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Verkehrssicherungspflicht – Verkehrsschild bei Sturmwarnung

LG Essen – Az.: 15 S 157/16 – Urteil vom 20.12.2016

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.08.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen – 405 C 270/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das amtsgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert beträgt 1.593,87 EUR

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 313, 540 ZPO)

I.

Verkehrssicherungspflicht - Verkehrsschild bei Sturmwarnung
(Symbolfoto: trendobjects/Shutterstock.com)

Der Kläger nimmt die Beklagte, die bei Straßenbauarbeiten auf der C-Straße die Verkehrssicherung übernommen hatte, wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch, weil ein von der Beklagten aufgestelltes Verkehrsschild, das mit den üblichen Fußplatten gesichert war, am 08.02.2016, dem Rosenmontag dieses Jahres, auf sein in einer Entfernung von ca. 2 m von diesem am Fahrbahnrand abgestelltes Fahrzeug gestürzt und dort einen Schaden, den er insgesamt mit 2.125,16 EUR beziffert, verursacht hat. An diesem Tag regnete es stark und es herrschte heftiger Wind. Schon Tage vor dem Rosenmontag dieses Jahres hatte das Wetteramt vor Unwettern mit hohen Sturmstärken gewarnt.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Schadensfall auf höherer Gewalt beruhe. Sie behauptet, sie habe das streitgegenständliche Schild und die zugehörige Absperrung nach der ZTV-SA, die lediglich gebiete, dass Innerorts eine Windlast von 0,25 kN/m² eingehalten werde, errichtet. Sie bestreitet ferner, dass das Verkehrsschild wetterbedingt umgefallen sei. Es hätte auch umgestoßen worden sein können.

Der Kläger bestreitet demgegenüber, dass das betreffende Schild vorschriftsmäßig mit der erforderlichen Anzahl von Sicherungsplatten/ bzw. dem hierfür erforderlichen Gewicht abgesichert worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage zu ¾ statt gegeben. Die Beklagte habe hier ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie habe nicht alle Vorkehrungen getroffen, die nach den Sicherungserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungsgemäßer Benutzung drohen, von Dritten tunlichst abzuwenden. Die Beklagte sei, nachdem seit Tagen für Rosenmontag dieses Jahres ein Sturm mit bis über 10 Windstärken und sogar über 100 km/h Windgeschwindigkeit angekündigt gewesen war, verpflichtet gewesen, die von ihr aufgestellten Schilder entsprechend zu sichern und könne sich nicht darauf berufen, dass die ZTV-SA allgemein nur eine Sicherung Innerorts vorschreibe, die Windgeschwindigkeiten von bis zu 8 Windstärken standhalte. Es komme so nicht darauf an, ob die Beklagte die ihr obliegenden Kontrollpflichten korrekt eingehalten habe. Die potentielle Gefährlichkeit eines an einer Stange befestigten Verkehrsschildes wie des streitgegenständlichen für Leib und Leben und nicht nur für Sachschäden, erfordere bei einer Sachlage wie der vorliegenden eine weitergehende Absicherung. Aufgrund der Wetterlage am Unfalltag spreche auch ein Anscheinsbeweis für die Schadensverursachung durch die nicht ordnungsgemäße Standsicherheit des Schildes. Den Kläger treffe allerdings ein Mitverschulden von ¼ entsprechend der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. Auch er hätte damit rechnen müssen, dass sein Fahrzeug an diesem Abstellungsort potentiell gefährdet gewesen sei, das entsprechend überwiegende Verschulden treffe aber die Beklagte.

Mit der Berufung rügt die Beklagte die Rechtsanwendung des Amtsgerichts und begehrt weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Die Kammer hat die Beklagte schon mit der Ankündigung vom 24.10.2016, dass sie beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, darauf hingewiesen, dass die Beklagte – trotz des erstinstanzlich bereits erfolgten Bestreitens des Klägers, nicht substantiiert dargelegt habe, dass das streitgegenständliche Schild nach den Vorgaben der ZTV-SA aufgestellt worden sei und für diese Aufstellungssituation ausreichend abgesichert wurde. Die Gegenvorstellungen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 08.11.2016 zu diesem Beschluss gaben der Kammer Anlass, mit der Ladung vom 14.11.2016 zum Termin vom 20.12.2016 erneut klarzustellen, dass auch im Hinblick auf den Schriftsatz vom 08.11.2016 die vorläufige Rechtsauffassung der Kammer nach wie vor dahin gehe, dass der Vortrag der Beklagten zum Aufstellen, Absichern und der Zumutbarkeit von weiteren Maßnahmen bei konkreten Sturmwarnungen zu pauschal erscheine. Es sei unklar, wie die Beklagte die Einzelheiten in Bezug auf die von ihr aufgestellten Schilder (befasster Mitarbeiter, verwendetes Material, Kontrollen, Gefährdungspotential) organisatorisch erfasst habe. Konkreter Vortrag erfolgte daraufhin nicht mehr. Lediglich wurden im Termin Wartungslisten für die Tag- und Nachtwartungen im Zeitraum vom 26.01.bis zum 19.02.2016 vorgelegt. Der Kläger hat sein Bestreiten, dass das betreffende Verkehrsschild nach den Vorgaben der ZTV-SA aufgestellt worden sei, nach der Terminsladung nochmals erneuert.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Amtsgericht im Rahmen des § 823 Abs.1BGB der Beklagten wegen Verletzung der ihr als Aufstellerin des streitgegenständlichen Schildes obliegenden Verkehrssicherungspflicht den deutlich überwiegenden Teil des der Höhe nach unstreitigen Schadens des Klägers auferlegt.

