LG Bonn – Az.: 2 O 327/14 – Urteil vom 15.06.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Unfall geltend, der sich am 28.10.2013 gegen 7:30 Uhr auf dem Weg „J“ in F ereignete. Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin des in der Nähe des Weges befindlichen Flurstücks Nr. …. Die Beklagte zu 2) ist Eigentümerin des Flurstücks Nr. …, auf dem der Weg verläuft. Parallel zum Weg fließt der W-bach, zu dem rechts und links ein Uferstreifen gehört. Das Gewässerflurstück hat laut Kataster die Nummer …. Für den Bach ist die Beklagte zu 3) gewässerunterhaltungspflichtig. An das Flurstück Nr. … schließt sich südlich das Grundstück der Beklagten zu 1) und nördlich das der Beklagten zu 2) an. Das Flurstück … ist nicht im Grundbuch eingetragen. Im Liegenschaftskataster sind „Die Anlieger“ als Eigentümer ausgewiesen.
Der Unfall ereignete sich, als ein auf dem Flurstück Nr. … stehender Baum von der gegenüberliegenden Seite des W-bachs auf den Weg stürzte. Er wurde noch am selben Tag von Mitarbeitern des Beklagten zu 3) entfernt.
Der Unfallhergang wird im Einzelnen von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin behauptet, sie habe ihren Pkw auf dem Parkplatz bei ihrer Arbeitsstätte geparkt und sei mit ihrem Hund „Q“ spazieren gegangen. Auf dem Weg „J“ sei sie plötzlich und unerwartet von einem umstürzenden Baum getroffen und am Boden eingeklemmt worden. Per Handy habe sie zwei Arbeitskollegen zu Hilfe gerufen, die sie befreit und der ärztlichen Erstversorgung zugeführt hätten. Durch den Unfall habe sie eine Fraktur des linken Oberarmkopfes und linken hinteren Schienbeinkopfes, eine Ruptur des linken Verbindungsbands im Kniegelenk und linken vorderen Kreuzbandes sowie einen Abriss des linken Außenmeniskus erlitten. Im Übrigen wird für die von ihr behaupteten und von den Beklagten teils mit Nichtwissen bestrittenen Unfallfolgen, auch in Bezug auf den Hund „Q“, auf den Klageschriftsatz vom 28.08.2014 nebst Anlagen (Bl. … ff. d. A.) verwiesen.
Die Klägerin behauptet, der unfallverursachende Baum sei schadhaft gewesen. Die in der Mitte des Baumstumpfes bestehende Verfärbung deute auf Fäulnis hin. Sie ist der Ansicht, die Beklagten hätten bezüglich des Baumes ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Diese ergebe sich bei den Beklagten zu 1) und 2) aus ihrem Eigentum am Flurstück Nr. …, bei der Beklagten zu 2) darüber hinaus aus ihrer Verkehrssicherungspflicht für den Weg „J“ und bei dem Beklagten zu 3) aus seiner Gewässerunterhaltungspflicht. Der Baum sei sturzgefährdet gewesen, weil er in einer Schieflage von 45 Grad gewachsen und als Solitär stärker windexponibel gewesen sei.
Nachdem die Klägerin ihre Klage zunächst nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtet hat, hat sie dem Beklagten zu 3) zunächst mit Schriftsatz vom 04.03.2015 den Streit verkündet und sodann mit Schriftsatz vom 05.11.2015 auf die Beklagten zu 2) und 3) erweitert.
Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß, die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1. an sie einen Betrag von 2.305,81 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung für die Zuzahlung für Medikamente, Krankenhausaufenthalte und sonstige Heilbehandlungskosten insbesondere Reisekosten naher Angehöriger zu zahlen,
2. einen weiteren Betrag von 105,09 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung für die Heilbehandlungskosten des Hundes „Q“ zu zahlen,
3. Schadensersatz für beschädigte Kleidung in Höhe von 250,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen,
4. ihr den Eigenanteil der Rechtsschutzversicherung in Höhe von 250,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts und dessen außergerichtlicher Tätigkeit zu zahlen,
5. ihr einen angemessenen Betrag als Schmerzensgeld für den Unfall und die sich daraus ergebenden Folgen zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 5.000,00 EUR liegen sollte,
6. die Kosten aus der Lohndifferenz in Höhe von monatlich jeweils 4.350,00 EUR brutto für die Monate Dezember 2013 bis März 2014 zu zahlen
a. abzüglich des im Dezember 2013 gezahlten Gehaltes von brutto 1.233,33 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 08.12.2013 sowie abzüglich des für den Monat Dezember erhaltenen Übergangsgeldes in Höhe von 1.241,10 EUR (21 Tage x 59,10 EUR) für den Zeitraum vom 10.12.2013 bis zum 31.12.2013 (zu tragen), soweit diese nicht auf die gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen sind,
b. abzüglich des für den Monat Januar 2014 erhaltenen Übergangsgeldes in Höhe von 1.838,79 EUR (31 Tage x 59,09 EUR) für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2014 (zu tragen), soweit diese nicht auf die gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen sind,
c. abzüglich des für den Monat Februar erhaltenen Übergangsgeldes in Höhe von 1.654,52 EUR (28 Tage x 59,09 EUR) für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 28.02.2014 (zu tragen), soweit diese nicht auf die gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen sind,
d. abzüglich des gezahlten Gehaltes in Höhe von 2.225,00 EUR brutto für den Zeitraum vom 17.03.2014 bis zum 31.03.2014, abzüglich des für den Monat Februar erhaltenen Übergangsgeldes in Höhe von 945,44 EUR (16 Tage x 59,09 EUR) für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum 16.03.2014 (zu tragen), soweit diese nicht auf die gesetzlichen Sozialversicherungsträger übergegangen sind,
sowie
7. festzustellen, dass die Beklagten auch für alle vergangenen und weiteren direkten und indirekten Folgen aus dem Unfall und den Unfallfolgen dem Grunde nach haften.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, vor dem Unfall habe es keine Hinweise auf eine Erkrankung des Baumes gegeben. Der Beklagte zu 3) habe – was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wird – die Uferböschung des W-bachs regelmäßig, zuletzt am 04.09.2013 im Rahmen von Mäharbeiten kontrolliert. Der Umsturz des Baumes sei auf einen Windbruch zurückzuführen. Zum Unfallzeitpunkt seien infolge des Orkantiefs „Christian“ Windstärken von bis zu 75 km/h (9 Beaufort) aufgetreten. Über den Sturm habe es eine umfangreiche Berichterstattung in den Medien gegeben. Die Beklagten sind daher der Ansicht, der Unfall beruhe auf einem Eigenverschulden der Klägerin. Zudem seien waldtypische Gefahren und Sturmschäden dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Das Gericht hat vor der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 19.03.2015 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Sachverständigen ist Herr Dipl.-Ing. T, öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, bestellt worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 20.07.2015 (Bl. … ff. d. A.) verwiesen.
Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C (Az.: … UJs …/…) ist beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) und 3) kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB und gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zu, da diese für den streitgegenständlichen Baum nicht verkehrssicherungspflichtig sind.
Verkehrssicherungspflichtig für den Baumbestand eines Grundstücks ist grundsätzlich derjenige, der die Verfügungsgewalt über das Grundstück ausübt. Er hat dafür zu sorgen, dass der Baumbestand im Rahmen des Zumutbaren und des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere gegen Umstürze aufgrund fehlender Standfestigkeit sicher ist, soweit davon eine Gefahr für Dritte ausgeht (BGH, Urt. v. 02.07.2004 – V ZR 33/04, juris, Rn. 8 m. w. N.; Sprau in Palandt, Kommentar zum BGB, 75. Auflage 2016, § 823 Rn. 190). Daneben bestehen Verkehrssicherungspflichten für denjenigen, der über eine Sache, von der Gefahr ausgeht, die Sachherrschaft ausübt. Jeder, der in der Lage ist, über die Sache zu verfügen, muss im Rahmen des Zumutbaren die drohenden Gefahren durch geeignete Maßnahmen abwenden (Palandt, § 823 Rn. 48). Insofern können mehrere Personen auf unterschiedlichen Grundlagen nebeneinander sicherungspflichtig sein (a. a. O.).
a. Eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) für den streitgegenständlichen Baum besteht mangels Eigentums nicht. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist die Beklagte zu 1) nicht Eigentümerin der Parzelle, auf der der Baum stand. Das Eigentum ist auch nicht „unstreitig“, wie die Klägerin offenbar meint.
