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Verkehrssicherungspflicht Gerüsthersteller hinsichtlich Baugerüst

Ein Bauarbeiter stürzte bei der Arbeit in die Tiefe. Nicht er rutschte aus, sondern ein brechendes Gerüstteil soll die Ursache gewesen sein. Wer haftet für die Folgen eines solchen Unfalls? Eine zentrale Frage, besonders wenn der Verletzte schon körperlich vorbelastet war.

Übersicht:

Zum vorliegenden Urteil Az.: 15 U 565/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Koblenz
  • Datum: 28.03.2022
  • Aktenzeichen: 15 U 565/21
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren (Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO)
  • Rechtsbereiche: Deliktsrecht (Werkbesitzerhaftung), Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein angestellter Steinmetz, der bei einem Unfall auf einer Baustelle verletzt wurde und vom Gerüstbauunternehmer Schadensersatz forderte.
  • Beklagte: Der Betreiber eines Gerüstbaubetriebs, der das Gerüst auf der Baustelle errichtet hatte und die Haftung für den Unfall bestritt.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger stürzte auf einer Baustelle durch eine gebrochene Durchstiegstafel eines vom Beklagten aufgebauten Gerüsts und verletzte sich. Er war der Meinung, das Gerüst sei mangelhaft gewesen und forderte Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz vom Gerüstbauunternehmer.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Haftung des Gerüstbauunternehmers für den Unfall, insbesondere ob das Gerüst mangelhaft war und ob der Bruch der Tafel auf diesen Mangel zurückzuführen ist. Weiter war strittig, ob den Kläger ein Mitverschulden trifft und wie hoch ein angemessenes Schmerzensgeld und weiterer Schadensersatz sind.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht beabsichtigt, die Berufungen sowohl des Klägers als auch des Beklagten zurückzuweisen. Das bedeutet voraussichtlich, dass das Urteil des Landgerichts, das dem Kläger ein Schmerzensgeld von 2.500 € zusprach und eine Haftung für künftige Schäden feststellte, Bestand haben wird.
  • Begründung: Das Gericht ist der Ansicht, dass der Gerüstbauunternehmer als Werkbesitzer für Mängel am Gerüst haftet. Der Bruch der Durchstiegstafel spricht nach einem allgemeinen Erfahrungssatz für einen solchen Mangel, und der Beklagte konnte diese Vermutung nicht widerlegen. Ein Mitverschulden des Klägers oder des Arbeitgebers wurde vom Gericht nicht festgestellt.
  • Folgen: Nach dieser Entscheidung muss der beklagte Gerüstbauunternehmer dem Kläger voraussichtlich 2.500 € Schmerzensgeld zahlen und für bestimmte zukünftige Schäden im Zusammenhang mit dem Unfall haften. Die weitergehenden Forderungen des Klägers sowie der Antrag des Beklagten auf vollständige Abweisung der Klage werden voraussichtlich abgewiesen.

Der Fall vor Gericht


Gerüstunfall auf Baustelle: OLG Koblenz bestätigt Haftung des Gerüstbauers trotz Vorschäden des Verletzten – Werkbesitzerhaftung nach §§ 836, 837 BGB entscheidend

Ein Arbeitsunfall auf einer Baustelle führte zu einem Rechtsstreit, der nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verhandelt wurde.

Bauarbeiter auf Gerüst tritt auf verschlissene Sperrholzplatte, Holz bricht – Gefahr durch Materialverschleiß im Bauwesen
Unfall auf Baugerüst: Mängel bei Sperrholz, Sicherheitsfrage und Unfallursache im Gerüstbau geklärt. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit ein Gerüstbauunternehmer für die Verletzungen haftet, die ein Bauarbeiter durch den Bruch eines Gerüstteils erlitt. Das Gericht musste klären, ob das Gerüst mangelhaft war, ob den Gerüstbauer ein Verschulden trifft und inwiefern Vorschäden des verletzten Arbeiters oder ein mögliches Fehlverhalten die Haftung beeinflussen. Die Entscheidung des OLG Koblenz (Az.: 15 U 565/21, Beschluss vom 28.03.2022) bestätigt im Wesentlichen die erstinstanzliche Entscheidung und stützt sich dabei maßgeblich auf die Grundsätze der Werkbesitzerhaftung und des Anscheinsbeweises.

Ausgangssituation: Der Gerüstunfall und die Folgen für den Steinmetz

Am 6. November 2012 ereignete sich der Unfall auf einer Baustelle zur Sanierung einer Pfarrkirche. Ein angestellter Steinmetz war auf einem Baugerüst unterwegs, das der beklagte Gerüstbauunternehmer im Frühjahr desselben Jahres errichtet hatte. Laut Hinweisschild handelte es sich um ein Gerüst der Lastklasse 3. Beim Abstieg durch einen vorgesehenen Leiterdurchstieg brach plötzlich die Durchstiegstafel, eine Platte aus Sperrholz, unter dem Steinmetz durch. Dieser stürzte und verletzte sich. Mitarbeiter des Gerüstbauers tauschten die gebrochene Tafel nach dem Vorfall aus.

