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Verkehrssicherungspflicht – Sturz Hausmeister auf einer Kellertreppe

Ein vermeidbarer Sturz? Verkehrssicherungspflicht und die Rolle des Hausmeisters

In einem Urteil, das breite Diskussionen über die Verkehrssicherungspflicht und die Verantwortung von Hausmeistern auslösen dürfte, hat das Landgericht Wiesbaden entschieden, dass ein Hausmeister, der auf einer Kellertreppe stürzt, nicht zwangsläufig Anspruch auf Schadenersatz hat.

Direkt zum Urteil Az: 9 O 888/20 springen.

Verantwortung und Verkehrssicherungspflicht

Im Mittelpunkt des Falls steht eine Hausmeisterin, die auf einer Kellertreppe gestürzt war und dabei behauptete, dass eine fetthaltige Substanz auf der Treppe zu ihrem Unfall geführt hätte. Sie argumentierte, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Reinigung und Instandhaltung der Treppe verantwortlich sei und somit eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege.

Das Gericht hat jedoch eine andere Sicht auf die Angelegenheit. Es stellte fest, dass die Hausmeisterin durch ihre Aufgabenstellung, welche unter anderem die Reinigung des Treppenhauses beinhaltete, selbst die Verkehrssicherungspflicht übernommen hatte. In anderen Worten, die Verantwortung für den sicheren Zustand der Treppe lag bei der Hausmeisterin selbst.

Delegation von Pflichten und Selbstgefährdung

Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Hausmeisterin wurde vom Gericht als effektive Delegation der Pflichten durch die Wohnungseigentümergemeinschaft gesehen. Demnach durfte die Gemeinschaft davon ausgehen, dass die Hausmeisterin für einen sicheren Zustand der Treppe sorgt und entsprechende Vorkehrungen trifft.

Zudem wies das Gericht auf die mögliche Selbstgefährdung der Klägerin hin. Wenn die Hausmeisterin tatsächlich ständige Verschmutzungen der Treppe moniert hätte, hätte sie sich entsprechend vorsichtig bewegen und sich ständig am Handlauf festhalten müssen, um einen möglichen Sturz zu vermeiden.

Keine Beweislast für die Beklagte

Entscheidend war auch, dass das Gericht keine hinreichenden Beweise dafür sah, dass die Beklagte oder ihre Mitarbeiter für eine fetthaltige Verschmutzung der Kellertreppe verantwortlich waren. Ohne solche Beweise konnte das Gericht die Klägerin nicht vom Vorwurf der unterlassenen Eigensicherung freisprechen, und somit kam es zu keiner Haftung der Beklagten für den Unfall.

Dieses Urteil zeigt eindrucksvoll, wie komplex die Verkehrssicherungspflicht und die Verantwortlichkeiten im Kontext von Wohngebäuden sein können. Es unterstreicht, dass jeder Beteiligte – in diesem Fall die Hausmeisterin – seine Rolle und Pflichten genau kennen und erfüllen muss, um rechtlichen Konsequenzen vorzubeugen.


Das vorliegende Urteil

LG Wiesbaden – Az.: 9 O 888/20 – Urteil vom 30.03.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von elf Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Zusammenhang mit einem behaupteten Sturzereignis auf Schadensersatz in Anspruch.

Verkehrssicherungspflicht - Sturz Hausmeister auf einer Kellertreppe
(Symbolfoto: Bobkeenan Photography/Shutterstock.com)

