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Verkehrsunfall -Anforderungen an den Nachweis eines manipulierten Unfallgeschehens

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 4 U 248/11 – 79, Urteil vom 27.02.2014

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26.05.2011 (Aktenzeichen 9 O 27/11) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten unter Behauptung eines Verkehrsunfallereignisses samtverbindlich auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Pkw Honda Accord Tourer Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen …-…. Die Beklagte zu 1 ist Halterin des bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Pkw Volkswagen Passat mit dem amtlichen Kennzeichen …-…, welches der Beklagte zu 2 fuhr. Mit Anwaltsschreiben vom 10.09.2010 forderte der Kläger die Beklagte zu 3 unter Berufung auf einen Verkehrsunfall vom …2010 zum Schadensersatz in Höhe von 7.161,60 € bis zum 20.09.2010 auf.

Der Kläger hat behauptet, er sei am … 2010 gegen 8.40 Uhr auf der Straße aus Richtung S. in Richtung F. gefahren. Als er sich im Kreisverkehr der Einfahrt aus Richtung S. genähert habe, um diese vorfahrtberechtigt zu passieren, sei der Beklagte zu 2 unter Missachtung der Vorfahrt in den Kreisverkehr eingefahren, dabei an der rechten Flanke des Pkw des Klägers vorbeigestreift und habe beide Türen rechts, die Seitenwand hinten rechts, das Rad hinten rechts und den Stoßfänger hinten rechts beschädigt. Der dem Kläger durch das seiner Ansicht nach unabwendbare Unfallereignis entstandene Schaden setze sich aus Reparaturkosten in Höhe von 5.814,14 € netto, Kosten des Gutachtens in Höhe von 921,90 €, einer Wertminderung laut Gutachten in Höhe von 400 € und einer Kostenpauschale in Höhe von 25,56 €, insgesamt 7.161,60 €, zusammen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.161,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2010 sowie gemäß RVG VV 2303 nicht anrechenbare Anwaltskosten gemäß RVG VV 2300 in Höhe von 661,16 € zu zahlen.

Verkehrsunfall -Anforderungen an den Nachweis eines manipulierten Unfallgeschehens
Symbolfoto: Von Sasun Bughdaryan /Shutterstock.com

Die Beklagten zu 1 und 3 und die Streithelferin des Beklagten zu 2 haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben alle in der Klageschrift zum Unfallgeschehen vorgetragenen Umstände mit Nichtwissen bestritten. Im Einzelnen haben sie in Abrede gestellt, dass es zwischen den dort bezeichneten Fahrzeugen an der genannten Örtlichkeit und unter Beteiligung der genannten Personen zu einem Unfallgeschehen gekommen sei. Außerdem haben sie bestritten, dass sich die genannten Fahrzeuge überhaupt berührt hätten, dies unfreiwillig geschehen sei und die nunmehr geltend gemachten Schäden hervorgerufen habe.

Mit dem am 26.05.2011 verkündeten Urteil (Bl. 80 d. A.), auf das der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug nimmt, hat das Landgericht Saarbrücken nach informatorischer Anhörung des Klägers (Bl. 60 ff. d. A.) und des Beklagten zu 2 (Bl. 63 ff. d. A.) die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Kläger rügt, das Landgericht habe das vorgetragene Unfallereignis auf Grund falscher Würdigung der Beweise bzw. Erklärungen des Klägers und des Beklagten zu 2 im Rahmen der informatorischen Anhörung als nicht bewiesen erachtet. Dem Kläger sei nicht vorzuwerfen, dass er nicht die erste Ausfahrt aus dem Kreisverkehr genommen habe, um zu seiner Mutter in der Vorstadtstraße in S.-R. zu gelangen. Deswegen und infolge der sehr aggressiven Art und Weise der Vernehmung durch den gegnerischen Prozessbevollmächtigten habe der Kläger bei der Anhörung durch das Landgericht erklärt, es sei seine Sache, wie er fahre.

