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Verkehrssicherungspflicht Handwerker bei Bauarbeiten in Privatwohnung

Keine Haftung des Handwerkers bei Verkehrssicherungspflichtverletzung

In einem aktuellen Fall hat ein Gericht entschieden, dass ein Handwerker, der in einer Wohnung Renovierungsarbeiten durchführte, nicht aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung haftet. Die Klägerin hatte Prozesskostenhilfe beantragt, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin blieb jedoch erfolglos.

Direkt zum Urteil: Az.: I-11 W 15/22 springen.

Keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien

Der Handwerker führte die Arbeiten im Auftrag des Vermieters der Antragstellerin durch. Es bestanden keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien. Daher kann die Antragstellerin den Handwerker nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen.

Anspruchsausschließendes Mitverschulden nicht gegeben

Das Gericht prüfte auch, ob ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Antragstellerin vorlag. Dies wurde jedoch verneint, da keine Umstände vorgetragen wurden, die eine ganz besondere, schlechthin unverständliche Sorglosigkeit der Antragstellerin begründen würden.

Keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Handwerkers

Das Gericht entschied, dass der Handwerker keine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen hat. Er musste nicht mit Personen rechnen, die während der Bauarbeiten die Wohnung betreten und mit den Gefahrenstellen nicht umgehen können. Die Antragstellerin hätte die Situation erkennen und sich entsprechend verhalten müssen.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-11 W 15/22 – Beschluss vom 25.04.2022

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold vom 06.10.2021 (4 O 163/21) wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat der Antragstellerin die beantragte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht versagt.

Verkehrssicherungspflicht Handwerker bei Bauarbeiten in Privatwohnung
(Symbolfoto: True Touch Lifestyle/Shutterstock.com)

Aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung kann die Antragstellerin den Antragsgegner nicht gem. § 823 Abs. 1 BGB – eine andere Rechtsgrundlage kommt nicht in Betracht – in Anspruch nehmen. Der Antragsgegner führte als Handwerker im Auftrag des Vermieters der Antragstellerin, des früheren Antragsgegners zu 1, Renovierungsarbeiten in der Wohnung der Antragstellerin durch. Vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden nicht. Auch aus dem Werkvertrag des Vermieters mit dem Antragsgegner ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im vorliegenden Fall der Körperverletzung keine vertraglichen Ansprüche der Antragstellerin. Es fehlt an der Leistungsnähe, weil die Antragstellerin die Wohnung während der Renovierungsarbeiten nicht nutzen sollte und dementsprechend nicht aufzusuchen hatte, so dass sie persönlich mit den Arbeiten der Handwerker nicht in Berührung kommen sollte.

Soweit das Landgericht die Abweisung des Prozesskostenhilfegesuchs darauf gestützt hat, dass der Antragstellerin ein überragendes anspruchsausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB zur Last falle, kann dem allerdings nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Ein anspruchsausschließendes Mitverschulden erscheint im vorliegenden Fall zwar denkbar, liegt aber nicht nahe. Bei der Prüfung ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Haftung aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann vollständig entfällt, wenn der Geschädigte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eine pflichtwidrig bestehende Gefahrenstelle hätte erkennen und umgehen können. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde damit allein auf den Geschädigten verlagert, obwohl die Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat. Dieses Ergebnis widerspräche dem Schutzzweck der verletzten Verkehrssicherungspflicht, die auch solche Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren soll, die nicht stets ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann daher nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2013 – III ZR 326/12, Juris Tz. 18 ff.).

Zu einem Sorgfaltsverstoß von diesem Gewicht fehlen im vorliegenden Fall, in dem der Inhalt eines Gesprächs der Parteien vor der konkreten Schadensentstehung umstritten ist, ausreichende Anhaltspunkte, die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren eine abschließende Beurteilung zulassen. Allein die Erkennbarkeit der Gefahrenstelle und ein sorgfaltswidriges Verhalten der Antragstellerin lassen noch keinen Vorwurf einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit zu. Umstände, die darüber hinaus einen derartigen Vorwurf begründen könnten, sind weder konkret vorgetragen worden, noch derzeit sonst ersichtlich.

Allerding fehlt es bereits an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners, dessen rechtliche Voraussetzungen das Landgericht in seinem Beschluss vom 06.10.2021 – auf S. 2 nach Ziff. 1. – zutreffend beschrieben hat, hierauf nimmt der Senat Bezug.

