OLG Köln – Beschluss vom 07.02.2012 – Az.: 10 U 16/11
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.09.2011 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 10 O 40/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstands für das Berufungsverfahren wird auf 20.275,64 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz, Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus einem Unfallereignis vom 02.07.2010, das sich in den Geschäftsräumen der Beklagten ereignet hat.
Am 02.07.2010 gegen 13.35 Uhr rutschte die Klägerin in der Obst- und Gemüseabteilung des von der Beklagten betriebenen Supermarkts in Sankt Augustin aus, kam zu Fall und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch, weswegen sie sich einer einwöchigen stationären Behandlung mit Operation im Krankenhaus in Siegburg unterziehen musste.
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte Anordnungen zur Kontrolle und Reinigung des Fußbodens in der Obst- und Gemüseabteilung während der Geschäftszeiten getroffen hat, inwieweit diese am Unfalltag eingehalten worden und ausreichend gewesen sind sowie welche weiteren Schäden die Klägerin durch den Unfall erlitten hat.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen sowie auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage der Klägerin auf Zahlung eines angemessenen, in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 5.000,- €, eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von 6.643,17 €, von Behandlungs- und sonstigen Nebenkosten in Höhe von 5.632,47 € sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.101,46 € und den zukünftige unfallbedingte Schäden betreffenden Feststellungsantrag nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen insgesamt abgewiesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie ist der Ansicht, das angefochtene Urteil beruhe auf unrichtiger Rechtsanwendung und falscher Tatsachenfeststellung, insbesondere fehlerhafter Beweiswürdigung. Der Aussage der Zeugin I. sei nicht zu entnehmen, dass die angeordneten halbstündigen Kontrollen mit eventueller Reinigung des Bodenbereichs am 02.07.2010 stattgefunden hätten. Da die Zeugin I. nach ihrem Bekunden am Unfalltag gegen 10.00 Uhr die Büros des Gebäudes und andere im oberen Stockwerk des Marktes gelegene Räume gereinigt habe, könne sie nicht um 10.00 Uhr den Fußboden in der im unteren Stockwerk gelegenen Obst- und Gemüseabteilung kontrolliert haben. Soweit nach ihrer Aussage nur drei im Schichtbetrieb tätige Frauen für die im gesamten Markt anfallenden Reinigungsarbeiten zur Verfügung stünden, sei auch unglaubhaft, dass die Zeugin I. die Reinigung der Büros und Räume im oberen Stockwerk immer rechtzeitig unterbreche und sich halbstündlich zur Kontrolle des Obst- und Gemüsestandes in das untere Stockwerk begebe. Hiermit sei eine Arbeitskraft neben der Reinigung der Büros und der anderen Räume überfordert. Die nach der Doku-Karte vom 02.07.2010 in der Zeit zwischen 14.00 und 15.30 Uhr und nach 21.00 Uhr offensichtlich nicht vorgenommene Kontrolle bzw. Reinigung belege, dass die halbstündige Reinigung nicht so genau eingehalten werde, wie von der Zeugin I. und der Beklagten bekundet. Durch den Voreindruck der Uhrzeiten auf der Doku-Karte würden die Mitarbeiter der Fa. T. auch der Aufgabe enthoben, die Uhrzeit der vorgenommenen Kontrolle selbst zu prüfen. Überdies sei bei der Beweiswürdigung unberücksichtigt geblieben, dass die Zeugin I. bei ihrer Befragung nach mehr oder weniger aufwendiger Darstellung des Sachverhalts die anschließenden Fragen mit nicht mehr als Ja oder Nein beantwortet habe. Daher sei nicht sicher, ob sie die Fragen richtig verstanden habe, und ihre Glaubwürdigkeit sowie die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht einschätzbar. Die Aussage des Zeugen E. gebe zu den tatsächlich getroffenen Vorkehrungen am 02.07.2010 zum Unfallzeitpunkt nichts her. Der Ablauf des Unfalles spreche gegen das Bestehen und die Wirksamkeit der Regelung, dass die Mitarbeiter der Obst- und Gemüseabteilung regelmäßig auch selbst auf die Sauberkeit des Bodens achten sollen. Angesichts eines im Unfallzeitpunkt nicht besonders hohen Kundenaufkommens im Bereich des Obst- und Gemüsestandes hätte der Unfall bei effektiver Durchführung zusätzlicher Kontrollen verhindert werden können.
