Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gerichtsurteil zum Anscheinsbeweis bei Autobahnunfällen: Ein Blick auf die Fakten
- Der Fall vor Gericht
- Unklares Unfallgeschehen auf Autobahn A61: Gericht entscheidet auf hälftige Schadensteilung
- Widersprüchliche Unfallschilderungen erschweren Beweisführung
- Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nicht anwendbar
- Hälftige Schadensteilung als Konsequenz unaufklärbaren Geschehens
- Komplexe Beweislage bei Autobahn-Kollision führt zu Schadensteilung
- Widersprüchliche Darstellungen erschweren Unfallrekonstruktion
- Rechtliche Bewertung der Beweislage
- Schadensberechnung und Urteilsspruch
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was ist der Anscheinsbeweis?
- Wie funktioniert der Anscheinsbeweis bei Autobahn-Unfällen?
- Warum ist der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen anders als bei Spurwechsel-Unfällen?
- Was passiert, wenn das Unfallgeschehen nicht ausreichend geklärt werden kann?
- Welche Beweismittel sind relevant, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Fall betrifft Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der auf der Autobahn stattfand.
- Die Klägerin forderte einen hohen Schadensersatzbetrag, der jedoch nur teilweise zugesprochen wurde.
- Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen, was zu einem Rechtsstreit führte.
- Das Gericht entschied, dass eine genaue Zustandsklärung des Unfallhergangs nicht möglich war, was zu einer hälftigen Schadensverteilung führte.
- Die Unklarheit über die Hauptverursachung des Unfalls führte zu einer Beweislastverlagerung, die für die Klägerin von entscheidender Bedeutung war.
- Ein Sachverständigengutachten bekräftigte die Ungewissheit bezüglich der Verantwortlichkeit der Beteiligten.
- Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte zu 3. passivlegitimiert und haftbar ist, wenn es um die Regulierung von Unfallschäden geht.
- Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Verteilung von Kosten und Pflichten im Schadensersatzverfahren.
- Die Klägerin erhielt einen Teil des geforderten Betrags, was ihre Position im Rechtsstreit stärkt, jedoch nicht zu ihrer vollständigen Zufriedenheit.
- Die Revision wurde nicht zugelassen, was bedeutet, dass das Urteil des OLG Koblenz endgültig ist.
Gerichtsurteil zum Anscheinsbeweis bei Autobahnunfällen: Ein Blick auf die Fakten
Unfälle auf Autobahnen sind leider keine Seltenheit. Oftmals ist die genaue Unfallursache schwer zu klären, da keine direkten Zeugen vor Ort waren oder die beteiligten Fahrzeuge stark beschädigt sind. In solchen Fällen greifen die Gerichte auf den sogenannten Anscheinsbeweis zurück. Dieser besagt, dass eine Tatsache dann als bewiesen gilt, wenn ein Umstand vorliegt, der nach allgemeiner Lebenserfahrung die Wahrscheinlichkeit einer anderen Tatsache erhöht.
Beim Anscheinsbeweis im Falle eines Verkehrsunfalls auf der Autobahn spielen vor allem die besonderen Gegebenheiten des Autobahnverkehrs eine Rolle. So wird beispielsweise die Tatsache, dass ein Unfall auf der Autobahn in einer Baustelle passiert, als Indiz dafür gewertet, dass die Unfallursache im Zusammenhang mit der Baustelle liegen könnte. Ein weiteres Beispiel: Ein Unfall auf einem regennassen Autobahnstück kann auf die Witterungsverhältnisse als mögliche Ursache hindeuten. Doch wie genau die Beweislast im Falle des Anscheinsbeweises verteilt ist und welche Umstände im Einzelnen zur Anwendung dieser Rechtsfigur führen, ist Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten.
Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil zum Thema Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen beleuchtet, welches genau diese Problematik aufzeigt.
Unsicherheit nach einem Unfall? Wir helfen Ihnen weiter!
