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Verkehrssicherungspflicht – öffentlich-rechtliche Bestimmungen

Schmerzensgeldforderung nach Sturz von Leiter in Ferienbungalow

In einem umfangreichen Gerichtsverfahren hat das OLG Brandenburg unter dem Az.: 3 U 134/21 am 06.12.2022 ein Urteil gefällt, das sich mit der Forderung nach Schmerzensgeld nach einem Sturz von einer Leiter in einem Ferienbungalow beschäftigt. Die Klägerin hatte die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch genommen, da sie behauptete, in der Nacht vom 10.08.2014 auf den 11.08.2014 von einer Leiter in der von den Beklagten vermieteten Ferienunterkunft gestürzt zu sein.

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Schwerwiegende Verletzungen und Schmerzensgeldforderung

Die Klägerin erlitt bei dem angeblichen Sturz von der Leiter einen komplizierten Berstungsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers (LWK 1), einen unkomplizierten Bruch am rechten Sprunggelenk und der rechten Fußwurzel sowie ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Nach einer Operation und anschließender Stabilisierung mittels Fixateur externe (Schrauben-Stab-System) verlangte sie von den Beklagten ein Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg hat in seinem Urteil die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2016 zu zahlen. Es wurde zudem festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin den zukünftigen immateriellen Schaden zu 75% zu ersetzen haben, soweit er nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist.

Kostenverteilung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Das Gericht entschied weiterhin, dass die Klägerin 25% und die Beklagten 75% der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 48% und die Beklagten zu 52%. Die Kosten der Nebenintervention in erster und zweiter Instanz wurden ebenfalls aufgeteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wurde jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Streitwert und Nichtzulassung der Revision

Das OLG Brandenburg setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 65.000 Euro fest. Die Revision wurde nicht zugelassen.


Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 3 U 134/21 – Urteil vom 06.12.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 05.11.2021 – 2 O 288/14 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2016 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin den zukünftigen immateriellen Schaden zu 75% zu ersetzen haben, soweit er nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 25% und die Beklagen 75%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 48% und die Beklagetn zu 52%. Die Kosten der Nebenintervention in erster Instanz trägt die Klägerin zu 25% und im Übrigen der Nebenintervenient selbst. Die Kosten der Nebenintervention in zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 48% und im Übrigen der Nebenintervenient selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin von der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Der Klägerin wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten bzw. der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.000 Euro festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Verkehrssicherungspflicht: öffentlich-rechtliche Bestimmungen
(Symbolfoto: Greg McGill/Shutterstock.com)

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch wegen eines angeblichen Sturzes von einer Leiter in der Nacht vom 10.08.2014 auf den 11.08.2014 in einer von den Beklagten vermieteten Ferienunterkunft.

Die Klägerin mietete von den Beklagten einen Ferienbungalow für den Zeitraum vom 09.08.2014 bis zum 23.08.2014. Darin befand sich auch eine zweite Ebene zum Schlafen, die einer Hochbettkonstruktion ähnelte und über eine Anlegeleiter zu erreichen war. Dabei han-delte es sich um eine ca. 2,5 Meter lange, unbehandelte (ohne Holzschutzglasur), gehobelte und geschliffene Anlegeleiter aus Fichtenholz ohne Handlauf oder Festhaltevorrichtung (siehe Ablichtungen Bl. 110 ff.).

Die Klägerin reiste zum Mietbeginn mit ihrem damaligen Ehemann und ihren seinerzeit sechs Kindern an und bezog den streitgegenständlichen Bungalow. Inzwischen ist sie Mutter von sieben Kindern, die zwischen 2001 und 2015 geboren worden sind.

In der Nacht vom 10.08.2014 auf den 11.08.2014 wurde die Klägerin mit einem Rettungswagen in das Klinikum N. verbracht. Dort wurde ein komplizierter Berstungsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers (LWK 1) sowie ein unkomplizierter Bruch am rechten Sprunggelenk und der rechten Fußwurzel sowie ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma festgestellt. Am 12.08.2014 wurde die Klägerin wegen des Lendenwirbelbruchs erstmalig operiert und dabei mittels Fixateur externe (Schrauben-Stab-System) stabilisiert. Anschließend wurde sie in das Klinikum L… verlegt, wo sie vom 19.08.2014 bis zum 02.09.2014 stationär behandelt und am 26.08.2014 am LWK 1 operiert wurde. Am 12.04.2016 musste sich die Klägerin in einer Spezialklinik in H… erneut einer Operation an ihrem Lendenwirbel unterziehen, wobei der LWK 1 herausgenommen und durch ein Implantat ersetzt wurde. Vom 21.06.2016 bis zum 08.07.2016 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum H.-E., wobei sie am 22.06.2016 und am 26.06.2016 erneut operiert wurde. Dabei wurden eine Wirbelsäulenversteifung vom Brustwirbelkörper bis zum Lendenwirbelkörper 2 vorgenommen und das Implantat für den Lendenwirbelkörper 1 noch einmal ersetzt. Anschließend fanden ambulante physiotherapeutische Behandlungen statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das unfallchirurgische Gutachten vom 07.05.2019 (Bl. 446 ff.) nebst radiologischen Befundbericht vom 14.02.2019 (Bl. 404 f.) sowie die diesbezüglich eingereichten ärztlichen Unterlagen Bezug genommen.

Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (08.02.2016) zu zahlen, welches den Betrag von 22.000 Euro nicht unterschreiten solle und

