Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Sturz auf dem Friedhof: Wann haftet eine Gemeinde für eine lockere Schachtabdeckung?
- Der Vorfall: Ein unerwarteter Sturz und die Folgen
- Die Position der Gemeinde: Alles korrekt kontrolliert?
- Die Kernfrage für das Gericht: Was ist eine Verkehrssicherungspflicht?
- Die Beweisaufnahme: Was sagten die Zeugen?
- Gab es Anzeichen für eine Gefahr?
- Warum der spätere Austausch der Platte nichts beweist
- Die Entscheidung des Gerichts: Keine Pflichtverletzung, keine Haftung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz, wenn ich auf einer öffentlichen Fläche stürze?
- Wer ist verantwortlich für die Sicherheit von Wegen und Plätzen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind?
- Was genau bedeutet die Verkehrssicherungspflicht im rechtlichen Sinne?
- Welche Nachweise muss ich erbringen, um meine Ansprüche nach einem Unfall auf einer öffentlichen Fläche durchzusetzen?
- Wann haftet der Verantwortliche trotz eines Unfalls auf seiner Fläche nicht für den Schaden?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 O 17/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Kleve
- Datum: 30.09.2020
- Aktenzeichen: 1 O 17/20
- Verfahrensart: Zivilklage auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Amtshaftungsrecht, Verkehrssicherungspflicht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die Schmerzensgeld und die Feststellung weiterer Ersatzpflichten nach einem Sturz auf einem Friedhof forderte.
- Beklagte: Eine Gemeinde, die wegen einer angeblichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf einem ihrer Friedhöfe auf Schmerzensgeld verklagt wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin forderte Schmerzensgeld und Schadensersatz von einer Gemeinde. Sie behauptete, auf einem Friedhof der Gemeinde in einen nicht ordnungsgemäß gesicherten Schacht gestürzt zu sein, weil dessen Abdeckplatte nachgegeben habe.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die beklagte Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht auf einem Friedhof verletzt hatte, indem eine Schachtabdeckung angeblich unsicher war, und ob die Klägerin deshalb Anspruch auf Schmerzensgeld hatte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Klage der Klägerin vollständig ab. Die Klägerin musste die Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Begründung: Das Gericht befand, dass die Klägerin keine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht oder Amtspflicht durch die Gemeinde beweisen konnte. Die regelmäßigen Kontrollen der Friedhofswege und der Schachtabdeckung durch die Gemeindemitarbeiter wurden als ausreichend erachtet. Es gab keine Anhaltspunkte für eine Gefahr durch Mängel an der Abdeckung.
- Folgen: Da die Klage abgewiesen wurde, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, zukünftige Schadensersatzzahlungen oder die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Der Fall vor Gericht
Sturz auf dem Friedhof: Wann haftet eine Gemeinde für eine lockere Schachtabdeckung?
Jeder von uns geht täglich über öffentliche Wege, sei es im Park, auf dem Gehweg oder, wie in diesem Fall, auf einem Friedhof. Man verlässt sich darauf, dass diese Wege sicher sind. Doch was passiert, wenn man stolpert oder stürzt, weil eine Gehwegplatte locker ist oder eine Abdeckung nachgibt? Ist dann automatisch die Stadt oder die Gemeinde schuld? Ein Urteil des Landgerichts Kleve beleuchtet genau diese Frage und zeigt, unter welchen Umständen eine Gemeinde haftbar gemacht werden kann – und wann eben nicht.
Der Vorfall: Ein unerwarteter Sturz und die Folgen

Eine Frau besuchte im März 2019 gemeinsam mit ihrer Tochter das Familiengrab auf einem Friedhof, der von einer Gemeinde verwaltet wird. Auf dem Rückweg zum Ausgang passierten die beiden eine Engstelle auf einem der Wege. Dort befand sich neben dem Weg eine geriffelte Stahlplatte, die einen Schacht für die Regenentwässerung abdeckte. Die Frau, die in diesem Fall als Klägerin vor Gericht zog, gab an, dass sie auf diese Platte treten musste. In diesem Moment habe die Platte nachgegeben und sie sei in den darunterliegenden Schacht gestürzt.
Ihrer Ansicht nach war der Grund klar: Die Abdeckung sei nicht richtig im Rahmen gelegen und auch nicht gegen ein Verrutschen gesichert gewesen. Weder ein Warnschild noch ein Absperrband habe auf eine mögliche Gefahr hingewiesen. Für die Klägerin war das ein klarer Fall von Pflichtverletzung seitens der Gemeinde. Durch den Sturz erlitt sie nach eigenen Angaben eine Prellung und eine Verstauchung des Knies, was zu starken Schmerzen und einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit führte. Sie forderte daher von der beklagten Gemeinde ein Schmerzensgeld von mindestens 1.000 Euro. Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung für erlittene körperliche und seelische Schmerzen.
Die Position der Gemeinde: Alles korrekt kontrolliert?