Der verletzte Steinmetz machte geltend, das Gerüst sei mangelhaft gewesen. Er führte an, es sei nicht fachgerecht aufgebaut und gewartet worden. Insbesondere die verwendete Sperrholzplatte sei ungeeignet und bereits vorgeschädigt gewesen, zudem habe Verbindungsmaterial gefehlt. Diese Mängel seien für ihn nicht erkennbar gewesen. Beim Sturz habe sich sein rechtes Knie in einer Leitersprosse verfangen und verdreht. Dies habe zu einem komplexen Innenmeniskusriss und einem allgemeinen Kniebinnenschaden geführt – in einem Knie, das bereits 2007 nach einer Teilentfernung des Meniskus vorgeschädigt war. Auch seine linke Hand, die durch einen früheren Unfall im Jahr 2009 ebenfalls vorgeschädigt war (Morbus Sudeck), habe sich durch den Sturz verschlechtert. Der Steinmetz argumentierte, die unfallbedingten Beeinträchtigungen seien dauerhaft und hinderten ihn an der Ausübung seines Berufs. Er forderte daher Schmerzensgeld von mindestens 16.330,89 Euro, weiteren Schadensersatz (insbesondere Verdienstausfall) von 4.293,14 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden.

Streitpunkte vor Gericht: War das Gerüst mangelhaft und wer trägt die Schuld?

Der Gerüstbauunternehmer wies die Forderungen zurück. Er behauptete, das Gerüst sei ordnungsgemäß mit zugelassenen Teilen (sogar Lastklasse 4, nicht nur 3) aufgebaut und regelmäßig überprüft worden. Es habe keine Vorschäden gegeben. Vielmehr hätten der Steinmetz und seine Kollegen das Gerüst überlastet. Bei normaler Nutzung wäre die Durchstiegstafel nicht gebrochen. Die erlittenen Verletzungen seien lediglich leichte Prellungen; die Knieverletzung sei auf Verschleiß (degenerativ) zurückzuführen, die Handverschlechterung nicht unfallbedingt. Die vom Steinmetz angegebene Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 35% sei unfallunabhängig. Der Steinmetz sei zudem nur kurz (vom 06.11.2012 bis 02.01.2013) arbeitsunfähig gewesen. Das geforderte Schmerzensgeld sei überhöht und der Verdienstausfall nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Entscheidung des Landgerichts: Teilerfolg für den verletzten Steinmetz

Das zunächst zuständige Landgericht hörte den Steinmetz persönlich an, vernahm mehrere Zeugen und holte sowohl ein technisches als auch ein medizinisches Gutachten ein. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Steinmetz tatsächlich durch den Gerüstboden gestürzt war. Es sah die Haftung des Gerüstbauers als gegeben an, da das Gerüst nicht verkehrssicher aufgebaut worden sei – konkret sei eine Belagstafel mit erheblichen Verschleißerscheinungen verwendet worden.

Das Landgericht sprach dem Steinmetz ein Schmerzensgeld von 2.500,00 Euro zu. Als unfallbedingte Folgen erkannte es eine Knieprellung und eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der linken Hand von 25% auf 35% an. Weitergehende Knieschäden, wie den behaupteten Meniskusriss, sah das Gericht nicht als zweifelsfrei durch den Unfall verursacht an. Ein Mitverschulden des Steinmetzes wurde ebenso verneint wie eine Kürzung der Ansprüche wegen eines sogenannten gestörten Gesamtschuldnerausgleichs (etwa mit dem Arbeitgeber). Einen Anspruch auf Verdienstausfall lehnte das Gericht ab, da der Vortrag dazu unzureichend war und die unfallbedingte MdE-Erhöhung nur geringfügig sei. Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden wurde jedoch bejaht, da aufgrund der dauerhaften MdE-Erhöhung der Hand Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten.

Berufungsverfahren vor dem OLG Koblenz: Beide Seiten fechten Urteil an

Mit diesem Urteil waren beide Parteien unzufrieden und legten Berufung beim OLG Koblenz ein. Der Steinmetz verfolgte seine ursprünglichen Ziele weiter und forderte ein höheres Schmerzensgeld sowie den ihm versagten Verdienstausfall. Der Gerüstbauer beantragte die vollständige Abweisung der Klage. Er kritisierte die Beweiswürdigung des Landgerichts, bestritt seine alleinige Haftung und verwies erneut auf mögliche Unfallursachen außerhalb seines Verantwortungsbereichs sowie ein Mitverschulden des Steinmetzes oder seines Arbeitgebers.

OLG Koblenz bestätigt Haftung des Gerüstbauers: Werkbesitzerhaftung und Anscheinsbeweis entscheidend (§§ 836, 837 BGB)

Das OLG Koblenz kündigte in seinem Beschluss an, beide Berufungen zurückzuweisen. Es sieht keine Erfolgsaussichten für die Rechtsmittel und hält das Urteil des Landgerichts im Ergebnis für richtig, begründet die Haftung jedoch juristisch etwas anders.

Entscheidend für die Haftung des Gerüstbauers seien die Vorschriften über die Werkbesitzerhaftung gemäß §§ 836, 837 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein Baugerüst stelle ein mit einem Grundstück verbundenes „Werk“ im Sinne dieser Paragrafen dar. Der Gerüstbauer sei als Besitzer des Werks dafür verantwortlich, dass von diesem Werk keine Gefahr ausgeht. Die Gerüstbretter und Durchstiegstafeln seien wesentliche Teile dieses Werks.