Diese knappe Antwort berechtige jedoch nicht zu der Annahme, der Kläger habe keine schlüssige Erklärung zu seiner Fahrstrecke abgegeben. Er habe die zweite Ausfahrt genommen, weil dies die schnellere Strecke gewesen sei. An die erste Ausfahrt hätte sich eine Tempo 30-Zone angeschlossen, die er aber nicht habe durchqueren wollen. Die weitere Auskunftserteilung durch den Kläger sei auf Grund von Sprachschwierigkeiten, die auch dem Gericht aufgefallen seien bzw. hätten auffallen müssen, nur vage ausgefallen. Die Erwägung des Erstgerichts, der Kläger habe nicht angeben können, ob er sich mit dem Beklagten zu 2 hinsichtlich des Anhaltens verständigt habe, resultiere aus diesen Sprachschwierigkeiten. Auch verkenne das Landgericht, dass die Zeitspanne zwischen Kollision und Herausfahren aus dem Kreisel nur wenige Sekunden betragen habe, so dass eine genaue Erinnerung und eine Beschreibung des Geschehens für einen Unfallbeteiligten sehr schwierig sei. Genau dies habe das Landgericht auch in Bezug auf unterschiedliche Angaben der Parteien zur Anfertigung des Unfallberichts nicht beachtet. Es stehe jedoch fest, dass die am Fahrzeug des Klägers eingetretenen Schäden mit denjenigen am Fahrzeug der Beklagten zu 1 und dem vom Kläger geschilderten Ablauf übereinstimmten. Den Ort der Begutachtung und Besichtigung seines Fahrzeugs habe der Kläger infolge von Verständigungsschwierigkeiten zunächst mit Sch. statt mit N. angegeben; er habe aber den Platz in einer kleinen Werkstatt bei einem ihm damals mit Zunamen nicht bekannten E. richtig beschrieben. Schließlich könne es nicht dem Kläger zur Last fallen, dass der Beklagte zu 2, wie die Beklagte zu 3 behauptet, aber nicht bewiesen habe, bereits einige Unfälle, insbesondere mit Arbeitgeberfahrzeugen, gehabt habe.

Der Kläger beantragt (Bl. 108 d. A.), das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.161,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2010 sowie gemäß RVG VV 2303 nicht anrechenbare Anwaltskosten gemäß RVG VV 2300 in Höhe von 661,16 € zu zahlen.

Die Beklagten zu 1 und 3 und die Streithelferin des Beklagten zu 2 beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Vielzahl von Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten, welche die Berufung zu erklären versuche, führe bei einer Gesamtwürdigung dazu, dass zum Einen der äußere Geschehensablauf nicht nachgewiesen sei und zum Anderen alles für einen manipulierten Schadenfall spreche. Eine „aggressive Vernehmungstechnik“ des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und 3 – welche vom Landgericht nicht toleriert worden wäre – habe es bei der Parteianhörung nicht gegeben. Vielmehr seien die nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und 3 zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Fragen gestellt worden. Überdies sei, wie die Beklagte zu 3 in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Saarbrücken (Geschäftsnummer 124 C 116/10 (06)) in der Sitzung vom 06.05.2011 erfahren habe, gegen den Beklagten zu 2 ein umfangreiches Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken anhängig, in das 25 Vorfälle, darunter das hier vorgetragene Ereignis, einbezogen worden seien. Dieses Verfahren habe die Beklagte zu 3 nach im August 2011 genommener Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erst in der Berufungsbegründung vom 02.09.2011 erwähnen können.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 05.05.2011 (Bl. 59 ff. d. A.) und des Senats vom 10.01.2013 (Bl. 158 ff. d.A.) und 06.02.2014 (Bl. 262 f. d.A.) sowie die Beiakten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken 10 Js 1639/10 Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 14.02.2013 (Bl. 185 ff. d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des verkehrstechnischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing. J. P. vom 05.11.2013 (Bl. 217 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht begründet.