2. festzustellen, dass die Beklagte ihr den zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen hat, soweit er nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 05.11.2021 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 40.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2016 zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 10./11.08.2014 zu ersetzen, soweit der Schadensersatzanspruch nicht auf Dritte, insbe-sondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe das für den Klageantrag zu 2 nötige Feststellungsinteresse, da es angesichts der Art und der Schwere der Ausgangsverletzung nicht ausgeschlossen und entfernt möglich sei, dass ihr weitere, jetzt noch nicht erkennbare immaterielle Schäden durch das streitgegenständliche Unfallereignis entstehen. Sie habe einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 2, 253, 421 ff. BGB i. V. m. dem Mietvertrag. Die Beklagten hätten schuldhaft eine vertragliche Schutzpflicht im Sinne einer Verkehrssicherungspflicht verletzt. Durch die Zurverfügungstellung der Holzleiter ohne Handlauf oder andere Festhaltevorrichtung und ohne Rutschschutz hätten die Beklagten eine Gefahrenlage geschaffen. Da die Leiter einzig zum Erreichen eines zusätzlichen Schlafplatzes gedient habe, aber nur im unteren Bereich eine Toilette vorhanden gewesen sei, sei es für die Beklagten vorhersehbar gewesen, dass oben schlafende Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Leiter auch nachts benutzen würden. Dabei habe auch nahe gelegen, dass sich die nachts herabsteigenden Personen in einem schlaftrunkenen Zustand befinden und damit in ihrer Aufmerksamkeit und Koordinationsfähigkeit eingeschränkt sein würden, was die Gefahr eines Herabstürzens aufgrund der Beschaffenheit der Leiter in besonderem Maße erhöht habe. Die Beklagten hätten es versäumt, ein Schlummer – oder ähnliches dauerhaft brennendes Licht in der Nähe der Leiter zu installieren. Wegen der Steile der Leiter und der von den Beklagten eingeräumten Glätte der Stufen habe auch die erkennbare Gefahr schwe-rer Stürze und ernsthafter Verletzungen bestanden. Die von den Beklagten nach dem Sturz vorgenommenen Nachbesserungsarbeiten zeigten, dass ihnen die Anbringung von Schutzvorrichtungen wie etwa rutschfestes Material und Festhaltegriffe ohne größeren Aufwand zumutbar gewesen sei. Es könne deshalb dahinstehen, ob die Beklagten die Vorschrift der §§ 30 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1 LBO Bbg verletzt hätten und ob es sich dabei um ein Schutzgesetz handele. Unerheblich sei auch, ob die Beklagten die Klägerin bei der Übergabe darauf hinge-wiesen hätten, dass in der Wohnung Hausschuhe oder rutschfeste Badelatschen zu tragen seien und die Leiter vorwärts hochzusteigen und rückwärts hinabzusteigen sei. Denn derartige Hinweise seien angesichts der Beschaffenheit der Leiter zur Verkehrssicherung nicht ausrei-chend. Die Beklagten hätten fahrlässig i. S. d. § 276 Abs. 2 BGB gehandelt. Sie hätten die gegen sie sprechende Vermutung nach § 280 Abs. 1, 2 BGB nicht widerlegen können. Der Klägerin sei durch die Verkehrssicherungspflichtverletzung auch ein kausaler Schaden ent-standen. Die Kammer sei aufgrund eines Anscheinsbeweises überzeugt, dass der behauptete Sturz Ursache für die Primärverletzungen sei. Der Anscheinsbeweis greife ein, wenn sich – wie hier – gerade die Gefahr verwirklicht habe, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden solle. Die Klägerin habe Verletzungen erlitten, die typischer-weise durch einen Sturz entstünden und durch Anbringung einer Festhaltevorrichtung und einer rutschfesten Beschichtung der Stufen hätten vermieden werden können. Diese tatsäch-liche Vermutung hätten die Beklagten nicht widerlegen können. Die Kammer halte ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro für angemessen, wobei ein geringfügiges Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen sei. Nach dem Ergebnis des unfallchirurgischen-orthopädischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. (X) sowie den einge-reichten ärztlichen Unterlagen stehe fest, dass die Klägerin durch den Sturz einen komplizier-ten Berstungsbruch an der Lendenwirbelsäule (LWK 1) erlitten habe, dessen Behandlung nicht reibungslos verlaufen und mit wiederholten längeren Krankenhausaufenthaltes verbun-den gewesen sei. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Klägerin fünfmal und zum Teil mehrfach an derselben Stelle – nämlich am LWK 1 – habe operiert werden müssen, dass das eingesetzte Implantat nochmals habe ausgetauscht werden müssen und die Klägerin von einer Spezialklinik in eine Uniklinik habe verbracht werden müssen, da die vorangegangenen Operationen nicht komplikationslos verlaufen seien. Ausweislich des überzeugenden unfall-chirurgisch-orthopädischen Gutachtens sei die Klägerin durch die Versteifung ihrer Wirbelsäule im Bereich des Brustwirbelkörpers bis zum LWK 2 auf Dauer eingeschränkt, wenn auch nur diskret. Andauernde unfallbedingte Schmerzen seien allerdings nicht feststellbar, die rela-tive spinale Enge sei nur noch marginal vorhanden und klinisch nicht relevant. Nach dem überzeugenden psychiatrischen Gutachten leide die Klägerin unter einer längeren Anpassungsstörung mit Depression und Angst und Anteilen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf einem subsyndromalen Niveau. Die psychischen Schädigungsfolgen seien als mä-ßig bis mittelschwer einzustufen (bei einer Skala, von leicht, mittelschwer, schwer, sehr schwer). Unfallunabhängige konkurrierende Belastungsfaktoren würden zwar mitwirken, füh-rend sei aber der psychische Folgeschaden in Form der misslungenen Anpassung an die kör-perlichen Folgen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund des Unfallereignisses eingetreten seien. Auch habe das Unfallereignis negativ auf die Lebensführung der Klägerin eingewirkt, indem sie ihre erst sechs und seit 2015 sieben Kinder nur noch eingeschränkt bzw. teilweise nicht habe selbst betreuen können. Nachteile in Bezug auf ihre Berufsausübung habe die Klägerin hingegen nicht erlitten. Denn ihrem Beruf als Pharmareferentin sei sie nach Beendigung einer Umschulung im Jahr 2003 nur kurzfristig nachgegangen. Seit 2016 sei sie selbständig im Reisegewerbe in Heimarbeit tätig gewesen, wobei es nur bedingt durch die Coronapandemie schwierige Phasen gegeben habe. Bei der Bemessung der Schadenshöhe sei ein ge-ringfügiges Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen, da ihr der Zustand der Leiter vor dem Sturz bekannt gewesen sei, so dass sie diese besonders vorsichtig habe nutzen müssen. Allerdings sei sie in der Nacht in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit und Konzentration aufgrund des schlaftrunkenen Zustands beeinträchtigt gewesen. Dass die Klägerin die Leiter im Dunkeln hinabgestiegen sei, stehe hingegen nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Die Klägerin habe in ihrer persönlichen Anhörung glaubhaft geschildert, dass sie ihre Nachttischlampe eingeschaltet und ein Licht im Bad für die Kinder gebrannt habe. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sei von einem komplizierten Berstungsbruch mit langwierigen und für die Klägerin belastenden Behandlungen und Krankenhausaufenthalten in verschiedenen Krankenhäusern und fünf risikobehafteten Operationen auszugehen, wobei der Berstungsbruch gut verheilt und die Klägerin bis auf die Bewegungsbeeinträchtigung durch die Teilversteifung der Wirbelsäule keine weiteren Dauerschäden davongetragen habe. Die von der Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfälle und die damit verbundenen Schmerzen seien Schmerzensgeld erhöhend zu berücksichtigen. Zudem seien aufgrund der Anamnese der Klägerin weitere Bandscheibenvorfälle bzw. deren Weiterbehandlung absehbar. Sturzverletzungen an der Lendenwirbelsäule gingen regelhaft mit einer Bandscheibenzerreissung einher. Leicht erhöhend wirke die psychische Anpassungsstörung. Es bestünden zwar Symptome einer PTBS, die aber nicht für die Diagnose eines klinisch anerkannten Syndroms ausreich-ten. Auch die Einschränkungen in der Kinderbetreuung seien Schmerzensgeld erhöhend ein-zustellen. Insbesondere im Vergleich mit der Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken vom 03.08.2016 – 12 O 13715 – sei im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro als angemessen zu erachten. Der Feststellungsantrag sei ebenfalls begründet. Es könne dahin-stehen, ob hierfür die Wahrscheinlichkeit einer Schadensentstehung erforderlich sei. Denn bei Knochenbrüchen bestehe stets die Gefahr weiterer, unter Umständen auch Jahrzehnte später auftretender Komplikationen Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie bestreiten weiterhin, dass die Klägerin die Leiter hinabgestürzt sei. Die Klägerin habe den behaupteten Sturz nicht bewiesen.

