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Verkehrssicherungspflicht Hauseigentümer – Ablösung einer Dachziegel bei Sturm

LG Dortmund, Az.: 11 S 72/16, Urteil vom 27.04.2017

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 23.09.2016 (4 C 264/15) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.036,27 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30.10.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 03.03.2015 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.036,27 €

Gründe

I.

Verkehrssicherungspflicht Hauseigentümer - Ablösung einer Dachziegel bei Sturm
Symbolfoto; Hecke/Bigstock

Die Klägerin – ein Versicherungsunternehmen – nimmt den Beklagten im Wege des Regresses nach § 86 VVG auf Erstattung eines von ihr regulierten Kaskoschadens an einem bei ihr versicherten KfZ in Anspruch.

Nach dem erstinstanzlich unstreitigen Vortrag der Parteien wurde ein bei der Klägerin kaskoversichertes Fahrzeug während des Pfingststurms „Ela“ am 07.06.2014 durch eine von dem Dach des im Eigentum des Beklagten stehenden Gebäudes herabgestürzte Dachziegel beschädigt. Der unstreitig entstandene Sachschaden wurde durch die Klägerin in Höhe von 3.036,27 € reguliert.

Das Amtsgericht hat die Regressklage gegen den Beklagten aus §§ 87 VVG i.V.m. § 836 Abs. 1 BGB abgewiesen. Es hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass ein Anspruch aus übergegangenem Recht aus § 836 BGB nicht bestehe, da die Klägerin nicht bewiesen habe, dass für den Verletzungserfolg die mangelhafte Errichtung und/oder die Unterhaltung des Gebäudes durch den Beklagten ursächlich gewesen sei. Der grundsätzlich für die Klägerin streitende Anschein des Vorliegens der Haftungsvoraussetzungen des § 836 Abs. 1 S. 1 BGB sei hier widerlegt, da ein außergewöhnliches Naturereignis in Form eines Orkans der Stärke 13 Beaufort vorgelegen habe, mit dem erfahrungsgemäß nicht zu rechnen gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin und verfolgt die erstinstanzlich gestellten Anträge fort. Insbesondere vertritt sie die Rechtsansicht, dass kein außergewöhnliches Naturereignis i.S.d. § 836 Abs. 1 BGB gegeben sei, welches den Anscheinsbeweis widerlegt habe. Der Beklagte müsse vielmehr den vollen Entlastungsbeweis führen.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und in zulässiger Weise rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung ist vollumfänglich begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten im Regresswege einen Anspruch auf Zahlung von 3.036,27 € aus § 86 VVG i.V.m. §§ 836 Abs. 1, 249 BGB nebst Zinsen sowie Ersatz der entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 € nebst Zinsen.

1. Der Haftungstatbestand des § 836 BGB ist erfüllt.

Wird durch die Ablösung von Teilen eines Gebäudes eine Sache beschädigt, ist der Besitzer aus § 836 Abs. 1 BGB verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, sofern die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist. Der Besitzer kann den Entlastungsbeweis führen, dass er die zum Zwecke der Gefahrenabwendung erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Die Haftung setzt danach voraus, dass durch die Ablösung von Teilen eines Gebäudes eine Sachbeschädigung geschehen ist, wobei die Ablösung adäquat kausal durch eine fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung verursacht sein muss, die Ablösung außerdem die Eigentumsverletzung (also den Sachschaden) adäquat kausal verursachte haben muss und dem Besitzer der notwendige Entlastungsbeweis nicht gelungen ist.

a) Nach den für das Berufungsgericht bindenden Feststellungen des Amtsgerichts (§529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) – sowie dem unstreitigen Vortrag der Parteien in erster Instanz – fiel eine Dachziegel infolge des Orkans „Ela“ am 07.06.2014 vom Dach des im Eigentum des Beklagten stehenden Hauses herunter und verursachte an dem bei der Klägerin kaskoversicherten KfZ einen Sachschaden. Dass es sich bei der streitgegenständlichen Dachziegel um einen Dachziegel des Hauses des Beklagten gehandelt hat, bestreitet der Beklagte zwar nunmehr in der Berufungsinstanz. Dieses bestreiten ist jedoch aufgrund der Rechtswirkungen des Tatbestandes des Urteils erster Instanz unbeachtlich. Wie bereits ausgeführt, war dieses Vorbringen in erster Instanz auch tatsächlich unstreitig, so dass auch keine fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das Amtsgericht vorliegt.