1. Eine Haftung der Beklagten zu 1 nach § 7 Abs. 1 StVG, des Beklagten zu 2 nach § 18 StVG und der Beklagten zu 3 nach § 115 VVG setzt voraus, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs adäquat kausal zu einem Schaden führte. Für diesen Kausalzusammenhang ist der Kläger mit dem strengen Beweismaß des § 286 ZPO beweispflichtig (BGHZ 71, 339, 345). Das Prozessprogramm des Zivilprozesses wird durch den Streitgegenstand definiert, indem der Kläger die von ihm in Anspruch genommene Rechtsfolge aus einem tatsächlichen Geschehen, dem so genannten Lebenssachverhalt (Klagegrund), herleitet, dessen Elemente auf der Ebene des Rechts die tatsächlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm ausfüllen (zum zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff vgl. BGHZ 153, 173, 175; 180, 77, 82; 185, 66, 73). Nur der vom Kläger vorgetragene Lebenssachverhalt bildet den Streitgegenstand der Klage, dessen tatsächliches Vorliegen der Kläger auch im Anwendungsbereich des § 7 StVG mit dem vollen Beweismaß des § 286 ZPO beweisen muss. Der Beweis für das den Anspruch begründende Schadensereignis ist erst dann erbracht, wenn das Gericht die volle Überzeugung gewonnen hat, dass sich der Unfall in der vom Kläger nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich zutrug (Senat OLGR 2009, 394). Demnach genügt der Geschädigte seiner Beweislast noch nicht, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme zwar Zweifel an Ort und Zeit des tatsächlichen Geschehens ergeben, gleichzeitig allerdings Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass beide Fahrzeuge eventuell an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen miteinander zusammenstießen (Senat NJW-RR 2012, 356, 357).

a) Nehmen Unfall beteiligte gerade bei geringfügigen Beschädigungen von einer polizeilichen Unfallaufnahme Abstand, weil die Schuldfrage nicht zweifelhaft ist, die Fahrzeuge noch fahrbereit und keine Verkehrseinrichtungen beschädigt sind, hängt der Nachweis des Schadensereignisses entscheidend von der Glaubhaftigkeit der Schilderung des Unfallgeschehens durch die Unfallbeteiligten ab, an deren Glaubwürdigkeit das Gericht nur dann zweifeln wird, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Solche Anhaltspunkte können im Einzelfall auch Umstände sein, die nach anerkannter Rechtsprechung Beweisanzeichen dafür sind, dass der Geschädigte mit einer Schädigung einverstanden war (SchlHOLG NJW-RR 2011, 176; Senat OLGR 2009, 394). Denn die Lebenswirklichkeit der so genannten Unfallmanipulation zeigt, dass die schadensstiftende Kollision häufig nicht an der gegenüber dem Versicherer angegebenen Örtlichkeit im öffentlichen Verkehrsraum, sondern an einem Ort stattgefunden hat, der der Beobachtung Dritter entzogen ist. Soll durch das manipulierte Unfallereignis – wie etwa im idealtypischen Fall der Streifkollision – nur gering in die Substanz des beschädigten Fahrzeugs eingegriffen werden, muss die Örtlichkeit für einen möglichst dosierten und kontrollierten Eingriff geeignet sein. Dieser spezifischen Anforderung für eine „erfolgreiche“ Unfallmanipulation wird der öffentliche Verkehrsraum im Regelfall schon wegen der potenziellen Anwesenheit anderer Verkehrsteilnehmer und der im öffentlichen Straßenraum üblicherweise höheren Fahrgeschwindigkeiten nicht gerecht (Senat NJW-RR 2012, 356, 357).