Der Anscheinsbeweis greife nicht. Es gebe keine tatsächliche Vermutung dafür, dass jemand, der eine Leiter wiederholt benutzt habe, diese nunmehr nicht sachgerecht benutze und zum Sturz komme. Die Klägerin könne auch aus der Luke gefallen sein, was durch die Anbringung eines Handlaufs und einer Antirutschvorkehrung nicht habe vermieden werden können. Sie – die Beklagten – hätten auch keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Leiter sei vor-schriftsgemäß und von der Klägerin bei der Anmietung und Übergabe auch nicht beanstandet worden. Die Leiter sei nicht unbenutzbar, sondern mit den für jedermann erkennbaren Gefahren zu besteigen gewesen. Das Landgericht habe fehlerhaft dahinstehen lassen, ob die Leiter Vorschriften der Landesbauordnung des Landes Brandenburg verletze. Die eigentliche Baugenehmigung sei ohne Auflage für die gesamte Anlage mit den Ferienbungalows erteilt wor-den. Erst nachdem der Behörde der Leitersturz bekannt geworden sei, habe sie den Beklagten ergänzende Auflagen erteilt. Die zweite Ebene habe – ähnlich einer Hochbettkonstruktion – nur eine weitere Schlafmöglichkeit geboten. Dabei habe es sich nicht um einen Raum gehan-delt, der zum regelmäßigen Aufenthalt von Personen habe dienen sollen. Es bestehe nach den brandenburgischen Baurechtsvorschriften kein grundsätzliches Verbot von Leitern inner-halb von Gebäuden. Solche zu einer Schlafkoje führende Leiter seien in Bungalows wie dem vorliegenden in der Region üblich und sozial adäquat. Ihnen – den Beklagten – könne auch kein schweres Verschulden angelastet werden, hätten sie doch den Nebenintervenienten als Fachmann hinzugezogen. Die Anlage sei schließlich genehmigt worden. Auch habe das Amtsgericht Senftenberg das gegen den Beklagten zu 1 geführte Strafverfahren eingestellt, weil es die Leiter für zulässig gehalten habe. Obwohl in den Entscheidungsgründen von einem geringfügigen Mitverschulden der Klägerin die Rede sei, finde sich dies nicht in dem Urteilstenor zu 2 (Feststellungstenor) wieder. Wenn man hier von einer verkehrssicherungs-pflichtigen Gefahrenquelle ausgehe, sei der Klägerin – einer Reiseverkehrskauffrau – jeden-falls ein anspruchsausschließendes, weil ganz überwiegendes Mitverschulden anzurechnen. Hochbetten würden nicht mit Leitern mit Handlauf versehen. Die Klägerin habe die Konstruktion seit anderthalb Tagen genutzt und die sich ihrer Ansicht nach daraus ergebenden Gefahren gekannt, so dass sie besondere Vorsicht bei ihrer Benutzung habe walten lassen müssen. Die Leiter habe auch unfallfrei benutzt werden können. Ein dennoch erfolgter Sturz könne nur auf der Verletzung der im Verkehr üblichen Sorgfalt beruhen. Der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag erscheine überhöht. Die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Verletzungsfolgen bestreiten sie mit Nichtwissen.

Die Beklagten beantragten, das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 05.11.2021 – 2 O 288/14 – aufzuheben (gemeint ist abzuändern) und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung die Beklagten zu verurteilen, an sie einen über den vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrag hinausgehenden Betrag zu zahlen, der der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aber 20.000 Euro nicht unterschritten solle.

Die Beklagten beantragen, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag sei jedoch in Anbetracht der erlittenen Beeinträchtigungen mit einem erheblichen Leidensweg durch fünf Operationen an der Wirbelsäule, der unfallbedingten Schwerbehinderung von 50%, der traumatischen Belastungsstörung und den chronischen Schmerzen nicht angemessen. Auch der Umstand, dass hier ein rechtswidriger Zustand zum Unfall geführt habe, sei nicht ausreichend berücksichtigt. Die Leiter sei erst nach dem Unfall unter der Auflage, Handläufe und eine Antirutschvorkehrung anzubringen, genehmigt worden. Die Genehmigung der ge-samten Anlage, bestehend aus mehreren Ferienbungalows, erstrecke sich hingegen nicht auf die in den Gebäuden vorhandenen Konstruktionen. Der Klägerin sei auch kein Mitverschulden anzurechnen. Sie habe keine Mängelrüge erhoben, da sie die Gefahr, die von der Leiterbenutzung ausgegangen sei, nicht erkannt habe. Selbst wenn sie durch die Luke gefallen sei, wie die Beklagten mutmaßten, hafteten sie wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Sie habe die Leiter mit zumutbarer Sorgfalt benutzt, habe sich aber nicht festhalten können, als sie ins Abrutschen geraten sei. Die vorliegende Konstruktion sei auch nicht mit einem Hochbett vergleichbar, bei dem typischerweise der Abstand zum obigen Schlafplatz nur einen Meter betrage und man sich an den vier Stangen festhalten könne, die das untere mit dem oberen Bett verbänden. Alleine durch die Höhe von 2,5 Metern und das notwendige Durchklettern durch eine Luke handele es sich vorliegend um eine gänzlich andere Konstruktion. Die Klägerin werde durch das lange Gerichtsverfahren belastet. Tagtäglich werde sie als chronische Schmerzpatientin an den Unfall erinnert. Im Unfallzeitpunkt habe sie mit ihrem damaligen Ehemann sechs Kinder versorgen müssen. Während sie in der Klinik gelegen und den möglichen Eintritt einer Querschnittslähmung gefürchtet habe, habe ihr seinerzeitiger Ehemann von jetzt auf gleich die Kinder monatelang versorgen müssen und seinen Beruf nicht mehr wie zuvor ausüben können. Diese Belastungen hätten zu Ehestreitigkeiten und letztlich zur Scheidung geführt. Sie habe mit ihren kleinen Kindern nicht mehr spielen, toben und Fahrrad fahren können, da eine falsche Bewegung oder ein kleiner Sturz zu einer Querschnittslähmung habe führen können. Die anschließende Schwangerschaft sei wegen der Wirbelsäulenverletzungen risikobehaftet gewesen, das Kind habe durch Kaiserschnitt entbun-den werden müssen. Ständig habe sie Angst vor einem erneuten Sturz, einem erneuten Bandscheibenvorfall oder einer Querschnittslähmung. Sport könne sie – mit Ausnahme von Schwimmen – nicht mehr wie früher praktizieren. Auch länger laufen und länger sitzen könne sie nicht mehr. Als chronische Schmerzpatientin erhalte sie einen Mix aus massiven Schmerzmitteln und eine Schmerztherapie mittels TENS Reizstromgerät. Die Medikamente hätten Nebenwirkungen. Beim Sexualverkehr sei sie „in der Stellung“ beeinträchtigt. Das Unfallereignis habe in all ihren Lebensbereichen beeinträchtigende Folgen. Das erstinstanzlich eingeholte psychiatrische Gutachten belege überzeugend, dass sie eine Anpassungsstörung mit Depression und Angst sowie Anteilen einer posttraumatischen Belastungsstörung im sub-syndromalen Niveau davongetragen habe. Die psychische Genesung werde dadurch behin-dert, dass sie wegen der andauernden Schmerzen ständig an das Unfallereignis erinnert wer-de. Ein Wiedergutmachungsbetrag von 40.000 Euro sei vor diesem Hintergrund zu gering. Das erstinstanzlich eingeholte orthopädische Gutachten sei nicht ordnungsgemäß erstellt worden und durch aktuellere Befunde überholt. Der vom Landgericht vergleichsweise herangezogene Fall (LG Saarbrücken – 12 O 13715), in dem 100.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen wor-den seien, sei hinsichtlich der Verletzungsfolgen sehr ähnlich, weshalb sie mit der Anschlussberufung die Zahlung eines weitergehenden Schmerzensgeldbetrages beantrage.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro und Feststellung, dass die Beklagten ihr zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden in Höhe von 75% verpflichtet sind, soweit der Schadensersatzanspruch nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist. Die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 2, 253, 421 ff. BGB i. V. m. dem Mietvertrag unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.