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Sch. Straße …, 6… W. Die Klägerin bewohnt ebenda zusammen mit ihrer Familie eine in einem der Obergeschosse belegene Eigentumswohnung. Der Beklagte ist Eigentümer des in dem Erdgeschoß des Anwesens belegenen Ladenlokals. In eben diesem betreibt er eine Pizzeria. Sowohl zu der Eigentumswohnung als auch zu dem Ladenlokal gehört jeweils ein im Kellergeschoß belegenes Kellerabteil. In dem Kellerabteil des Beklagten befinden sich zu der Pizzeria gehörende Kühl- und Gefrierschränke. Das Kellergeschoß ist vom Erdgeschoß aus über eine Treppe zu erreichen. Von der Küche der Pizzeria führt eine Tür unmittelbar auf die Straße. Die der Pizzeria des Beklagten zugeordnete Mülltonne steht unmittelbar vor der Pizzeria auf der Straße. Für die Reinigung des Treppenhauses seit Jahren als Hausmeisterin zuständig ist die Klägerin, die insoweit im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Rechnung tätig ist. Als der Beklagte die Räume, in welchen er nunmehr die Pizzeria betreibt, im Jahre 2015 erwarb, teilte ihm die Klägerin mit, daß sie schwere Knochenprobleme und Schwierigkeiten mit dem Treppensteigen habe. In der Zeit vom 22.09.2019 bis zum 28.09.2019 befand sich die Klägerin in der A.-P.-Klinik in W. in stationärer Behandlung.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich am 22.09.2019 in stationäre ärztliche Behandlung begeben müssen, weil sie am eben diesem Tag gegen 12.00 Uhr auf der vom Erd- in den Kellergeschoß des Anwesens Sch. Straße … in W. führenden Treppe zu Fall gekommen sei. Grund hierfür seien auf der Treppe befindliche Fettverunreinigungen gewesen, die darauf zurückgingen, daß Mitarbeiter des Beklagten Speisereste und andere Lebensmittel von der Pizzeria in das Kellergeschoß verbrächten. Hierbei würden Fett- und Öltropfen auf die Treppe fallen. Hinzu komme, daß Mitarbeiter des Beklagten mit dreckigen Schuhen in den Keller laufen würden. Trotz größter Vorsicht habe sie, die Klägerin, nicht bemerkt, daß die Treppe schmierig sei, und sei auf den Verunreinigungen ausgeglitten. Sie sei die Treppe hinuntergestürzt und sei mit der rechten Schulter und mit dem rechten Arm an der seitlichen Wand der Treppe und an dem Geländer aufgeschlagen. Hierdurch habe sie, die Klägerin, sich eine subkapitale Humerusfraktur der Schulter rechts mit Abrißfraktur des Tuberkulum Majus, eine nicht dislozierte Radiusköpfchenfraktur (Mason I) mit kleiner Fragment-Absprengung des rechten Unterarms/Handgelenks sowie eine nicht dislozierte distale Radiusfraktur rechts zugezogen. Die Fraktur habe mit einer Philosplatte versorgt werden müssen, was höchst unangenehm sei. Außerdem habe sie, die Klägerin, nach abgeschlossener Heilbehandlung sich einer Krankengymnastik sowie einer motorisch-funktionellen Behandlung unterziehen müssen. Die versehrte Schulter könne sie, die Klägerin, nach wie vor nicht so belasten wie vor dem Unfall. Bei erhöhter Belastung träten erneut Schmerzen auf.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 22.000,00 EUR aber nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2019 zu zahlen; festzustellen, daß der Beklagte für etwaige aus der Verletzung entstehende Spätfolgen einzustehen habe.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, von dem angeblichen Unfall und den vorgeblichen Folgen wisse er nichts. Höchste Vorsicht im Falle einer vorgeblich verunreinigten Treppe hätte darin bestanden, sich nur langsam fortzubewegen und sich hierbei fortwährend an dem Handlauf festzuhalten. Entsprechende Versäumnisse fielen der Klägerin selbst zur Last. Entgegen den klägerischen Behauptungen hätten seine, des Beklagten, Mitarbeiter aber weder das Treppenhaus und schon gar nicht die Kellertreppe verunreinigt. Da die Reinigung des Treppenhauses der Klägerin anvertraut sei, könne sie dessen tatsächlich oder vermeintlich verkehrswidrigen Zustand ohnehin weder ihm, dem Beklagten, noch der Wohnungseigentümergemeinschaft anlasten. Ohnehin sei das geforderte Schmerzensgeld völlig übersetzt. Mit ihrem bestrittenen Vortrag gelange die Klägerin noch nicht einmal in die Nähe des von ihr geforderten Betrages.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zugehörigen Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat in der Sitzung vom 11.02.2021 sowohl die Klägerin als auch den Beklagten informatorisch gehört. Wegen des Ergebnisses der informatorischen Anhörung der Parteien wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.02.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig, das angerufene Gericht sachlich (§§ 23, 71 GVG) und örtlich (§ 32 ZPO) zuständig. Soweit die Klägerin nicht Zahlung, sondern Feststellung begehrt, kann sie auch das insoweit unabdingbare Feststellungsinteresse vorweisen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Bei einem Schadensersatzverlangen, welches nicht mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, ist das Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei, wie vorliegend, um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach Behauptung des Anspruchstellers bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus. Diese ist nur dann zu verneinen, wenn aus der Sicht des Anspruchstellers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2001 zu VI ZR 381/99 – zitiert nach Juris – m. w. N.). Da die Klägerin vorliegend geltend macht, nach wie vor auf physiotherapeutische Behandlung angewiesen zu sein und ihren rechten Arm nach wie vor nicht vollständig ausstrecken und heben zu können, ist die Annahme, daß die Klägerin das nach § 256 Abs. 1 ZPO unabdingbare Feststellungsinteresse dartun kann, ohne weiteres gerechtfertigt.

