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Verkehrssicherungspflicht – Höhendifferenz bei Bordsteinkante

OLG Saarbrücken

Urteil vom 10.01.2012

Az: 4 U 480/10 – 145, 4 U 480/10


I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.09.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (4 O 219/10) abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis geltend, welches sich nach ihrer Behauptung am 14.10.2009 in H., ereignet hat. Hinsichtlich der genauen örtlichen Lage wird auf die Lichtbilder (Hülle Bl. 33 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe am Unfalltag gegen 7.30 Uhr den nahe der Unfallörtlichkeit befindlichen „……“ aufgesucht, um Zeitschriften zu kaufen. Der Zeuge …. habe sie dorthin gefahren und sein Fahrzeug am Straßenrand abgestellt. Die Klägerin sei auf dem Weg zu dem Geschäft an einem schadhaften Bordstein hängengeblieben und zu Fall gekommen (Bl. 3 d. A.). Der Zustand der Bordsteine folge aus den Lichtbildern (Bl. 6 d. A.).

Der Zustand der Bordsteine sei der Beklagten infolge einer Meldung der Zeugin G. schon längere Zeit vor dem Unfall der Klägerin bekannt gewesen.

Infolge des Sturzes sei die Klägerin auf das Gesicht gefallen und habe eine Platzwunde an der Nasenwurzel erlitten (Lichtbild Bl. 6 d. A.). Deshalb sei sie ambulant chirurgisch behandelt worden (Bl. 4 d. A.). Hierdurch habe sie auch Attestkosten in Höhe von 8,– € aufwenden müssen (Bl. 8 d. a.).

Da infolge der Aufregung ihr Blutdruck entgleist sei, sei sie bis zum 13.11.2009 ambulant hausärztlich behandelt worden (Bl. 4 d. A.), was aus dem vorgelegten ärztlichen Zeugnis (Bl. 10 d. A.) folge.

Durch den Sturz sei die Brille der Klägerin irreparabel beschädigt worden. Für deren Ersatz müsse sie auf Grund eines Kostenvoranschlages (Bl. 11 d. A.) 570,50 € netto aufwenden (Bl. 4 d. A.).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte die schadhafte Unfallstelle auf Grund der Meldung der Zeugin …. habe beseitigen müssen und können (Bl. 3 d. A.).

Wegen der erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzensgeld von 1.000,– € angemessen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 8,– € Attestkosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen, und

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 570,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat den Unfallhergang und die Unfallfolgen mit Nichtwissen bestritten.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin im Hinblick auf die Fahrbahnbegrenzung durch Bordsteine einen Höhenunterschied habe überwinden müssen. Die Höhendifferenz der Bordsteine betrage auch nicht, wie von der Klägerin angegeben, 5 – 10 cm, sondern höchstens 3 cm. Auf die zur Unfallzeit herrschende Dunkelheit könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie aus diesem Grund zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen sei (Bl. 20 d. A.).

Mit dem am 09.09.2010 verkündeten Urteil (Bl. 42 d. A.) hat das Landgericht Saarbrücken – nach informatorischer Anhörung der Klägerin (Bl. 36 d. A.) und Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen G. (Bl. 36 d. A.) und H. (Bl. 37 d. A.) – die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 600,– €, 8,– € Attestkosten und 570,50 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe mit der nachträglichen Absicherung nicht zu erkennen gegeben, dass sie den maßgeblichen Bereich als gefährlich einstufe. Vielmehr sei eine solche nachträgliche Absicherung als Zugeständnis gegenüber denjenigen Verkehrsteilnehmern zu werten, die wie die Klägerin nicht mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unterwegs seien. Auf Grund des gegenteiligen Schlusses des Landgerichts ließe sich die Haftung eines Verkehrssicherungspflichtigen, der nachträgliche Sicherungsmaßnahmen vornimmt, leichter begründen als eines solchen, der diese unterlasse. Dies sei nicht nur unangemessen, sondern liege auch nicht im Interesse der Verkehrsteilnehmer. Das Vornehmen nachträglicher Sicherungsmaßnahmen sei demzufolge weder ein Indiz für das Bejahen der Verkehrssicherungspflicht noch für eine Bewertung der Unfallstelle als gefährlich (Bl. 76 d. A.). Im Übrigen sei die subjektive Einschätzung der Beklagten nicht entscheidend (Bl. 77 d. A.).