Die beklagte Gemeinde sah die Sache völlig anders. Sie bestritt, dass sie eine Pflicht verletzt habe. Zunächst argumentierte sie, der Weg sei breit genug gewesen, um an der Abdeckplatte vorbeizugehen, ohne sie betreten zu müssen. Die Platte sei zudem klar vom Weg zu unterscheiden gewesen. Entscheidend war aber ein anderer Punkt: Die Gemeinde erklärte, dass die Schachtabdeckung regelmäßig kontrolliert worden sei. Ein Mitarbeiter habe erst kurz vor dem Vorfall überprüft, ob die Platte fest und sicher in ihrem Rahmen liegt – und dabei keinerlei Probleme festgestellt.
Aufgrund des hohen Gewichts der Platte sei es praktisch unmöglich, dass sie sich durch bloßes Betreten verschiebt, wenn sie korrekt eingelegt ist. Sollte die Platte also tatsächlich lose gewesen sein, müsse eine unbekannte Person sie verschoben haben. Und für das Handeln Dritter, so die Gemeinde, sei sie nicht verantwortlich. Es habe auch nie zuvor eine Meldung gegeben, dass mit dieser Abdeckung etwas nicht stimme.
Die Kernfrage für das Gericht: Was ist eine Verkehrssicherungspflicht?
Das Gericht stand nun vor einer zentralen Frage: Hat die Gemeinde ihre sogenannte Verkehrssicherungspflicht verletzt? Dieser Begriff klingt kompliziert, beschreibt aber eine ganz alltägliche Verantwortung. Stellen Sie sich vor, ein Supermarktbetreiber wischt einen nassen Fleck auf dem Boden nicht weg und ein Kunde rutscht aus. Dann hat der Betreiber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil er die für Kunden zugänglichen Flächen nicht sicher gehalten hat.
Ganz ähnlich ist es bei einer Gemeinde. Sie ist als Betreiberin des Friedhofs dafür verantwortlich, die Wege so in Schuss zu halten, dass Besucher sie gefahrlos nutzen können. Dies ist Teil der sogenannten Amtshaftung, also des Grundsatzes, dass ein Hoheitsträger wie eine Gemeinde für Fehler seiner Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten geradestehen muss.
Wer muss was beweisen?
Ein entscheidender Punkt in jedem Zivilprozess ist die Beweislast. Das bedeutet, es ist festgelegt, wer dem Gericht eine bestimmte Tatsache beweisen muss. Die Regel lautet: Wer etwas fordert, muss die Grundlagen für seine Forderung beweisen. In diesem Fall musste also die Klägerin beweisen, dass die Gemeinde ihre Pflichten verletzt hat. Es reichte nicht aus, nur zu behaupten, die Platte sei locker gewesen und die Gemeinde sei schuld. Sie musste nachweisen, dass die Gemeinde entweder von der Gefahr wusste und nichts unternahm oder dass sie die Gefahrenstelle bei einer ordnungsgemäßen Kontrolle hätte entdecken und beseitigen müssen.
Die Beweisaufnahme: Was sagten die Zeugen?
Um herauszufinden, ob die Gemeinde ihre Pflichten erfüllt hat, hörte das Gericht mehrere Zeugen an. Besonders wichtig waren die Aussagen von zwei Mitarbeitern der Gemeinde, den Zeugen X und P. Beide sagten übereinstimmend und für das Gericht glaubhaft aus, dass die Friedhofswege und auch die besagte Abdeckung regelmäßig kontrolliert wurden. Ein Mitarbeiter sei sogar wöchentlich vor Ort. Der Zeuge X erinnerte sich konkret daran, in der Woche vor dem Unfall zweimal in dem Bereich gewesen zu sein und die Platte kontrolliert zu haben, ohne dass ihm etwas Negatives aufgefallen wäre.
Der Zeuge P bestätigte das. Er erklärte, dass die Mitarbeiter bei ihren Kontrollgängen besonderes Augenmerk auf die Wege legen und dabei zwangsläufig auch über die Abdeckungen laufen. Beide Zeugen betonten, dass es nie zuvor Probleme mit der Stabilität der Platte gegeben habe. Das Gericht befand diese Kontrolldichte von sieben bis 14 Tagen für einen Friedhof als absolut ausreichend.
Gab es Anzeichen für eine Gefahr?
Aber hätte die Gemeinde nicht vielleicht doch etwas übersehen? Das Gericht prüfte auch das. Die Klägerin hatte Fotos eingereicht, die sie am Unfalltag gemacht haben will. Doch selbst auf diesen Bildern konnte das Gericht keine Beschädigungen, Risse oder sonstige Ermüdungserscheinungen an der Platte oder ihrem Rahmen erkennen.
Dies deckte sich mit den Aussagen der Zeugen. Sie berichteten, dass sie die Platte zwei Tage nach dem gemeldeten Vorfall nochmals genau untersucht hatten. Sie nahmen sie aus dem Rahmen und setzten sie wieder ein – ohne einen Defekt zu finden. Um die Stabilität zu testen, stellten sie sich auf die Platte und sprangen sogar darauf herum. Das Ergebnis: Die Platte bewegte sich nicht. Das machte die Version der Klägerin, die Platte sei einfach so nach unten weggeklappt, für das Gericht wenig überzeugend.