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Im Rahmen der Erhaltungspflicht des § 535 Abs. 1 S. 2 trifft den Vermieter auch die Verkehrssicherungspflicht (als Unterfall der Erhaltenspflicht). Er ist zu solchen Maßnahmen ver-pflichtet, die von einem verständigen Vermieter erwartet werden können, damit andere nicht zu Schaden kommen (BeckOK BGB/Zehelein, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 535 Rn. 478). Der Vermieter muss die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand halten. Hierzu müssen sich die Räume in einem den öffentlich-rechtlichen Bau- und Brandschutzvorschriften ent-sprechenden Zustand befinden (BeckOK BGB/Zehelein, a. a. O., § 535 Rn. 479). In der Regel legen öffentlich-rechtlich statuierte Pflichten einen auf jeden Fall einzuhaltenden Mindestumfang an Verkehrspflichten fest, der nicht unterschritten werden darf. Allerdings kann die Verkehrspflicht sich an anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausrichten und zum Schutze bedrohter Rechtsgüter höhere Anforderungen stellen und mehr an Sorgfalt verlangen, als in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen normiert ist (BeckOGK/Spindler, 1.11.2022, BGB § 823 Rn. 423). Auch dass ein Produkt öffentlich-rechtlich ohne Auflage und Beschränkungen zu-gelassen worden ist, vermag deswegen den zivilrechtlich Verkehrspflichtigen nicht von vorn-herein zu entlasten. Die staatliche Zulassung oder Genehmigung muss nicht alle für die Sicherheit wesentlichen Faktoren erfassen, die für die Sicherheitserwartungen des Verkehrs maßgeblich sind (BeckOGK/Spindler, 1.11.2022, BGB § 823 Rn. 426). So besagt die Konformität eines Gebäudes mit öffentlichem Baurecht nichts dafür, dass es auch den privat-rechtlichen Sicherheitsanforderungen entspricht (BGH, Urteil vom 31.05.1994 – VI ZR 233/93, Rn. 14; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 498). Selbst die Hinzuziehung eines bewährten Fachmannes befreit nicht, wenn weiterhin eine für den Bauherrn erkennbare Gefahrenlage besteht und er keine Abhilfe schafft (BGH, a. a. O., Rn. 16).

Eine etwaige Genehmigung der Anlegeleiter führt demnach nicht bereits per se zum Ausschluss ein Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Ungeachtet dessen haben die Beklagten eine entsprechende Genehmigung auch nicht plausibel vorgetragen. Soweit sie sich dar-auf berufen, dass die Ferienanlage nach deren Fertigstellung am 07.09.2010 von der Unteren Bauaufsichtsbehörde des zuständigen Landkreises abgenommen worden und keine Mängel festgestellt worden seien (Bl. 23) und hierzu auf die Anzeige über die abschließende Fertigstellung beziehen (Bl. 26), lässt sich dieser diesbezüglich nichts entnehmen. Die Klägerin hat ein Schreiben des zuständigen Landkreises vom 06.01.2015 (Bl. 93) vorgelegt, wonach eine Baukontrolle des streitgegenständlichen Bungalows (Haus 4) am 25.9.2014 erfolgt sei (also zwei Wochen nach dem Unfall). Dabei sei festgestellt worden, dass für das Haus 4 keine Baugenehmigung vorhanden sei. Das Haus 4 sei nach Aussage des Beklagten im Februar 2014 neu errichtet worden, wofür keine Baugenehmigung vorliege. Der unteren Bauaufsichtsbehörde liege lediglich eine Genehmigung für einen Bungalow (ohne Schlafboden) vom 16.03.2007 vor, der offensichtlich zurückgebaut worden sei. Zwischenzeitlich sei ein Bauantrag auf Rückbau bestehender Ferienhäuser und Errichtung neuer Ferienhäuser mit und ohne Schlafboden eingereicht worden, der noch geprüft werde. Die Beklagten haben daraufhin den Bescheid des Landkreises … vom 09.09.2015 (Bl. 99) vorgelegt, womit die Baugenehmigung nachträglich erteilt wurde. Dabei wurde dem Antrag auf Abweichung von § 40 Abs. 1 BbgBO (Nichteinhaltung der festgesetzten Raumhöhe von 2,40 m für Aufenthaltsräume im Dachgeschoss Schlafboden) vom 15.05.2015 (Bl. 324), dem Antrag auf Abweichung von § 40 Abs. 2 S. 2 BbgBO (Nichteinhaltung der Rohbaumaße der Belichtungsöffnungen von mindestens ein Achtel der Grundfläche des Raumes – Schlafboden) und dem Antrag auf Abweichung von § 32 Abs. 5 S. 1 1. HS BbGBO (Nichteinhaltung der Größe des Rettungswegfensters – Schlafboden) nach § 60 Abs. 1 BbgBO zugestimmt. Die Beklagten haben die Leiter nach dem Unfall mit einem Handlauf und einer Rutschhemmung versehen (siehe Ablichtung Bl. 205, 212 f.). Zum Unfallzeitpunkt lag den Beklagten somit keinerlei Baugenehmigung für das von der Klägerin gemietete Haus 4 vor. Die nachträglich erteilte Baugenehmigung verhält sich zwar zu dem Schlafboden, nicht aber zu der Anlegeleiter.

Diese wurde aber ohnehin nach dem Unfall in einen anderen Zustand versetzt, nämlich mit Handläufen und einer Rutschhemmung auf den Stufen versehen.

Wenn es auch nach dem Vorstehenden nicht darauf ankommt, so spricht hier vieles dafür, dass vorliegend grundsätzlich eine Treppe hätte eingebaut werden müssen. Denn in § 30 der Brandenburgische Bauordnung i. d. F. vom 17.09.2008 (der zum Unfallzeitpunkt maßgebli-chen Fassung, GVBlBbg, Teil I, S. 239) ist u. a. geregelt:

„(1) Jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss und der benutzbare Dachraum eines Gebäudes müssen über mindestens eine Treppe zugänglich sein (notwendige Treppe) (…)

(2) Einschiebbare Treppen und Rolltreppen sind als notwendige Treppen unzulässig. Zu ei-nem Dachraum oder Kellerraum ohne Aufenthaltsräume sind einschiebbare Treppen und einschiebbare Leitern zulässig, wenn sie sicher begehbar sind und die Einstiegsöffnungen gegen unbefugtes Öffnen gesichert sind.

(…)

(6) Treppen müssen mindestens einen festen und griffsicheren Handlauf haben. Soweit es die Verkehrssicherheit erfordert, müssen Treppen Handläufe auf beiden Seiten oder Zwischenhandläufe haben.“

Dass es sich bei dem Schlafboden um einen Aufenthaltsraum i. s. d. BbgBauO handelt, ergibt sich im Umkehrschluss aus der am 09.09.2015 erteilten Baugenehmigung, mit der bezüglich des Schlafbodens Ausnahmegenehmigungen nach § 40 BbgBauO (der sich auf Aufenthaltsräume bezieht) erteilt wurden. Das Erfordernis eines beidseitigen Handlaufs für eine Treppe richtet sich gemäß § 30 (6) BbgBauO nach der Verkehrssicherheit. Dieses Erfordernis muss erst Recht für die hier streitgegenständliche Leiter gelten, so sie denn überhaupt ausnahms-weise genehmigungsfähig ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hier auch keine Parallele zur genehmigungsfreien Leiter eines Hochbetts zu ziehen. Denn ein Hochbett hat gewöhnlicherweise keine Höhe von 2,50 Meter und verfügt aufgrund seiner Konstruktion auch über mehr Festhaltemöglichkeiten (Pfosten und Bettkante) als die hier in Streit stehende Leiter.