Ebenso sei es unerheblich, ob die Beklagte entsprechend der Aussage der Zeugin …. bereits Wochen vor dem Unfallereignis über die schadhafte Stelle im Bordstein informiert gewesen sei. Denn bei der schadhaften Stelle handle es sich nicht um eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle (Bl. 77 d. A.).

Zu Unrecht habe das Landgericht eine warnpflichtige und sogar beseitigungspflichtige Gefahr angenommen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich der Unfall so zugetragen habe, wie dies von der Klägerin behauptet werde, liege keine Verkehrssicherungspflichtverletzung i. S. v. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG vor. Eine solche werde bei Niveauunterschieden des Straßenbelags von 4 – 5 cm verneint, da dann keine unerwartete Gefahrenquelle auftrete, die nicht oder nicht mehr rechtzeitig für den Verkehrsteilnehmer zu erkennen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den vorgelegten Lichtbildern habe der Niveauunterschied nicht mehr als 4 cm betragen (Bl. 77 d. A.).

Die Ausführungen des Landgerichts, wonach eine Gefahrenstelle zu bejahen sei, könnten, auch wenn keine schematische Betrachtung veranlasst sei, nicht überzeugen (Bl. 77 d. A.). Es sei ungeklärt, wie die Klägerin über die Bordsteinkante gefallen sei. Die Klägerin habe dies selbst – bei ihrer informatorischen Anhörung – nicht sagen können, sondern dies anlässlich der Besichtigung der Unfallstelle lediglich vermutet. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie über irgendeinen auf der Straße befindlichen Gegenstand gestolpert sei, sei die Kausalität zwischen der vorstehenden Bordsteinkante und dem Unfall nicht bewiesen (Bl. 78 d. A.).

Darüber hinaus müsse ein Verkehrsteilnehmer im Bereich einer Bordsteinkante stets mit Unebenheiten rechnen. Er sei demnach gehalten, diesen Bereich nur mit äußerster Vorsicht zu betreten. Es müsse nach der Lebenserfahrung stets mit unterschiedlichem Setzungsverhalten gerechnet werden. Das Landgericht sei irrig davon ausgegangen, dass die Klägerin nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug mittig auf dem Bürgersteig gegangen und nicht an der Bordsteinkante entlang gelaufen sei (Bl. 78 d. A.).

Selbst wenn man die Bordsteinkante als Gefahrenstelle ansehe, sei diese doch für einen durchschnittlich aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ohne Weiteres zu erkennen, was durch die Lichtbilder belegt werde. Ein erheblicher Farbunterschied zwischen Bordsteinkante und Bürgersteigbelag sei nicht erforderlich. Daran ändere auch die Dämmerung zum Unfallzeitpunkt nichts, da ein Fußgänger seine Fortbewegungsweise an die Lichtverhältnisse anzupassen habe (Bl. 78 d. A.).

Jedenfalls würde eine Haftung der Beklagten vollständig hinter dem überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin zurücktreten. Es sei nicht so gewesen, dass der Klägerin nach dem Aussteigen keine Zeit geblieben sei, sich auf den Zustand des Bürgersteigs und des Bordsteins einzustellen. Die Klägerin habe bei ihrer informatorischen Anhörung selbst eingeräumt, vor dem Sturz noch ein paar Schritte gegangen zu sein (Bl. 79 d. A..

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht habe eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zutreffend bejaht. Aus den nachträglichen Absicherungsmaßnahmen (z. B. durch Warnbaken) ergebe sich, dass die Beklagte die Unfallstelle als gefährlich eingestuft habe (Bl. 83 d. A.).

Da der Höhenunterschied nach den Feststellungen des Landgerichts (mindestens) 3 bis 4 cm betragen habe, sei eine beseitigungspflichtige Gefahr zu bejahen. Da sich der Sturz gerade in diesem Bereich ereignet habe, sei davon auszugehen, dass sich die von der Bordsteinkante ausgehende Gefahr auch realisiert habe (Bl. 84 d. A.).