b) Allerdings bedürfen diese Erwägungen einer einschränkenden Erläuterung: Nicht jedes Beweisanzeichen für ein manipuliertes Unfallgeschehen ist geeignet, durchgreifende Zweifel an der Existenz des streitgegenständlichen Unfallereignisses zu wecken. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen trägt der in Anspruch genommene Halter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Verletzung seiner Rechtsgüter eingewilligt hatte (BGHZ 71, 339, 345). Diese materielle Verteilung der Darlegungs- und Beweislast darf auf der prozessualen Ebene durch übersteigerte Anforderungen an das Beweismaß zum Nachweis des äußeren Tatbestandes der Rechtsgutsverletzung nicht unterlaufen werden. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Abwägung im jeweils zu entscheidenden Einzelfall, ob in der Gesamtschau der beweisrelevanten Faktoren nicht hintanzustellende Zweifel am Lebenssachverhalt der Haftungsklage verbleiben (Senat NJW-RR 2012, 356, 357).

2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger den ihm obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass sich ein Unfall in der von ihm nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich zutrug.

a) Für die gleichzeitige Anwesenheit des Klägers mit dem Pkw Honda Accord Tourer Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen …-… und des Beklagten zu 2 mit dem Dienstfahrzeug der Beklagten zu 1 mit dem amtlichen Kennzeichen …-… an der angegebenen Unfallstelle zur angegebenen Unfallzeit gibt es keine objektiven Belege. Zu dem behaupteten Unfallgeschehen sind weder Zeugen benannt, noch liegt eine Lichtbildaufnahme vom Unfalltag oder eine polizeiliche Unfallaufnahme vor.

b) Die Darstellungen des Klägers und des Beklagten zu 2 zu dem behaupteten Unfallereignis überzeugen nicht.

aa) Nach der Darstellung in der Klageschrift fuhr der Beklagte zu 2 unter Missachtung der Vorfahrt in den Kreisverkehr ein und streifte dabei an der rechten Fahrzeugflanke des Pkw des Klägers vorbei (Bl. 2 d. A.). Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil mit Recht festgestellt, dass der Kläger selbst auf Befragen zum Unfallhergang nur sehr vage Auskunft gegeben hat (Bl. 84 d. A. Abs. 2). Bei der erstinstanzlichen Anhörung als Partei hat er erklärt, nach Durchfahren des Kreisverkehrs habe er geradeaus weiter fahren wollen, der Beklagte zu 2 sei von rechts gekommen und habe dann streifend sein Fahrzeug berührt (Bl. 60 d. A. oben). Auf Befragen hat er erklärt, er habe vor dem Anstoß das andere Fahrzeug nicht gesehen. Unmittelbar nach dem Anstoß habe er „ein bisschen Stopp gemacht“, dabei aber nicht gestanden, sondern sei weiter bis zur Bushaltestelle gefahren. Wer den Unfallbericht ins Spiel gebracht habe und wo dieser geschrieben worden sei, wisse er nicht mehr (Bl. 61 d. A.).

bb) Der Beklagte zu 2 hat bei der Anhörung durch das Landgericht erklärt, er sei von links gekommen und habe ein Verkehrsschild missachtet. Er habe den Kläger noch kommen sehen, und, wie er glaube, auch noch gebremst, dann habe er das Fahrzeug des Klägers touchiert. Wo genau, das wisse er heute alles nicht mehr. Sie seien dann aus dem Kreisel herausgefahren, der Kläger sei vor ihm gefahren. Auf Nachfragen hat der Beklagte zu 2 erklärt, er habe nach dem Anstoß noch gestanden, der Kläger sei weitergefahren. Sie seien dann bis zu einer Ausbuchtung, wie er glaube: einer Bushaltestelle, gefahren, wo sie angehalten hätten. Sie hätten sich nicht verständigt, dort anzuhalten. Er habe aber gesehen, dass der Kläger dort anhalte, und habe hinter ihm gehalten (Bl. 63 f. d. A.).