Ausweislich der Vermessung des Sachverständigen, gegen deren Richtigkeit keine Einwände erhoben worden sind, stand der Baum auf dem südlichen Teil des Flurstücks Nr. … in der Uferböschung des W-bachs in einem Abstand von 1,7 Metern zum Flurstück Nr. … (S. 3/4 des Gutachtens, Bl. … d. A.).
Das Flurstück Nr. … steht aber nicht im Eigentum der Beklagten zu 1).
§ 5 Abs. 1 LWG NRW ist nicht anwendbar. Nach dieser Norm ist ein Gewässer zweiter Ordnung oder ein sonstiges Gewässer, sofern es kein selbständiges Grundstück bildet, Bestandteil der Ufergrundstücke und gehört damit den Eigentümern der Ufergrundstücke. Das im Eigentum der Beklagten zu 1) stehende Flurstück Nr. … ist aber kein Ufergrundstück im Sinne des § 5 Abs. 1 LWG NRW.
Die Grenze zwischen Gewässer und Ufergrundstück wird gemäß § 8 Abs. 1 LWG NRW durch den Mittelwasserstand – die sog. Uferlinie – bestimmt. Sie ist die Berührungslinie von Wasser- und Landfläche (Kotulla, Kommentar zum WHG, 2. Auflage 2011, § 3 Rn. 8). Kennzeichnend für ein Ufergrundstück ist demnach, dass es unmittelbar an das Gewässer angrenzt (vgl. auch VG Köln, Urt. v. 21.07.2015 – 14 K 2163/13, juris Rn. 64 ff.). Dies ist bei dem Flurstück Nr. … nicht der Fall. Denn wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, befindet sich zwischen der Uferlinie und der Katastergrenze jeweils ein Uferstreifen, das heißt das Flurstück … (S. 4/5 des Gutachtens, Bl. … d. A.; vgl. auch Skizze zum örtlichen Aufmaß, Bl. … d. A.).
Die Klägerin kann sich – der Ansicht des Sachverständigen Dipl. Ing. T folgend – nicht auf Nr. 2.1.4. des Runderlasses des Innenministeriums v. 18.05.2011 – III C 5-8215 zur „Behandlung von Gewässern im Liegenschaftskataster aus Anlass von Katastervermessungen“ stützen. Auch nach dem Runderlass bildet ein Gewässer mit dem Uferstreifen ein Grundstück. Unabhängig davon, dass der Runderlass nur verwaltungsinterne Wirkung entfaltet, folgt daraus nicht die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1). Denn nur der Uferstreifen und gerade nicht die hinterliegenden Grundstücke sind Ufergrundstücke im Sinne von § 5 Abs. 1 LWG NRW.
Es ist keine erweiternde Auslegung von § 5 Abs. 1 LWG NRW geboten. Aus der systematischen Stellung der Norm ergibt sich, dass die Eigentumsverhältnisse an den Gewässern geregelt werden sollen (s. Überschrift des Abschnitts II; vgl. auch Kommentierung zu § 5 LWG NRW in Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, Kommentar zum LWG NRW, Nachlieferung Juli 2015). Sinn und Zweck ist hingegen nicht, die an den Gewässern befindlichen Uferstreifen Eigentümern zuzuführen, geschweige denn zivilrechtliche Verkehrssicherungspflichten für diese zu begründen.
Die Klägerin kann sich nicht auf das Liegenschaftskataster und die dort erfolgte Eintragung, dass Eigentümer des Flurstücks … „Die Anlieger“ sind, stützen. Ein Übertragungsakt auf die Beklagte zu 1) hat nicht stattgefunden, eine Grundbucheintragung ist nicht erfolgt. Der bloße Glaube an eine Katastereintragung kann keine Verkehrssicherungspflicht begründen. Dies gilt umso mehr, für die Betroffenen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme einer etwaigen Eigentümerstellung oder Verkehrssicherungspflicht bestanden bzw. bestehen.