Das OLG betont: Bricht ein Bauteil eines Gerüsts, das zum Begehen bestimmt ist, unter einem Bauarbeiter zusammen, spricht der Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) dafür, dass dieses Bauteil objektiv fehlerhaft oder ungeeignet war und dieser Mangel den Unfall verursacht hat. Dieser Anscheinsbeweis kann zwar widerlegt werden, aber nur, wenn der Gerüstbauer konkrete Umstände nachweist, die eine andere Unfallursache ernsthaft möglich erscheinen lassen. Bloße Vermutungen reichen nicht aus; verbleibende Zweifel gehen zulasten des Gerüstbauers.

Im vorliegenden Fall sei unstreitig, dass der Steinmetz durch die Durchstiegstafel gebrochen ist. Damit greife der Anscheinsbeweis für die Mangelhaftigkeit. Dem Gerüstbauer sei es nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern.

  • Zeugenaussagen, dass beim Aufbau des Gerüsts keine Fehler gemacht wurden oder nichts morsch aussah, schließen spätere Schäden oder die Verwendung ungeeigneter Teile nicht aus.
  • Auch die Feststellungen des technischen Sachverständigen helfen dem Gerüstbauer nicht weiter. Der Experte hatte zwar keine konkrete Ursache für den Bruch mehr feststellen können, aber bestätigt, dass eine mangelfreie Tafel nicht hätte brechen dürfen. Da sie aber gebrochen ist, müsse sie – so der Umkehrschluss des Gerichts – mangelhaft gewesen sein.
  • Behauptungen des Gerüstbauers, der Steinmetz habe die Tafel überladen oder sei darauf gesprungen, blieben unbewiesen.
  • Ob die verschlissene Tafel bereits beim Aufbau eingebaut wurde (wie das LG annahm) oder erst später beschädigt wurde, sei für die Haftung nach §§ 836, 837 BGB letztlich nicht entscheidend. Entscheidend ist der Mangel zum Unfallzeitpunkt.

Da die objektiven Voraussetzungen der Werkbesitzerhaftung erfüllt sind und der Anscheinsbeweis nicht erschüttert wurde, wird gemäß § 836 BGB auch das Verschulden des Gerüstbauers vermutet. Er konnte nicht nachweisen, die zur Gefahrenabwehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben.

Kein Mitverschulden des Steinmetzes trotz Vorschäden am Knie und an der Hand

Das OLG bestätigte auch die Auffassung des Landgerichts, dass den Steinmetz kein Mitverschulden (§ 254 BGB) am Unfall trifft. Die Tatsache, dass der Steinmetz erhebliche Vorschäden am Knie und an der Hand hatte, begründet kein Mitverschulden am Sturzereignis selbst.

  • Ein Vermerk in einem Reha-Bericht von 2007, das Steigen auf Treppen und Leitern sei für den Steinmetz nicht mehr „zumutbar“, bedeute nicht, dass es ihm medizinisch untersagt war. Eine pflichtwidrige „Zuwiderhandlung“ liege nicht vor. Selbst wenn, wäre sie nicht ursächlich für den Bruch der Gerüstplatte gewesen.
  • Auch die vor dem Unfall bereits bestehende MdE von 25% für die Hand bedeute nicht automatisch, dass der Steinmetz nicht mehr auf einer Baustelle hätte arbeiten dürfen und sich somit selbst gefährdet hätte.

Gestörter Gesamtschuldnerausgleich mit Arbeitgeber abgelehnt: Keine nachgewiesene Pflichtverletzung

Ebenso wenig sah das OLG Gründe für eine Anspruchskürzung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs. Diese käme in Betracht, wenn neben dem Gerüstbauer auch eine andere Person (hier potenziell der Arbeitgeber des Steinmetzes) für den Schaden mitverantwortlich wäre, aber z.B. aufgrund arbeitsrechtlicher Haftungsprivilegien nicht oder nur eingeschränkt in Anspruch genommen werden könnte.

  • Das Gericht stellte fest, dass ein nachweislich schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers (etwa eine Verletzung von Überwachungs- oder Sicherungspflichten) nicht festgestellt wurde. Der Vortrag des Gerüstbauers hierzu blieb unsubstantiiert.
  • Im Gegenteil: Die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatorin der Baustelle hatte das Gerüst sogar als ordnungsgemäß abgenommen, was eher gegen eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers spreche.
  • Neue Behauptungen des Gerüstbauers im Berufungsverfahren zur angeblich fehlenden Unterweisung des Steinmetzes durch den Arbeitgeber wurden als verspätet und unsubstantiiert zurückgewiesen.

Auch sonstige Mitverschuldensaspekte verneinte das OLG unter Verweis auf die nachvollziehbare Beweiswürdigung des Landgerichts: Der Steinmetz konnte den schlechten Zustand des Belages zwar sehen, musste aber nicht zwangsläufig die Gefahr erkennen. Eine Überlastung des Unfallbereichs durch den Steinmetz oder ein Springen/Klettern wurde nicht bewiesen. Das Vorhandensein eines Hinweisschildes zur Belastbarkeit ändere nichts an der vollen Haftung des Gerüstbauers für das mangelhafte Material.

