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Verkehrssicherungspflicht Bürgersteig in Silvesternacht

Glatteisunfall: Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abgewiesen.

Eine Frau hat die Eigentümerin eines Grundstücks und die mit dem Winterdienst beauftragte Firma auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Die Klägerin behauptet, sie sei am 31. Dezember 2015 zwischen 22:40 Uhr und 23:30 Uhr auf dem Gehweg vor dem Grundstück ausgerutscht und habe sich dabei eine offene Fraktur zugezogen, weil der Gehweg glatt gewesen sei. Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen, da die Glätte erst nach 20 Uhr aufgetreten sein könnte und die Beklagten somit ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hätten. Die Klägerin hat Berufung eingelegt, welche jedoch keine Erfolgsaussichten hat, da auch dann, wenn sich der Unfall so ereignet hat, wie von der Klägerin behauptet, nicht feststeht, dass die Verletzungen auf eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten zurückgehen. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der unterlassene Winterdienst erst ab dem Morgen des 1. Januars eine Pflichtwidrigkeit darstellt. Vor einem Wohngrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr bestehe auch in der Silvesternacht keine gesteigerte Winterdienstpflicht.


KG Berlin – Az.: 21 U 16/18 – Beschluss vom 15.05.2018

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2018 durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich ohne Erfolgsaussichten ist, der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Glatteisunfalls in Anspruch.

Am 31. Dezember 2015 stürzte die Klägerin zwischen 22.40 Uhr und 23.30 Uhr und zog sich dabei eine offene Fraktur der rechten Patella zu, die operativ versorgt werden musste. Sie behauptet, zu dem Sturz sei es auf dem Gehweg vor dem Grundstück T… Straße …, … Berlin gekommen, weil dieser aufgrund von Glatteis rutschig gewesen sei. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin dieses Grundstücks, sie beauftragte die Beklagte zu 2) mit der Durchführung des Winterdienstes.

Mit Urteil vom 17. Januar 2018 hat das Landgericht die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich nicht, dass die Glätte bereits vor 20 Uhr bestanden habe. Bei danach auftretendem Glatteis müsse der Streupflichtige den Winterdienst erst bis 7 Uhr des folgenden Tages bzw. bei Sonn- oder gesetzlichen Feiertagen bis 9 Uhr ausführen (§ 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz), sodass die Beklagten davor ihre Verkehrssicherungspflichten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB nicht verletzt hätten.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen und den weiteren Einzelheiten der Begründung des Gerichts wird auf das Urteil vom 17. Januar 2018 verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keine Erfolgsaussichten. Das Landgericht hat ihre Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Verkehrssicherungspflicht Bürgersteig in Silvesternacht
Glatteisunfall: Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abgewiesen. (Symbolfoto: Endless luck/Shutterstock.com)

Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich der Unfall so wie von ihr vorgetragen ereignet hat. Auch in diesem Fall steht nicht fest, dass ihre Verletzungen auf eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten zurückgehen. Es ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, dass sich im Bereich der T… Straße … schon vor 20 Uhr Glatteis gebildet hatte. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Glatteis erst danach auftrat. In diesem Fall hätte der Winterdienst erst bis zum Morgen des 1. Januar 2016, 9 Uhr, durchgeführt werden müssen, da dieser ein gesetzlicher Feiertag ist (§ 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz).

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der unterlassene Winterdienst im Grundsatz erst von diesem Zeitpunkt an eine Pflichtwidrigkeit darstellt.

Vor besonders frequentierten Orten (Bahnstationen, Gaststätten, Veranstaltungsorte etc.) mag Anderes gelten, dort kann auch zur Nachtzeit eine Pflicht zum Winterdienst bestehen. Um einen solchen Ort handelt es sich hier aber nicht.

Vor einem Wohngrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr besteht auch in der Sylvesternacht keine gesteigerte Winterdienstpflicht. Dies ist weder dem Berliner Straßenreinigungsgesetz zu entnehmen noch aus anderen Gründen geboten. Dass sich in dieser Nacht zur Feier des Jahreswechsels eine höhere Anzahl von Menschen vorübergehend im Freien befindet, muss keineswegs den Winterdienst der Eigentümer privater Wohngrundstücke verschärfen, denn es gibt keinen Grundsatz, dass gegen jedwedes Fremdrisiko Vorkehrungen getroffen werden müssten.

Aus demselben Grund besteht in aller Regel – und so hier – auch keine Pflicht zum vorbeugenden Winterdienst. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Winterdienst unverzüglich nach dem Auftreten von Schnee oder Eisglätte geleistet wird – im Fall des Auftretens während der Nacht also bis zum folgenden Morgen.