Die Dachziegel war als notwendiger Bestandteil des Gebäudes (Belling, in: Staudinger BGB, Aufl. 2012, § 836 Rn. 22) ein Teil des Gebäudes. Gebäudeteil ist eine Sache nicht nur, wenn sie zur Herstellung eines Gebäudes eingefügt ist, sondern auch dann, wenn sie in einem so festen baulichen Zusammenhang mit dem Gebäude steht, dass sich daraus nach der Verkehrsanschauung ihre Zugehörigkeit zu dem Bauganzen ergibt (BGH NJW 1985, 2588). Dachziegel und Steine sind danach Teile eines Gebäudes (BGH NJW 1993, 1782 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 885).

b) Das Herunterfallen der Dachziegel stellt eine Ablösung im Sinne des § 836 Abs. 1 BGB dar, denn darunter ist jede unwillkürliche und ungeplante Aufhebung der Verbindung zum übrigen unversehrten Ganzen zu verstehen (BGH NJW 1997, OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 1255).

c) Die Ablösung der Dachziegel beruht auch kausal jedenfalls auf einer mangelhaften Unterhaltung des Gebäudes. Denn der für die Klägerin streitende Anscheinsbeweis ist weder durch das Vorliegen eines außergewöhnlichen Naturereignisses erschüttert noch durch einen hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag zur ordnungsgemäßen Unterhaltung des Gebäudes widerlegt worden.

aa) Zunächst streitet zugunsten der Klägerin ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass die Ablösung der Dachziegel entweder auf einer fehlerhaften Errichtung oder aber auf einer mangelhaften Unterhaltung des Gebäudes beruht. Insoweit ist es ohne Bedeutung, wie die Trennung oder Lockerung der Verbindung eintritt, ob dies ohne äußere Einwirkungen von selbst oder auf äußere Einwirkungen zurückzuführen ist (Belling, in: Staudinger BGB, Aufl. 2012, § 836, Rn. 39 m. w. N.). Es ist nicht erforderlich, dass eine fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung des Werks die einzige Ursache des Geschehens ist. Vielmehr können auch andere Ursachen hinzukommen. Das ergibt sich aus den auch im Rahmen des § 836 BGB geltenden allgemeinen Kausalitätsgrundsätzen. Es genügt also, wenn eine fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung eine unter anderen Bedingungen, also adäquate Bedingung dafür war, dass es zum Ablösen von Teilen des Werks gekommen ist (BGHZ 58, 453, m.w.N.).

bb) Dieser Anscheinsbeweis wurde nicht dadurch entkräftet, dass ein „außergewöhnliches Naturereignis“ i.S.d. § 836 BGB in Form eines Orkans mit entsprechenden außergewöhnlichen Windstärken vorgelegen haben würde.

Insoweit ist anerkannt, dass der Beweis des ersten Anscheins ausgeräumt werden kann, wenn die ernsthafte Möglichkeit feststeht, dass das schädigende Ereignis auf einer anderen Ursache als der fehlerhaften Errichtung oder der mangelhaften Unterhaltung beruht (BGH, NJW-RR 2006, 1098). Das ist aber nur der Fall, wenn es sich um ein außergewöhnliches Naturereignis handelt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Werk nicht standzuhalten vermag. Anders verhält es sich dagegen, wenn es sich um Naturereignisse oder Witterungseinflüsse handelt, mit denen nach der Erfahrung zu rechnen ist und denen ein Werk bei fehlerloser Errichtung und ordnungsgemäßer Unterhaltung standhalten muss. In einem solchen Fall beweist gerade die Loslösung von Werkteilen infolge der Witterungseinwirkung, dass die Anlage fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war (BGH, NJW 1972, 724).

Weiter ist anerkannt, dass dem Geschädigten – bzw. dem regulierenden Kaskoversicherer – für den Beweis des objektiven Mangels der erste Anschein der fehlerhaften Errichtung oder ungenügenden Unterhaltung eines Gebäudes auch dann zugute kommt, wenn infolge ein ungewöhnlich starker Sturm herrschte.

Entgegen der Rechtsansicht des Amtsgerichts – und darauf hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 05.12.2016 hingewiesen – liegt ein derartiges außergewöhnliches Naturereignis in Form eines Orkans noch nicht dann vor, wenn eine Windstärke von 13 Beaufort festgestellt werden kann. Der Unterhaltspflichtige muss erhebliche Sturmstärken in seine Betrachtung mit einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Teile des Gebäudes oder Werks treffen. Das Vorliegen besonders starker Sturmböen erschüttert deswegen in der Regel den Anscheinsbeweis noch nicht.