Schmerzensgeld von 2.500 Euro bestätigt: Angemessen für nachgewiesene Verletzungen

Das OLG Koblenz hält das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld von 2.500 Euro für angemessen. Es spiegele die festgestellten Unfallfolgen – Knieprellung, dauerhafte Erhöhung der MdE der Hand um 10 Prozentpunkte und eine kurze Arbeitsunfähigkeit (ca. 1-2 Monate) – korrekt wider. Dabei seien auch die erheblichen Vorschäden an Knie und Hand zu berücksichtigen, die das Ausmaß der unfallbedingten Verschlechterung relativieren. Ein vom Steinmetz angeführtes Vergleichsurteil mit höherem Schmerzensgeld sei nicht übertragbar, da dort andere Verletzungsfolgen und keine vergleichbaren Vorschäden vorgelegen hätten.

Keine höheren Ansprüche für den Steinmetz: Weitere Knieverletzung und Verdienstausfall nicht unfallbedingt

Die Berufung des Steinmetzes auf höheres Schmerzensgeld und Verdienstausfall blieb ebenfalls ohne Erfolg. Das OLG schloss sich der Einschätzung des Landgerichts an, dass die weitergehenden behaupteten Knieschäden (insbesondere der Meniskusriss) nicht zweifelsfrei auf den Unfall zurückgeführt werden konnten. Die Beweisaufnahme habe dies nicht ergeben. Folglich bestand auch kein Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verdienstausfalls, der maßgeblich auf diese nicht nachgewiesenen schwereren Verletzungsfolgen gestützt wurde.

Ausblick: Berufungen voraussichtlich erfolglos

Die Entscheidung des OLG Koblenz erging als Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies bedeutet, das Gericht hat den Parteien seine Absicht mitgeteilt, die Berufungen ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, da es sie für offensichtlich unbegründet hält. Die Parteien haben zwar noch Gelegenheit zur Stellungnahme, jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass das OLG bei seiner Einschätzung bleibt und das Urteil des Landgerichts damit rechtskräftig wird. Der Gerüstbauer haftet somit für die nachgewiesenen Unfallfolgen, jedoch nicht im vom Steinmetz ursprünglich geforderten Umfang. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Werkbesitzerhaftung und des Anscheinsbeweises bei Unfällen auf Baugerüsten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass Gerüstbauer als Werkbesitzer nach §§ 836, 837 BGB für Unfälle durch mangelhafte Gerüstteile haften, wobei der Anscheinsbeweis entscheidend ist: Bricht ein Gerüstteil, wird dessen Mangelhaftigkeit vermutet, und der Gerüstbauer muss konkrete andere Ursachen nachweisen, um sich zu entlasten. Vorschäden des Verletzten (hier am Knie und an der Hand) begründen kein Mitverschulden, solange keine medizinischen Verbote missachtet wurden und diese nicht ursächlich für den Unfall waren. Diese Rechtsprechung stärkt den Schutz von Bauarbeitern und verdeutlicht die hohe Verkehrssicherungspflicht für Gerüstbauunternehmen.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Pflichten hat ein Gerüstbauer bezüglich der Sicherheit eines Baugerüsts?

Ein Gerüstbauer trägt eine wichtige Verantwortung für die Sicherheit eines Baugerüsts. Diese Verantwortung wird juristisch oft unter dem Begriff der Verkehrssicherungspflicht gefasst. Stellen Sie sich das so vor: Wer eine potenzielle Gefahrenquelle schafft oder kontrolliert, muss dafür sorgen, dass andere Personen dadurch nicht zu Schaden kommen. Bei einem Baugerüst ist der Gerüstbauer derjenige, der diese potenziellen Gefahren kontrolliert, indem er das Gerüst plant, aufbaut und bereitstellt.

Für Sie als Nutzer oder Betroffener bedeutet diese Pflicht, dass der Gerüstbauer bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen muss, damit das Gerüst sicher betreten und benutzt werden kann. Es geht darum, vorhersehbare Gefahren zu erkennen und zu verhindern.

Zu den grundlegenden Pflichten eines Gerüstbauers gehören typischerweise folgende Aspekte, bevor das Gerüst zur Nutzung freigegeben wird:

Der Gerüstbauer muss das Gerüst fachgerecht planen und berechnen. Dabei müssen die zu erwartende Belastung, die örtlichen Gegebenheiten und die Art der geplanten Arbeiten berücksichtigt werden.

Es dürfen nur geeignete und unbeschädigte Materialien verwendet werden. Die einzelnen Bauteile des Gerüsts müssen den geltenden Normen und Vorschriften entsprechen und dürfen keine erkennbaren Mängel aufweisen, die die Stabilität beeinträchtigen könnten.

Die Montage des Gerüsts muss korrekt erfolgen. Das bedeutet, dass die anerkannten Regeln der Technik, die relevanten DIN-Normen, die technischen Baubestimmungen sowie die Aufbauanleitung des Herstellers genau einzuhalten sind. Jedes Element muss richtig verbunden und gesichert werden.

