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Verkehrsunfall – angemessene Prüfungsfrist der gegnerischen Haftpflichtversicherung

LG Würzburg – Az.: 62 O 2323/13 – Urteil vom 23.07.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird bis zum 17.06.2014 auf 5.152,93 € und ab dem 18.06.2014 auf 4,25 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Sattelzugs mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 12.11.2013 gegen 18.15 Uhr kam es zu einem Verkehrsunfall auf der BAB A 3, Kilometer 0,751 Richtung Frankfurt am Main mit dem von dem Beklagten zu 1) gesteuerten Sattelzug der Beklagten zu 2), für den bei der Beklagten zu 3) eine Haftpflichtversicherung besteht. Die Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden des Klägers ist dem Grunde nach unstreitig.

Mit Anwaltsschreiben vom 19.11.2013, eingegangen bei der Beklagten zu 3) am 26.11.2013, wurde unter Fristsetzung zum 30.11.2013 unter Darstellung des Unfallgeschehens und unter Bezugnahme auf das Ermittlungsverfahren mit Angabe des entsprechenden Aktenzeichens zur Ausgleichung des Gesamtschadens aufgefordert. Der Beklagten zu 3) wurde mit Schreiben des Klägervertreters vom 04.12.2013 ein Auszug aus der amtlichen Ermittlungsakte übersandt und die Regulierungsfrist wurde auf den 08.12.2013 erstreckt. Des Weiteren wurde in dem Schreiben vom 04.12.2013 nach fruchtlosem Fristablauf die Klageerhebung angekündigt.

Mit Schreiben vom 28.11.2013 teilte die Beklagte zu 3) dem Klägervertreter mit, dass eine Schadenmeldung bei ihrem Versicherungsnehmer angefordert worden sei und man sich wieder melden würde, sobald die Versicherung diese erhalten habe.

Die Beklagte zu 3) rechnete mit Schreiben vom 10.01.2014 den Schaden ab und erstattete mit Ausnahme der geltend gemachten Zinsen den Gesamtschaden in Höhe von 5.152,93 € zuzüglich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 €. Die Parteien haben daraufhin in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Würzburg am 18.06.2014 den Rechtsstreit in Höhe des gezahlten Teils übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Verkehrsunfall - angemessene Prüfungsfrist der gegnerischen Haftpflichtversicherung
Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Fristlauf zwischen erstmaliger Zahlungsaufforderung, Nachfristsetzung und Klageerhebung angemessen sei, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein unstreitiger Kfz-Haftpflichtfall angemeldet worden sei und der Beklagten zu 3) sämtliche Beurteilungsgrundlagen rechtzeitig vorgelegen hätten. Die Forderung sei zum Klageerhebungszeitpunkt fällig gewesen, weshalb auch der Zinsanspruch gerechtfertigt sei.

Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von 4,25 € zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass erst mit Eingang des Anspruchsschreibens bei der Beklagten zu 3) am 26.11.2013 das Gutachten der D… vom 14.11.2013 dieser übersandt worden sei. Erstmals mit Eingang des Schreibens des Klägervertreters vom 19.11.2013 hätten der Beklagten zu 3) somit prüffähige Unterlagen vorgelegen. Grundsätzlich sei dem Haftpflichtversicherer eine angemessene Zeit zur Schadensregulierung einzuräumen. Diese betrage bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen 4 – 6 Wochen. Vorliegend habe noch die Besonderheit bestanden, dass der Beklagte zu 1) von dem vorgetragenen Kollisionsgeschehen nichts bemerkt habe. Weiterhin hätten sich an dem LKW der Beklagten zu 2), so auch am Hänger, keine Schadensspuren befunden, die auf das streitgegenständliche Schadensereignis rückschließen ließen. Es habe also durch die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer umfangreicher als bei gewöhnlichen Haftpflichtfällen geprüft werden müssen, ob tatsächlich eine Eintrittspflicht der Beklagten für die streitgegenständlichen Schäden bestehe. Zudem trägt die Beklagte vor, dass zwischen dem Eingang prüffähiger Unterlagen und der Klageerhebung gerade einmal ein Zeitraum von 16 Tagen gelegen habe. Mangels Fälligkeit der Forderung zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei auch der Zinsanspruch nicht gerechtfertigt.