Eine alle 30-40 Minuten nachweislich durchgeführte Kontrolle und Reinigung wäre im Übrigen auch nicht ausreichend. Da bei starkem Kundenandrang in dieser Zeit zahlreiche Obst- und Gemüsestücke auf den Boden der Abteilung fallen könnten und die Gefahr durch die lose Aufschichtung der Kirschen auf einem über 1 m² großen Tisch erheblich erhöht worden sei, hätte der Kontroll- und Reinigungsturnus erheblich verkürzt werden müssen. Nachdem die Beweisaufnahme eine effektive Kontrolle und Reinigung des Bodens im Bereich des Obst- und Gemüsestandes in ausreichendem zeitlichen Abstand nicht ergeben habe, liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16.09.2011 – 10 O 40/11 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie
1. ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen;
2. 6.643,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz € ab Klagezustellung zu zahlen;
3. weitere 5.589,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.943,57 € ab Klagezustellung und aus 1.645,60 € ab dem 31.05.2011 zu zahlen;
4. weitere 1.101,46 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz an vorgerichtlichen Anwaltskosten als Nebenforderung zu zahlen;
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden, die auf den Unfall am 02.07.2010 zurückzuführen sind, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Dritte übergangen sind; hilfsweise das Urteil des Landgerichts Bonn – 10 O 40/11- aufzuheben und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an das Landgericht Bonn zurückverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe in zutreffender Weise eine Verkehrssicherungspflichtverletzung verneint. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugen I. und E. sei diesen die Relevanz und Wichtigkeit der Einhaltung des halbstündlichen Kontrollrhythmusses bekannt gewesen, der Fußboden in der Obst- und Gemüseabteilung des Supermarkts halbstündlich kontrolliert und bei Bedarf gereinigt sowie die Durchführung dieser Kontrollen bzw. Reinigungen befolgt und beklagtenseits überprüft worden. Die Zeugin I. habe von den Büros im ersten Stockwerk über das in unmittelbarer Nähe der Obst- und Gemüseabteilung liegende Treppenhaus dorthin gelangen können, ohne eine längere Strecke zurücklegen zu müssen.
Soweit die Zeugin I. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am Unfalltag eine Kontrolle bzw. Reinigung der Obst- und Gemüseabteilung gegen 13.30 Uhr, frühestens um 13.25 Uhr und spätestens um 13.35 Uhr, somit zeitlich unmittelbar vor dem Unfallereignis vorgenommen habe, sei sie – die Beklagte – selbst für den Fall entlastet, dass die von ihren Mitarbeitern und den Mitarbeitern der Reinigungsfirma T. nach Anweisung durchgeführten Kontrollen nicht ausreichend gewesen sein sollten. Denn nach dem zeitlichen Ablauf des Unfalls könne ein etwaiges Organisationsverschulden ihrerseits für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich geworden sein.
II.
Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 06.01.2012 Bezug genommen.
Das ergänzende Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 30.01.2012 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung und kann ihrer Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Die den Mitarbeitern der Beklagten obliegende Kontrollpflicht beinhaltete – entgegen der Ansicht der Klägerin – keine durchgehende minütliche Kontrolle des Bodens im Bereich der Obst- und Gemüseabteilung zwischen den halbstündigen Reinigungsintervallen, insbesondere nicht wenige Minuten nach der nachweislich durchgeführten Kontrolle und Reinigung durch die Zeugin I.. Soweit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitens der Mitarbeiter der Beklagten in der Zeit zwischen den halbstündigen Reinigungsintervallen weitere Sichtkontrollen in der gesamten Obst- und Gemüseabteilung nachweislich durchgeführt worden sind, kann gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen und verhindert werden, dass wenige Minuten nach der Kontrolle durch die beauftragte Reinigungskraft Obst- oder Gemüsereste auf den Boden fallen und nicht sofort entfernt werden, da den Mitarbeitern der Beklagten neben den Kontrollpflichten im Bereich der Obst- und Gemüseabteilungen noch andere Aufgaben übertragen sind und ihnen eine ununterbrochene Kontrolle des gesamten Bereichs nicht möglich ist. Eine solche von der Klägerin geforderte ununterbrochene Überwachung würde die an den Betreiber eines Supermarktes zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht im Bereich der Obst- und Gemüseabteilung überspannen. Es obliegt auch dem Kunden – wie der Klägerin -, beim Betreten dieser Abteilung selbst eine gewisse Sorgfalt walten zu lassen und ihrerseits auf etwaige am Boden liegende Obst- oder Gemüsereste zu achten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.