Warum der spätere Austausch der Platte nichts beweist
Ein Argument der Klägerin war, dass die Gemeinde die Stahlplatte nach dem Vorfall durch einen richtigen Gullydeckel ersetzt hatte. Ist das nicht ein Schuldeingeständnis? Das Gericht verneinte das klar. Der Austausch einer Sache nach einem Unfall ist rechtlich kein Beweis dafür, dass die Sache vorher mangelhaft war.
Die Mitarbeiter der Gemeinde lieferten eine plausible Erklärung: Der Austausch erfolgte, damit Unbefugte die Abdeckung in Zukunft nicht mehr einfach anheben oder verschieben können. Es war also eine vorbeugende Maßnahme, um eine mögliche Gefahrenquelle durch Vandalismus oder Manipulation durch Dritte für die Zukunft auszuschließen. Es war kein Eingeständnis, dass die Platte selbst unsicher oder beschädigt gewesen wäre.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Pflichtverletzung, keine Haftung
Nach Abwägung aller Beweise kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hatte. Die Gemeinde hatte durch die glaubhaften Aussagen ihrer Mitarbeiter nachgewiesen, dass sie ein funktionierendes und ausreichendes Kontrollsystem unterhielt. Es gab keine Anzeichen für eine Gefahr, auf die sie hätte reagieren müssen.
Da somit kein Hauptanspruch auf Schmerzensgeld bestand, wurden auch die weiteren Forderungen der Klägerin – wie die Feststellung einer Haftung für zukünftige Schäden und die Erstattung von Anwaltskosten – abgewiesen. Die Klägerin musste die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Aus diesem Urteil lernen wir, dass Gemeinden oder Städte nicht automatisch haften, wenn jemand auf öffentlichen Wegen stürzt – sie müssen nur ihre Kontrollpflicht erfüllen. Die entscheidende Quintessenz ist, dass derjenige, der Schadensersatz fordert, beweisen muss, dass die zuständige Behörde nachlässig war oder von einer Gefahr wusste und nichts unternahm. Eine wöchentliche bis zweiwöchentliche Kontrolle von Gehwegen und Abdeckungen gilt als ausreichend, solange dabei keine Mängel übersehen werden. Das Urteil bedeutet für Betroffene, dass sie nach einem Sturz nicht nur den Unfall selbst, sondern auch konkrete Pflichtverletzungen der Gemeinde nachweisen müssen, um erfolgreich Schmerzensgeld zu erhalten.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz, wenn ich auf einer öffentlichen Fläche stürze?
Wenn Sie auf einer öffentlichen Fläche stürzen, haben Sie nicht automatisch Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz. Ein Anspruch entsteht nur dann, wenn jemand anderes eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und dieser Verstoß ursächlich für Ihren Sturz und den daraus entstandenen Schaden war.
Was ist die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht bedeutet, dass derjenige, der eine öffentliche Fläche eröffnet oder für den allgemeinen Verkehr zugänglich macht (zum Beispiel eine Gemeinde für Gehwege, der Eigentümer eines öffentlich zugänglichen Parkplatzes), dafür sorgen muss, dass diese Fläche für die Nutzer sicher ist. Das Ziel ist es, Gefahren zu vermeiden, die für den Nutzer nicht erkennbar oder nicht zu erwarten sind und gegen die er sich nicht selbst schützen kann.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf einem Gehweg. Der Verantwortliche für diesen Gehweg muss dafür sorgen, dass dort keine Gefahren lauern, mit denen Sie als Fußgänger normalerweise nicht rechnen müssen. Dazu gehört zum Beispiel, dass Gehwege bei Glatteis gestreut werden müssen oder große, gefährliche Löcher ausgebessert werden. Es geht darum, Gefahren zu beseitigen oder zumindest ausreichend kenntlich zu machen. Kleinere Unebenheiten oder zum Beispiel nasse Blätter im Herbst gehören jedoch zum allgemeinen Lebensrisiko, das jeder selbst tragen muss. Hier endet die Pflicht des Verantwortlichen.
Wann liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor?
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt vor, wenn der Verantwortliche die Fläche nicht ausreichend gesichert hat und dadurch eine unzumutbare Gefahr entstanden ist. Entscheidend ist, dass die Gefahr für den Verantwortlichen erkennbar und vermeidbar gewesen wäre. Es muss eine Schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen. Das bedeutet, der Verantwortliche wusste von der Gefahr oder hätte sie bei ausreichender Sorgfalt erkennen müssen und hätte Maßnahmen ergreifen können, um sie zu beseitigen oder davor zu warnen.