Unter Berücksichtigung der Maßstäbe, die das Landgericht in seinem Hinweis vom 15.11.2017 (Bl. 309 ff.) ausführlich und zutreffend dargelegt hat, und der Umstände des Einzelfalls haben die Beklagten angesichts der Steile und der Höhe der Leiter (2,50 Meter) nicht alles Erforderliche und Zumutbare zur Abwehr der Schädigung Dritter getan, nämlich Handläufe und eine Rutschhemmung auf den Stufen anzubringen, wie nach dem Unfall geschehen.

2. Die Beklagte ist auch in der Nacht von 10. auf den 11.08.2014 von der Leiter herabgestürzt und hat sich dadurch erhebliche Verletzungen zugezogen. Dadurch hat sich das durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehende Risiko verwirklicht.

Dass die Klägerin in der Nacht vom 10. auf den 11.08.2014 im Zuge der (beabsichtigten) Benutzung der Leiter gestürzt ist, anschließend mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus transportiert wurde und typische Sturzverletzungen erlitten hat, ist unstreitig. Denn das Bestreiten der Beklagten bezieht sich nicht auf den Sturz an und für sich, vielmehr halten sie nur alternativ zu einem Sturz von der Leiter (den sie deshalb mit Nichtwissen bestreiten) auch einen Sturz durch die Luke für möglich (Schriftsatz vom 18.04.2017, Bl. 245). Mit Schriftsatz vom 20.07.2017 haben die Beklagten ausgeführt, es solle nicht bestritten werden, dass sich das bedauerliche streitgegenständliche Geschehen am zweiten Tag des Aufenthalts ereignet habe, mit Nichtwissen bestritten bleibe aber, dass die Klägerin auf der Leiter abgerutscht sei (Bl. 286). Schließlich haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 03.05.2021 vorgetragen, Unfallursache sei, dass die Klägerin eine Leiter erklommen oder hinabgestiegen sei (Bl. 659). Soweit die Beklagten einen Fall der Klägerin durch die Luke für denkbar halten, kommt es darauf nicht an. Denn die Luke befindet sich nicht horizontal im Dachboden, sondern vertikal in einer Wandöffnung, an deren unteren Ende die Leiter angelegt ist. Wie auf dem Foto (Bl. 213) ersichtlich, wäre ein Sturz aus der Luke durch die nachträglich angebrachten beidseiti-gen Handläufe verhindert worden, weil diese in die Wandöffnung hineinragen. Auch ein et-waiger Sturz durch die Luke wäre in Benutzung der Leiter erfolgt, weil man sich durch diese nur bewegt, um die Leiter zu benutzen.

Im Übrigen greift hier der Anscheinsbeweis ein. Die Anwendung der Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei der Kausalitätsfeststellung ist immer dann geboten, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt. Diese Voraussetzungen bejaht der Bundesgerichtshof nicht nur bei der Verletzung von Schutzgesetzen i. S. des § 823 Abs. 2 BGB, sondern auch bei Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften und bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Denn die Anwendung des Anscheinsbeweises ist auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften durch genaue Verhaltensanweisungen typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensereignis gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung der kon-kreten Verhaltenspflichten begegnet werden sollte. Denn auch solche Verkehrssicherungspflichten beruhen auf einer Erfahrenstypik, die die Feststellung rechtfertigt, dass sich die Gefahr, der sie steuern sollen, bei pflichtgemäßem Verhalten nicht verwirklicht (BGH, Urteil vom 14.12.1993 – VI ZR 271/92). Da sich der Sturz der Klägerin als typische Folge der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten darstellt, besteht der Anschein, dass er auch darauf beruht. Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht widerlegt.

3. Die Beklagten haben die ihn obliegende Verkehrssicherungpflicht auch schuldhaft verletzt.

Nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt au-ßer Acht lässt. Welche Sorgfalt jeweils erfordert wird, ist ohne Rücksicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Betroffenen nach einem objektivierten Maßstab zu beurteilen (BGH, NJW 1994, 2232). Geht es, wie hier, um die Anforderungen an die verkehrssichere Erstellung einer Treppe bzw. Leiter, kommt es darauf an, ob der Hauseigentümer sich bei der baulichen Gestaltung wie ein ordentlicher und besonnener Bauherr verhalten und den Integritätsansprüchen der die Leiter benutzenden Personen in vernünftiger und gewissenhafter Weise Rechnung getragen hat (vgl. BGH, a. a. O.). Das ist hier zu verneinen, weil die Leiter – wie bereits ausgeführt – nicht verkehrssicher ausgestaltet war. Nur wenn dies für die Beklagten nicht erkennbar gewesen wäre, wäre ausnahmsweise der Schluss von der Nichteinhaltung der „äußeren“ Sorgfalt auf eine Verletzung der „inneren“ Sorgfalt nicht gerechtfertigt (vgl. BGH, a. a. O.). Die mangelnde Verkehrssicherheit war aber für die Beklagten erkennbar. Insoweit können sich die Beklagten auch nicht darauf berufen, dass sie den Streithelfer – einen Architekten – hinzugezogen haben, der offenbar die Leiter in dem nicht verkehrssicheren Zustand vorgesehen oder nicht beanstandet hat. Denn zum Erkennen des nicht verkehrssicheren Zustandes und der Abhilfemöglichkeiten waren keine Spezialkenntnisse erforderlich (vgl. BGH, a. a. O.; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. § 823 Rn. 46).

4. Infolge der von den Beklagten begangenen schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat die Klägerin erhebliche Verletzungen erlitten. Art und Ausmaß der Verletzungen hat das Landgericht nach Einholung eines Gutachtens des Oberarztes der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie Dr. (X) vom 07.05.2019 (Bl. 446 ff.) und eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. (Y) vom 05.05.2020 überzeugend festgestellt.

