OLG München – Az.: 1 U 4100/11 – Beschluss vom 11.11.2011
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.09.2011, Az. 10 O 2251/11, durch einstimmigen Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Hierzu wird binnen 3 Wochen ab Zugang Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Gründe
Die Berufung hat offensichtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht aus anderen Gründen geboten ist.
Das Landgericht hat mit ausführlichen und überzeugenden Erwägungen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich an.
Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufung folgendes festzuhalten:
1. Der Vorwurf der Klägerin, das Landgericht habe gebotene Beweise nicht erhoben, ist nicht begründet. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die örtlichen Verhältnisse durch Lichtbilder ausreichend dokumentiert. Die Vornahme eines Ortstermins war damit entbehrlich. Die Klagepartei hat weder in 1. Instanz noch in der Berufung konkret dargelegt, aus welchen Gründen die vorgelegten Fotos zur Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort unzureichend sein könnten. Demnach hatte weder das Landgericht noch hat der Senat Veranlassung, sich die Situation vor Ort anzuschauen. Die Ausmaße der Schwelle, über die die Klägerin nach ihrem Vortrag gefallen ist, sind detailliert vom Landgericht festgestellt. Die Klägerin stellt die diesbezüglichen gerichtlichen Feststellungen, die auf den durchgeführten polizeilichen Ermittlungen beruhen, nicht in Frage, sondern zieht nur andere Schlüsse daraus. Das Landgericht ging entgegen der Meinung der Klägerin nicht von einer Stolperstufe mit einer Höhe von 1 cm aus, weswegen auch die Rüge, das Landgericht sei den diesbezüglichen bagatellisierenden Angaben der Beklagten gefolgt, nicht begründet ist. Es ist desweiteren nicht ersichtlich, zu welcher Frage das Landgericht die Erholung eines Sachverständigengutachtens verabsäumt haben sollte. Die Frage, ob örtliche Gegebenheiten wegen ihrer Gefährlichkeit einer gesonderten Absicherung bedürfen, ist keine Sachverständigen-, sondern eine Rechtsfrage. Aus welchen Gründen die Vernehmung der Zeugin Wegener entbehrlich war, hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei begründet. Abgesehen davon bestätigt die Klägerin in ihrer Berufung selbst, dass die benannte Zeugin erst nach dem Sturz der Klägerin auf das Geschehen aufmerksam geworden ist, diese somit zum Unfallhergang selbst nichts sagen kann.
2. Der Senat verkennt nicht, dass die sturzbedingten Verletzungen für die Klägerin angesichts ihres hohen Alters zu einer empfindlichen Einbuße an Mobilität und Lebensqualität geführt haben. Die entscheidende Frage des Verfahrens ist jedoch, ob der Beklagten eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung vorzuwerfen ist, weil die vorhandene Schwelle weiterer Absicherungsmaßnahmen bedurft hätte. Der Senat hält die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine derartige Pflichtverletzung verneint hat, für stichhaltig und überzeugend und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Schwelle gegenüber dem übrigen Untergrund farblich nicht auffällig kontrastiert. Die Klägerin verkennt, dass nicht sämtliche Unebenheiten, Treppen oder Schwellen auf Flächen, die von Passanten begangen werden, vorsorglich durch unübersehbare Markierungen, wie etwa rot-weiße Flatterbänder, Signalfarben oder Schilder gekennzeichnet werden müssen. Dies ist auch nicht die Regel. Abgesehen davon bleibt die Signalwirkung derartiger Kennzeichnungen nur dann erhalten, wenn sie auf echte Gefahrenstellen beschränkt bleiben. Eine solche echte, noch augenfälliger zu markierende Gefahrenstelle ist vorliegend nicht gegeben. Ein Fußgänger muss zwar nicht laufend nach unten schauen und den Weg auf etwaige unauffällige Hindernisse oder Schwellen absuchen, sehr wohl schenkt ein durchschnittlicher Fußgänger jedoch dem vor ihm liegenden Bereich kurze, aber regelmäßige, versichernde Blicke, um sich über die Beschaffenheit seiner Umgebung zu orientieren. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass es bei verständiger Würdigung nicht geboten war, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um Passanten vor einem Sturz an der fraglichen Schwelle zu bewahren. Die Schwelle befindet sich nicht auf dem Gehweg, auf dem der passierende Fußgänger entlang geht, sondern daneben. Wie die vorgelegten Fotos zeigen – der Senat bezieht dabei auch die von der Klägerin mit der Berufung vorgelegten Bilder mit ein -, bewirkt die langgezogene, 80 cm breite und ca. 15 cm hohe rundliche Schwelle eine deutlich sichtbare Abgrenzung des öffentlichen Grundes, auf dem sich der in einem Bogen verlaufende Gehweg befindet, zum Privatgrund, auf dem Autos parken. Es entspricht dem üblichen Verhalten und ist von einem durchschnittlichen Passanten auch zu erwarten, dass er, wenn er den Gehweg verlässt und seinen Schritt in Richtung eines Parkplatzes oder eines zurückgesetzten Hauseinganges richtet, er auf den Übergang achtet, da dort Kanten, Schwellen o.ä. keine Seltenheit sind. Vorliegend konnte die Beklagte in Anbe-tracht der Lage, des Verlaufs und des Ausmaßes der Schwelle und darüber hinaus im Hinblick auf den darauf stehenden auffälligen rot-weißen Pfosten, davon ausgehen, dass ein Passant die Schwelle ohne weitere Kennzeichnung wahrnimmt und sturzfrei bewältigt.
3. Auch die hilfsweisen Überlegungen des Landgerichts zum Mitverschulden teilt der Senat. Es ist bei objektiver Betrachtung nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin die Bodenwelle bei Tageslicht im Mai übersehen konnte, ohne dass Ablenkung, Unaufmerksamkeit oder sonstige, der Beklagten nicht anzulastende Gründe die entscheidende Rolle gespielt haben. Wie gut die Klägerin die örtlichen Gegebenheiten kannte, ist dabei von untergeordneter Bedeutung.
Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung zur Kostenminderung zurückzunehmen.