- Beispiel für eine mögliche Verletzung: Ein tiefer, unbeleuchteter Graben am Rand eines Gehwegs, der nicht abgesperrt ist und in den Sie bei Dunkelheit stürzen. Hier hätte der Verantwortliche die Gefahr erkennen und absichern müssen.
- Beispiel, wo keine Verletzung vorliegt: Sie stolpern über einen herausstehenden Pflasterstein, der seit langer Zeit gut sichtbar ist und sich an einer Stelle befindet, wo man bei normaler Aufmerksamkeit gut darüber hinwegsehen kann. Hier wird oft angenommen, dass diese Gefahr zum allgemeinen Lebensrisiko gehört oder Sie selbst unaufmerksam waren.
Weitere wichtige Voraussetzungen für einen Anspruch
Damit ein Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz besteht, müssen neben der schuldhaften Pflichtverletzung noch zwei weitere Bedingungen erfüllt sein:
- Ursächlichkeit (Kausalität): Ihr Sturz und die daraus entstandenen Schäden (z.B. eine Verletzung, ein kaputtes Handy) müssen direkt durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht worden sein. Wenn Sie aus anderen Gründen gestürzt sind, zum Beispiel weil Sie abgelenkt waren oder gestolpert sind, ohne dass eine unsichere Beschaffenheit der Fläche der Grund war, besteht kein Anspruch.
- Schaden: Sie müssen einen tatsächlichen Schaden erlitten haben. Das kann ein körperlicher Schaden sein (Verletzungen, die Schmerzensgeld rechtfertigen) oder ein Sachschaden (z.B. kaputte Kleidung, beschädigte Gegenstände, die zu Schadensersatz führen).
Wichtig ist zu wissen: Die Beweislast dafür, dass eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde und dies ursächlich für Ihren Schaden war, liegt in der Regel bei Ihnen als stürzende Person. Es muss also dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden, dass eine konkrete, vom Verantwortlichen zu sichernde Gefahr bestanden hat und diese zu Ihrem Sturz geführt hat. Auch Ihre eigene Aufmerksamkeit oder mögliche Unachtsamkeit (sogenanntes Mitverschulden) kann eine Rolle spielen und einen möglichen Anspruch mindern oder ganz ausschließen.
Wer ist verantwortlich für die Sicherheit von Wegen und Plätzen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind?
Die Verantwortung für die Sicherheit von Wegen und Plätzen, die von der Öffentlichkeit genutzt werden können, liegt grundsätzlich beim sogenannten Verkehrssicherungspflichtigen. Das ist die Person oder Stelle, die einen Bereich für den allgemeinen Verkehr öffnet oder unterhält. Ihre Aufgabe ist es, Gefahren zu vermeiden oder zumindest davor zu warnen, damit Nutzer nicht zu Schaden kommen. Diese Pflicht gilt nicht für jede erdenkliche Gefahr, sondern für solche, die bei sorgfältiger Betrachtung vernünftigerweise vorhersehbar und vermeidbar sind.
Grundprinzip: Die Verkehrssicherungspflicht
Jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die von anderen genutzt wird, hat die Pflicht, diese Gefahren abzusichern. Bei öffentlichen Wegen und Plätzen bedeutet dies, dass derjenige, der diese Bereiche „zur Verfügung stellt“, auch für deren sicheren Zustand sorgen muss. Dazu gehört die regelmäßige Kontrolle und Instandhaltung, das Beseitigen von Hindernissen oder Gefahrenstellen (wie zum Beispiel Schlaglöcher, umgestürzte Bäume oder Glatteis) und gegebenenfalls das Aufstellen von Warnhinweisen.
Öffentliche Wege und Plätze
Bei öffentlichen Wegen und Plätzen hängt die Verantwortung davon ab, wer der sogenannte „Träger der Straßenbaulast“ ist – also wer für den Bau und die Unterhaltung zuständig ist.
- Gemeinden und Städte sind in der Regel für die Sicherheit von Gehwegen, Gemeindestraßen, öffentlichen Plätzen, Parks und kommunalen Sportanlagen zuständig. Stellen Sie sich vor, Sie nutzen einen städtischen Park: Die Kommune ist dafür verantwortlich, dass die Wege intakt und sicher sind.
- Bundesländer tragen die Verantwortung für die sogenannten Landesstraßen.
- Der Bund ist für die Bundesstraßen und Autobahnen zuständig.
Diese öffentlichen Stellen müssen also dafür sorgen, dass diese Wege und Plätze in einem verkehrssicheren Zustand sind.
Private Flächen mit Publikumsverkehr
Auch private Eigentümer oder Betreiber können eine Verkehrssicherungspflicht haben, wenn sie ihre Flächen für die Öffentlichkeit zugänglich machen oder dulden, dass sie von der Allgemeinheit genutzt werden. Dies betrifft zum Beispiel:
- Geschäftsinhaber und Eigentümer von Einkaufspassagen oder Supermärkten sind verantwortlich für die Sicherheit ihrer Geschäftsräume, Parkplätze und der Zugangswege. Wenn in einem Supermarkt eine Flüssigkeit verschüttet wird, muss der Betreiber dies absichern oder beseitigen.