cc) Die Angaben des Klägers und des Beklagten zu 2 zum angeblichen Unfallhergang sind, wie das Landgericht zutreffend bemerkt hat (Bl. 84 f. d.A.), äußerst dürftig. Außerdem hat das Landgericht an den Angaben der Beteiligten zu ihrem Verhalten unmittelbar nach dem behaupteten Zusammenstoß zu Recht gezweifelt und es als lebensfremd bezeichnet, dass der Kläger einfach weitergefahren sein will, nachdem ein anderer, ihm unbekannter Fahrzeugführer mit ihm zusammengestoßen war (Bl. 84 d. A. Mitte). Es leuchtet nicht ein, dass der Kläger ohne anzuhalten und ohne sich mit dem Beklagten zu 2 zu verständigen den Kreisel verlassen haben will in der Annahme und in dem Vertrauen, der Beklagte zu 2 werde ihm ohne Weiteres folgen, die gleiche Ausfahrt nehmen, ihm bis zur Bushaltestelle hinterherfahren und dort mit ihm anhalten. Der Kläger mag keine Veranlassung gesehen haben, die Polizei zu rufen, weil ihm der Unfallgegner sofort an die Bushaltestelle gefolgt sei (Bl. 112 d.A. Mitte). Das erklärt aber nicht, warum der Kläger ohne Weiteres darauf vertraut haben soll, der Beklagte zu 2 werde erkennen, dass er den Kreisverkehr verlassen und nach 40 m an einer Bushaltestelle anhalten wolle, und ihm auch ohne Absprache – und bevor überhaupt ein Gedankenaustausch über die Schuldfrage möglich war – folgen. Für das sofortige Ausfahren aus dem Kreisverkehr ist auch kein vernünftiger Grund ersichtlich. Der Kläger und der Beklagte zu 2 haben im Rahmen der eingehenden Befragung durch das Landgericht und den Senat nicht einen einzigen weiteren Verkehrsteilnehmer erwähnt. Dem Beklagten zu 2 war in der Berufungsverhandlung nicht erinnerlich, dass andere Autos zu dieser Zeit im Kreisel gewesen wären (Bl. 160 d, A. Mitte). Anhaltspunkte dafür, dass am Montag, den …2010 gegen 8.40 Uhr derart dichter Verkehr geherrscht hätte, dass zur Vermeidung z. B. von Auffahrunfällen oder eines Verkehrsstaus eine unverzügliche Entfernung der verunfallten Pkw aus dem Kreisverkehr geboten gewesen wäre, sind nicht gegeben.

dd) Der Kläger beruft sich mit seinem Rechtsmittel in Bezug auf seine Angaben vor dem Landgericht im Ergebnis ohne Erfolg auf Sprachschwierigkeiten.

(1) Das Gebot, erforderlichenfalls einen Dolmetscher zuzuziehen (§ 185 Abs. 1 Satz 1 GVG), richtet sich an das Gericht, welches darüber nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zu entscheiden hat (OLG Hamm OLGR 2000, 266, 267). Ein fremdsprachiger Beteiligter soll die ihn betreffenden Verfahrensvorgänge verstehen und sich in der Verhandlung verständlich machen können. Der Mitwirkung eines Dolmetschers bedarf es folglich nicht, wenn ein Beteiligter die deutsche Sprache zwar nicht beherrscht, sie aber in einem die Verständigung mit ihm in der mündlichen Verhandlung ermöglichenden Maße spricht und versteht (BVerwG NJW 1990, 3102, 3103). Es genügt die Möglichkeit der Verständigung in der normalen Umgangssprache. Die Kenntnis von Spezial- und Fachausdrücken in verschiedenen Wissensgebieten ist nicht erforderlich. Das Gericht muss dann allerdings für eine in der Umgangssprache verständliche Erläuterung Sorge tragen (MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 4. Aufl. § 185 GVG Rn. 4). Beherrscht ein Beteiligter die deutsche Sprache nur teilweise, so muss das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob dies für die Verhandlung ausreicht oder ob ein Dolmetscher zuzuziehen ist. Bloßes Kopfnicken oder Gestik hilft nicht, wenn nicht zweifelsfrei feststeht, dass der Betroffene die Frage verstanden hat (BayObLG NStZ-RR 2005, 178, 179; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, aaO Rn. 8).