Bevor das Gerüst von anderen Gewerken oder Personen betreten wird, hat der Gerüstbauer die Pflicht, das fertige Gerüst sorgfältig zu überprüfen und abzunehmen. Dabei wird kontrolliert, ob der Aufbau korrekt nach Plan und den Vorschriften erfolgt ist und das Gerüst sicher für die vorgesehene Nutzung ist. Erst nach dieser erfolgreichen Überprüfung und Freigabe darf das Gerüst genutzt werden.

Durch die Erfüllung dieser Pflichten soll sichergestellt werden, dass das Gerüst eine stabile und sichere Arbeitsplattform für alle darstellt, die darauf angewiesen sind.


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Was bedeutet Werkbesitzerhaftung im Zusammenhang mit einem Gerüstunfall?

Die Werkbesitzerhaftung ist ein wichtiger rechtlicher Grundsatz, der ins Spiel kommen kann, wenn ein Unfall passiert, der mit einem festen Bauwerk oder einer ähnlichen Anlage zusammenhängt. Ein Gerüst wird im juristischen Sinne oft als ein solches „Werk“ betrachtet.

Wer ist der Werkbesitzer? Das ist derjenige, der die tatsächliche Kontrolle über das Gerüst hat, also in der Regel das Unternehmen, das das Gerüst aufgebaut hat und für dessen Sicherheit zuständig ist. Manchmal spricht man auch vom sogenannten „Besitzer“, was nicht unbedingt der Eigentümer im Grundbuch sein muss, sondern derjenige, der die Verfügungsgewalt hat. Stellen Sie sich vor, eine Gerüstbaufirma errichtet ein Gerüst an einem Gebäude. Diese Firma ist meist der Werkbesitzer.

Wann haftet dieser Werkbesitzer für einen Gerüstunfall? Der Werkbesitzer kann haftbar gemacht werden, wenn der Unfall durch einen Mangel am Gerüst verursacht wurde. Ein Mangel bedeutet, dass das Gerüst nicht so beschaffen ist, wie es sein müsste, um sicher zu sein. Das kann ein Fehler beim Aufbau sein, fehlende Teile, mangelhafte Verankerung oder schlechte Wartung.

Ganz entscheidend ist dabei: Der Mangel muss die Ursache für den Schaden (den Unfall) sein. Das bedeutet, der Unfall muss direkt durch diesen spezifischen Fehler am Gerüst ausgelöst worden sein. Wenn beispielsweise ein Teil lose war und deswegen jemand gestürzt ist, dann besteht dieser ursächliche Zusammenhang.

Die rechtliche Grundlage für diese Haftung findet sich in Deutschland hauptsächlich im § 836 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die durch den Einsturz eines Gebäudes oder das Ablösen von Teilen eines Werkes infolge eines Mangels entstehen.

Für Sie als Person, die möglicherweise von einem Gerüstunfall betroffen ist, bedeutet dies, dass das Gerüstbauunternehmen als Werkbesitzer unter bestimmten Voraussetzungen für entstandene Schäden (wie Verletzungen oder Beschädigungen an Gegenständen) verantwortlich sein kann, wenn der Unfall auf einen Fehler am Gerüst zurückzuführen ist.


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Wie wirkt sich eine Vorerkrankung oder ein Vorschaden des Verletzten auf den Schadensersatzanspruch aus?

Wenn jemand durch einen Unfall oder eine andere Schädigung verletzt wird, kann er grundsätzlich Schadensersatz verlangen. Die Frage, wie sich eine bereits bestehende gesundheitliche Beeinträchtigung (eine Vorerkrankung oder ein Vorschaden) auswirkt, ist dabei von großer Bedeutung.

Das Grundprinzip: Haftung nur für den zusätzlich verursachten Schaden

Das zentrale Prinzip im deutschen Schadensersatzrecht ist, dass der Verursacher des Schadens nur für den Schaden haftet, den er tatsächlich verursacht hat. Wenn der Verletzte bereits eine Vorerkrankung oder einen Vorschaden hatte, war seine gesundheitliche Verfassung (seine „psychische und physische Integrität“, also sein körperlicher und seelischer Zustand) bereits vor dem schädigenden Ereignis beeinträchtigt.

Der Verursacher des neuen Schadens muss deshalb nicht für den Zustand aufkommen, der bereits bestand. Er haftet vielmehr nur für die Verschlimmerung des Zustands oder für neue gesundheitliche Probleme, die durch das schädigende Ereignis hinzugekommen sind.

Stellen Sie sich vor, jemand hat bereits Rückenprobleme. Durch einen Unfall werden diese Rückenprobleme stark verschlimmert. Derjenige, der den Unfall verursacht hat, muss dann für die zusätzlichen Schmerzen, Einschränkungen und Behandlungskosten aufkommen, die wegen der Verschlimmerung durch den Unfall entstanden sind. Für die ursprünglichen Rückenprobleme, die schon vor dem Unfall bestanden, haftet er dagegen nicht.

Wie wird der Schaden berechnet?

Um festzustellen, welcher Schaden tatsächlich durch das schädigende Ereignis verursacht wurde, vergleicht man im Prinzip zwei Zustände:

  1. Den Zustand, in dem sich der Verletzte jetzt befindet (mit der Vorerkrankung/dem Vorschaden UND den Folgen des neuen Ereignisses).
  2. Den Zustand, in dem sich der Verletzte jetzt hypothetisch befinden würde, wenn das schädigende Ereignis nicht passiert wäre (also nur mit der natürlichen Entwicklung der Vorerkrankung/des Vorschadens).