Diese Bestimmung der Reichweite des Winterdienstes durch § 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz verstößt auch nicht gegen Bundesrecht – etwa § 823 Abs. 1 BGB -, sondern konkretisiert lediglich den Umfang der bundesgesetzlichen Verkehrssicherungspflicht.

Im Übrigen wird auf die in jedem Punkt zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen, denen sich der Senat anschließt.


Die wichtigsten betroffenen Rechtsbereiche in diesem Urteil sind:

  • Verkehrssicherungspflicht: Die Beklagten haben eine Verkehrssicherungspflicht als Eigentümerin und Beauftragte des Winterdienstes. Die Klägerin behauptet, dass diese Pflicht verletzt wurde, indem der Gehweg nicht gestreut wurde und sie infolgedessen gestürzt ist. Das Gericht prüft, ob die Beklagten ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen sind.
  • Berliner Straßenreinigungsgesetz: Das Berliner Straßenreinigungsgesetz regelt den Umfang der Verkehrssicherungspflichten von Eigentümern und Beauftragten des Winterdienstes in Berlin. Das Gericht prüft, ob die Beklagten gemäß dieser Bestimmungen ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen sind.
  • Schadensersatz und Schmerzensgeld: Die Klägerin fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund der erlittenen Verletzungen. Das Gericht prüft, ob ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld besteht und ob die Beklagten für den Schaden verantwortlich sind.
  • Beweislast: Die Klägerin muss beweisen, dass die Beklagten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben und dass diese Verletzung für den Unfall verantwortlich ist. Das Gericht prüft das Vorbringen der Klägerin und entscheidet, ob ihre Argumentation ausreichend ist, um die Beklagten für den Unfall verantwortlich zu machen.

Insgesamt stellt das Urteil fest, dass die Beklagten ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen sind und somit keine Pflichtverletzung vorliegt, die für den Unfall der Klägerin verantwortlich ist. Das Urteil betont auch, dass die Bestimmungen des Berliner Straßenreinigungsgesetzes den Umfang der bundesgesetzlichen Verkehrssicherungspflicht konkretisieren und dass es in der Regel ausreichend ist, den Winterdienst unverzüglich nach dem Auftreten von Schnee oder Eisglätte durchzuführen.

Die 5 wichtigsten Aussagen in diesem Urteil und ihre Bedeutung:

  1. Die Beklagten haben ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt, da nicht feststeht, dass sich im Bereich des Unfallorts bereits vor 20 Uhr Glatteis gebildet hatte.
    Bedeutung: Für eine Haftung der Beklagten muss nachgewiesen werden, dass diese ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sind. Im vorliegenden Fall kann dies nicht bewiesen werden, da nicht feststeht, dass das Glatteis vor 20 Uhr aufgetreten ist.
  2. Der unterlassene Winterdienst stellt im Grundsatz erst ab dem Morgen des 1. Januar 2016 eine Pflichtwidrigkeit dar.
    Bedeutung: Die Pflicht zum Winterdienst tritt in der Regel erst dann ein, wenn Schnee oder Glatteis aufgetreten sind. Im vorliegenden Fall war der 1. Januar 2016 ein gesetzlicher Feiertag, weshalb der Winterdienst bis 9 Uhr durchgeführt werden musste.
  3. Vor einem Wohngrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr besteht auch in der Silvesternacht keine gesteigerte Winterdienstpflicht.
    Bedeutung: Die Pflicht zum Winterdienst hängt auch von der Art des Ortes ab. Vor einem Wohngrundstück ohne erhöhten Publikumsverkehr besteht keine gesteigerte Winterdienstpflicht.
  4. Es gibt keinen Grundsatz, dass gegen jedwedes Fremdrisiko Vorkehrungen getroffen werden müssten.
    Bedeutung: Eine erhöhte Anzahl von Menschen im Freien zur Feier des Jahreswechsels stellt kein erhöhtes Risiko dar, das die Winterdienstpflicht der Eigentümer privater Wohngrundstücke verschärfen würde.
  5. § 3 Abs. 1 Berliner Straßenreinigungsgesetz konkretisiert lediglich den Umfang der bundesgesetzlichen Verkehrssicherungspflicht und verstößt nicht gegen Bundesrecht.
    Bedeutung: Das Berliner Straßenreinigungsgesetz regelt den Umfang der Verkehrssicherungspflichten und konkretisiert damit die bundesgesetzliche Verkehrssicherungspflicht. Das Gesetz verstößt nicht gegen Bundesrecht.

 

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