Dass mangels Grundbucheintragung und infolge der Unanwendbarkeit von § 5 Abs. 1 LWG NRW das Flurstück Nr. … herrenlos ist, ist mit sachenrechtlichen Grundsätzen zu vereinbaren. Wie sich aus § 928 BGB ergibt, sind herrenlose Grundstücke dem Zivilrecht nicht fremd. Es ist hinzunehmen, dass für den Baumbestand auf einem solchen Grundstück niemand verkehrssicherungspflichtig ist. Eine von der Klägerin wohl angenommene Verkehrssicherungspflicht eines jeden, der in der Nachbarschaft Gefahren sieht, besteht nicht. Wobei hier ohnehin auch streitig ist, ob hier überhaupt eine konkrete Gefahr zu sehen war.
Soweit die Klägerin auf Rechtsprechung verweist, wonach Anlieger eines öffentlichen Gehwegs auch für Gefahren verantwortlich sind, die von Gegenständen auf dem Gehweg ausgehen, lässt sich dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Es fehlt an einer vergleichbaren Verkehrseröffnung, weil sich der Baum in einer dicht bewachsenen, unzugänglichen Uferböschung befindet.
Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des OLG Schleswig, Urteil vom 09.11.1994 – 12 U 22/93 – führt zu keinem anderen Ergebnis. In dieser Entscheidung ist einem Eigentümer, auf dessen Grundstück an der Grenze zum Nachbargrundstück ein Baum steht, für diesen Baum eine Verkehrssicherungspflicht attestiert worden. Die Entscheidung ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, dass Grundstückseigentümer Gefahren abzuwenden haben, die von ihrem Eigentum ausgehen. Die Klägerin lässt aber außer Betracht, dass die Beklagte zu 1) nicht Eigentümerin des Grundstücks ist, auf dem der Baum stand.
b. Auch die Beklagte zu 2) ist für den streitgegenständlichen Baum nicht verkehrssicherungspflichtig.
Sie ist nicht Eigentümerin des Flurstücks Nr. …. § 5 Abs. 1 LWG NRW ist auch in Bezug auf das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Nr. … nicht anwendbar, weil es sich ebenfalls nicht um ein Ufergrundstück handelt. Es grenzt nicht direkt an das Gewässer, weil sich zwischen der Uferlinie des W-bachs und der Katastergrenze ein Uferstreifen befindet (S. 4/5 des Gutachtens, Bl. … d. A.; vgl. auch Skizze zum örtlichen Aufmaß, Bl. … d. A.). Im Übrigen würde sich das Eigentum der Beklagten zu 2) wegen der nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 LWG NRW in der Mitte des Gewässers zu ziehenden Eigentumsgrenze auf den nördlich des W-bachs gelegenen Teil des Flurstücks Nr. … beschränken. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet eine Verkehrssicherungspflicht für den auf dem südlichen Teil stehenden Baum aus. Die bloße Katastereintragung begründet wie dargestellt keine Verkehrssicherungspflicht.
Im Hinblick auf eine Straßenverkehrssicherungspflicht nach § 9 Abs. 1 S. 1 und 2 StrWG NRW für den Weg „J“ lehnt die Beklagte zu 2) schon das Bestehen einer solchen Pflicht ab. Ob dieser Rechtsansicht zu folgen ist, kann dahinstehen, weil vorliegend jedenfalls keine Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich des streitgegenständlichen Baumes erforderlich waren.
Zum einen ging die verwirklichte Gefahr nicht von dem Weg „J“ aus. Denn die Klägerin wurde verletzt, als der Baum auf den Weg stürzte und nicht, weil sich der Baum bereits auf dem Weg befand. Die Straßenverkehrssicherungspflicht betrifft aber die Abwehr von Gefahren, die dem Verkehrsteilnehmer aus der Benutzung der Verkehrsfläche drohen (Palandt, § 823 Rn. 221). Das heißt, sie erfasst nur solche Gefahren, die von der Straße selbst ausgehen, zum Beispiel weil Hindernisse durch Naturgewalten auf die Straße gelangt sind (OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.11.1999 – 9 U 19/99, juris, Rn. 7; Hengst/Majcherek, § 9 Nr. 2.4.7.1; Schneider, Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit von Bäumen, VersR 2007, 743, 753).