Die Kammer hatte in dem Beschluss vom 05.12.2016 bereits unter Verwies u.a. auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.03.1993 (Az: VI ZR 176/92, in Auszügen abgedruckt in NJW 1993, 1782, im Volltext in Juris verfügbar) sowie diversen Kommentarfundstellen (Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, S. 634 f.; Palandt, § 836, Rn. 9; Belling, in: Staudinger, Nachbearbeitung 2012, § 836, Rn. 109) ausgeführt, dass ein derartiges außergewöhnliches Sturmereignis i.S.d. § 836 BGB noch nicht dann vorliegt, wenn eine Windstärke von Beaufort 13 festgestellt werden kann, sondern erst bei darüber hinausgehenden Windstärken. In der Rechtsprechung wurde ein außergewöhnliches Naturereignis anerkannt bspw. bei Windstärken im mittleren Bereich von 14 Beaufort (OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 749; OLG Koblenz NVwZ-RR 2004).

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Der Beklagte hat hierzu in seinem Schriftsatz vom 24.01.2017, S. 9, ausgeführt, dass der Bundesgerichtshof sich in der zitierten Entscheidung zu der Windstärke nicht geäußert habe, weshalb die Entscheidung nicht tragfähig sei für die Argumentation der Kammer. Dieser Einwand des Beklagten ist jedoch nicht zutreffend. Denn wie aus der im Volltext bei Juris abrufbaren Entscheidung hervorgeht, hat der Bundesgerichtshof die von dem als Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung bestätigt, dass von einem außergewöhnlichen Naturereignis „selbst bei einem Sturm mit Windstärken von 12-13 Beaufort nicht gesprochen werden [könne]“ (BGH, Urt. v. 23.03.1993, Az: VI ZR 176/92, Juris Tz. 7 i.V.m. 11 f.). Indem der BGH bei dieser Sturmstärke dem Kläger den Beweis des ersten Anscheins zuerkennt, bestätigt der Bundesgerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass Sturmstärken von bis zu 13 Beaufort noch nicht für ein außergewöhnliches Naturereignis ausreichend sind (vgl. auch OLG Düsseldorf, MDR 1993, 27, das ebenfalls jedenfalls bis 13 Beaufort von einem Eingreifen der Vermutung ausgeht; insbes. Auch: OLG Stuttgart, Urt. v. 23.11.2016, Az: 4 U 97/16, BeckRS 2016, 20765,Tz. 56). Dies gilt trotz der Begrenzung der Windlast auf Windstärken bis 12 Beaufort in technischen Regelwerken für Bauwerke, denn im Hinblick auf den Klimawandel ist mit der Häufung größerer Windstärken zu rechnen (Belling, in: Staudinger BGB, Aufl. 2012, § 836 Rn. 109).

Ein Sturmereignis mindestens der Windstärke 14 hat das Amtsgericht unter Zugrundelegung der Ausführungen sowie des schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen jedoch nicht festgestellt.

Ein außergewöhnliches Sturmereignis kann auch nicht durch Beweiswürdigung gewonnen werden, wenn man das Sachverständigengutachten und die Zeugenaussagen würdigt. Den Zeugenaussagen können größtenteils lediglich Meinungskundgaben entnehmen werden, die nicht auf die konkreten Ereignisses zum Schadenszeitpunkt schließen lassen.

Der Berufungsbeklagte meint, dass ein außergewöhnliches Naturereignis daraus folge, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Sturm um ein konvektives Sturmereignis im Sommer gehandelt habe, der nicht gleichmäßig aus einer Richtung geblasen habe sondern ein chaotisches Wetterphänomen dargestellt habe, welches viel heftiger wirke als ein Sturm aus einer Richtung. Hierzu habe die Sachverständige festgestellt, dass ein derartig chaotisches Sturmphänomen etwa alle 50 Jahre auftrete. Dem folgt die Kammer nicht. Wie ausgeführt, bedarf es für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses besonders hoher Windstärken von mehr als Beaufort 13. Entscheidend ist insoweit die Stärke des Sturms, nicht die Windrichtung. Da derartige Windstärken nicht festgestellt werden konnten, kann die Kammer auch nicht aus der Tatsache eines konvektiven Sturmereignisses auf eine entsprechende Windstärke schließen. Die Sachverständige hat sich bei der mündlichen Erläuterung insoweit nicht sicher auf eine Sturmstärke jenseits der 13 Beaufort festlegen können, auch nicht aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein konvektives Sturmereignis handelte.

cc) Der Beklagte hat auch den ihm obliegenden Entlastungsbeweis, für den er die Beweislast trägt (§292 ZPO), nicht führen können. Er hat bereits die Tatsachen, die darzulegen gewesen wären, nicht hinreichend substantiiert dargelegt, so dass es einer weitergehenden Beweisaufnahme nicht bedurfte. Auf die fehlende Substanz hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 05.02.2017 hingewiesen. Auch die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 27.04.2017 gem. § 139 ZPO darauf hingewiesen.