(2) Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass das Landgericht dem Kläger vergleichsweise einfache Fragen zum Unfallhergang gestellt und die Antworten des Klägers erkennbar möglichst wörtlich protokolliert hat (vgl. „Ich habe ein bisschen Stopp gemacht.“, Bl. 61 d. A.). Die Berufung zeigt nicht auf, dass eine Verständigung mit dem Kläger in normaler Umgangssprache nicht möglich war. Vielmehr legt sie dar, der Kläger könne in deutscher Sprache ein unkompliziertes Gespräch führen, sei aber überfordert, sobald er sich einer umfangreichen, komplizierten Fragestellung gegenüber sehe (Bl. 109 d.A. unten). Daraus ergibt sich nicht, dass mit dem Kläger eine Verständigung in der normalen Umgangssprache nicht möglich wäre.

(3) Zudem zeigt die Berufung nicht auf (Bl. 116 f. d. A.), welche anderen oder weitergehenden Erklärung der Kläger ohne Sprachschwierigkeiten abgegeben hätte. Bei der Anhörung durch den Senat hat der Kläger nach Belehrung zum Unfallhergang erklärt, als er in dem Kreisel auf der Höhe der Einfahrt des Beklagten zu 2 gewesen sei, habe es auf seiner rechten Fahrzeugseite „gebumst“. Er sei geschockt gewesen und habe ein bisschen gebremst, sei dann aber geradeaus in die nächste Ausfahrt weitergefahren. Keinesfalls sei er im Kreisel ausgestiegen. Ob der Unfallgegner ausgestiegen sei, habe er nicht gesehen, da er ja weitergefahren sei. Sein Fahrzeug sei rechts vorne in der Mitte getroffen worden. Beide Fahrzeuge seien dann aber weiter gefahren, so dass die ganze Seite dann beschädigt gewesen sei. Sie hätten am Unfallort die Daten ausgetauscht, der Beklagte zu 2 habe ihm eine Visitenkarte mit seiner Telefonnummer gegeben (Bl. 161 d. A.). Diese Angaben des Klägers gehen jedenfalls nicht über seine erstinstanzliche Darstellung hinaus.

c) Auf Grund des im Berufungsrechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens ist die Behauptung des Klägers, es stehe fest, dass die an seinem Fahrzeug eingetretenen Schäden mit den Schäden am Beklagtenfahrzeug und mit dem vom Kläger geschilderten Ablauf übereinstimmten (Bl. 117 d. A. Mitte), nicht bewiesen.

aa) Der Kläger hat in der Klageschrift den gesamten Unfallhergang unter Beweis gestellt durch Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens (Bl. 2 d. A.). Ergänzend hat er im Schriftsatz vom 14.03.2011 die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens beantragt zu den Behauptungen, die beiden Fahrzeuge hätten sich an der Örtlichkeit im Unfallzeitpunkt berührt, und bei diesem Vorgang sei es zu den Schäden am Fahrzeug des Klägers laut dem vorgelegten (Haftpflichtschaden-) Gutachten gekommen (Bl. 46 d. A.). In der Berufungsbegründung wird ausgeführt, in Bezug auf das Vorliegen und den Hergang („dass und wie“) der Kollision stehe doch fest, dass die am Fahrzeug des Klägers eingetretenen Schäden mit denjenigen am Beklagten-Fahrzeug und dem vom Kläger geschilderten Ablauf übereinstimmten, was unter Beweis gestellt wird durch Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens bzw. eines Unfallrekonstruktionsgutachtens (Bl. 110 d. A. Mitte).