Die Differenz zwischen diesen beiden Zuständen stellt den Schaden dar, für den der Verursacher des schädigenden Ereignisses haftet. Das ist oft ein komplexer Vergleich, der medizinische Gutachten erfordert, um festzustellen, inwieweit die aktuellen Beschwerden auf die Vorerkrankung/den Vorschaden zurückzuführen sind und inwieweit sie eine Folge oder Verschlimmerung durch das neue Ereignis darstellen.

Auswirkungen auf Schmerzensgeld und andere Ansprüche

Dieses Prinzip wirkt sich auf alle Arten von Schadensersatz aus:

  • Schmerzensgeld: Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt davon ab, wie stark die Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen durch das schädigende Ereignis zusätzlich verursacht oder verschlimmert wurden. Bereits bestehende Schmerzen oder Einschränkungen, die nicht durch das neue Ereignis beeinflusst wurden, fließen in die Berechnung des durch den Unfall verursachten Schmerzensgeldes nicht ein.
  • Verdienstausfall: Hatte die Vorerkrankung bereits Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit, wird nur der zusätzliche Verdienstausfall ersetzt, der durch die Verschlimmerung der Arbeitsunfähigkeit infolge des schädigenden Ereignisses entstanden ist.
  • Behandlungskosten: Es werden nur die Behandlungskosten ersetzt, die durch die Behandlung der neuen Verletzungen oder der Verschlimmerung der Vorerkrankung aufgrund des schädigenden Ereignisses notwendig wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine Vorerkrankung oder ein Vorschaden führt dazu, dass der Verursacher eines neuen Schadens nur für die dadurch verursachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes haftet. Das Ausmaß dieser Verschlechterung muss im Einzelfall genau ermittelt werden.


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Was ist ein Anscheinsbeweis und wie wird er bei Gerüstunfällen angewendet?

Der Anscheinsbeweis ist ein wichtiges Konzept im Recht, das dabei hilft, Sachverhalte zu klären, die nach allgemeiner Erfahrung einem typischen Geschehensablauf folgen.

Stellen Sie sich vor, etwas geschieht auf eine Weise, die nach der Lebenserfahrung meistens auf denselben Grund zurückzuführen ist. Ein häufiges Beispiel ist ein Auffahrunfall im fließenden Verkehr: Wenn ein Fahrzeug auf ein anderes von hinten auffährt, spricht die Erfahrung typischerweise dafür, dass der auffahrende Fahrer unaufmerksam war oder einen zu geringen Abstand hatte.

Im Recht bedeutet das: Tritt ein Schaden unter Umständen ein, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung eindeutig auf eine bestimmte Ursache oder ein bestimmtes Verhalten hindeuten, dann wird zunächst vermutet, dass diese typische Ursache vorliegt. Die Person, die sich auf den Anscheinsbeweis beruft, muss dann nicht im Detail beweisen, warum genau es zu diesem typischen Geschehensablauf gekommen ist. Es reicht aus, das Eintreten des typischen Ereignisses zu beweisen.

Diese Vermutung erleichtert die Beweisführung für die Person, die einen Schaden erlitten hat.

Bei Gerüstunfällen kann dieser Grundsatz ebenfalls zur Anwendung kommen. Ein Gerüst ist dazu gedacht, sicher zu sein und den darauf arbeitenden Personen Stabilität zu bieten. Wenn ein Gerüst oder ein Teil davon unter normalen Bedingungen versagt – zum Beispiel ein Gerüstbrett bricht, eine Verankerung gibt nach oder das Gerüst stürzt ein, ohne dass es dafür einen klaren äußeren Anlass gab (wie zum Beispiel einen ungewöhnlich starken Sturm oder die Kollision mit einem großen Fahrzeug) – dann spricht die Lebenserfahrung sehr stark dafür, dass dies auf einen Mangel am Gerüst selbst zurückzuführen ist.

Solche Mängel können Fehler beim Aufbau, Materialfehler, unzureichende Wartung oder mangelnde Standsicherheit sein.

In solchen Fällen kann das Gericht annehmen, dass ein solcher Mangel die Unfallursache war, weil dies der typische Geschehensablauf ist, wenn ein Gerüst unter normalen Umständen versagt: Ein ordnungsgemäß aufgebautes und intaktes Gerüst sollte unter alltäglichen Bedingungen nicht einfach zusammenbrechen oder brechen.

Die Person, die durch den Gerüstunfall einen Schaden erlitten hat, muss dann oft nur beweisen, dass das Gerüst unter diesen typischen Umständen versagt hat. Sie muss nicht im Einzelnen nachweisen, welcher spezifische kleinste Defekt (etwa eine bestimmte fehlerhafte Schweißnaht oder eine falsch montierte Verbindung) den Unfall ausgelöst hat.

Stattdessen muss die Gegenseite (zum Beispiel das Unternehmen, das das Gerüst gestellt oder aufgebaut hat) versuchen, diese durch den Anscheinsbeweis begründete Vermutung zu entkräften. Sie müssten beweisen, dass der Unfall eben nicht auf einen Mangel am Gerüst oder einen typischen Fehler ihrerseits zurückzuführen ist, sondern auf eine atypische Ursache, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs lag.


