von Gajus/Shutterstock.com

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.132,14 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2011 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche zukünftigen Schäden aus der Verkehrssicherungspflichtverletzung (Nichtabsicherung eines Zauns) vom 12. Oktober 2009 in der Pstraße in H mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. € 155,30 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Lagerung von Bauzäunen an dem Bauvorhaben zum fraglichen Zeitpunkt, zu dem ihre Arbeiten bereits beendet gewesen seien. Den Schadenshergang bestreitet sie mit Nichtwissen und verweist auf die Haftung des Aufsichtsperson des Kindes. Fiktive Verbringungskosten hält sie nicht für ersatzfähig.

Im Übrigen wird für den Vortrag der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat über die Herkunft des Bauzauns Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R und über den Schadenshergang durch Vernehmung der Zeugen B, F und N. Für das Ergebnis dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 5.1.2013 sowie vom 13.3.2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haftet die Beklagte dem wegen der fahrlässigen Verletzung einer Schutzpflichtverletzung, § 823 Abs. 1 BGB.

I.

Diese Haftung rechtfertigt sich dort, wo jemand eine besondere Gefahrenlage schafft und erforderliche und zumutbare Maßnahmen zum Schutz Dritter vor Schädigungen vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt (Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Randnr. 46; BGH, NJW 2006, 610 (611)) und hierdurch ein Schaden verursacht wird. Insbesondere ein Bauunternehmer muss Dritte vor Schäden bewahren, wenn sie vorhersehbar mit den Gefahren der baulichen Anlage in Berührung kommen (BGH, NJW 1997, 582 (583)). Beweist der Geschädigte eine objektive Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, sind zu seinen Gunsten Beweiserleichterungen bei der Prüfung des subjektiven Verschuldens in Betracht zu ziehen (BGH, Urt. v. 14.3.1985 – III ZR 206/83 Tz. 19). Und um der Beweislast für einen solchen schadensursächlichen Pflichtenverstoß zu genügen, bedarf es keiner absoluten Gewißheit oder einer „an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“; vielmehr reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 – VI ZR 139/02, NJW 2003, 1116 BGH NJW 1970, 946 BGH VersR 1977, 721 KG, NJW 1989, 2948).

Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung vom 13.3.2014 ist das Gericht vom Vortrag der Klägerin überzeugt, dass ihr Fahrzeug durch einen ungesichert umstürzenden Bauzaun beschädigt worden ist, § 286 ZPO. Zwar hat der Zeuge N nichts Belastbares mehr zum behaupteten Schadenshergang bekunden können. Die Zeuginnen F und B haben den Vortrag der Klägerin jedoch nach Auffassung des Gerichts glaubhaft und trotz des Zeitablaufes hinreichend tragfähig bestätigt. Beide haben zunächst ehrlich eingeräumt, nur noch vage Erinnerungen zu haben. Auf den Vorhalt eigener Berichte in zeitnahen emails haben jedoch beide Zeuginnen glaubhaft und plausibel bestätigt, dass die Schäden an dem Fahrzeug durch einen umgestürzten Bauzaun verursacht worden sind. Die Zeugin B – unbeteiligt und in keinem der Lager stehend – hat sich erinnert, dass der Zaun durch ein Kind berührt wurde und dadurch umgestürzt ist. Frau F hat eingeräumt, den Schadenshergang nicht beobachtet, aber den Bauzaun auf dem Wagen liegend vorgefunden zu haben. Das überzeugt das Gericht.

Es verkennt dabei weder die Nähe der Zeugin F zur Klägerin noch die problematische Belastbarkeit dieser Aussagen, die sich auf (unstreitig) selbst gefertigte Berichte stützen mussten. Vor allem die Aussage Frau B aber, die kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, überzeugt hier das Gericht vom Klägervortrag, denn es ist nichts erkennbar, was die Zeugin hier mit zu einem wahrheitswidrigen Unfallbericht bewegt hätte. Nahe einem Kindergarten einen Bauzaun ungesichert auf dem Bürgersteig so abzustellen, dass bereits eine Berührung durch ein Kind zum Umfallen führen kann, stellt dann jedoch eine fahrlässige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Auf ein Verschulden des Kindes oder der Aufsichtspflichtigen kommt es nicht, da die Beklagte selbst in diesem Fall auf den vollen Schaden haftete, § 840 BGB.