bb) In die gebotene Gesamtschau der beweisrelevanten Faktoren ist auch und gerade die Kompatibilität von Unfallschäden einzustellen, wobei allerdings die bloße Möglichkeit der Kompatibilität zur Überzeugungsbildung nicht ausreicht (vgl. Senatsurt. v. 30.10.2012 – 4 U 259/11 -, 82 juris Rn. 26). Die Schadenskompatibilität ist für die Frage eines gestellten Unfalls ein besonders wichtiger Gesichtspunkt (Born NZV 1996, 257, 260). Feststellungen darüber, ob die wechselseitigen Fahrzeugschäden zusammenpassen, kommt gegenüber den meisten der sonstigen Indizien – für die sich auch eine natürliche Erklärung finden lassen kann – ein erhöhter Grad von Aussagekraft zu (Born NZV 1996, 257, 263). Werden vom Sachverständigen eindeutige Kontaktstellen festgestellt, dann steht die Kollision als solche fest (Born NZV 1996, 257, 260). Die Frage der Kompatibilität kann nicht nur anhand der Fahrzeuge selbst, sondern natürlich auch – das ist sogar der Regelfall – an Hand von Fotos geprüft werden, erst recht bedarf es nicht zwingend einer Begutachtung vor Ort (OLG Celle OLGR 2004, 175, 176).

cc) Der Sachverständige Dr. Dipl.-Ing. J. P. hat in dem verkehrstechnischen Gutachten vom 05.11.2013 ausgeführt, dass zwar grundsätzlich nicht auszuschließen ist, dass die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug durch Streifkontakte mit dem Pkw des Beklagten zu 1 entstanden sind, ein eindeutiger Nachweis aber nicht möglich ist (Bl. 241 d. A.). Eine Übertragung der Kollisionsposition auf die Fahrbahn war dem Sachverständigen nicht möglich, weil keine Lichtbilder zu den Unfallendständen oder Spuren auf der Fahrbahnoberfläche zur Verfügung standen. Ob sich das Unfallgeschehen an dem beschriebenen Standort ereignet hat und wo sich die beiden Fahrzeuge befunden hatten, lässt sich an Hand objektiver Spuren nicht rekonstruieren (Bl. 240 d. A. Mitte).

(1) Wie der Sachverständige weiter bemerkt hat, ist bei der genaueren Untersuchung der zur Verfügung stehenden Lichtbildkopien aufgefallen, dass teilweise schräg verlaufende Spuren, insbesondere im vorderen Bereich der hinteren rechten Tür und im hinteren Bereich der vorderen rechten Tür am Fahrzeug des Klägers Vorgelegen haben könnten, wobei eine eindeutige Beurteilung auf Grund der Lichtbildqualität nicht möglich ist. Sofern es sich tatsächlich um schräg oder teilweise sogar vertikal verlaufende Spuren gehandelt hat oder so genannte Schleifenbildungen in den Spuren vorliegen, lässt sich die Gesamtheit aller Spuren nicht mehr mit einem einmaligen Kontakt beider Fahrzeuge in Einklang bringen. In diesem Fall würde insbesondere das sich auf Bild 8 des Sachverständigen Engler darbietende Spurenbild darauf hindeuten, dass mehrfache Überlagerungen von Spuren Vorgelegen hätten (Bl. 241 d. A.). In der Tat könnten sich auf dem vom Sachverständigen Dr. P. bezeichneten Bild 8 nicht eine einheitliche, durchgehende Spur, sondern verschiedene Spuren andeuten (Bl. 226 d. A.).