Zum anderen ist der Baum selbst nicht Gegenstand der Straßenverkehrssicherungspflicht. Diese ist auf den räumlichen Bereich der Straße begrenzt, gilt also nur bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist (OLG Sachsen-Anhalt, a. a. O.; Hengst/Majcherek, a. a. O.; Schneider, a. a. O.). Vorliegend stellt der W-bach eine solche Grenze dar. Der auf der gegenüberliegenden Böschung befindliche Baum gehört erkennbar nicht mehr zum räumlichen Bereich des Wegs „J“. Die Beklagte zu 2) hätte mangels Eigentümerstellung auch keine Verfügungsgewalt über den Baum besessen. Hätte sie von sich aus Maßnahmen getroffen, hätte sie sich gegenüber einem etwaigen Eigentümer schadensersatzpflichtig machen können. Dass das Flurstück Nr. … herrenlos ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Es würde den Rahmen des Zumutbaren überschreiten, dem Träger der Straßenbaulast aufzugeben, ohne sich aufdrängenden Anlass die Eigentumsverhältnisse der angrenzenden Grundstücke zu prüfen.
Des Weiteren war die Beklagte zu 2) vorliegend nicht verpflichtet, die Verkehrsteilnehmer des Weges „J“ vor einem möglichen Umstürzen des Baumes zu warnen oder den Weg zu sperren. Hierfür hätten erkennbare Gefahren drohen müssen, was vorliegend nicht der Fall war.
Soweit die Klägerin auf eine Fäulnis in der Mitte des Baumes verweist, kann offen bleiben, ob die Fotos tatsächlich solches belegen. Eine Fäulnis im Inneren des Baumes wäre von außen nicht erkennbar gewesen. Grundsätzlich genügen aber im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für Bäume äußere Sichtkontrollen (Palandt, § 823 Rn. 190). Auch die der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft beigefügten Lichtbilder, die noch am Unfalltag vom Ehemann der Klägerin angefertigt wurden, lassen keine Rückschlüsse auf äußerlich erkennbare Verfärbungen, Krankheitsbefall oder sonstige Schäden am Baum zu.
Der bloße Schiefwuchs des Baumes führt entgegen der Ansicht der Klägerin zu keiner anderen Beurteilung. Regelmäßig wachsen Bäume in Uferböschungen in Schieflage, ohne dass damit eine verminderte Standsicherheit einhergeht. Das Wurzelwerk passt sich dem Wuchs an. Ein schief wachsender Baum wird in der Regel auch weniger windexponibel sein, weil durch die Neigung eine geringere Angriffsfläche für Wind besteht. Darüber hinaus ist das ökologische Interesse an der Erhaltung von Baumbeständen zu berücksichtigen (Palandt a. a. O.). Dem würde es widersprechen, gesunde Bäume nur aufgrund ihrer Schieflage zu entfernen. Daran ändern auch etwaig stärkere Sturmereignisse nichts. Im öffentlichen Straßenraum mögen zwar höhere Sicherheitsanforderungen angebracht sein. Dies führt aber nicht dazu, dass generell im Rahmen der Straßenverkehrssicherungspflicht jeder schief wachsende Baum als Gefahr eingestuft werden muss. Vielmehr gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko, dass auch gesunde Bäume bei Starkwind umstürzen können. Die Straßenverkehrssicherungspflicht greift hingegen nur bei darüber hinaus gehenden, äußerlich erkennbaren Gefahren.
c. Den Beklagten zu 3) trifft ebenfalls keine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Baumes.