Die Klage ist indes unbegründet.

Der Klägerin stehen die klageweise geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten nicht ersichtlich ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft die sie treffende Verkehrssicherungspflicht vielmehr auf die Klägerin delegiert hat, der klägerischerseits behauptete Unfall im übrigen nicht auf ein dem Beklagten anzulastendes Fehlverhalten, sondern im Zweifel auf eine bewußte Selbstgefährdung der Klägerin zurückzuführen ist. Im einzelnen:

In Ermangelung einer vertraglichen Beziehung kann die Klägerin Ersatz der von ihr behaupteten materiellen und immateriellen Schäden sowie die begehrte Feststellung von dem Beklagten allenfalls nach deliktischen Grundsätzen verlangen. Die Voraussetzungen der §§ 253, 823 Abs. 1 oder 2 BGB i. V. m. § 229 StGB liegen in der Person des Beklagten indes nicht vor.

Vor dem Hintergrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen, einschließlich der zu den Gerichtsakten gelangten Unterlagen, sieht sich das erkennende Gericht außerstande, die Feststellung zu treffen, daß dem Beklagten die Verletzung einer ihn, den Beklagten, treffenden Verkehrssicherungspflicht anzulasten ist. Die allgemeine Rechtspflicht zur Verkehrssicherung trifft bezogen auf das Treppenhaus des Anwesens, in welchem sich der streitgegenständliche Unfall ereignet haben soll, die Wohnungseigentümergemeinschaft Sch. Straße … in W. Diese hat die sie treffende Pflicht zur Sicherung des gefahrlosen Verkehrs in dem Treppenhaus auf die Klägerin delegiert. Dies steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auf Grund der als Anlage B 1 vorgelegten E-Mail der Hausverwaltung Sch.-K. & K. Immobilien GmbH vom 25.03.2020 sowie auf Grund der Einlassungen der Klägerin anläßlich ihrer informatorischen Anhörung in der Sitzung vom 11.02.2021 mit hinreichender Sicherheit fest. Danach obliegt die Reinigung des Treppenhauses seit zwanzig Jahren der Klägerin als Hausmeisterin, die insoweit im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Rechnung tätig ist. Für das erkennende Gericht gibt es keinen Grund, an der Wirksamkeit der Delegation zu zweifeln. Zwar setzt eine solche Delegation der Verkehrssicherungspflicht eine klare Absprache voraus, auf Grund welcher die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt ist. Da der Klägerin als Hausmeisterin insbesondere auch die Reinigung des Treppenhauses obliegt, besteht für das erkennende Gericht kein Anlaß zu der Annahme, die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte die sie treffende Verkehrssicherungspflicht nicht wirksam delegiert. Anhaltspunkte für letztere Annahme sind weder dargetan noch anderweit ersichtlich. Liegt aber, wie dargetan, eine wirksame Delegation der Verkehrssicherungspflicht vor, so verengt sich die ursprünglich die Wohnungseigentümergemeinschaft treffende Pflicht zur Sicherung des einmal eröffneten Verkehrs auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, deren wesentlicher Inhalt darin besteht, zum einen eine geeignete Person auszuwählen und zum anderen diese im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu überwachen (vgl. BGH, VersR 1996, 1151, 1152; OLG Hamm, VersR 2000, 862; OLG Celle, MDR 2006, 265 f.). Hat aber die Wohnungseigentümergemeinschaft die sie primär treffende Verkehrssicherungspflicht durch Vertrag auf die Klägerin übertragen, so durfte sie sich mit Rücksicht hierauf grundsätzlich darauf verlassen, daß die Klägerin für sie, die Wohnungseigentümergemeinschaft, das zur Sicherung des Verkehrs im Treppenhaus Erforderliche veranlassen werde. Folge hiervon ist, daß auf Grund dieser vertraglich geregelten Zuständigkeitsverteilung nicht – mehr – die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern die Klägerin für den hier interessierenden Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen als verantwortlich anzusehen ist (vgl. OLG Dresden, NJWE-MietR 1996, 241 f.; BGH, NJW-RR 1989, 394, 395). Hat sich aber die Klägerin vertraglich dazu verpflichtet, als Hausmeisterin auch für die Reinigung des Treppenhauses Sorge zu tragen, so durfte die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst davon absehen, Schutzvorkehrungen für den hier interessierenden Bereich zu ergreifen, weil sie sich grundsätzlich auf das Tätigwerden der Klägerin als Hausmeisterin verlassen durfte  (vgl. OLG Düsseldorf, r+s 1990, 199, 200). Auf Grund der vertraglichen Delegation der Verkehrssicherungspflicht von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Klägerin verblieb bei der Wohnungseigentümergemeinschaft neben einer Auswahl- nur eine Kontroll- und Überwachungspflicht. Der vorzitierten E-Mail der Hausverwaltung vom 25.03.2020 kann zwanglos entnommen werden, daß die Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Hausverwaltung ihren Kontroll- und Überwachungspflichten hinreichend nachgekommen ist. Das Objekt werde in unregelmäßigen Abständen besichtigt, Beanstandungen wegen eines unsauberen Treppenhauses habe es bislang nicht gegeben, desgleichen keine diesbezüglichen Beschwerden von Hausbewohnern. Ist für die Reinigung des Treppenhauses nach allem die Klägerin zuständig, so erschließt sich dem erkennenden Gericht bereits nicht, was die Klägerin dem Beklagten bezogen auf den Zustand des Treppenhauses am 22.09.2019, vorhalten können will. Auf der Kellertreppe am 22.09.2019 tatsächlich oder vermeintlich vorhandene Verschmutzungen zu beseitigen, wäre in erster Linie Sache der Klägerin gewesen. Die Klägerin kann insoweit nicht damit gehört werden, sie würde das Treppenhaus meistens donnerstags putzen, wohingegen der Unfall sich an einem Sonntag ereignet haben soll. Der E-Mail der Hausverwaltung vom 25.03.2020 kann entnommen werden, daß die Klägerin als Hausmeisterin für die Treppenhausreinigung zuständig ist. Da die Reinigung eines Treppenhauses weder Selbstzweck ist noch allein aus Gründen der Hygiene erfolgt, sondern auch dazu bestimmt ist, durch regelmäßige Beseitigung des auf welche Weise auch immer auf die Stufen gelangten Schmutzes eine gefahrlose Fortbewegung auf den Treppen ohne Gefahr des Ausrutschens zu ermöglichen, wäre die Klägerin als Hausmeisterin im Zweifel gehalten gewesen, eine tatsächlich oder vermeintlich verunreinigte Treppe auch einmal außerhalb des selbst definierten Reinigungsturnus zu säubern. Die Klägerin macht auch vergeblich geltend, daß sie dem Beklagten praktisch ständig hinterherputzen müßte. Die Klägerin verkennt in diesem Zusammenhang womöglich, daß sie sich kraft Vertrages dazu verpflichtet hat, das fragliche Treppenhaus zu reinigen, und daß für den Fall eines etwa von einem Dritten auf der Kellertreppe des Anwesens Sch. Straße … in W. erlittenen Sturzes im Zweifel auch sie, die Klägerin, wegen der von ihr vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Reinigung des Treppenhauses sich nunmehr Haftungsansprüchen ausgesetzt sehen könnte. Allein der Umstand, daß am 22.09.2019 – bedauerlicherweise – sie selbst auf der Kellertreppe gestürzt sein soll, vermag daran, daß die Klägerin kraft der vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Reinigung des Treppenhauses als Zweitgarant an Stelle der Wohnungseigentümergemeinschaft, die insoweit als Erstgarant anzusehen ist, getreten ist, nichts zu ändern. Eine Haftung des Beklagten für den von der Klägerin tatsächlich oder vermeintlich erlittenen Sturz scheidet hierneben aus.