Dem Landgericht ist weiter dahingehend zu folgen, dass vom Antragsgegner als einem in der Wohnung tätigen Handwerker nicht zu erwarten war, dass er den bereits bis auf die Rigipsdecke der unteren Wohnung geöffneten Boden in der Küche absperrte oder anders absicherte. In der Privatwohnung fanden Bauarbeiten statt. Für beteiligte Handwerker war der geöffnete Fußboden als Gefahrenstelle, die nicht betreten werden konnte und durfte, offensichtlich, was auch die von den Parteien vorgelegten Lichtbilder verdeutlichen. Sie bilden den geöffneten Küchenboden mit der vom Wasser beschädigten Rigipsdecke unterhalb der Deckenbalken ab, die ersichtlich kein zum Betreten geeigneter Untergrund ist. Mit einem Personenkreis, der die Wohnung während der Bauarbeiten betreten würde und sich der Gefahren des geöffneten Küchenfußbodens nicht bewusst sein würde, musste der Antragsgegner nicht rechnen, insbesondere nicht mit uninformierten, unbedarften Mietern der Wohnung, nachdem die Mieter die Wohnung im Einvernehmen mit dem Vermieter zum Zwecke der Bauarbeiten vorübergehend verlassen hatten und während der Bauarbeiten auch nicht aufsuchen sollten.

Dass die Antragstellerin die Wohnung am Unfalltag, dem 00.00.2019, dennoch betreten würde und sich – ohne zu fragen – in die Küche begab, ohne der dortigen Gefahrenstelle Rechnung zu tragen, begründet keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners. Die Bauarbeiten in der Wohnung waren – auch für die Antragstellerin – offensichtlich. Handwerker waren vor Ort (die mit der Situation umgehen konnten), mit Ortsunkundigen musste von Seiten der in der Privatwohnung tätigen Handwerker nicht gerechnet werden. Die Antragstellerin war ebenfalls nicht ortsunkundig, da sie sich als Mieterin in der Wohnung auskannte.

In dieser Situation musste der Antragsgegner nicht mit Personen rechnen, die die Wohnung betreten würden und mit den durch die Bauarbeiten geschaffenen Gefahrenstellen nicht würden umgehen können. Dies gilt auch für die Antragstellerin, wenn der Antragsgegner sie beim Betreten der Wohnung aufgrund eines kurzen Grußes bemerkt haben sollte, ohne ihr weitergehende Hinweise zu den Bauarbeiten zu erteilen, wie die Antragstellerin behauptet. Der Antragsgegner konnte vielmehr davon ausgehen, dass sich die Antragstellerin auf die für sie offensichtlichen Bauarbeiten einstellen und sich erforderlichenfalls nach den Umständen, unter denen sie etwas aus der Wohnung holen konnte, von sich aus (und im Voraus) erkundigen würde. Mangels anderer Anhaltspunkte musste er nicht annehmen, dass sich die Antragstellerin gänzlich unbefugt in Verkennung der mit dem Bauarbeiten verbundenen Risiken in der Wohnung bewegen würde. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass sich die Antragstellerin auf die Situation einstellen und gegebenenfalls bei den vor Ort tätigen Handwerkern nachfragen würde, wenn ihr etwas unbekannt, unklar war. Dies lag auch für die Antragstellerin nahe, die als Mieterin ja sofort erkennen konnte, welcher Bereich der Wohnung von den Bauarbeiten betroffen war und evtl. nur in Abstimmung mit den vor Ort tätigen Handwerken betreten werden konnte.

Es fehlt mithin bereits an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners, Prozesskostenhilfe für die von der Antragstellerin beabsichtigte Schadensersatzklage ist bereits aus diesem Grund zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant


  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB): Im vorliegenden Urteil wird die Antragstellerin aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung den Antragsgegner nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen. Die Antragstellerin hatte in diesem Fall keine vertragliche Beziehung zum Antragsgegner, einem Handwerker, der Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung durchführte. Das Gericht stellt fest, dass es bereits an einer haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners fehlt.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB): Das Landgericht hatte die Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs der Antragstellerin auf ein überragendes anspruchsausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB gestützt. Das OLG Hamm sieht jedoch im vorliegenden Fall kein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Antragstellerin, das einer Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen entgegenstünde. Es fehlen ausreichende Anhaltspunkte, um eine abschließende Beurteilung im Prozesskostenhilfeverfahren zuzulassen.
  • Zivilprozessordnung (ZPO) – Kostenentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 127 Abs. 4 ZPO): Die Kostenentscheidung im vorliegenden Urteil basiert auf § 127 Abs. 4 ZPO. Da das Gericht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss zurückweist und Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage versagt, werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

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