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Verkehrssicherungspflicht – Hauseigentümerhaftung für Schäden an geparktem Kraftfahrzeug

AG Hannover – Az.: 438 C 12642/13 – Urteil vom 15.07.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen vermeintlicher Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aus einem Fahrzeugschaden geltend, nachdem der ihr gehörende Pkw, …, amtliches Kennzeichen … infolge Herabstürzens einer Schneelawine in der Nacht vom 30.12.2010 auf den 31.12.2010 beschädigt worden ist.

Die Klägerin hat ihr Fahrzeug am 30.12.2010 vor dem Gebäude des Beklagten in der in … abgestellt. In dieser Nacht ging von dem Dach des Wohnhauses, das im Eigentum des Beklagten steht, eine Schneelawine runter und beschädigte das Fahrzeug der Klägerin an der Frontscheibe, der Dachhaut und am Dachhimmel. Die Klägerin beziffert ihren Schaden in Höhe von 2.368,46 €.

Die Klägerin meint, der Beklagte hätte das ihm gehörende Gebäude durch Schneefanggitter anders sichern müssen.

Verkehrssicherungspflicht - Hauseigentümerhaftung für Schäden an geparktem Kraftfahrzeug
Symbolfoto: Von deepspace /Shutterstock.com

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.368,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2011 zu zahlen und den Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, einen Sorgfaltspflichtverstoß nicht begangen zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.

Insbesondere steht der Klägerin ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht zu.

Im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht im Deliktsrecht kann ein Hauseigentümer in Fällen wie dem hier vorliegenden nur dann aus einem unterlassen in Anspruch genommen werden, wenn er eine Rechtspflicht hatte, Vorkehrungen zu treffen, um einen durch Schnee- oder Eissturz entstehenden Schaden abzuwenden (BGH, VersR 1955, 82).

Eine solche Verkehrssicherungspflicht besteht nur, wenn für einen vorausschauend Urteilenden die naheliegende Gefahr ersichtlich ist, dass Rechtsgüter Dritter geschädigt werden können, und nur in dem Rahmen, die der normale und übliche Verkehr erfordert und die zudem zumutbar sind (BGH NJW 2004, 1449, 1450).

Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung folgt daraus, dass der Hauseigentümer daher nur in besonderen Fällen Schutzmaßnahmen gegen die durch Schnee oder Eis verursachte Gefahr treffen muss (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 1404; OLG Köln, VersR 1988, 1244). Eine Verpflichtung zur Durchführung besonderer Sicherheitsvorkehrungen – wie etwa das Absperren der Straßenfläche vor dem Haus, die Aufstellung von Hinweisschildern oder das Abräumen des Daches – besteht nur dann und ist nur dann notwendig und zumutbar, wenn besondere Umstände vorliegen. Dabei ist bei der Prüfung, ob besondere Umstände vorliegen, zu berücksichtigen, dass grundsätzlich Verkehrsteilnehmer selbst verpflichtet sind, sich durch Achtsamkeit vor der Gefahr der Verletzung durch herabfallenden Schnee oder Eis zu schützen (OLG Jena, NJOZ 2007, 1245).

Zu der Frage der ob es zur Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten erforderlich ist, Schneefanggitter anzubringen, ist auf die örtlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles abzustellen und hierbei insbesondere auf das Kriterium der Ortsüblichkeit Rücksicht zu nehmen. In der Stadt Hannover kann nicht von einer generellen Ortsüblichkeit von Schneefanggittern ausgegangen werden. Für den konkreten Fall ist auch zu bedenken, dass es sich bei den Schneeverhältnissen und Witterungsbedingungen im Winter 2010 um Extreme gehandelt hat. Sollten diese in Zukunft zur Regel werden, müsste die Frage der Erforderlichkeit von Schneegittern in Zukunft möglicherweise anders entschieden werden.

Auch zu der Frage, ob weitere Schutzmaßnahmen hätten getroffen werden müssen, ist die extreme Wetterlage zu berücksichtigen, aufgrund derer nämlich eine tägliche oder sogar mehrmals tägliche Kontrolle des Daches erforderlich gewesen wäre, um einen effektiven Schutz gegen Dachlawinen bieten zu können. Dies ist aber dem Hauseigentümer im Rahmen eines Anspruchs aus § 823 BGB nach den vorstehenden Ausführungen nicht zumutbar.

Hinzu kommt, dass auch der Klägerin aufgrund der bereits lange anhaltenden extremen Witterungsbedingungen die Gefahr von Dachlawinen in Form von Eis oder Schnee klar gewesen sein dürfte und sie aufgrund der extremen Wetterlage eben nicht darauf vertrauen durfte, dass der Beklagte für eine ständige Kontrolle des Daches sorgen würde. Zur Gefahrenabwehr hätte es daher auch der Klägerin oblegen, nicht an Stellen zu parken, die durch Dachlawinen gefährdet sein könnten.

II.

Ein Anspruch aus § 836 BGB scheidet aus, weil Schnee, der sich vom Dach eines Hauses löst, nicht Teil des Gebäudes ist (BGH, VersR 1955, 82; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 4129).

III.

Weil der Klägerin ein Anspruch auf die Hauptforderung nicht zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf die Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten oder auf die Zahlung von Zinsen.

IV.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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