Wurde Ihnen nach einem unklaren Unfallgeschehen auf der Autobahn nur eine teilweise Entschädigung zugesprochen? Wir verstehen die Frustration und Unsicherheit, die solche Situationen mit sich bringen. Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Verkehrsrecht und verfügt über langjährige Erfahrung in der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.
Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falles. Wir prüfen Ihre Möglichkeiten und beraten Sie über die nächsten Schritte.
Der Fall vor Gericht
Unklares Unfallgeschehen auf Autobahn A61: Gericht entscheidet auf hälftige Schadensteilung

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hatte über einen Verkehrsunfall zu entscheiden, der sich am 28. Mai 2012 auf der Autobahn A61 in der Gemarkung Z ereignete. Beteiligt waren ein Lkw und ein Pkw, wobei die genauen Umstände des Unfallhergangs unklar blieben. Die Klägerin, Halterin des beteiligten Pkw, forderte Schadensersatz in Höhe von 56.576,35 Euro von den Beklagten, dem Lkw-Fahrer und der zuständigen Versicherung.
Widersprüchliche Unfallschilderungen erschweren Beweisführung
Das Gericht sah sich mit zwei völlig unterschiedlichen Darstellungen des Unfallhergangs konfrontiert. Der Lkw-Fahrer gab an, beim Spurwechsel von dem Pkw touchiert worden zu sein. Der Geschäftsführer der klagenden Firma hingegen behauptete, der Lkw sei während eines Überholvorgangs plötzlich auf seine Spur gewechselt.
Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass keine der beiden Schilderungen mit den vorgefundenen Schäden an den Fahrzeugen in Einklang zu bringen sei. Weder die Beschädigungen am Lkw noch der Aufprallwinkel des Pkw passten zu den geschilderten Abläufen. Zudem war es dem Gutachter nicht möglich, die genauen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt zu rekonstruieren.
Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nicht anwendbar
Die Klägerin hatte gehofft, sich auf den Anscheinsbeweis stützen zu können, der bei Auffahrunfällen üblicherweise zugunsten des vorausfahrenden Fahrzeugs ausgelegt wird. Das Gericht stellte jedoch klar, dass dieser Grundsatz bei Unfällen im Zusammenhang mit Spurwechseln und Überholvorgängen nicht greift. Es verwies dabei auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des OLG Koblenz selbst.
Entscheidend war, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob der Lkw den Spurwechsel zu einem Zeitpunkt vornahm, als sich der Pkw bereits neben ihm befand. Ohne diesen Nachweis war es dem Gericht nicht möglich, einem der Beteiligten die Hauptschuld am Unfall zuzuweisen.
Hälftige Schadensteilung als Konsequenz unaufklärbaren Geschehens
In der Folge entschied das OLG Koblenz auf ein sogenanntes unaufklärbares Verkehrsunfallgeschehen. In solchen Fällen ist es gängige Rechtspraxis, den Schaden hälftig zwischen den Beteiligten aufzuteilen. Das Gericht berechnete den ersatzfähigen Schaden wie folgt:
- Nettowiederbeschaffungswert des Pkw: 54.000,00 Euro
- Abzüglich Restwert: 18.705,88 Euro
- Zuzüglich Nebenkosten (Sachverständiger, Abschleppen, Pauschale, Flugausfall): 4.180,88 Euro
- Gesamtschaden: 39.475,00 Euro
Die Hälfte davon, 19.737,50 Euro, wurde der Klägerin als Schadensersatz zugesprochen. Zusätzlich muss die Beklagtenseite Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2012 zahlen.
