LG Magdeburg – Az.: 9 O 757/10 -210- Urteil vom 26.04.2012
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.242,41 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.10.2009 sowie weitere 313,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.5.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aus diesem Urteil noch zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Am 23.7.2009 stürzte auf dem Hof des im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks B Str.40 in Q eine Zitterpappel auf den dort parkenden PKW des Klägers und zerstörte diesen. Der Gesamtschaden beträgt € 6.242,41. Die Beklagte zahlte trotz Fristsetzung zum 30.9.2009 nicht. Der Kläger fordert zudem Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von € 313,86.
Der Kläger meint, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die auffälligen Veränderungen des morschen Baums hätten erkannt werden müssen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.242,41 € zuzüglich fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 1.10.2009 sowie weitere 313,86 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 22.5.2010 zu zahlen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass der Baum krank war. Sie behauptet, durch den Zeugen H ausreichende Kontrollen des Baumzustands durchgeführt zu haben, zuletzt im Frühjahr 2009. Jedenfalls treffe den Kläger ein Mitverschulden, da die Beklagte an der Grundstückszufahrt mit einem Schild Dritten das Parken verboten und die Streithelferin mit einem von ihr nicht genehmigten Schild nur Besuchern des griechischen Restaurants, zu denen der Kläger nicht gezählt habe, das Parken gestattet habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen P K und Hartmut H (Prot.v.21.10.2010, 119-122) und durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen F F (155-182) erhoben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Der Anspruch folgt aus § 823 Abs. 1 BGB, denn der umgestürzte Baum stand auf dem Grundstück der Beklagten.
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kann sich der Verkehrssicherungspflichtige mit einer sorgfältigen äußeren Besichtigung, also einer Gesundheits- und Zustandsprüfung begnügen und braucht eine eingehende fachmännische Untersuchung nur bei Feststellung verdächtiger Umstände zu veranlassen (BGH NJW 1965, 815-816, zit.nach juris ). Danach ist eine jährlich zweimal in belaubtem und unbelaubtem Zustand durchgeführte äußere Sichtprüfung, bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit des Baumes erforderlich, aber auch ausreichend, wenn dabei keine konkreten Defektsymptome des jeweiligen Baumes, wie etwa spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall erkennbar sind (OLG Hamm, NZV 2005, 371-372, zit.nach juris ).
Dieses Erfordernis war zwar formell gewahrt, wie die Beweisaufnahme ergeben hat. Der von der Beklagten betraute Baumkontrolleur, der Zeuge Hartmut H, hat glaubhaft angegeben, sich den Baum immer angesehen zu haben, wenn er auf dem Grundstück gewesen sei. Jedenfalls im Frühling habe er ihn sich genau angesehen. Noch 4 Wochen vor dem Sturz des Baumes sei er um ihn herumgegangen. Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Angaben besteht nicht.
Der von der Beklagten betraute Baumkontrolleur hat die Baumkontrolle aber nicht mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durchgeführt (§ 276 Abs. 2 BGB), so dass die Beklagte gem. §§ 823 Abs. 1, 831 BGB haftet.
Die Beklagte hatte die Pflicht, einen fachlich vorgebildeten Baumkontrolleur mit den Baumkontrollen zu betrauen, ansonsten wird die Kontrolle zu einer reinen Farce (OLGR R 2009, 778-780, zit.nach juris). Ein fachlich vorgebildeter Baumkontrolleur hätte erkennen können und müssen, dass der Baum geschädigt war.
Zwar hat der Zeuge PK glaubhaft ausgesagt, er habe an dem Stamm des Baums vor dem Sturz keine Veränderungen gesehen. Diese Aussage stützt die Angabe des beauftragten Baumkontrolleurs, des Zeugen H.
Dass diese Zeugen nichts bemerkt haben, ändert aber nichts daran, dass ein fachlich vorgebildeter Baumkontrolleur hätte erkennen können und müssen, dass der Baum geschädigt war.
Das steht nämlich im Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen fest.
Der Sachverständige hat festgestellt, dass eine auffällig längliche Wulst am Stammriss vorlag und im Jahr 2007 und im Jahr 2008 die Kallusbildung bei der jährlichen Baumkontrolle hätte bemerkt werden müssen, was eine genauere Untersuchung hätte nach sich ziehen müssen, bei der man einen fäulebedingten Riss im Stammkörper bemerkt hätte.