An die dem für die Gebäudesicherheit Verantwortlichen obliegende Pflicht zur Überwachung, an die Substantiierung des dahingehenden Vortrags und an seinen Nachweis müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Zwar braucht der Gebäudeunterhaltspflichtige nicht alle Gefahren der in § BGB § 836 BGB beschriebenen Art vollständig auszuschließen; denn für die Anforderungen an die Gefahrensicherung ist insbesondere auf die Sicherungserwartungen des Verkehrs abzustellen. Wegen der erheblichen Gefahren, die von herabfallenden Dachteilen für die Gesundheit und das Eigentum unbeteiligter Dritter drohen, hat derjenige, der für die Sicherheit des Gebäudes zu sorgen hat, alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die aus technischer Sicht geboten und geeignet sind, die Gefahr einer Ablösung der Dachteile, sei es auch bei starkem Sturm, nach Möglichkeit rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen; dies gilt umso mehr, je älter das Gebäude und seine Dachkonstruktion ist. Für eine Beseitigung eventueller Gefahrenquellen ist insbesondere auch dann zu sorgen, wenn damit ein hoher Kostenaufwand verbunden ist. Insoweit gehört es zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, dass der Haftpflichtige einen zuverlässigen Fachkundigen mit der regelmäßigen Nachprüfung im gebotenen Umfang betraut. Dabei muss eine solche Überprüfung im Rahmen der technischen Möglichkeiten alle die Konstruktionselemente erfassen, bei welchen etwa auftretende Mängel zu einer Lösung von Gebäudeteilen führen können; auf ordnungsgemäße Sanierungsmaßnahmen, die sich nur auf einen Teilbereich erstrecken, kann sich der Unterhaltspflichtige nicht verlassen. Außer bei einfach aufgebauten Werken muss der Pflichtige die regelmäßige Prüfung durch zuverlässige Sachkundige durchführen lassen.

Auch bei einem Dach kommt es grundsätzlich zunächst darauf an, inwieweit Gefahren für die Allgemeinheit zu befürchten sind. Konkret ist bei der Bestimmung des Maßstabs für die Überprüfung eines Dachs zu beachten, ob es sich um ein alleinstehendes Gebäude ohne Publikumsverkehr, oder ein solches mit Publikumsverkehr handelt, das Dach schon älter ist und deshalb eine erhöhte Schadensanfälligkeit besteht, bereits zuvor Schäden vorlagen, es sich um die dem Wind und Wetter ausgesetzte Seite handelt oder die Dachkonstruktion zu besonderer Schadensanfälligkeit neigt. Es ist nicht nur zu kontrollieren, ob das Gebäude oder Werk den Anforderungen zur Zeit der Errichtung noch entspricht, sondern es sind auch spätere Einwirkungen zu berücksichtigen, mit denen zuvor noch nicht gerechnet werden konnte. Für ein älteres Dach kann insoweit eine jährliche gründliche Sichtkontrolle verlangt worden, die konkret dargelegt werden muss (Zum Ganzen: OLG Stuttgart, Urt. v. 23.11.2016, Az: 4 U 97/16, BeckRS 2016, 20765 m.w.N.).

Der Vortrag der Beklagten zu den veranlassten Kontrollen des Dachs ist nach diesen Maßstäben nicht hinreichend substantiiert.