- Eigentümer von Privatstraßen, die als Abkürzung dienen und von vielen genutzt werden, können ebenfalls in der Pflicht stehen.
- Hausbesitzer sind für die Sicherheit der Wege auf ihrem Grundstück verantwortlich, die zum Hauseingang führen und von Besuchern genutzt werden. Auch für den Winterdienst auf dem Gehweg vor ihrem Grundstück kann eine Sicherungspflicht bestehen, die oft durch kommunale Satzungen auf die Anlieger übertragen wird.
Für Sie bedeutet das: Die Zuständigkeit hängt stark davon ab, wem der Weg oder Platz gehört oder wer ihn für die Öffentlichkeit betreibt. Wer eine Fläche für den Verkehr öffnet, übernimmt damit auch die Verantwortung für deren Sicherheit.
Was genau bedeutet die Verkehrssicherungspflicht im rechtlichen Sinne?
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine zentrale rechtliche Verpflichtung, die besagt, dass jeder, der einen Bereich für andere zugänglich macht oder eine potenzielle Gefahrenquelle schafft, dafür sorgen muss, dass niemand dadurch zu Schaden kommt. Stellen Sie sich vor, Sie sind Eigentümer eines Grundstücks, Betreiber eines Geschäfts oder Verantwortlicher für eine öffentliche Fläche: Sie haben die Pflicht, Gefahren zu erkennen und zu beseitigen oder davor zu warnen, damit Besucher, Kunden oder Passanten sicher sind. Ziel ist es, Schäden an Leben, Körper und Eigentum anderer zu verhindern.
Wer trägt die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über eine Gefahrenquelle hat oder diese schafft und verwaltet. Das können ganz unterschiedliche Personen oder Einrichtungen sein:
- Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden: Sie müssen beispielsweise sicherstellen, dass Wege auf ihrem Grundstück oder Treppenhäuser im Gebäude sicher sind.
- Betreiber von Geschäften, Restaurants oder anderen Einrichtungen: Sie sind dafür verantwortlich, dass ihre Räumlichkeiten, Gänge und Außenbereiche für Kunden ungefährlich sind.
- Städte und Gemeinden: Sie tragen die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen, Wege, Parks und Plätze.
- Bauunternehmen: Sie müssen ihre Baustellen so sichern, dass niemand unbefugt eindringt oder durch Bauarbeiten gefährdet wird.
Kurz gesagt: Jeder, der eine Situation schafft, in der andere gefährdet werden könnten, muss die notwendigen Vorkehrungen treffen, um diese Gefahren zu minimieren.
Welche Maßnahmen sind typischerweise erforderlich?
Der Umfang der notwendigen Maßnahmen hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art und Größe der Gefahrenquelle, der Häufigkeit ihrer Nutzung und der Erkennbarkeit der Gefahr. Es geht darum, das Zumutbare zu tun, um Schäden zu verhindern. Typische Maßnahmen sind:
- Regelmäßige Kontrollen: Wege, Treppen, Beleuchtung oder Auslagen müssen regelmäßig überprüft werden, um Mängel frühzeitig zu erkennen. Zum Beispiel: Sind Gehwegplatten locker? Ist die Beleuchtung im Treppenhaus defekt?
- Beseitigung von Gefahren: Festgestellte Mängel oder Gefahren müssen unverzüglich behoben werden. Dazu gehört zum Beispiel das Räumen von Schnee und Eis im Winter, das Reparieren von Stolperfallen auf Gehwegen oder das Beseitigen von verschütteten Flüssigkeiten im Supermarkt.
- Warnung vor verbleibenden Gefahren: Wenn eine Gefahr nicht sofort beseitigt werden kann, muss deutlich davor gewarnt werden. Dies geschieht oft durch Hinweisschilder (z.B. „Nasser Boden“, „Baustelle betreten verboten“) oder Absperrungen.
- Schutzmaßnahmen: Das Anbringen von Geländern an Treppen, die ausreichende Beleuchtung von Wegen oder das Sichern von Baustellen mit Zäunen sind Beispiele für vorbeugende Schutzmaßnahmen.
Die Verkehrssicherungspflicht ist also ein umfassendes Prinzip, das darauf abzielt, die Sicherheit von Personen im öffentlichen und privaten Raum zu gewährleisten, indem Verantwortliche für die Vermeidung vorhersehbarer Gefahren sorgen.
Welche Nachweise muss ich erbringen, um meine Ansprüche nach einem Unfall auf einer öffentlichen Fläche durchzusetzen?
Wenn Sie nach einem Unfall auf einer öffentlichen Fläche Ansprüche geltend machen möchten, tragen Sie in der Regel die sogenannte Beweislast. Das bedeutet, dass Sie die Fakten, die Ihre Forderung begründen, beweisen müssen. Hierfür sind verschiedene Nachweise unerlässlich, um Ihre Behauptungen zu untermauern und den Ablauf sowie die Folgen des Unfalls klar darzustellen.
