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Verkehrssicherungspflichtverletzung – muldenartige Vertiefung auf einem Radweg

OLG Celle – Az.: 8 U 247/12 – Beschluss vom 29.10.2012

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 24. August 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss schriftsätzlich Stellung zu nehmen bis zum 15. November 2012.

2. Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 16.000 €.

Gründe

Die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 ZPO. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus besitzt der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Senats. Schließlich ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten, Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Verkehrssicherungspflichtverletzung - muldenartige Vertiefung auf einem Radweg
Symbolfoto: Von gp.riccardi /Shutterstock.com

1. Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. BGH, VI ZR 223/09, Urteil vom 2. März 2010; Urteil des Senats vom 8. Februar 2007, 8 U 199/06, VersR 2007, 1096). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Voraussetzung ist, dass sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Andererseits kann und muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Hiernach sind die Vorkehrungen zu treffen, die nach der Intensität der Gefahr und den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, die Schäden anderer tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Nutzung drohen. Maßstab ist dabei nicht, dass jede Verkehrsfläche schlechthin gefahrlos und frei von Mängeln sein muss. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind, und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, III ZR 240/11, Urteil vom 5. Juli 2012). Müssen dementsprechend Schutzmaßnahmen nicht getroffen werden, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten ist, und kommt es gleichwohl zu einem Schaden, so muss der Geschädigte diesen selbst tragen, weil er ein „Unglück“ erlitten hat, dem Schädiger aber kein „Unrecht“ vorzuwerfen ist (vgl. BGH, VersR 2006, 1083).

2. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht die Klage wegen des Sturzes des Klägers am 2. August 2011 auf einem gepflasterten Radweg neben der S. Straße in B. X./B. zu Recht abgewiesen.

Es entspricht überwiegender Rechtsprechung, dass Unebenheiten auf Geh- oder auch Radwegen bis zu einer Grenze von 2,0 bis 2,5 cm grundsätzlich hinzunehmen sind. Höhenunterschiede dieser Größenordnung zählen in der Regel nicht zu den Gefahren, mit denen Fußgänger oder Radfahrer nicht zu rechnen brauchen, selbst wenn das unterschiedliche Niveau scharfkantig gegeneinander abgesetzt ist (vgl. OLG Jena, NZV 2008, 825; OLGR Celle 2007, 634; OLG Hamm, NJW RR 2005, 255; OLG Hamburg, OLGR 2005, 469; OLG Celle, NdsRPfl. 2000, 105; OLG Celle, MDR 1998, 1031).

Aber auch diese, regelmäßig noch hinzunehmenden Höhendifferenzen von bis zu 2,5 cm stellen keine starren und absoluten Grenzen dar (vgl. BGH, VersR 1967, 281; OLGR Celle 2007, 634; OLG Hamm, NJW-RR 2005, 255; OLG Celle, MDR 1998, 1031; OLG Oldenburg NJW-RR 1986, 903). Vielmehr kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalles an, sodass wegen der erkennbaren Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse auch eine größere Höhendifferenz noch hinnehmbar sein kann (vgl. OLGR Celle, 1999, 337: querverlaufender, ohne weiteres wahrnehmbarer scharfkantiger Niveauunterschied von mehr als 3 cm; VersR 1987, 315; 8 U 226/11, Hinweisbeschluss vom 20. Dezember 2011: Bodenwellen durch Wurzelaufbrüche auf einem Radweg; OLG Jena, NZV 2008, 525: große, muldenartige Vertiefung inmitten des Gehweges mit deutlich erkennbar gezackten Rändern; OLG Koblenz, OLGR 1999, 199: Unebenheit von 3 cm am Rand des Gehweges in einer ruhigen Wohnstraße; MDR 1999, 39: 5 cm hoher Frostaufbruch am Bürgersteigrand; OLG Zweibrücken, OLGR 2000, 85: 4,5 cm herausragender Kanaldeckel neben Regenrinne; LG Bonn, NJW-RR 2007, 969: bis zu 8 cm tiefe Mulden auf einem öffentlichen Parkplatz; OLG Koblenz, MDR 2011, 1473: 40 cm lange muldenförmige und bis zu 8 cm tiefe Absackung in der Asphaltdecke am äußersten Rand eines Uferweges).

Für vorliegenden Sachverhalt geht der Senat danach davon aus, dass die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte auf die Gefahrenstelle hätte hinweisen oder diese hätte beseitigen müssen, noch nicht erfüllt sind. Muldenartige Vertiefungen sind von vornherein anders zu bewerten als abrupte Kanten gleichen Höhenunterschieds. Wenig aussagekräftig ist daher der Umstand, dass die Mulde mit einer Fläche von geschätzt weniger als einem m² einen Höhenunterschied von mehr als 3 cm aufgewiesen haben kann. Für bis zu 15 cm, wie der Kläger in erster Instanz gemeint hat, gibt es allerdings keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte, auch nicht in den vom Kläger selbst überreichten Lichtbildern. Das gilt auch für die Behauptung, es habe einen scharfkantigen, abrupten Höhenunterschied gegeben. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Mulde sich am äußersten Rand des fast 2 m breiten Radweges befand. In einem solchen Bereich, der vom Kläger angesichts der Breite des Radweges auch nicht zwingend befahren werden musste, muss in besonderem Maße mit Unebenheiten gerechnet werden, dies vorliegend auch gerade wegen der an den Radweg angrenzenden Bäume, deren Wurzelwerk erfahrungsgemäß Verwerfungen auf Wegen mit sich bringen kann (Senat, 8 U 226/11, Hinweisbeschluss vom 20. Dezember 2011). Die Anforderungen, die der Kläger demgegenüber an den Zustand eines Radweges stellt, hält der Senat für überzogen.

Außerdem geht der Senat davon aus, dass die Unebenheit in Gestalt der Mulde dem Kläger auch erkennbar war, und zwar gerade wegen der im Bereich der Mulde auftretenden Differenz zwischen der Pflasterung und den Begrenzungssteinen am rechten Radwegerand. Dass im Bereich vor der Unfallstelle es keine solchen Mulden gab, entband den Kläger nicht von seiner Pflicht, den Zustand des Weges laufend zu beobachten, zumal er selbst vorgetragen hat, er habe den Weg vorher nicht gekannt. Dass er den Zustand des Weges laufend beobachtet hat, hat er – S. 3 oben der Klagschrift – selbst nicht behauptet. In seiner Anhörung vor dem Landgericht hat er sich dahingehend eingelassen, er sei in Anbetracht des vorher lange Zeit glatten Radweges von der Delle überrascht worden. Demgegenüber verfängt auch der Einwand des Klägers, die Mulde sei durch den durch die Bäume hervorgerufenen Wechsel von Licht und Schatten für ihn nicht erkennbar gewesen, nicht. Dies sind witterungsbedingte Umstände, auf die der Kläger seine Fahrweise einzustellen hatte und die nicht der Beklagten angelastet werden können.

Dass die Beklagte nach dem Sturz des Klägers Maßnahmen zur besseren Erkennbarkeit der Gefahrenstelle getroffen haben soll, kann unterstellt werden, denn dies rechtfertigt von vornherein nicht die Annahme, sie habe im Verhältnis zum Kläger damit ein Schuldanerkenntnis abgeben wollen. Auch im Übrigen ist dieses Verhalten für eine Haftung der Beklagten unergiebig (s. a. OLG Jena, MDR 2011, 850).

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