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Welche Bedeutung hat die Lastklasse eines Gerüsts im Hinblick auf die Haftung des Gerüstbauers?

Die Lastklasse eines Gerüsts ist wie ein Limit für das Gewicht, das auf das Gerüst aufgebracht werden darf. Sie wird in technischen Regeln festgelegt und gibt an, wie viel Last pro Quadratmeter oder auf einer bestimmten Fläche sicher getragen werden kann. Wenn dieses Limit überschritten wird, kann das Gerüst beschädigt werden oder sogar einstürzen.

Für den Gerüstbauer bedeutet die Lastklasse vor allem eine Verantwortung für die korrekte Ausführung. Er muss sicherstellen, dass das von ihm aufgestellte Gerüst die angegebene oder vereinbarte Lastklasse tatsächlich erfüllt. Das heisst, er muss das Gerüst richtig dimensionieren, die passenden Bauteile verwenden und es fachgerecht aufbauen. Nur dann ist das Gerüst auch in der Lage, die versprochene Last zu tragen.

Wann haftet der Gerüstbauer?

Der Gerüstbauer kann haftbar gemacht werden, wenn ein Schaden entsteht, weil das Gerüst nicht die angegebene Lastklasse erreicht oder Mängel im Aufbau aufweist, die dazu führen, dass es die vorgesehene Last nicht tragen kann. Stellen Sie sich vor, es wurde ein Gerüst der Lastklasse 3 (mittlere Last, z.B. für Maurerarbeiten) vereinbart, aber der Gerüstbauer hat es nur nach den Regeln der Lastklasse 2 (leichtere Last, z.B. für Malerarbeiten) aufgebaut. Wird dieses mangelhafte Gerüst dann mit einer Last belastet, die eigentlich für Lastklasse 3 zulässig wäre, aber für Lastklasse 2 zu hoch ist, und es kommt zu einem Unfall, dann kann der Gerüstbauer wegen dieses Mangels zur Verantwortung gezogen werden. Er hat die vereinbarte Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht.

Wann haftet der Nutzer des Gerüsts?

Wenn der Nutzer das Gerüst jedoch mit einer höheren Last belastet, als es die angegebene Lastklasse zulässt, obwohl das Gerüst korrekt für diese angegebene Lastklasse aufgebaut wurde, dann liegt die Verantwortung für die Überlastung beim Nutzer. Der Gerüstbauer hat seine Pflicht erfüllt, indem er ein Gerüst der vereinbarten Klasse bereitgestellt hat. Das Überschreiten des zulässigen Gewichts ist dann ein Fehler in der Nutzung. Wird dadurch ein Schaden verursacht, haftet in der Regel derjenige, der die Überlastung verursacht hat.

Es kann auch Fälle geben, in denen beide Seiten eine Verantwortung tragen, zum Beispiel, wenn das Gerüst zwar leichte Mängel hatte, der Unfall aber erst durch eine erhebliche Überlastung durch den Nutzer ausgelöst wurde.

Zusammengefasst ist der Gerüstbauer dafür verantwortlich, dass das Gerüst fachgerecht aufgebaut ist und die angegebene Lastklasse tatsächlich tragen kann. Der Nutzer ist dafür verantwortlich, dass das Gerüst nicht über diese Lastklasse hinaus belastet wird.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Werkbesitzerhaftung

Die Werkbesitzerhaftung ist eine besondere Haftungsregel, die im § 836 BGB geregelt ist. Sie betrifft Personen, die die tatsächliche Kontrolle über ein sogenanntes „Werk“ ausüben – also zum Beispiel ein Baugerüst, eine Maschine oder ein Gebäude. Der Werkbesitzer haftet, wenn durch einen Mangel an diesem Werk jemand verletzt oder ein Schaden verursacht wird. Dabei wird vermutet, dass der Mangel und der Unfall zusammenhängen, es sei denn, der Werkbesitzer kann das Gegenteil beweisen. Beispielsweise haftet ein Gerüstbauer, wenn ein fehlerhaft aufgebautes Gerüst einstürzt und ein Arbeiter verletzt wird.


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Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis ist eine rechtliche Vermutung, die eintritt, wenn ein Unfall oder Schaden unter Umständen passiert, die nach Lebenserfahrung meistens auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen sind. Im Gerüstunfall bedeutet das: Bricht ein Gerüstteil unter normalen Umständen, wird angenommen, dass das Teil fehlerhaft oder mangelhaft war. Die Geschädigte Person muss dann nicht im Detail beweisen, welcher genaue Fehler vorlag. Stattdessen muss der Gerüstbauer beweisen, dass der Unfall durch eine andere, ungewöhnliche Ursache entstand, etwa durch Fehlverhalten des Nutzers.

Beispiel: Wenn ein Gerüstbrett ohne äußere Einwirkung bricht, spricht die Erfahrung dafür, dass es einen Materialfehler oder Montagefehler gab. Diese Vermutung entlastet den Verletzten von der Last einer komplexen Beweisführung.