Nach dem Gutachten des Dr. (X) vom 07.05.2019 ist die Klägerin am 11.08.2014 mit einem instabilen Berstungsbruch des ersten Lendenwirbelkörpers (LWK), einer Talusfraktur rechts (Knochenbruch im Bereich des Sprungbeins), einer Fraktur des Os cubodeium rechts (Bruch eines Fußwurzelknochens) und einem Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades in das Klinikum N… eingeliefert worden. Es erfolgte eine operative Versorgung der Wirbelkörperfraktur. (Bl. 449). Am 19.08.2014 wurde die Klägerin in das wohnortnahe Klinikum L… verlegt und dort mittels Vertebroplastie LWK 1 (Festigung eines gebrochenen Wirbelkörpers mit Knochenzement) behandelt. Sie wurde laut Entlassungsbericht am 02.09.2014 mit reizfreien Narbenverhältnissen und nahezu schmerzfrei entlassen. Danach erlitt die Klägerin einen Korrekturverlust mit Nachgeben der Fraktur. Wegen anhaltender Beschwerden (die nach Angaben der Klägerin seit der Entlassung am 02.09.2014 bestanden hätten) unterzog sie sich am 12.04.2016 einer Konsultation in der Helios Klinik H… und am 31.05.2016 im Universitätsklinikum H…-E… Es folgte ein stationärer Aufenthalt vom 21.06.2016 bis 08.07.2016, während dessen u. a. ein Wirbelkörperimplantat im Zuge einer Revisionsoperation ersetzt wurde. Im Anschluss musste sich die Klägerin einer ambulanten Physiotherapie unterziehen. Der Sachverständige Dr. (X) stellte mittels eigener Untersuchung nachvollziehbar eine Bewegungseinschränkung des tho-rako-lumbalen Übergangs hinsichtlich Vor- und Rückneigung sowie Seitneigung nach dorsa-ler Instrumentierung von TH12 bis L2 mit Wirbelkörperersatz LWK1 ohne relative spinale Enge fest (Bl. 449). Eine Bandscheibenzerreissung stuft er als regelmäßigen Bestandteil der Wirbelkörperfraktur ein, die durch einen expandierbaren Wirbelkörperersatz behandelt werde (Bl. 449). Eine relativ spinale Enge ist nach den Feststellungen des Sachverständigen allen-falls noch marginal vorhanden, klinisch jedoch nicht relevant. Dem Verlegungsbericht der erstbehandelnden Klinik sei zu entnehmen, dass initial kein sensibles oder motorisches Defizit bestand. Auch im Rahmen der Revisionsoperation sei keine Indikation zur Dekompression des Spinalkanals aufgetreten. Parästhesien im linken Arm habe die Klägerin bei der Untersuchung nicht angegeben; solche könnten auch nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt wer-den, da zu keinem Zeitpunkt eine Affektion der den Arm versorgenden Nerven bzw. Schultergelenke beschrieben sei. Auch Beschwerden am rechten Fuß habe die Klägerin verneint (Bl. 449 f.). Soweit die Klägerin einerseits meint, das Gutachten sei überflüssig, weil sich das Verletzungsbild aus den Befunden ergebe, andererseits aber bemängelt, der Gutachter habe nur die in der Akte befindlichen Befunde verwertet, kann dies die Überzeugungskraft des Gutachtens nicht in Frage stellen. Denn der Sachverständige hat nicht nur die vorhandenen Befunde referiert, er hat auch eine eigene Untersuchung der Klägerin vorgenommen und ihre Angaben dahingehend überprüft, ob sie plausibel auf das Unfallereignis zurückgeführt werden können. Dem hat die Klägerin nichts Substanzielles entgegengesetzt. Die von ihr eingereich-ten ärztlichen Befunde vom 07.11.2019 (Bl. 578), 10.12.2019 (Bl. 5759, 17.12.2019 (Bl. 573 f.), 09.06.2020 (Bl. 570), 03.07.2020 (Bl. 571 f.), 09.07.2020 (Bl. 569) und 20.07.2020 (Bl. 567 f.) belegen im Wesentlichen, dass die Klägerin wiederkehrend ärztlich vorstellig wird wegen Schmerzen, wobei neben einer Schmerzmittelmedikation ärztlicherseits im Wesentlichen Krankengymnastik empfohlen wird. Der Befund der Gesellschaft für Radiologie und Nuklarmedizin vom 07.11.2019 (Bl. 578) bestätigt im Übrigen das Gutachten des Dr. (X), indem dort zwar ein Bandscheibenvorfall im Bewegungssegment LWK 5/SWK 1 rechts lateral festgehalten ist, im Übrigen aber keine weiteren spinalen Engen und keine relevanten Anschlussdegenerationen (Bl. 578). Die von der Klägerin eingereichten Befunde (Bl. 567 ff.) legen allerdings nahe, dass sie perspektivisch dauerhaft mit den Verletzungsfolgen zu tun haben wird in Form von Schmerzen und Krankengymnastik sowie – nicht notwendig auf das Unfallereignis zu-rückzuführende (siehe den radiologischen Befund vom 09.06.2020, Bl. 570) – Bandscheibenvorfälle.

Ausweislich des überzeugenden Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. (Y) vom 05.05.2020 hat die Klägerin eine länger andauernde Anpassungsreaktion mit Angst und depressiver Störung sowie Anteilen einer PTBS in subsyndromalem Niveau erlitten (S. 30, 35 d. G.), wobei er die Ausprägung der psychischen Schädigungsfolgen als mäßig bis mittelschwer ausgeprägt einstuft (S. 38 d. G.). Das Störungsbild wäre ohne den Unfall nicht aufgetaucht, da die Klägerin nach allen zugänglichen Erkenntnisquellen zuvor nicht zu Depressivität oder Ängstlichkeit geneigt habe (Bl. 32 d. G.). Die psychische und ganzheitliche Belastung werde durch die sukzessiv sich verändernden Unfallfolgen aufrechterhalten, wobei sich die Klägerin im Wesentlichen über andauernde Schmerzen und somatische Folgeauswirkungen beklage (S. 31 f. d. G.). Es liege eine misslungene Anpassung an die körperlichen Folgen vor (S. 36 d. G.). Unfallunabhängig wirke eine verschärfte Alltagssituation mit sieben meist noch minderjährigen Kindern und Ehetrennung mit. Trotz von der Klägerin nachdrück-lich verfolgter Kompensationswünsche wirke die Schilderung aktueller Beschwerden authen-tisch (S. 36 f. d. G.). Es komme zu Beeinträchtigungen und Behinderungen in einzelnen Betätigungsbereichen, die jedoch nicht wesentlich bezüglich der gesamten Daseinsgestaltung sei-en (S. 35 d. G.). In diesem Zusammenhang erwähnt der Gutachter, dass die Klägerin 2003 eine Umschulung zur Pharmareferentin gemacht habe, eine kurzzeitige Beschäftigung in die-sem Bereich aber wegen Erziehungszeiten aufgegeben habe. Kurz vor dem Unfall habe sie sich mit dem Gedanken tragen, wieder als Pharmareferentin berufstätig sein zu wollen, was aber durch den Unfall vereitelt worden sei, weil sie wegen Medikamentennebenwirkungen von stark wirkenden Analgetika nicht verlässlich zu jedem Zeitpunkt am Straßenverkehr teil-nehmen könne (S. 11 d. G.). Hierzu vermerkte der Sachverständige allerdings, dass die Klägerin zur Begutachtung von A… nach B… Z… im eigenen Pkw ohne Begleitung angereist sei (S. 22 d. G.). Die Klägerin hat zwar einen GdB von 50. Sie hatte aber nach Geburt ihres sieb-ten Kindes im Jahr 2015 ab Oktober 2016 eine selbständige Reiseagentur im Homeoffice betrieben (S. 11 d. G.) und ist nunmehr wieder als Pharmareferentin tätig. Hinsichtlich der Beeinträchtigungen in einzelnen Betätigungsbereichen gab die Klägerin vor allem Einschränkungen bei sportlichen Betätigungen mit ihren Kindern aus Vermeidungsängsten heraus an (S. 18d . G.) sowie die Aufgabe des Tauchsports (S. 17 d. G.) und ihrer früheren Absicht, mit Fallschirmspringen zu beginnen (S. 18 d. G.). Außerdem gab sie eine schmerzbedingte Beeinträchtigung des Intimlebens an ohne Libidoverlust (S. 16 d. G.). Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Sachverständigen, dass die Klägerin zwar in einzelnen Betätigungsbereichen eingeschränkt ist, nicht aber wesentlich in ihrer gesamten Daseinsgestaltung, über-zeugend.