Komplexe Beweislage bei Autobahn-Kollision führt zu Schadensteilung
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hatte über einen komplexen Verkehrsunfall zu entscheiden, der sich am 28. Mai 2012 auf der Autobahn A61 in der Gemarkung Z ereignete. Beteiligt waren ein Lkw und ein Pkw, wobei die genauen Umstände des Unfallhergangs unklar blieben. Die Klägerin, Halterin des beteiligten Pkw, forderte Schadensersatz in Höhe von 56.576,35 Euro von den Beklagten, dem Lkw-Fahrer und der zuständigen Versicherung.
Widersprüchliche Darstellungen erschweren Unfallrekonstruktion
Das Gericht sah sich mit zwei völlig unterschiedlichen Schilderungen des Unfallhergangs konfrontiert. Der Lkw-Fahrer gab an, beim Spurwechsel von dem Pkw touchiert worden zu sein. Der Geschäftsführer der klagenden Firma hingegen behauptete, der Lkw sei während eines Überholvorgangs plötzlich auf seine Spur gewechselt.
Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass keine der beiden Darstellungen mit den vorgefundenen Schäden an den Fahrzeugen in Einklang zu bringen sei. Weder die Beschädigungen am Lkw noch der Aufprallwinkel des Pkw passten zu den geschilderten Abläufen. Zudem war es dem Gutachter nicht möglich, die genauen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt zu rekonstruieren.
Rechtliche Bewertung der Beweislage
Die Klägerin hatte gehofft, sich auf den Anscheinsbeweis stützen zu können, der bei Auffahrunfällen üblicherweise zugunsten des vorausfahrenden Fahrzeugs ausgelegt wird. Das Gericht stellte jedoch klar, dass dieser Grundsatz bei Unfällen im Zusammenhang mit Spurwechseln und Überholvorgängen nicht greift. Es verwies dabei auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des OLG Koblenz selbst.
Entscheidend war, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob der Lkw den Spurwechsel zu einem Zeitpunkt vornahm, als sich der Pkw bereits neben ihm befand. Ohne diesen Nachweis war es dem Gericht nicht möglich, einem der Beteiligten die Hauptschuld am Unfall zuzuweisen.
Schadensberechnung und Urteilsspruch
In der Folge entschied das OLG Koblenz auf ein sogenanntes unaufklärbares Verkehrsunfallgeschehen. In solchen Fällen ist es gängige Rechtspraxis, den Schaden hälftig zwischen den Beteiligten aufzuteilen. Das Gericht berechnete den ersatzfähigen Schaden wie folgt:
- Nettowiederbeschaffungswert des Pkw: 54.000,00 Euro
- Abzüglich Restwert: 18.705,88 Euro
- Zuzüglich Nebenkosten (Sachverständiger, Abschleppen, Pauschale, Flugausfall): 4.180,88 Euro
- Gesamtschaden: 39.475,00 Euro
Die Hälfte davon, 19.737,50 Euro, wurde der Klägerin als Schadensersatz zugesprochen. Zusätzlich muss die Beklagtenseite Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2012 zahlen.
Das Gericht wies die weitergehende Klage ab und verteilte die Prozesskosten entsprechend dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen. Die Klägerin trägt 65% der Kosten, die Beklagten als Gesamtschuldner 35%. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden können.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die rechtliche Behandlung unaufklärbarer Verkehrsunfälle auf Autobahnen. Bei widersprüchlichen Darstellungen und fehlender Beweislage greift der Anscheinsbeweis nicht, wenn Spurwechsel und Überholvorgang zusammentreffen. In solchen Fällen erfolgt eine hälftige Schadensteilung zwischen den Beteiligten. Dies unterstreicht die Bedeutung klarer Beweise und sorgfältiger Unfallrekonstruktion für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei Verkehrsunfällen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie in einen Unfall auf der Autobahn verwickelt waren, bei dem ein Spurwechsel und ein Überholvorgang zusammentrafen, kann dieses Urteil wichtige Folgen für Sie haben. Der Anscheinsbeweis, der normalerweise dem vorausfahrenden Fahrzeug zugute kommt, greift in solchen Fällen nicht automatisch. Das bedeutet, dass Sie als Unfallbeteiligter nicht per se im Nachteil sind, wenn Sie von hinten aufgefahren sind. Allerdings müssen Sie besonders sorgfältig Beweise sichern, um Ihre Version des Unfallhergangs zu untermauern. Fotos vom Unfallort, Zeugenaussagen und ein zeitnah erstelltes Unfallgutachten können entscheidend sein. Können weder Sie noch die Gegenseite den genauen Hergang beweisen, droht eine Schadensteilung zu gleichen Teilen. Um Ihre Rechte bestmöglich zu wahren, sollten Sie sich frühzeitig juristischen Beistand suchen.