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Vorschaden

Ein Vorschaden beschreibt eine bereits vor dem Unfall bestehende gesundheitliche Beeinträchtigung oder Verletzung. Im Schadensersatzrecht führt ein Vorschaden dazu, dass der Schädiger nur für die Verschlimmerung dieses Vorschadens oder für neue Schäden aufgrund des Unfalls haften muss. Es gilt also der Grundsatz, dass nur der durch den Unfall verursachte zusätzliche Schaden ersetzt wird, nicht jedoch der bereits vorher vorhandene Zustand.

Beispiel: Hat jemand vor dem Unfall eine Knieverletzung und verschlechtert sich die Verletzung durch den Unfall, wird nur der zusätzliche Schaden ersetzt, nicht aber die ursprüngliche Verletzung.


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Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist ein medizinischer und rechtlicher Maßstab, der angibt, wie sehr die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit einer Person durch eine Verletzung oder Krankheit eingeschränkt ist. Die MdE wird in Prozent angegeben und spielt eine zentrale Rolle bei der Berechnung von Schadensersatz, zum Beispiel bei Schmerzensgeld oder Verdienstausfall. Eine MdE von 35 % bedeutet, dass die Leistungsfähigkeit der Person um 35 % reduziert ist.

Im Fall des Gerüstunfalls wurde die MdE der Hand des Verletzten von 25 % auf 35 % erhöht, was den Umfang der Unfallfolgen bezifferte.


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Gestörter Gesamtschuldnerausgleich

Der gestörte Gesamtschuldnerausgleich ist ein Anspruchskürzungsgrund, der auftritt, wenn mehrere Personen gemeinsam für einen Schaden haften (Gesamtschuldner), aber einer von ihnen wegen rechtlicher oder tatsächlicher Gründe den anderen nicht oder nicht vollständig in Regress nehmen kann. Entstehen dadurch finanzielle Nachteile, kann dies zu einer Kürzung der Schadensersatzansprüche führen. Im vorliegenden Gerüstunfall wurde geprüft, ob der Gerüstbauer den Arbeitgeber des Verletzten subsidiär in Anspruch nehmen kann; da keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers festgestellt wurde, kam ein gestörter Gesamtschuldnerausgleich nicht zur Anwendung.

Beispiel: Wenn der Arbeiter wegen eines Schadens sowohl den Gerüstbauer als auch den Arbeitgeber belangen kann, der zweite aber nicht zahlen muss, kann der erste eine Kürzung der Forderung fordern – das nennt man gestörten Gesamtschuldnerausgleich.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 836 BGB (Werkbesitzerhaftung): Regelt die Haftung des Werkbesitzers für Personen- oder Sachschäden, die durch den Betrieb eines mit dem Grundstück verbundenen Werks verursacht werden, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Der Werkbesitzer haftet, wenn kein Entlastungsbeweis gelingt, dass er die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Koblenz verneint ein Verschulden des Gerüstbauers nicht, sondern vermutet es aufgrund des Bruchs der Durchstiegstafel, wodurch die Werkbesitzerhaftung des Gerüstbauunternehmers greift.
  • § 837 BGB (Mitverantwortung bei Werkbesitzerhaftung): Ergänzend zur Haftung des Werkbesitzers können auch Personen, die für die Auswahl oder Überwachung des Werks zuständig sind, haftbar gemacht werden, wenn sie fahrlässig handeln. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte mögliche Mitverantwortung anderer Beteiligter, etwa des Arbeitgebers, sah jedoch keine Pflichtverletzung, sodass die Haftung allein dem Gerüstbauer zugeordnet wurde.
  • § 254 BGB (Mitverschulden): Bestimmt, dass der Haftungsanspruch gekürzt werden kann, wenn der Geschädigte selbst durch grobes oder leichtes Mitverschulden zum Schaden beigetragen hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte ein Mitverschulden des Steinmetzes trotz Vorschäden und eventueller Einschränkungen bei der Nutzung des Gerüsts, sodass seine Ansprüche nicht gekürzt wurden.
  • Beweislast und Anscheinsbeweis: Der Anscheinsbeweis begründet, dass bei offensichtlicher Mangelhaftigkeit eines Werkteils und deren ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall die Beweislast beim Werkbesitzer liegt, die Mangelhaftigkeit zu widerlegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Durchstiegstafel ohne erkennbaren Grund brach, lag der Anscheinsbeweis für einen Mangel beim Gerüstbauer, der diesen nicht widerlegen konnte.
  • § 522 Abs. 2 ZPO (Beschluss zur Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung): Ermöglicht die Zurückweisung von Berufungen ohne Verhandlung, wenn diese offensichtlich unbegründet sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Koblenz nutzte diese Vorschrift, um die Berufungen beider Parteien als unbegründet zurückzuweisen und das Landgerichts-Urteil zu bestätigen.
  • Arbeitsrechtliche Haftungsprivilegien und gestörter Gesamtschuldnerausgleich: Grundsatz, dass Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen für Arbeitsunfälle haften, wobei ein gestörter Gesamtschuldnerausgleich mögliche Mitverantwortungen Dritter berücksichtigt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers fest, wodurch ein gestörter Gesamtschuldnerausgleich nicht zu einer Kürzung der Ansprüche des Steinmetzes führte.

Das vorliegende Urteil


OLG Koblenz – Az.: 15 U 565/21 – Beschluss vom 28.03.2022


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