5. Angesichts der feststehenden Unfallfolgen hält der Senat ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro für angemessen, das um einen Mitverschuldensanteil der Klägerin von 25% zu kürzen ist, so dass die Beklagten zur Zahlung von 30.000 Euro zu verurteilen sind.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist neben den Verletzungsfolgen und der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zu berücksichtigen, dass die Beklagten nur eine fahrlässi-ge Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht trifft.

Das vom Landgericht herangezogene Urteil des Landgerichts Saarbrücken – Urteil vom 31.08.2016 – 12 O 13/15) – bezüglich eines Falles, in dem der Kläger vorprozessual bereits 30.000 Euro Schmerzensgeld erhalten hatte und dem vom Landgericht weitere 100.000 Euro zuge-sprochen wurden, ist nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Abgesehen davon, dass das Oberlandesgericht Saarbrücken die vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeldsumme auf 80.000 Euro abgeändert hat (vgl. Urteil vom 01.02.2017 – 4 U 122/16), ist der Sachverhalt nur insofern vergleichbar, als der dortige Kläger auch einen instabilen Lendenwirbelbruch erlitten hat. Er war allerdings zum Zeitpunkt des Unfalls 26 Jahre alt, konnte sei-nen erlernten Beruf nicht mehr ausüben und war überhaupt erheblich in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Der Kläger konnte nicht länger als 30 bis 60 Minuten stehen und sitzen und litt unter chronischen Schmerzzuständen. Die Genugtuungsfunktion trat zurück, weil der Unfall bei einer Gefälligkeitsfahrt passiert war. Demgegenüber war die Klägerin zum Unfallzeitpunkt 40 Jahre alt, kann ihren Beruf ausüben und stehen und sitzen.

In den vom OLG Saarbrücken herangezogenen Vergleichsfällen wurden zudem deutlich niedrigere Schmerzensgeldbeträge ausgeurteilt:

So wurde etwa einem 28-jährigen Mann, der eine LWK-2-Kompressionsfraktur sowie diverse Prellungen erlitt, bei dem eine MdE von 20% bestehen blieb und der aufgrund nicht besser gewordener Schmerzen eine ambulante Schmerztherapie durchführte, ein Schmerzensgeld durch das Landgericht Ravensburg von 18.000 Euro zugebilligt. Das Landgericht Aachen hat mit Urteil vom 09.07.1996 einem 17-jährigen Jungen, der eine BWK 12- und LWK 1-Kompressionsfraktur sowie eine Oberschenkelschaftfraktur sowie weitere Frakturen erlitt, sich insgesamt neun Wochen im Krankenhaus befand und bei dem als Dauerschaden be-lastungsabhängige Schmerzen sowie arthrotische Veränderungen im linken Sprunggelenk festgestellt wurden, ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro zuerkannt. In der gleichen Größenordnung liegt eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 30.08.2007. Das Oberlandesgericht Hamm erkannte mit Urteil vom 08.01.1996 einer 18-jährigen Frau, welche einen Wirbelbruch mit anschließender Versteifung der WS (3 WK) und eine Dickdarmverletzung erlitt, sich drei Wochen im Krankenhaus befand und unter erheblichen Bewegungseinschränkungen der LWS leidet sowie einen Behinderungsgrad von 30% davontrug, ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro zu (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.06.2017 – 4 U 122/16, BeckRS 2017, 114592 Rn. 51, 52). Bei den vorgenannten Entscheidungen ist aller-dings zu berücksichtigen, dass diese überwiegend älteren Datums sind.

Weitere Vergleichsfälle sind in der beck-online Schmerzensgeldtabelle unter „Wirbelkörperfrakturen“ zu finden, wobei der Senat insbesondere die folgenden Fälle zur Gewichtung her-angezogen hat:

Das OLG München hat mit Urteil vom 31.01.2018 – 15 U 722/17 (beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 5404) bei einer Lendenwirbelfraktur 37.000 Euro Schmerzensgeld bei einer 100%igen Haftung zugesprochen. Der Geschädigte war 53 Jahre alt und musste mehrere Wochen stationär behandelt werden. Es folgte eine langwierige Heilbehandlung mit Physiotherapie. Er litt unter starken Schmerzen. Zudem musste der Geschädigte seine Arbeitszeit reduzieren und einen Nebenjob als Hausmeister einer Kirchengemeinde auf-geben.

Das Landgericht Leipzig hat mit Urteil vom 02.06.2020 – 5 O 2562/19 (beck-online.SCHMERZENSGELD Nr. 6531) einer Frau, die eine Lendenwirbelkörperberstungsfraktur erlitten hat, sich deswegen 21 Tage stationärer Behandlung mit zwei Operationen und anschließend einer ambulanten physiotherapeutischen Behandlung sowie einer psychothera-peutische Behandlung wegen PTBS unterziehen musste und als Dauerschaden eine MdE von 20% davontrug, ein Schmerzensgeld von 18.000 Euro bei 100% Haftung zugesprochen.

Diese mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Entscheidungen bewegen sich im (angemessenen) Mittelfeld, wenn man das Urteil des OLG Hamm vom 24.09.2012 – 6 U 16/12 – be-trachtet, durch das dem dortigen Kläger lediglich 8.000 Euro zugesprochen wurden, obwohl die-ser eine Lendenwirbelsäulenkörperfraktur erlitt, 21 Tage stationäre Heilbehandlung, zwei Aufenthalte. Operation mittels Metallteilimplantat und späterer Entfernungsoperation. 50 ambulante Rehabilitationstermine absolvieren musste, eine MdE von 100% für die Dauer von sechs Monaten und im Ansschluss eine dauerhaft eingeschränkte MdE hatte sowie als Dauerschaden eine posttraumatische Fehlstellung des Lendenwirbelkörpers mit der Folge einer Belastungseinschränkung erlitt, so dass er keine schweren Lasten mehr anheben konnte (beck-online.SCHMERZENSGELD 4526).

Soweit die Klägerin meint, das Schmerzensgeld sei zusätzlich zu erhöhen, weil sie durch den jahrelangen Rechtsstreit zusätzlich belastet sei und die Beklagten bis heute nichts gezahlt hätten, ist zwar das Regulierungsverhalten als Schmerzensgeldfaktor in der Rechtsprechung schon schmerzensgelderhöhend berücksichtigt worden (siehe Schellenberg, VersR 2006, 878). Im vorliegenden Fall kommt aber eine zusätzliche Berücksichtigung über die von dem psychiatrischen Gutachter festgestellte Anpassungsstörung hinaus nicht in Betracht, zumal die Klägerin sich nicht psychotherapeutisch behandeln lässt.

6. Die Klägerin hat sich ein Mitverschulden von 25% anrechnen zu lassen.

Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt ein Mitverschulden vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig hätte erkennen können, dass Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehen, und er die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (MüKo/Oetker, BGB, 9. Aufl., BGB § 254 Rn. 47). Das ist hier zu bejahen, da die Gefährlichkeit der Leiter offensichtlich war. Die Klägerin musste diese also besonders vorsichtig benutzen. Andererseits ist der Unfall nachts passiert. Die Aufmerksamkeit ist dann – auch durch Schlaftrunkenheit – herabgesenkt, so dass das über-wiegende Verschulden bei den Beklagten anzusiedeln ist.