Wichtige Beweismittel nach einem Unfall
Die Sammlung von Beweisen sollte unmittelbar nach dem Vorfall beginnen, da sich Gegebenheiten schnell ändern können und Erinnerungen verblassen.
- Fotos und Videos der Unfallstelle: Halten Sie die genaue Gefahrenstelle (z.B. Schlagloch, vereister Gehweg, lose Gehwegplatte) aus verschiedenen Perspektiven fest. Fotografieren Sie auch die unmittelbare Umgebung, um den Kontext zu zeigen, und eventuelle Warnschilder oder deren Fehlen. Wenn Sie Verletzungen erlitten haben, dokumentieren Sie diese ebenfalls mit Fotos. Digitale Aufnahmen sind besonders wertvoll, da sie oft Datum und Uhrzeit enthalten.
- Zeugen: Suchen Sie nach Personen, die den Unfall beobachtet haben oder kurz davor oder danach die Gefahrenstelle gesehen haben. Notieren Sie deren vollständige Namen, Adressen und Telefonnummern. Zeugenaussagen können später entscheidend sein, um den Hergang und die Ursache des Unfalls zu bestätigen.
- Ärztliche Atteste und Befunde: Gehen Sie nach einem Unfall, insbesondere bei körperlichen Beschwerden, umgehend zu einem Arzt. Lassen Sie Ihre Verletzungen detailliert dokumentieren. Sammeln Sie alle ärztlichen Atteste, Befunde, Rezepte und Bescheinigungen über Behandlungen. Diese Dokumente belegen Ihre erlittenen Schäden und deren Zusammenhang mit dem Unfall.
- Unglücksprotokolle und Berichte: Wurde die Polizei oder die zuständige Behörde (z.B. Stadtverwaltung) zum Unfallort gerufen, erfragen Sie, ob ein Unfallbericht oder ein Protokoll erstellt wurde. Auch die Meldung an die zuständige Stelle der Kommune kann nützlich sein.
- Nachweise über entstandene Schäden: Sammeln Sie alle Belege über finanzielle Einbußen, die Ihnen durch den Unfall entstanden sind. Dazu gehören Quittungen für kaputte Kleidung oder Gegenstände, Fahrtkosten zum Arzt, Bescheinigungen über Verdienstausfall oder Kosten für Hilfsmittel und Therapien.
Was muss durch die Beweise gezeigt werden?
Ihre gesammelten Nachweise dienen dazu, drei zentrale Punkte zu belegen:
- Verletzung der Verkehrssicherungspflicht: Sie müssen zeigen, dass die für die Sicherheit der öffentlichen Fläche verantwortliche Stelle (oft die Kommune oder ein Grundstückseigentümer) ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen und sicheren Gestaltung bzw. Wartung der Fläche verletzt hat. Zum Beispiel, dass ein Schlagloch zu lange nicht beseitigt wurde oder bei Glatteis nicht gestreut war.
- Kausalität (Ursachenzusammenhang): Es muss klar sein, dass genau diese Pflichtverletzung direkt ursächlich für Ihren Unfall und die daraus resultierenden Schäden war. Das bedeutet, Ihr Unfall wäre ohne diese Pflichtverletzung nicht passiert.
- Schadenshöhe: Sie müssen nachweisen, welche konkreten Schäden (Verletzungen, Sachschäden, finanzielle Verluste) Ihnen durch den Unfall entstanden sind und wie hoch diese sind.
Die Qualität und Vollständigkeit Ihrer Beweise sind entscheidend, um Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.
Wann haftet der Verantwortliche trotz eines Unfalls auf seiner Fläche nicht für den Schaden?
Grundsätzlich sind Eigentümer, Betreiber oder Gemeinden (die „Verantwortlichen“) dazu verpflichtet, ihre Flächen und Einrichtungen so zu sichern, dass Nutzer keinen vermeidbaren Schaden nehmen. Dies wird als Verkehrssicherungspflicht bezeichnet. Tritt auf einer solchen Fläche ein Unfall ein, zum Beispiel durch einen Sturz, führt das jedoch nicht automatisch zu einer Haftung des Verantwortlichen. Eine Haftung entsteht nur dann, wenn der Verantwortliche seine Pflicht verletzt hat und diese Pflichtverletzung ursächlich für den Schaden war. Es gibt mehrere Szenarien, in denen die Haftung des Verantwortlichen trotz eines Unfalls ausgeschlossen sein kann:
1. Wenn die Sorgfaltspflicht erfüllt wurde
Der Verantwortliche haftet nicht, wenn er alle zumutbaren und notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um Gefahren zu vermeiden. Das bedeutet:
- Regelmäßige und ausreichende Kontrollen: Die Fläche wurde in angemessenen Abständen und sorgfältig auf potenzielle Gefahren überprüft. Stellen Sie sich vor, eine Gemeinde prüft ihre Spielplätze in regelmäßigen Abständen auf Mängel, oder ein Ladenbesitzer kontrolliert seinen Eingangsbereich auf Nässe.