Dem folgt die Kammer.
Der Sachverständige hat nämlich insbesondere auf Seite 10 seines Gutachtens (Bl.164 d.A.) gut nachvollziehbar dargestellt, dass zu einer ordnungsgemäßen Sichtprüfung auch die Prüfung auf Defektsymptome (Wulst, Beule, Rippe, Drehrippe) gehört, und hat anhand von Fotos dargestellt, dass eine bedeutsame Kallusbildung und damit ein Zeichen für eine Verletzung des Baums vorlag.
Soweit die Beklagte meint, aus der Kallusbildung hätte sich nichts ergeben, kann dem nicht gefolgt werden. Soweit die Beklagte sich auf das Urteil des OLG Hamm in NZV 2005, 371-372, zit.nach juris, bezieht, gibt die dortige Entscheidung für den hier vorliegenden Fall nichts zugunsten der Beklagten her. Begutachtet wurde ein anderer Baum anderer Art. Zudem wurde in jenem Urteil gerade der Erfahrungssatz genannt, dass der zu der Baumfäule führende Pilz typischerweise im Bereich des Stammfußes und nicht in Höhe der (in jenem Fall vorliegenden) Ästungsstelle (etwa fünf Meter) auftritt. Im hier vorliegenden Fall lag gerade eine Auffälligkeit am Stamm vor; der fäulebedingte Riss erstreckte sich vom Erdboden bis mindestens in 60 cm Höhe am Stamm.
Dem von der Beklagten beauftragten Zeugen H, der nach eigenem Bekunden keine Ausbildung auf dem Gebiet der Bäume hat, sondern dies nur als Hobby pflegt, fehlten die Kenntnisse für eine ordnungsgemäße Sichtprüfung. Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht eine lediglich laienhafte Sichtprüfung für Bäume, die eine Gefahr darstellen können, zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht nicht aus, da die Kontrolle sonst – wie bereits ausgeführt – eine reine Farce wäre.
Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft den Kläger auch kein Mitverschulden.
Es ist unerheblich, ob dem Kläger das Parken gestattet war. Jedenfalls war es ihm ohne Weiteres möglich. So wie den Kraftfahrer kein Mitverschulden trifft, auch wenn er sein Fahrzeug an einer Stelle mit Parkverbot abstellt (LG Augsburg, Urt.v.08.01.1965, 4 S 280/64, zit.nach juris), kommt auch bei dem Abstellen des Kraftfahrzeugs auf einer privaten großen befahrbaren Parkfläche kein Mitverschulden in Betracht.
Der Kläger kann auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Bei der Frage, ob sich der Rechtsanwalt nur einen bedingten oder einen unbedingten Klageauftrag erteilen lässt, ist zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten der Durchsetzung eines Anspruchs prüfen und insoweit den sichersten Weg wählen muss. Die Pflicht zur interessengemäßen Beratung eines Mandanten bei der Auftragserteilung gebietet es dem Anwalt, sich grundsätzlich nur dann einen bedingten Klageauftrag erteilen zu lassen, wenn er unter Würdigung aller Umstände Grund zu der Annahme hat, dass eine Klagerhebung nicht erforderlich sein werde, was eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Es muss zu erwarten sein, dass der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit Hilfe eines Anwalts Aussicht auf Erfolg bietet (LG Stuttgart, Versäumnisurteil vom 22.10.2008 – 2 O 288/08 -, zit.nach juris), was z.B.bei vergeblich angemahnten Forderungen aus vertraglichen Ansprüchen in der Regel nicht der Fall sein wird. Im vorliegenden Fall konnte allerdings ein Erfolg der vorgerichtlichen Tätigkeit angenommen werden, denn der deliktisch Geschädigte durfte die berechtigte Erwartung hegen, dass seine Ansprüche außergerichtlich reguliert wurden.
Die Zinsforderung auf die Hauptforderung ist gemäß §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB begründet. Die Zinsforderung auf die vorgerichtlichen Kosten ist gemäß §§ 291, 288 Abs.1 S.2 BGB begründet.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
Der Streitwert beträgt 6.242,41 €.