7. Der Feststellungsantrag ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils dem Grunde nach zulässig und begründet, ist aber insoweit abzuändern, als die Haftungsquote der Beklagten von 75% – wie tenoriert – anzugeben ist.

8. Die Anschlussberufung ist aus den vorgenannten Gründen zurückzuweisen.

9. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

10. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Mietrecht: Das Urteil betrifft einen Fall, bei dem die Klägerin einen Ferienbungalow von den Beklagten gemietet hat. Daher spielt das Mietrecht eine wichtige Rolle in diesem Fall. Die Rechtsgrundlage für das Mietrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 535 bis 580a geregelt. Im vorliegenden Fall ist insbesondere § 536a BGB (Ersatz von Aufwendungen und Schadensersatz des Mieters) von Bedeutung, da die Klägerin aufgrund eines Unfalls in der gemieteten Unterkunft Schadensersatz und Schmerzensgeld fordert.
  2. Deliktsrecht: Die Klägerin fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls, der durch den angeblichen Mangel einer Leiter in der Ferienunterkunft verursacht wurde. Daher ist das Deliktsrecht von Bedeutung. Die Rechtsgrundlage für das Deliktsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 823 bis 853 geregelt. Im vorliegenden Fall ist insbesondere § 823 BGB (Schadensersatzpflicht) relevant, da die Klägerin die Beklagten für den entstandenen Schaden verantwortlich macht.
  3. Schmerzensgeld: Die Klägerin fordert Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen infolge des Unfalls. Die Rechtsgrundlage für Schmerzensgeld ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 253 Abs. 2 geregelt, der besagt, dass bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Schmerzensgeld gefordert werden kann.
  4. Zinsen: In diesem Urteil wird eine Verzinsung des Schmerzensgeldes in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2016 festgelegt. Die Rechtsgrundlage für die Verzinsung von Schadensersatzansprüchen ist in § 288 BGB (Verzugszinsen und sonstiger Schadensersatz) geregelt.
  5. Prozessrecht: Das Urteil bezieht sich auf ein Berufungsverfahren und behandelt unter anderem Fragen der Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in der Zivilprozessordnung (ZPO). Insbesondere sind in diesem Zusammenhang § 708 ZPO (Vollstreckungsschutz bei vorläufiger Vollstreckbarkeit) und § 91 ZPO (Kostenerstattung bei vollständigem Obsiegen oder Unterliegen) relevant.
  6. Streitwertfestsetzung: In diesem Urteil wird der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 65.000 Euro festgesetzt. Die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Streitwerts findet sich in § 3 ZPO (Streitwert bei Klagen auf Leistung) und § 47 GKG (Gerichtskostengesetz – Streitwert im Berufungsverfahren), die die Regelungen zur Ermittlung des Streitwerts in gerichtlichen Verfahren enthalten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der Streitwert Einfluss auf die Höhe der Gerichtskosten und die Anwaltskosten hat und somit für die Parteien von Bedeutung ist.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird Schmerzensgeld berechnet und wie hoch kann es sein?

Die Höhe des Schmerzensgeldes wird in Deutschland nicht durch feste Regeln oder Tabellen vorgegeben. Vielmehr wird es nach den Umständen des Einzelfalls bemessen. Dabei werden Faktoren wie die Schwere der Verletzung, die Dauer der Heilungsphase, mögliche bleibende Beeinträchtigungen und die Intensität der erlittenen Schmerzen berücksichtigt. In diesem Fall wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro zugesprochen, wobei die konkrete Berechnung von den vorliegenden Umständen abhängt.

Was bedeutet es, wenn ein Urteil vorläufig vollstreckbar ist?

Ein vorläufig vollstreckbares Urteil bedeutet, dass der Gläubiger (in diesem Fall die Klägerin) bereits vor dem endgültigen Abschluss des Rechtsstreits (z.B. durch eine mögliche Revision) die im Urteil zugesprochenen Forderungen gegen den Schuldner (in diesem Fall die Beklagten) vollstrecken kann. Um jedoch die Interessen des Schuldners zu schützen, wird oft eine Sicherheitsleistung verlangt. In diesem Fall beträgt die Sicherheitsleistung 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Was ist eine Nebenintervention und welche Kosten trägt der Nebenintervenient?

Eine Nebenintervention ist die Beteiligung einer dritten Partei an einem Rechtsstreit, die sich der Klage oder der Verteidigung anschließt, um ihre eigenen rechtlichen Interessen zu wahren. Der Nebenintervenient ist nicht Hauptpartei im Verfahren, kann aber zur Unterstützung einer der Hauptparteien beitragen. In diesem Urteil trägt der Nebenintervenient die Kosten der Nebenintervention in erster Instanz zu 25% und im Übrigen selbst, sowie die Kosten der Nebenintervention in zweiter Instanz zu 48% und im Übrigen selbst.

Was bedeutet es, wenn die Revision nicht zugelassen wird?

Wenn die Revision nicht zugelassen wird, bedeutet das, dass das Urteil des Berufungsgerichts (in diesem Fall das OLG Brandenburg) nicht weiter angefochten werden kann. Die Parteien haben in diesem Fall keine Möglichkeit, das Urteil durch eine höhere Instanz, den Bundesgerichtshof (BGH), überprüfen zu lassen. Eine Nichtzulassung der Revision kann verschiedene Gründe haben, beispielsweise weil das Gericht der Ansicht ist, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat oder weil keine Divergenz zu Entscheidungen anderer Gerichte vorliegt.

Was bedeutet „Gesamtschuldner“ und wie wirkt sich das auf die Zahlungspflicht aus?

Gesamtschuldner sind mehrere Schuldner, die gemeinsam für eine Schuld haften. In diesem Fall wurden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt. Das bedeutet, dass sie gemeinsam für die Zahlung des Schmerzensgeldes und der Zinsen verantwortlich sind. Die Klägerin kann sich aussuchen, von welchem der Beklagten sie die gesamte Forderung oder Teile davon einfordert. Die Beklagten müssen intern untereinander klären, wie sie die Zahlung aufteilen. Im Falle von Streitigkeiten können sie eine sogenannte Ausgleichsklage gegeneinander erheben, um den jeweiligen Anteil an der Gesamtschuld feststellen zu lassen.

Was bedeutet der Prozentsatz bei der Feststellung der zukünftigen Schadensersatzpflicht?

Der Prozentsatz bei der Feststellung der zukünftigen Schadensersatzpflicht (in diesem Fall 75%) gibt an, in welchem Umfang die Beklagten für den zukünftigen immateriellen Schaden der Klägerin haften. Das bedeutet, dass die Beklagten verpflichtet sind, 75% des immateriellen Schadens zu ersetzen, der der Klägerin in der Zukunft entsteht und nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen ist.

Wie werden die Prozesskosten auf die Parteien verteilt?

Die Verteilung der Prozesskosten richtet sich in Deutschland nach dem Kostengrundsatz (§ 91 ZPO), wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. In diesem Fall hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Klägerin 25% der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und 48% der Kosten des Berufungsverfahrens trägt, während die Beklagten 75% der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und 52% der Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Die genaue Aufteilung der Kosten kann von verschiedenen Faktoren abhängen, wie zum Beispiel dem Grad des Obsiegens oder Unterliegens der Parteien im Verfahren.

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