II.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass dieser Zaun nicht von ihr stamme und sie insofern nicht für den Schaden verantwortlich sei, kann sie mit dieser Verteidigung nach dem Urteil vom 17.8.2011 nicht mehr gehört werden. Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat im Vorprozess Ansprüche gegen den Generalunternehmer verneint, weil dieser die Beklagte mit der selbständigen Errichtung der Bauzäune beauftragt habe. Angesichts der wirksamen Streitverkündung im Vorprozess ist ihr der Einwand zu versagen, dass der Vorprozess unrichtig entschieden sei, §§ 68, 72 ZPO.

Diese sog. Nebeninterventionswirkung erfasst für die im Folgeprozess relevante Frage alle tragenden tatsächlichen Feststellungen und deren rechtliche Beurteilung, soweit die Vorentscheidung auf ihnen beruht (Dressler, in: Beck‘scher Online-Kommentar ZPO, § 68 Randnr. 9 f. m. N.). Die hierfür erforderliche Streitverkündung ist hier mit der gerichtlichen Zustellung des entsprechenden Klägerschriftsatzes erklärt worden und war auch in der Sache gemäß § 72 Abs. 1 ZPO berechtigt, weil anbetrachts der Verteidigung des Generalunternehmers dieser selbst oder die hiesige Beklagte alternativ haften würden (vgl. BGH, NJW 1989, 521 (522) m. N.).

Der Beklagten ist hier zwar zuzugeben, dass das Urteil in der Sache 318 a c 257/10 nicht ausdrücklich ausführt, dass die hiesige Beklagte statt des Generalunternehmers für die Lagerung und Sicherung der Bauzäune verantwortlich war. Unausgesprochen beruht das Urteil jedoch genau auf dieser Feststellung. Im vorangegangenen Rechtsstreit standen nämlich nur der dortige Beklagte und die damalige Streitverkündete als denkbare Verantwortliche in Frage. Stehen aber nur zwei Alternativen zur Auswahl, von denen die Annahme der einen die andere ausschließt, so nimmt auch diese Entscheidung an der Interventionswirkung teil (OLG Köln, NJW-RR 1992, 119 (120)). Die Klage des Vorprozesses wurde abgewiesen, weil der Generalunternehmer auf die Beauftragung der Beklagten verwiesen hatte, nicht, weil er die Herkunft der Zäune mit Nichtwissen bestritten hatte. Dies muss die Beklagte gegen sich gelten lassen.

Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie ihre Verteidigung angesichts der Lage des Rechtsstreits im Zeitpunkt der Streitverkündung nicht mehr habe vorbringen können (§ 68 Hs. 2 ZPO). Ihr hätte neben einem Antrag auf Wiedereröffnung – die verspätete Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes um mehrere Monate lag in der Verantwortung des Gerichts – die Möglichkeit einer Berufungseinlegung (Dressler, a. a. O. Randnr. 15) oder des Beitritts in der Berufungsinstanz offen gestanden, und angesichts des Verfahrensfehlers wäre immerhin der Versuch ergänzenden Vortrags zumutbar gewesen. Beweisantritte aus der Sphäre der Streithelferin wären etwa potentiell nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen gewesen, weil das Gericht die Streitverkündungsschrift vom 24.5.2011 fälschlich zunächst D statt der hiesigen Beklagten zugestellt worden war.

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III.

Da nach der Beweisaufnahme eine Schadensverursachung durch die Beklagte feststeht, ist der durch Lichtbilder und Kostenvoranschlag hinreichend dargelegte Schaden auch der Höhe nach anzuerkennen, § 287 ZPO.

Auch die fiktiven Verbringungskosten sind, weil sie ausweislich des Kostenvoranschlags bei der gewählten Werkstatt anfallen werden, zu ersetzen (LG Essen 23.10.07 – 13 S 103/07; OLG Düsseldorf 16.6.08 – 1 U 246/07 LG Dortmund 28.11.08 – 17 S 68/08 = zfs 09, 265; LG Hanau 9.4.10 – 2 S 281/09; LG Hildesheim 1.4.10 – 7 S 254/09; LG Kiel: Hinweisbeschluss vom 15.02.2010 – 1 S 107/09). Die Klägerin ist nicht gehalten, sich zur Entlastung der Schädigerin auf die Suche nach der günstigsten Werkstatt zu begeben.

Die zugesprochene Verzinsung rechtfertigt sich aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.

Der Feststellungsantrag rechtfertigt sich aus den der Klägerin bei Reparaturdurchführung drohenden weiteren Kosten, § 256 ZPO.

Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sind Bestandteil des geschuldeten Schadenersatzes, § 249 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, § § 249 Randnr. 39).

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11,711 ZPO. Der Streitwert war zu schätzen, § 3 ZPO.

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