Die Beklagte hat trotz des Bestreitens des Klägers und obwohl sie in der Berufungsinstanz ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass ihr entsprechender Vortrag zu pauschal sei, nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass das streitgegenständliche Verkehrsschild nach den Vorgaben der ZTV-SA, den vom Bundesverkehrsministerium seit 1997 herausgegebenen zusätzlichen „Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen“, für diese Aufstellungssituation adäquat gesichert war. Dass die Beklagte bereits 6 Wochen nach dem Vorfall, als dieser ihr angezeigt wurde, nicht mehr wusste, bzw. gewusst haben will, wer das Schild wie konkret gesichert aufgestellt und überwacht hat, hält der Kläger zu Recht für bedenklich. Soweit im Termin dann die Wartungslisten aus der Zeit um den Schadensfall herum vorgelegt wurden, können diese nicht unterschriebenen Listen, die nur unvollständig den Aussteller erkennen lassen – „K“, „G“ oder „T“ – nicht den Beweis erbringen, dass das streitgegenständliche Schild den genannten Vorgaben entsprechend aufgestellt wurde. Die Beklagte kann sich hier auch nicht damit entschuldigen, dass der Kläger bei ihr den Schadensfall erst rund 6 Wochen später angezeigt habe. Da sie vorgibt, auch die Aufstellung bei der Baustelleneinrichtung schriftlich zu dokumentieren, wäre es ein Leichtes für sie gewesen, den Baustellenausstattungsplan vorzulegen und die Mittarbeiter zu benennen, die die Erstaufstellung und die späteren Kontrollen vor dem Schadensfall vorgenommen haben.

Es kann so nach dem weiteren Verfahrensgang hier nicht mehr mit dem Amtsgericht unterstellt werden, dass bei der Aufstellung des streitgegenständlichen Schildes die allgemeinen Aufstellungsvorschriften der ZTV-SA eingehalten wurden.

So kommt es letztlich nicht mehr darauf an, ob die Beklagte als verantwortungsvoll handelndes Unternehmen sich nicht darauf zurückziehen könne, dass der Verordnungsgeber im Hinblick auf die wirtschaftliche Händelbarkeit der Baustellenabsperrungseinrichtungen ganz bewusst das Risiko in Kauf genommen habe, dass Innerorts aufgestellte Verkehrsschilder nur einer Windlast von 0,25 kN/m² standhalten müssten. Es kann ohnehin dahinstehen, ob die Beklagte sich auf diese für den Regelfall der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Wetterlagen geschaffenen Anforderungen berufen könnte, wenn völlig unerwartet Sturm aufkommt. Interessant wäre hier nur die Frage gewesen, ob etwas anderes gelten müsse, wenn seit Tagen vor dem Schadensfall vor einer entsprechenden Wetterlage gewarnt wurde, Rosenmontagszüge abgesagt wurden, etc.

Soweit die Beklagte sich im Übrigen mit der Berufung allgemein dazu einlässt, dass in anderen von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen für sie nicht umsetzbare Anforderungen, wie das Umlegen von Straßenschildern oder das Beschweren mit Sandsäcken und das weiträumige Absperren von Gefährdungsgebieten verlangt worden seien, trifft dies nicht den vorliegenden Fall. Hier hätte das betreffende Schild aller Voraussicht nach bereits mit einer Erhöhung der Anzahl der Befestigungsplatten ausreichend gesichert werden können. Die Argumentation der Beklagten, dass eine solche Sicherungserhöhung bei den im von ihr betreuten Sicherungsgebiet zwischen E, I, N und X mit den zunächst nur genannten 5.000 aufgestellten Schildern eine unzumutbare zusätzliche Materialbewegung von 140 Tonnen bedeutet hätte, bei den später angegebenen 8.000,00 Schildern dann entsprechend mehr, und dass solche Anforderungen auch im Hinblick auf die vom Amtsgericht lediglich abstrakt beschriebene entfernte Gefährdungslage, dass auch Menschen durch das umfallende Schild hätten zu Schaden kommen können, wirtschaftlich nicht zumutbar, volkswirtschaftlich nicht mehr zu bezahlen wären, ist nachdenkenswert, bedarf hier aus dem genannten Grund aber keiner Entscheidung.

Die Beklagte beruft sich auch mit der Berufung ohne Erfolg darauf, dass das Schild auch unabhängig von der herrschenden Wetterlage umgefallen sein könnte. Zu dem in der vorliegenden Wettersituation unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgericht Berlin vom 23.10.2003 – 57 S 4/03 – angenommenen Anscheinsbeweis des Amtsgerichts für die Schadensverursachung durch das betreffende Schild ist unter den gegebenen Umständen nichts zu erinnern. Es spricht nichts dafür, dass in der Wohnstraße, in der der Schadensfall sich ereignete, in dem maßgeblichen Zeitfenster zwischen dem Abstellen des Wagens um 11:00 Uhr und der Feststellung des Schadens um 15:30 Uhr in H, das nicht unbedingt zu den Karnevalshochburgen zählt, von Dritten mutwillig das Schild umgestoßen worden sein soll.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

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