Im Übrigen wird wegen des Sachvortrages ergänzend Bezug genommen auf die Kläger- und Beklagtenschriftsätze nebst eingereichter Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, soweit über sie nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien noch zu entscheiden ist, ist unbegründet.

Der Kläger hat mangels Verzug der Beklagten keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen.

Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen muss dem Schädiger sowie der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung eine angemessene Zeit zur Prüfung des Anspruchs eingeräumt werden. Der Haftpflichtversicherer ist nicht verpflichtet, unbesehen und vorschnell Zahlungen zu leisten. Die Bemessung der Prüfzeit hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie kann bei komplizierten Sachverhalten durchaus einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. In Fällen – wie hier – durchschnittlicher Art wird ein Zeitraum von 4-6 Wochen als notwendig und angemessen angesehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2007, Az. I – 1 W 23/07, 1 W 23/07 mit weiteren Nachweisen).

Dass die Beklagte zu 3) im vorliegenden Fall zu lange für die Prüfung benötigt hat, ist nicht ersichtlich. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist das spezifizierte Anspruchsschreiben des Klägers vom 19.11.2013 bei der Beklagten zu 3) am 26.11.2013 eingegangen. Auf dieses Schreiben der Klagepartei hat die Beklagte zu 3) sodann bereits mit Schreiben vom 28.11.2013 reagiert. In diesem Schreiben teilt die Beklagte zu 3) dem Klägervertreter mit, dass eine Schadenmeldung beim Versicherungsnehmer angefordert worden sei. Des Weiteren wurde um Geduld bis zum Zeitpunkt des Eingangs dieser Schadenmeldung gebeten.

Es sind vorliegend die besonderen Verhältnisse beim Haftpflichtversicherer zu berücksichtigen. Bei ihm kommen zahlreiche Schadensfälle zusammen. Er ist über den einzelnen Unfall aus eigenem Wissen nicht informiert, sondern muss sich in erster Linie darauf verlassen, was sein Versicherungsnehmer ihm an Informationen an die Hand gibt. Hinzu kommt, dass die Schadensfälle bei einer Versicherung über einen großen Büroapparat abgewickelt werden müssen, was ebenfalls gewisse Mindestverzögerungen zur Folge hat. Schließlich liegt eine angemessene Ermittlungsfrist im Interesse der Gesamtheit aller pflichtversicherten Kfz-Halter, die über ihre Prämienleistungen die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben. Die Prüfungsfrist, die dem Haftpflichtversicherer einzuräumen ist, wird nicht durch das Unfallereignis, sondern erst durch den Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens in Lauf gesetzt (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 09.01.2001, Az. 1 W 338/98). Die Prüfungsfrist beginnt daher vorliegend am 26.11.2013. An diesem Tag ist das Schreiben des Klägervertreters vom 19.11.2013 bei der Beklagten zu 3) eingegangen. Die Beklagte zu 3) hat auch zeitnah auf das bei ihr am 26.11.2013 eingegangene Schreiben, nämlich mit Schreiben vom 28.11.2013, reagiert. Es ist auch nachvollziehbar und sachgerecht, wie in dem Schreiben vom 28.11.2013 ausgeführt, dass der Haftpflichtversicherer zunächst die von ihm angeforderte Schadenmeldung seines Versicherungsnehmers abwarten will. Dies liegt, wie bereits ausgeführt daran, dass er über den einzelnen Unfall aus eigenem Wissen nicht informiert ist, sondern sich darauf verlassen muss, was sein Versicherungsnehmer ihm an Informationen gibt.