Aus gewässerunterhaltungsrechtlicher Sicht bestand kein Handlungsbedarf. Die Gewässerunterhaltungspflicht beinhaltet gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 WHG die Pflege und Entwicklung des Gewässers und zielt auf die Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustands für den Wasserabfluss (Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, § 90 Rn. 1). Dabei kann gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 WHG auch der Uferbereich Gegenstand von Unterhaltungsmaßnahmen sein, zum Beispiel in Form von Mähen der Uferwiesen und Beseitigung von Bäumen und Sträuchern zur Erhaltung des Abflussquerschnitts (a. a. O.). Bei Pflichtverletzungen kommt eine Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht in Betracht. Die Gewässerunterhaltungspflicht stellt insoweit einen auf Gewässer bezogenen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dar (BGH, Urt. v. 25.02.1993 – III ZR 9/92, Rn. 36; Reinhard, Rn. 84; Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, § 90 Rn. 4). Sie begründet aber keine umfassende Verantwortung für einen in jeder Hinsicht gefahrlosen Zustand des Gewässers und seiner Ufer (OVG NRW, Beschl. v. 09.06.2011 – 20 B 151/11, juris, Rn. 9). Die Haftung beschränkt sich vielmehr auf Gefahren, die vom Gewässer selbst ausgehen, zum Beispiel, wenn die Böschung eines Grundstücks von einem Bach abgespült oder unterspült wird und dadurch abstürzt (so in BGH, a. a. O.; vgl. auch Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, § 90 Rn. 3). Vorliegend bezog sich die klägerseits geltend gemachte Gefahr durch den Baum allerdings nicht auf das Gewässer, sondern auf Dritte. Eine solche Gefährdung ist nicht Gegenstand der Gewässerunterhaltungspflicht.
Der Beklagte zu 3) war ferner nicht generell verkehrssicherungspflichtig für den Baum. Die Gewässerunterhaltungs- und allgemeine Verkehrssicherungspflicht stehen unabhängig nebeneinander (BGH, a. a. O., Rn. 36; OVG NRW, a. a. O., Rn. 13). Das OVG NRW hat hierzu entscheiden, dass allgemein verkehrssicherungspflichtig für einen zur Ufervegetation zählenden Baum nur dessen Eigentümer ist, also gemäß § 94 Abs. 1 BGB der Eigentümer des Grundstücks (a. a. O., Rn. 19). Dies ergebe sich aus seiner Sachherrschaft, die durch die Pflichten und Befugnisse des Gewässerunterhaltungspflichtigen nicht derart überlagert oder verdrängt sei, dass die Verantwortung für die Verkehrssicherheit des fraglichen Baumes nunmehr dem Gewässerunterhaltungspflichtigen zuzurechnen wäre. Vielmehr hebe die öffentlich-rechtliche Bewirtschaftung der Gewässer – einschließlich ihrer Unterhaltung – das Eigentum an ihnen und die daraus folgenden Befugnisse und Pflichten nicht auf. Sie schränke das Eigentum lediglich in dem Rahmen ein, der für die Unterhaltung gelte. So seien beispielsweise Maßnahmen zu dulden, die zur ordnungsgemäßen Unterhaltung des Gewässers erforderlich seien. Nicht erfasst seien hingegen Maßnahmen, die nicht zur Gewässerunterhaltung gehören (a. a. O.).
Weil der Beklagte zu 3) unstreitig nicht Eigentümer des Flurstücks Nr. … ist, trifft ihn auch nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht. Die bloß tatsächliche Möglichkeit, auf den Baum einzuwirken, begründet keine Verantwortung für dessen Zustand (OVG NRW, a. a. O., Rn. 20). Vielmehr verleiht die Gewässerunterhaltungspflicht ausschließlich in den zur Unterhaltung gezogenen Grenzen Sachherrschaft über die Ufervegetation (a. a. O., Rn. 15).
2. Die von der Klägerin hilfsweise vorgebrachte Begründung, eine Haftung der Beklagten zu 1) ergebe sich aus § 836 Abs. 1 BGB, ist abzulehnen. Ein Baum ist kein Werk im Sinne von § 836 BGB, sondern wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gemäß § 94 Abs. 1 BGB. Im Übrigen ist die Beklagte zu 1) wie dargestellt nicht Eigentümerin des fraglichen Grundstücks.
II. Mangels Haftung dem Grunde nach sind Darlegungen zur Anspruchshöhe, auch zum Mitverschulden, entbehrlich.
III. Der – nicht nachgelassene – Schriftsatz der Klägerin vom 02.06.2016 erfordert keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Schriftsatz enthält Rechtsausführungen sowie erstmals die Behauptung, Hund „Q“ sei bei dem Unfall verstorben. Diese Tatsachenbehauptung ist aber nicht entscheidungserheblich.
IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO.
Streitwert: bis 19.000,- EUR (Leistungsansprüche zu den Anträgen zu 1. bis 6. sowie 2.000,- EUR für den Antrag zu 7.).