Die Klägerin habe mit der Gefahrenquelle auch nicht rechnen können. Zum einen sei es dämmrig gewesen. Zum anderen habe die Klägerin bei ihrer Anhörung dargelegt, dass sie normalerweise aus der anderen Fahrtrichtung komme, so dass sie in anderer Richtung zu dem Geschäft gehe und daher die Gefahrenquelle nicht kenne. Daher sei sie von dem hochstehenden Bordstein völlig überrascht worden und habe sich und ihre Bewegung darauf nicht einstellen können (Bl. 84 d. A.).

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Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 06.08.2010 (Bl. 35 d. A.) und des Senats vom 06.12.2011 (Bl. 88 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 09.09.2010 (Bl. 42 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG und § 9 Abs. 3a SaarlStrG. Denn die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sie das Hochstehen der Bordsteine in der C. in H. nicht behoben oder davor gewarnt hat, etwa durch eine Warnbake.

1.

Die Verkehrssicherungspflicht der öffentlichen Hand bezüglich öffentlicher Wege und Plätze ist ihrem Wesen nach zwar keine Amtspflicht i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB, sondern eine allgemeine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht i. S. d. § 823 BGB. Als Haftungstatbestand kommt daher grundsätzlich § 823 BGB i. V. m. §§ 89, 31 BGB in Betracht (vgl. BGHZ 9, 373 (374 f); BGH, NJW 1968, 443; Geigel-Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, 14. Kap., Rdnr. 40; Kodal/Krämer-Grote, Straßenrecht, 6. Auflage, Kap. 40, Rdnr. 6).

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das Land die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich geregelt hat. In diesem Fall handelt es sich bei der Verkehrssicherungspflicht um eine hoheitliche Aufgabe, also um eine Amtspflicht i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB (vgl. BGHZ 27, 278 (281 f); Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdnr. 40; Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 27).

Im Saarland ist eine entsprechende Regelung getroffen worden durch § 9 Abs. 3a SaarlStrG, der ausdrücklich anordnet, dass die Verkehrssicherung öffentlicher Straßen als Amtspflicht in hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen wird (vgl. Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 10). Diese obliegt im Falle von Gemeindestraßen den Kommunen, vorliegend also der Beklagten.

Die hoheitlich ausgeübte Verkehrssicherungspflicht bezüglich öffentlicher Straßen entspricht dabei inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 BGB (BGHZ 60, 54 (58 ff); Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdnr. 42; Kodal/Krämer-Grote, aaO., Kap. 40, Rdnr. 6). Diese Amtspflicht besteht zugunsten Dritter, nämlich der Straßennutzer (vgl. MünchKomm(BGB)-Papier, 5. Auflage, § 839 BGB, Rdnr. 270).

2.

Ihr Umfang wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes (BGH, VersR 1979, 1055), wobei jedoch absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert werden kann. Diese kann in der Regel nicht erwartet werden und ist auch unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht zu erreichen. Vielmehr sind die öffentlichen Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen muss (vgl. BGH, NJW 1980, 2194 (2195)).

Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGH, VersR 1979, 1055; BGH, NJW 1979, 2043 (2044); BGH, VersR 1980, 946 (947); Senat, Urt. v. 21.07.1998 – 4 U 886/97 – 235 -, OLGR 1998, 404; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdnr. 44). Die Verkehrssicherungspflicht dient nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen (vgl. OLG Koblenz, OLGR 1998, 404 (405)). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt grundsätzlich erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1990, 268; OLG Hamm, VersR 1983, 466; Senat, Urt. v. 21.07.1998 – 4 U 886/97 – 235 -, OLGR 1998, 404).

3.

Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen, Plätzen und Gehwegen müssen Fußgänger daher in gewissem Umfang hinnehmen. Eine Verkehrssicherungspflicht ist in der Regel erst dann gegeben, wenn auch für den aufmerksamen Fußgänger eine Gefahrenlage völlig überraschend eintritt und nicht ohne Weiteres erkennbar ist (vgl. BGH, VersR 1980, 946 (947); OLG Düsseldorf, VersR 1997, 186 (187); Senat, Urt. v. 21.07.1998 – 4 U 886/97 – 235 -, OLGR 1998, 404; Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 49 f).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Niveauunterschieden in der Größenordnung von 4 – 5 cm verneint, wenn diese für den Fußgänger bei der gebotenen Aufmerksamkeit erkennbar waren (vgl. OLG Koblenz, OLGR 1998, 404 (5 cm hoher Frostaufbruch an einem Bürgersteigrand); OLG Koblenz, OLGR 1999, 225 (Vertiefung von 4 cm); OLG München, MDR 1999, 161 (Vertiefungen von 3 cm in einem Fußwegbelag); Senat, Urt. v. 21.07.1998 – 4 U 886/97 – 235 -, OLGR 1998, 404 (4 cm hohe Aufkantung einer Betonplatte auf einem öffentlichen Platz); Senat, Urt. v. 09.11.1999 – 4 U 191/99 – 48 – (5 cm tiefes Loch am Fahrbahnrand) sowie weitere Nachweise bei Geigel-Wellner, aaO., 14. Kap., Rdn. 50).

4.

Im streitgegenständlichen Fall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben:

a)

Zunächst hat das Landgericht fehlerhaft darauf abgestellt, dass die Beklagte dadurch, dass sie die Unfallstelle nachträglich abgesichert hat, diese als gefährlich eingestuft hat. Dies mag zwar zutreffen. Jedoch sind, wovon das Landgericht ebenfalls ausgegangen ist, Handlungen des Verkehrssicherungspflichtigen nach einem Schadensereignis mit dem Ziel, vor einer tatsächlichen oder vermeintlichen Gefahr zu warnen, nicht geeignet, die Frage zu beantworten, ob objektiv eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu bejahen ist. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht auf ihre subjektive Einschätzung ankommt, zumal Fälle wie der vorliegende für den Verkehrssicherungspflichtigen nicht nur das Risiko mit sich bringen, unberechtigt in Anspruch genommen zu werden, sondern auch mit zahlreichen Unannehmlichkeiten verbunden sind, so dass sich der Verkehrssicherungspflichtige zu vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen über das eigentlich geschuldete Maß hinaus veranlasst sehen kann.

b)

Auch ist es unerheblich, dass die Zeugin G. ausgesagt hat, dass sie die Beklagte Wochen vor dem Unfallereignis über die schadhafte Stelle im Bordstein informiert hat (Bl. 37 d. A.). Aus dieser ebenfalls subjektiven Einschätzung der Zeugin, es handle sich um eine „Stolperfalle“, die sie aus Eigeninteresse als Inhaberin eines Geschäfts im Bereich des schadhaften Bordsteins geäußert hat, folgt ebenfalls nicht, dass es sich bei der Stelle um eine solche handelte, deren Zustand Abhilfe oder zumindest deutlich sichtbare Warnhinweise erforderlich gemacht hätte. Etwas anderes folgt auch nicht aus der unbestimmt weiten Zusage des Mitarbeiters F. der Beklagten, er werde sich um die Angelegenheit „kümmern“.

c)

Auch wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin genau an der durch Lichtbilder dokumentierten (Bl. 6 u. Hülle Bl. 33 d. A.) Bordsteinkante zu Fall gekommen ist, weil sie an der Beifahrerseite aus dem Fahrzeug ausgestiegen ist, nachdem der Zeuge H. in der Parkbucht geparkt hat (Aussage Bl. 37 f d. A.), folgt hieraus nicht, dass es sich bei der schadhaften Stelle um einen auf Grund der Verkehrssicherungspflicht warn- oder beseitigungspflichtigen Zustand handelt.

Das Landgericht hat nicht hinreichend gewürdigt, dass die Niveauunterschiede unstreitig nur 3 – 4 cm betragen haben, was auch durch die zur Akte gereichten Lichtbilder hinreichend dokumentiert wird und so auch vom Landgericht festgestellt wurde. Zwar sind die Bordsteine, wie das Landgericht auf nicht zu beanstandende Weise festgestellt hat, im Bereich des Eingangs zum Geschäft der Zeugin G. aus dem Verbund mit den übrigen Bordsteinen und Verbundsteinen der Parkbucht herausgelöst.