(2) Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung der Beschädigungen und Kontaktpunkte beider Fahrzeuge schematisch eine Kollisionsstellung dargestellt, nach welcher der Anstoß des Beklagten-Pkw gegen die hintere rechte Seite des Kläger-Pkw erfolgt sein müsste (Bl. 240 d.A.). Zur Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger und den Beklagten zu 2 hat er aus verkehrstechnischer Sicht angemerkt, dass am Kläger-Pkw der hintere Stoßfänger offensichtlich von hinten nach vorne verschoben ist. Dies deutet darauf hin, dass bei Erzeugung der Beschädigungen durch den Beklagten-Pkw die Relativgeschwindigkeit des Beklagten-Pkw in diesem Zeitpunkt höher gewesen sein muss als die Relativgeschwindigkeit des Kläger-Pkw (Bl. 241 d. A. oben). Im Bereich der hinteren rechten Tür des Kläger-Pkw sind Reifen- bzw. Radkontaktspuren eines in Drehbewegung befindlichen Rades erkennbar. Sofern es sich hierbei um das vordere linke Rad des Beklagten-Pkw handelte, wäre davon auszugehen, dass die Geschwindigkeiten beider Fahrzeuge in diesem Zeitpunkt in einem ähnlichen Bereich gelegen haben müssten, eine deutlich höhere Geschwindigkeit des Beklagten-Pkw in dieser Phase also nicht mehr anzunehmen wäre (Bl. 241 d. A. Mitte). Diese Erwägungen des Sachverständigen überzeugen, zumal auf den nach der Berufungsverhandlung vom 10.01.2013 vorgelegten Lichtbildern zum Gutachten E. jedenfalls keine über die vordere rechte Tür des Kläger-Pkw nach vorne hinausgehenden Beschädigungen ersichtlich sind (Bl. 222 bis 228 d. A.). Auch und gerade unter Berücksichtigung dieses verkehrstechnischen Gutachtens sind die Parteiangaben zur Kollision nicht überzeugend.

(2.1) Vor dem Landgericht hat der Kläger erklärt, der Beklagte zu 2 habe sein Fahrzeug „so in der Mitte“ von rechts streifend berührt (Bl. 60 d. A.). In der Berufungsverhandlung hat er erklärt, sein Fahrzeug sei rechts vorne in der Mitte getroffen worden (Bl. 161 d. A.).

(2.2) Der Beklagte zu 2 hat erstinstanzlich am 05.05.2011 erklärt, er glaube noch gebremst zu haben, habe dann aber das Fahrzeug des Klägers touchiert; wo genau, wisse er heute alles nicht mehr (Bl. 63 d. A.). In der Berufungsverhandlung vom 10.01.2013 hat der Beklagte zu 2 dem Senat demonstriert, der Anstoß der beiden Fahrzeuge sei eher vorne, möglicherweise auch in der Mitte gewesen (Bl. 160 d. A.).

(2.3) Auch die schriftlichen Unfallberichte der angeblichen Beteiligten stehen mit dem Schadensbild nicht ohne Weiteres im Einklang. Der von dem Beklagten zu 2 handschriftlich angefertigte (Bl. 64 d. A.) Unfallbericht zeigt einen fast rechtwinkligen Anstoß des Beklagten-Pkw gegen die vordere rechte Ecke des Kläger-Pkw (Bl.58 d. A.). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben einen erkennbar sorgfältig erstellten Fragebogen für Anspruchsteller vorgelegt, der eine kurze Unfallschilderung und eine Skizze enthält. Demnach wäre der Anstoß in einem Winkel von mehr als 90 Grad vorne rechts gegen den Kläger-Pkw erfolgt (Bl. 58 d.A.).

d) In der Gesamtschau der beweisrelevanten Faktoren verbleiben, ohne dass es auf weitere Umstände – wie von den Beklagten zu 1 und 3 gerügte Ungereimtheiten in der Schilderung des Rahmengeschehens und der Begutachtung des klägerischen Fahrzeugs für das Haftpflichtschadengutachten des (später inhaftierten) Herrn E. sowie die behauptete Verstrickung des Beklagten zu 2 in zahlreiche weitere manipulationsverdächtige Unfälle – noch ankommt, nicht hintanzustellende Zweifel an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt, so dass der Kläger mit seiner Haftungsklage abzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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