Der Beklagte lässt vortragen, dass er das Haus 2007 gekauft habe. Er sei mit dem als Zeugen benannten Dachdeckermeister N gut befreundet, dieser sei also „mehr gewesen, als bloß der punktuell mit kleinen Reparaturarbeiten beauftragte Dachdeckermeister“. Sowohl im Zusammenhang mit dem Hauskauf als auch in den folgenden Jahren sei dieser immer wieder vor Ort gewesen und er habe das Dach in Augenschein genommen. Ferner habe der Zeuge N im Bad im Dachgeschoss einen Entlüfter eingebaut und in diesem Zusammenhang Arbeiten an der Eindeckung des Daches vorgenommen. Ein anderes Mal habe er die Dachrinne auf der Straßenseite abgedichtet. Belege zu diesem Vortrag gebe es jedoch nicht mehr. Weitere Darlegungen dazu, an welchen Tagen dies gewesen sei, kann der Beklagte ebenfalls nicht vortragen. Der Beklagte lässt jedoch weiter vortragen, dass feststehe, dass der Zeuge N stets nicht nur die konkrete Aufgabe erledigt habe, er vielmehr auch stets das Dach als solches in Augenschein genommen habe. Dabei habe es zu keinem Zeitpunkt Anlass für Beanstandungen gegeben.

Ferner sei das Dach bis heute nicht gedämmt, so dass man bereits bei Betreten des Raumes jeder einzelne Dachpfannen aus dem Hausinneren heraus betrachten könne. Mit geschultem Blick könne ein Dachdeckermeister, anders als bei gedämmten Dächern, bei denen ein hinaufsteigen auf das Dach erforderlich sei, dieses Dach ohne weiteren Aufwand in Augenschein nehmen. Herausbrücken der Putz oder Spuren von eindringender Feuchtigkeit würden sich dem geschulten Auge geradezu aufdrängen. Dies gelte auch für ein Defekt in der Eindeckung.

Abgesehen von den konkreten Schadensbeseitigungsmaßnahmen – die nicht näher ausgeführt werden – im Anschluss an den Sturm „Ela“ befände sich das Dach noch heute in dem Zustand, wie es sich am Tage des Sturmereignisses befunden habe. Deshalb könne auch heute noch ein Sachverständiger prüfen, ob das Dach nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet und instandgehalten worden sei. Hierfür bietet der Beklagte Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Die letzte Begehung habe im Herbst 2016 stattgefunden, weil darüber nachgedacht werde, nunmehr eine Innendämmung vorzunehmen. Auch dabei sei nichts festgestellt worden.

Die beschriebenen, sehr strengen Anforderungen, die an die substantiierte Darlegung der Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht gestellt werden, sind nicht erfüllt.

Der Beklagte trägt lediglich vor, dass der Zeuge N anlässlich anderer Ausbesserungs- oder sonstiger Arbeiten am Dach jenes auch in Augenschein genommen habe. Dass es einen Auftrag zur Prüfung der Verkehrssicherheit gegeben habe, behauptet er gerade nicht. Es fehlt auch jeglicher Vortrag dazu, in welchen Zeitabständen Kontrollen des Daches auf dessen Verkehrssicherheit in der Vergangenheit durchgeführt worden sind, worauf konkret sich die Untersuchung bezogen hat und wann zuletzt vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis die letzte Kontrolle stattgefunden hat. Da das Haus unmittelbar an dem Fußweg vor der Straße platziert liegt, also von dem Haus für eine unbestimmte Anzahl an Personen sowie für die parkenden Autos vor dem Haus eine potentielle Gefahr ausgeht, hätte es hierzu eines Vortrages bedurft.

d) Der durch den heruntergefallenen Dachziegel eingetretene Schaden an dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug ist nach den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts, an die das Landgericht gebunden ist, zwischen den Parteien unstreitig geblieben und beträgt gem. § 249 BGB 3.139,27 €. Aufgrund der Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers regulierte die Klägerin jedoch lediglich 3.036,27 €, so dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Beklagten auch nur in dieser Höhe gem. § 86 VVG auf die Klägerin im Wege einer cessio legis übergegangen ist. Ferner sind die Kosten für das Wetterkurzgutachten erstattungsfähig.

2. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind in der geltend gemachten Höhe aus Verzugsgesichtspunkten erstattungsfähig.

3. Der Verzugszinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 280, 286, 288 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Gründe für die beantragte Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Entscheidung der Kammer setzt die beschriebene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den gegebenen Einzelfall um.

Wie bereits ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23.03.1993 (Az: VI ZR 176/92, Juris Tz. 7 i.V.m. 11 f.) entscheiden, dass die Ansicht des Berufungsgerichts im dortigen Fall – ein außergewöhnliches Sturmereignis i.S.d. § 836 BGB liege nicht bereits bei Windstärken von 12-13 Beaufort vor – bestätigt. Eine Abweichung von dieser Entscheidung durch die Kammer liegt gerade nicht vor.

Im Übrigen handelt es sich um rechtliche Bewertungen, die dem Einzelfall Rechnung tragen.

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