Bezüglich des Höhenunterschieds und des Zustands der Gehweg- und Straßenoberfläche ist keine schematische Betrachtung angezeigt. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um einen pflichtwidrigen Zustand handelt. Hieraus folgt im vorliegenden Fall nicht, dass es sich um einen Zustand handelte, der für einen objektiven Verkehrsteilnehmer überraschend aufgetreten wäre und auf den er sich nicht rechtzeitig hätte einstellen können. Die Niveauunterschiede treten zum einen nicht unvermittelt mitten auf dem ansonsten ebenen Bürgersteig auf, wo niemand mit solchen rechnet, sondern an der Bordsteinkante, wo stets mit Unebenheiten zu rechnen ist und die daher von Fußgängern nur unter Beachtung erhöhter Sorgfalt überschritten werden dürfen, insbesondere durch Richten des Blicks auf den entsprechenden Bereich des Bodens. Dabei muss mit unterschiedlichem Setzungsverhalten gerechnet werden. Zwar steht nicht fest, auf welche Weise die Klägerin genau zu Fall gekommen ist. Das konnte sie selbst nicht mehr angeben. Jedoch spielt es keine Rolle, ob sie direkt an der Bordsteinkante ausgestiegen oder zunächst einige Zeit entlang des Bordsteins gegangen und dann zu Fall gekommen ist. In jedem Fall musste sie beim Aussteigen in einer Parkbucht damit rechnen, dass in deren unmittelbarem Bereich eine Bordsteinkante vorhanden war, die Unebenheiten aufwies, weil einzelne Steine weiter aus dem übrigen Niveau herausragten als andere. Gleich ob sie den Bordstein überquerte oder parallel hierzu ging, musste sie also besonders aufmerksam sein.

Dies war für die Klägerin bei zielgerichteter Aufmerksamkeit auch ohne Weiteres erkennbar, ohne dass es – wie das Landgericht meint – einer besonderen farblichen Hervorhebung des Bordsteins bedurfte. Zum einen ist fraglich, ob auf Grund einer solchen Hervorhebung die hochstehenden Steine besser erkennbar wären als ohne eine solche und zum anderen war der Zustand des Bordsteins jedenfalls auch ohne eine solche hinreichend erkennbar, so dass sich die Klägerin hierauf einstellen konnte. Daran ändert auch die zum Unfallzeitpunkt unstreitig bestehende Dämmerung nichts. Die Klägerin behauptet nicht, dass es zum Unfallzeitpunkt vollkommen finster war, sondern nur „ziemlich dunkel“, und Mitte Oktober ist es um 7.30 Uhr (Bl. 3 d. A.) jedenfalls hell genug, dass man sich den Lichtverhältnissen anpassen und Unebenheiten wie die an der streitgegenständlichen Unfallstelle erkennen kann. Dass die Sicht zusätzlich durch besondere Witterungsverhältnisse o. ä. beeinträchtigt war, behauptet die Klägerin ebenfalls nicht. Dass die Klägerin sich dem Geschäft der Zeugin G. normalerweise aus der anderen Richtung nähert, spielt hierbei keine Rolle, da sie sich auf die Bordsteinsituation unabhängig von der Kenntnis auf Grund früherer Besuche einstellen konnte und nicht völlig überrascht wurde.

5.

Daher kann es dahinstehen, ob und auf Grund welches Mechanismus die Klägerin gerade im Bereich der hochstehenden Bordsteine zu Fall gekommen ist und was die Beklagte hätte unternehmen können, um den Zustand des Bordsteins zu kontrollieren und die Unebenheiten zu beseitigen oder vor ihnen zu warnen. Denn auch wenn man hiervon ausgeht, führt dies aus Rechtsgründen nicht zur Bejahung einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Ebenso kann es dahinstehen, welche Verletzungen bei der Klägerin durch den Sturz entstanden sind und welche Schäden in welcher Höhe hieraus resultieren.

6.

Schließlich ist der Klägerin auf Grund ihrer unachtsamen Gehweise jedenfalls ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzulasten, das derart schwer wiegt, dass sich eine eventuelle Haftung der Beklagten nicht nur reduziert, sondern ganz hinter das Mitverschulden der Klägerin zurücktritt. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass sich der Sturz nur kurze Zeit nach dem Aussteigen ereignet hat.

7.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren 1.178,50 €, mithin nicht mehr als 20.000,– € beträgt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.178,50 €.

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