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Der Klage konnte daneben und ohne Rücksicht auf die vorstehenden Erörterungen zur Delegation der Pflicht zur Reinigung des Treppenhauses und damit zur Sicherung des Verkehrs in eben diesem auch deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil der klägerischerseits behauptete und von dem Beklagten vehement in Abrede gestellte Unfall vom 22.09.2019 zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht auf ein wie auch immer geartetes Fehlverhalten des Beklagten oder seiner Mitarbeiter zurückzuführen ist, sondern im Zweifel auf eine der Klägerin anzulastende Selbstgefährdung beziehungsweise unterbliebene Eigensicherung.

Aus Ingerenzgesichtspunkten, also wegen vorangegangenem pflichtwidrigem Tuns, haftete der Beklagte der Klägerin nur dann, wenn feststünde, daß er tatsächlich für eine fetthaltige Verunreinigung der Kellertreppe verantwortlich ist, die der Klägerin am 22.09.2019 tatsächlich zum Verhängnis geworden ist. Eine solche Feststellung zu treffen, sieht sich das erkennende Gericht indes nicht in der Lage. Daß es Fotografien, welche den Zustand der Treppe am behaupteten Unfalltag abbilden würden, tatsächlich nicht gibt, wird sogar von der Klägerin eingeräumt. Dementsprechend ist es auch ohne Belang, daß ungeachtet entsprechenden Hinweises des Gerichts bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung klägerischerseits keine aussagekräftigen Fotografien zu den Gerichtsakten gereicht worden sind. Zeugen für den Zustand der Treppe am behaupteten Unfalltag und für das Sturzereignis selbst vermag die Klägerin ebenfalls nicht zu benennen. Daß ihr Ehemann und ihre Tochter am 22.09.2019 Schreie vernommen haben sollen, kann zu Gunsten der Klägerin für wahr unterstellt werden. Eine Aussage über Ursache und Hergang des behaupteten Unfalls geht damit nicht einher. Nichts anderes folgt aus der klägerischerseits eingeholten und vorgelegten schriftlichen Erklärung anderer Hausbewohner. Eben diesem Schriftstück kann für den behaupteten Unfalltag nichts entnommen werden. Die Erklärungen lassen sich auf die Aussage reduzieren, von der Pizzeria gingen Verunreinigungen aus, diese seien aber gefährlich. Den Maßstäben des Strengbeweises (§ 286 ZPO) wird derlei nicht gerecht. zudem stehen den Erklärungen der Bewohner die Aussagen der Hausverwaltung aus der E-Mail vom 25.03.2020 gegenüber. Danach hat die Hausverwaltung anläßlich von in unregelmäßigen Abständen abgehaltenen Objektbesichtigungen Verunreinigungen des Treppenhauses gerade nicht festgestellt und dementsprechend nicht bemängelt. auch hätten Bewohner entsprechende Beschwerden bei der Hausverwaltung bislang nicht angebracht. Insgesamt mochte die Hausverwaltung eine von der Pizzeria des Beklagten ausgehende Verunreinigung gerade nicht bestätigen. Letzteres korrespondiert mit dem Inhalt der E-Mail der Klägerin vom 02.07.2019 an die Hausverwaltung. In dieser geht es nur am Rande um Fettverunreinigungen, die allgemein dergestalt geschildert werden, daß Erd- und Untergeschoß sehr fettig seien und daß sie, die Klägerin, diese Bereiche gar nicht mehr sauber bekomme. Von einer Verunreinigung der Kellertreppe ist in der E-Mail vom 02.07.2019 explizit nicht die Rede. Dafür finden sich darin umfangreiche Ausführungen zu von der Pizzeria ausgehenden Geruchsbelästigungen und Hitze-Emissionen sowie dazu, daß die Pizzeria für eine Rattenplage verantwortlich sei. Indes fand sich all dies anläßlich einer am 04.07.2019 und damit gerade zwei Tage später stattgefundenen Kontrolle der Lebensmittelüberwachung der Ordnungsbehörde der Landeshauptstadt W. ausweislich der von dem Beklagten vorgelegten Anlage B 2 gerade nicht bestätigt. Die Kontrolleure konnten weder Schädlinge noch Fettverunreinigungen feststellen. Die zeitliche Koinzidenz der E-Mail vom 02.07.2019 und des Kontrollbesuchs vom 04.07.2019 ist augenfällig und spricht eher gegen als für die klägerische Version der Ursachen und des Hergangs des von der Klägerin dem Beklagten angelasteten Unfallgeschehens. Bei der gebotenen Gesamtschau kann schließlich auch der Inhalt des als Anlage K 5 zu den Gerichtsakten gereichten Entlassungsbriefs nicht außer Betracht bleiben. Zur Anamnese heißt es in diesem:

„Die Patientin sei heute aus Unachtsamkeit die letzten Stufen ihrer Kellertreppe heruntergefallen und dabei mit der rechten Hand aufgekommen und anschließend an die Wand geprallt. Ein Kopfanprall habe nicht stattgefunden.“

Es ist weder dargetan noch anderweit ersichtlich, daß am 22.09.2019 anläßlich der Aufnahme der Klägerin in die A.-P.-Klinik in W. zur Unfallursache in den Patientenunterlagen etwas anderes festgehalten worden ist als das, was die Klägerin anläßlich ihrer Aufnahme den Behandlern gegenüber tatsächlich äußerte, namentlich daß sie, die Klägerin, die letzten Stufen der Kellertreppe aus Unachtsamkeit hinuntergefallen sei. Von einem Sturz infolge Ausrutschens auf einem Fettfilm oder dergleichen war anläßlich der Aufnahme allem Anschein nach nicht die Rede. Insgesamt betrachtet ergibt dies das Bild eines aus Unachtsamkeit erlittenen Unfalls, für dessen Entstehung und Folgen die Klägerin im nachhinein den Beklagten verantwortlich zu machen sucht. Den ihr insoweit abzuverlangenden Strengbeweis (§ 286 ZPO) vermochte die Klägerin indes nicht zu führen.