Es liegt, wie sich auch aus der beigezogenen Ermittlungsakte ergibt, zumindest ein durchschnittlicher Verkehrsunfall vor. Bei solchen ist nach der obergerichtlichen Rechtssprechung ein Prüfungszeitraum von 4 – 6 Wochen als notwendig und angemessen anzusehen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 09.01.2001, Az. 1 W 338/98; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2007, Az. I – 1 W 23/07, 1 W 23/07).

Zwar war der Schadensersatzanspruch des Klägers sofort nach Schadensentstehung fällig, § 271 BGB. Unabhängig davon, dass in den anwaltlichen Schreiben vom 19.11.2013 bzw. vom 04.12.2013 eine Mahnung vorliegen könnte, fehlt es jedenfalls an einem Vertretenmüssen des Schuldners i.S.d. § 286 Abs. 4 BGB. Es liegt eine sogenannte Ungewissheit im Tatsächlichen vor (vgl. Staudinger, 2009, § 286 RdNr. 146, 149). Solange und soweit ein Haftpflichtversicherer trotz ordnungsgemäßer Behandlung das Regulierungsbegehren eines Anspruchstellers nicht abschließend beurteilen kann, beruht das Nichtzahlen der Regulierungsleistung auf einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand mit der Wirkung, dass kein Verzug eintritt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 3 W 15/10).

Der Kläger macht vorliegend Verzugszinsen seit dem 09.12.2013 bis zur Regulierung des Gesamtschadens geltend. Da, wie bereits ausgeführt, die Prüfungsfrist von 4 – 6 Wochen ab dem 26.11.2013 lief, war unter Berücksichtigung der Feiertage jedenfalls bis zur Regulierung des Schadens ein Verzugseintritt der Beklagten nicht gegeben. Bereits mit Schreiben vom 10.01.2014 teilte die Beklagte zu 3) dem Klägervertreter mit, dass ein Gesamtbetrag von 5.633,13 € überwiesen worden sei.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des abgewiesenen Teils aus § 91 ZPO und im Übrigen aus § 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren gemäß § 91 a ZPO die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, der im Rahmen der Billigkeitsentscheidung des § 91 a ZPO Anwendung findet. Danach hat der Kläger die Kosten zu tragen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Wie bereits dargelegt wurde, ist dem Kfz-Haftpflichtversicherer, von dem nach einem Verkehrsunfall Zahlung verlangt wird, eine angemessene Prüfungsfrist zuzubilligen, vor deren Ablauf eine Klage nicht i.S.v. § 93 veranlasst ist. Die Dauer der Frist, wie bereits ebenfalls dargelegt wurde, ist in der Regel mit 4 – 6 Wochen zu bemessen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 09.01.2001, Az. 1 W 338/98; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2007, Az. I – 1 W 23/07, 1 W 23/07; OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 3 W 15/10). Vorliegend liegen zwischen dem Eingang des spezifizierten Anspruchsschreibens bei der Beklagten zu 3) am 26.11.2013 und der Erhebung der Klage ca. 2 1/2 Wochen. Es ist, wie bereits ausgeführt wurde, bei der Bearbeitung von Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen zu berücksichtigen, dass es sich um ein Massengeschäft der Haftpflichtversicherer handelt. In ihrer betriebsinternen Organisation müssen sie personelle Schwankungen sowie die Schwankungen der Anzahl der an sie herangetragenen Schadensregulierungen berücksichtigen. Es ist einem Versicherungsunternehmen daher nicht zuzumuten, jeweils sicherzustellen, innerhalb einer kürzeren Frist von mindestens 4 Wochen die Schadensregulierung abzuwickeln. Umgekehrt ist es dem Anspruchsteller schon deshalb zuzumuten, mit einer Klageerhebung eine Mindestfrist von 4 Wochen ab konkreter Schadensbezifferung abzuwarten, da in der Regel die Reparaturwerkstätten nicht auf sofortige Bezahlung bestehen, wenn die Reparatur über eine Versicherung abgerechnet wird (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2010, Az. 3 W 15/10).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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