- Schnelle Beseitigung von Gefahren: Wurden Gefahrenquellen entdeckt, wurden diese unverzüglich oder innerhalb einer angemessenen Zeit beseitigt oder zumindest ausreichend gesichert. Wenn beispielsweise ein defekter Gullydeckel sofort abgesperrt und die Reparatur beauftragt wird, bevor jemand darüber stürzen kann.
- Ausreichende Warnhinweise: Bei nicht sofort zu behebenden Gefahren wurden deutliche Warnschilder aufgestellt oder Absperrungen vorgenommen, um Nutzer auf die Gefahr aufmerksam zu machen.
2. Wenn die Gefahr nicht vorhersehbar oder vermeidbar war
Eine Haftung entfällt auch, wenn die Gefahr selbst bei größter Sorgfalt nicht erkennbar oder nicht zu verhindern war.
- Plötzlich auftretende Gefahren: Ein unerwarteter Gegenstand fällt aus einem Baum bei Windstille, oder es bildet sich schlagartig Glatteis innerhalb weniger Minuten, bevor Streudienste reagieren konnten. Solche Ereignisse liegen außerhalb des Einflussbereichs des Verantwortlichen.
- Allgemeine Lebensrisiken: Es gibt Risiken, die zum normalen Lebensalltag gehören und nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Ein Beispiel hierfür könnte ein einzelnes, winziges Steinchen auf einem ansonsten einwandfreien Bürgersteig sein, über das man stolpert. Dies wird in der Regel nicht als eine Pflichtverletzung des Verantwortlichen angesehen.
3. Wenn Dritte die Gefahr ohne Verschulden des Verantwortlichen geschaffen haben
Hat eine andere Person die Gefahr geschaffen, ohne dass der Verantwortliche dies hätte vorhersehen oder verhindern können, ist seine Haftung in der Regel ausgeschlossen.
- Unmittelbares Handeln Dritter: Wenn zum Beispiel jemand kurz vor dem Unfall mutwillig Öl auf den Gehweg kippt und der Verantwortliche keine Möglichkeit hatte, diese Gefahr zu bemerken und zu beseitigen.
- In solchen Fällen liegt die Verantwortung für den Schaden primär beim Verursacher, der die Gefahr geschaffen hat.
Für Sie bedeutet das, dass nicht jeder Unfall auf einer fremden Fläche automatisch einen Anspruch auf Schadensersatz begründet. Es kommt immer darauf an, ob der Verantwortliche seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und ob der Schaden dadurch verursacht wurde.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Verkehrssicherungspflicht
Die Verkehrssicherungspflicht ist die rechtliche Verpflichtung, Gefahren auf öffentlich zugänglichen Flächen zu erkennen, zu beseitigen oder deutlich zu kennzeichnen, damit niemand zu Schaden kommt. Verantwortlich ist, wer die tatsächliche Herrschaft über die Gefahrenquelle hat, beispielsweise eine Gemeinde für ihre Friedhofswege. Diese Pflicht umfasst regelmäßige Kontrollen, schnelle Gefahrenbeseitigung und Warnhinweise bei nicht sofort behebbaren Risiken. Verletzungen dieser Pflicht führen nur dann zu Haftung, wenn die Gefahr erkennbar, vermeidbar und schuldhaft nicht beseitigt wurde.
Beispiel: Eine Gemeinde muss sicherstellen, dass die Schachtabdeckungen auf ihren Friedhofswegen fest sitzen oder bei Mängeln Warnschilder aufstellen, damit niemand dadurch verletzt wird.
Amtshaftung
Amtshaftung beschreibt die rechtliche Verantwortung eines öffentlichen Hoheitsträgers (wie einer Gemeinde) für Schäden, die durch Fehler seiner Mitarbeiter bei deren dienstlichen Handlung entstehen. Die Gemeinde haftet also, wenn ihre Angestellten ihre Pflichten verletzen und dadurch jemand zu Schaden kommt. Voraussetzung ist, dass ein Verhalten in Ausübung hoheitlicher Aufgaben vorliegt und eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt. Amtshaftung ist gesetzlich in § 839 BGB und diversen Sondergesetzen geregelt.
Beispiel: Verletzt ein Gemeindearbeiter bei der Kontrolle einer Schachtabdeckung seine Sorgfaltspflicht, haftet die Gemeinde nach Amtshaftung für entstehende Unfälle.
Beweislast
Die Beweislast legt fest, wer im Prozess beweisen muss, dass eine Tatsache zutrifft. Grundsätzlich gilt: Wer eine Forderung erhebt (zum Beispiel Schmerzensgeld), trägt die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für den Anspruch vorliegen. Im Fall eines Unfalls auf öffentlichen Wegen muss also die geschädigte Person beweisen, dass die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und dieser Verstoß den Schaden verursacht hat. Ohne diesen Nachweis besteht kein Anspruch.