Selbst wenn man vorstehendes anders sehen wollte, bliebe zu konstatieren, daß man selbst bei unterstellter Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne eines vorangegangenen pflichtwidrigen Tuns wegen bewußter Selbstgefährdung der Klägerin beziehungsweise vorwerfbar unterbliebener Eigensicherung letztlich nicht zu einer Einstandspflicht des Beklagten gelangt. Die Klägerin wird nämlich nicht müde zu betonen, daß es Mitarbeiter des Beklagten seien, die für eine fortwährende Verschmutzung der Kellertreppe mit Fett und vergleichbaren Substanzen sorgten, so daß man die Treppe überhaupt nicht mehr sauber bekomme. Dies für wahr unterstellt, bedeutet nach der hier vertretenen Auffassung aber, daß die Klägerin wegen der ihr bekannten – weil fortwährend monierten – tatsächlichen oder vermeintlichen Verunreinigung der Kellertreppe mit Fett oder dergleichen gehalten gewesen wäre, sich langsam und vorsichtig fortzubewegen und sich hierbei ununterbrochen am Handlauf – nach Darstellung der Klägerin gibt es dort ein Geländer – festzuhalten (vgl. LG Coburg, Urteil vom 06.11.2012 zu 11 O 235/11 für einen vergleichbaren Fall einer infolge von Bauarbeiten schlecht beleuchteten Wendeltreppe). Es ist weder dargetan noch anderweit ersichtlich, daß die Klägerin dieser geradezu selbstverständlichen Maßnahme der Selbstsicherung am 22.09.2019 gerecht geworden oder aber daß ihr eine solche am behaupteten Unfalltag nicht möglich gewesen wäre, weshalb der Klage nach allem kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. als vollumfänglich unterlegene Partei hat die Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den Vorschriften des § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird nach Abschluß der Instanz endgültig auf 25.000,00 EUR festgesetzt. Das Feststellungsverlangen schätzt das Gericht hierbei nach billigem Ermessen auf 3.000,00 EUR (§ 3 ZPO). Ihre Schmerzensgeldvorstellungen hat die Klägerin aber mit 22.000,00 EUR beziffert. In der Summe sind dies 25.000,00 EUR.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB): Die Verkehrssicherungspflicht ist ein zentraler Aspekt dieses Falles. Es geht darum, ob der Beklagte als Inhaber des Ladenlokals und damit Nutzer der Kellertreppe die Pflicht hatte, diese sicher zu halten und zu verhindern, dass Gefahren durch z.B. Fettrückstände entstehen. Die Klägerin macht geltend, dass der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei, was zu ihrem Sturz geführt habe. Das Gericht muss also prüfen, ob der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und ob diese Verletzung zu dem Unfall geführt hat.
  2. Schadensersatzrecht (§ 823 BGB): Dieses Rechtsgebiet kommt zum Tragen, da die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz für die erlittenen Verletzungen verlangt. Um Schadensersatz zu erhalten, muss sie nachweisen, dass der Beklagte eine Verpflichtung verletzt hat (in diesem Fall die Verkehrssicherungspflicht), dass sie einen Schaden erlitten hat (in diesem Fall ihre Verletzungen), und dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden besteht.
  3. Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB): Das Deliktsrecht ist ein weiterer wichtiger rechtlicher Aspekt in diesem Fall, da es um die Frage geht, ob der Beklagte unerlaubt gehandelt hat und dafür haften muss. Die Klägerin muss beweisen, dass der Beklagte seine Pflichten verletzt hat (Verschulden) und dass diese Pflichtverletzung kausal für die Verletzungen der Klägerin war. Im Deliktsrecht geht es also um die Frage der Haftung für Schäden, die durch unerlaubte Handlungen entstehen.
  4. Wohnungseigentumsrecht (WEG): Auch das Wohnungseigentumsrecht spielt in diesem Fall eine Rolle. Beide Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und haben somit bestimmte Rechte und Pflichten. Dabei könnte es etwa um die Frage gehen, wer für die Reinigung und Instandhaltung der Kellertreppe verantwortlich ist. Dies kann jedoch je nach Einzelfall und den Vereinbarungen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft variieren.

Was bedeutet eine Verkehrssicherungspflicht?

Die Verkehrssicherungspflicht ist ein juristischer Begriff im deutschen Recht, der die Pflicht einer Person oder Institution bezeichnet, dafür zu sorgen, dass von einer Sache oder einem Zuständigkeitsbereich, für den sie verantwortlich ist, keine Gefahr für die Sicherheit oder das Eigentum anderer Menschen ausgeht. Dabei muss eine Abwägung zwischen dem Interesse des Verkehrssicherungspflichtigen an der Nutzung und dem Interesse der Allgemeinheit an Sicherheit vorgenommen werden.

Die Verkehrssicherungspflicht kann eine Vielzahl von Situationen und Szenarien abdecken, wie die Instandhaltung von Gebäuden und Grundstücken, die Wartung von Fahrzeugen, Maschinen und Geräten, die Sicherstellung von sicheren Arbeitsbedingungen oder sogar die Verpflichtung, Schnee und Eis von Gehwegen zu räumen. Die spezifische Ausgestaltung der Pflichten kann je nach Situation und Kontext variieren und wird oft durch Rechtsprechung, also Urteile von Gerichten, konkretisiert.

Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht kann zu zivilrechtlichen Haftungsansprüchen führen, wenn dadurch ein Schaden entsteht. So kann etwa ein Hauseigentümer, der seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er eine defekte Treppe nicht repariert und ein Besucher dadurch zu Schaden kommt, zum Schadensersatz verpflichtet sein. In bestimmten Fällen kann ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

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