Beispiel: Eine Person, die auf einer losen Gehwegplatte stürzt, muss dem Gericht beweisen, dass die Gemeinde wusste oder hätte wissen müssen, dass die Platte gefährlich ist.
Kausalität (Ursächlichkeit)
Kausalität bezeichnet den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Verantwortlichen und dem eingetretenen Schaden. Für Schadenersatz oder Schmerzensgeld muss bewiesen werden, dass der Unfall und die Verletzungen direkt durch die Pflichtverletzung – zum Beispiel eine nicht gesicherte Schachtabdeckung – verursacht wurden. Ohne diesen Nachweis ist eine Haftung ausgeschlossen. Kausalität ist ein zentrales Element im Schadensrecht (§ 249 BGB).
Beispiel: Nur wenn die lockere Schachtabdeckung wirklich Ursache für den Sturz war und nicht etwa Unaufmerksamkeit der gestürzten Person, liegt Kausalität vor.
Schuldhafte Pflichtverletzung
Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Verantwortliche eine ihm obliegende Pflicht vorsätzlich oder fahrlässig nicht erfüllt. Im Fall der Verkehrssicherungspflicht bedeutet das, dass eine Gemeinde eine Gefahr entweder hätte erkennen und beheben oder ausreichende Warnungen anbringen müssen, dies aber unterlassen hat. Schuldhaft heißt nicht nur Absicht, sondern auch Nachlässigkeit oder mangelhafte Sorgfalt. Die Schuldform ist entscheidend für die Haftung.
Beispiel: Hat die Gemeinde vor dem Sturz die Schachtabdeckung regelmäßig geprüft und war kein Mangel feststellbar, fehlt eine schuldhafte Pflichtverletzung; wurde die Kontrolle aber völlig vernachlässigt, liegt schuldhaftes Verhalten vor.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Verkehrssicherungspflicht (insbesondere aus § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)): Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet denjenigen, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Dies umfasst die Pflicht, Wege, Gebäude oder Anlagen in einem sicheren Zustand zu halten und vor vorhersehbaren Gefahren zu schützen. Kommt man dieser Pflicht nicht nach und entsteht dadurch ein Schaden, kann eine Haftung entstehen. Sie ist ein zentraler Pfeiler des Haftungs, insbesondere wenn es um Unfälle auf öffentlich zugänglichen Flächen geht. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Im vorliegenden Fall musste das Gericht prüfen, ob die beklagte Gemeinde als Betreiberin des Friedhofs ihre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Schachtabdeckung verletzt hat und für den Sturz der Klägerin verantwortlich ist.
- Amtshaftung (Art. 34 Grundgesetz (GG) und § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)): Die Amtshaftung regelt die Haftung des Staates oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie einer Gemeinde, für Schäden, die durch die Verletzung einer Amtspflicht verursacht werden. Sie besagt, dass, wenn ein Beamter oder Mitarbeiter im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit eine Amtspflicht schuldhaft verletzt, der Staat oder die entsprechende Körperschaft für den Schaden haftet. Der Geschädigte kann seinen Anspruch direkt gegen den Hoheitsträger geltend machen, nicht gegen den einzelnen Mitarbeiter. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klage gegen die Gemeinde basiert auf dem Grundsatz der Amtshaftung, da der Friedhof in deren Verantwortung liegt und die Verkehrssicherungspflicht eine Amtspflicht darstellt, deren Verletzung die Grundlage der Forderung war.
- Beweislast (Grundsätze des Zivilprozessrechts): Die Beweislast im Zivilprozess legt fest, welche Partei eine bestimmte Tatsache vor Gericht beweisen muss, um ihren Anspruch durchzusetzen oder eine Verteidigung zu begründen. Der Grundsatz „Wer etwas fordert, muss es beweisen“ bedeutet, dass die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die Voraussetzungen dieses Anspruchs darlegen und beweisen muss. Kann eine Partei die ihr obliegenden Beweise nicht erbringen, geht dies zu ihren Lasten, was oft zur Abweisung der Klage führt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Im konkreten Fall lag die Beweislast für die schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Gemeinde bei der Klägerin, die dies jedoch nicht nachweisen konnte.
- Schmerzensgeld (§ 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)): Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung für nicht-vermögensrechtliche Schäden, insbesondere für erlittene körperliche und seelische Schmerzen oder Leiden. Es soll einen Ausgleich für die Beeinträchtigung der Lebensqualität bieten und hat zudem eine Genugtuungsfunktion für das erlittene Unrecht. Die Höhe des Schmerzensgeldes wird vom Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wie Art und Schwere der Verletzungen, Dauer der Leiden und Folgeschäden, bemessen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin forderte Schmerzensgeld für die durch den Sturz erlittenen Verletzungen, nämlich Prellung und Verstauchung des Knies sowie damit verbundene Schmerzen und Arbeitsunfähigkeit.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Kleve – Az.: 1 O 17/20 – Urteil vom 30.09.2020
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