FAQ – Häufige Fragen
Sie waren in einen Verkehrsunfall verwickelt und sind sich nicht sicher, wer Schuld trägt? Viele Fragen rund um den Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfällen beschäftigen Autofahrer. Wer haftet, wenn ein Unfall passiert? Welche Beweise sind entscheidend? Diese und weitere wichtige Fragen beantworten wir in unserer FAQ-Rubrik. Hier finden Sie leicht verständliche Informationen, um sich im Fall eines Unfalls besser zurechtzufinden.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was ist der Anscheinsbeweis?
- Wie funktioniert der Anscheinsbeweis bei Autobahn-Unfällen?
- Warum ist der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen anders als bei Spurwechsel-Unfällen?
- Was passiert, wenn das Unfallgeschehen nicht ausreichend geklärt werden kann?
- Welche Beweismittel sind relevant, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen?
Was ist der Anscheinsbeweis?
Der Anscheinsbeweis ist ein wichtiges Instrument im deutschen Zivilprozessrecht, das besonders häufig bei Verkehrsunfällen zum Einsatz kommt. Es handelt sich dabei um eine besondere Form der Beweisführung, die auf typischen Geschehensabläufen und allgemeinen Erfahrungssätzen beruht.
Im Kern ermöglicht der Anscheinsbeweis, von einem bewiesenen Sachverhalt auf einen bestimmten Kausalverlauf oder ein Verschulden zu schließen, ohne dass diese direkt nachgewiesen werden müssen. Dies geschieht auf Grundlage der Lebenserfahrung und der Annahme, dass bestimmte Ereignisse in der Regel auf eine bestimmte Art und Weise ablaufen.
Die Funktionsweise des Anscheinsbeweises lässt sich am besten anhand eines Beispiels aus dem Straßenverkehr verdeutlichen: Bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn spricht der erste Anschein dafür, dass der auffahrende Fahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat. Dies basiert auf der Erfahrung, dass solche Unfälle typischerweise durch Unaufmerksamkeit, zu geringen Sicherheitsabstand oder nicht angepasste Geschwindigkeit entstehen. Der Geschädigte muss in diesem Fall nicht im Detail beweisen, dass der Auffahrende tatsächlich unaufmerksam war oder zu dicht aufgefahren ist.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Anscheinsbeweis widerlegbar ist. Der Unfallgegner hat die Möglichkeit, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und beweist, die einen atypischen Geschehensablauf nahelegen. Im Fall des Auffahrunfalls könnte dies beispielsweise ein plötzlicher Spurwechsel des Vorausfahrenden sein.
Die Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises sind vielfältig. Neben Verkehrsunfällen findet er auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, in der Arzthaftung oder bei Fällen von Kartenmissbrauch Anwendung. In all diesen Bereichen erleichtert der Anscheinsbeweis die Beweisführung für den Anspruchsteller erheblich.
Der Anscheinsbeweis ist somit ein mächtiges juristisches Werkzeug, das die Durchsetzung von Ansprüchen in bestimmten Fällen erleichtert. Er basiert auf der Annahme, dass bei typischen Geschehensabläufen bestimmte Ursachen oder Verschuldensmomente vorliegen, ohne dass diese im Einzelfall konkret nachgewiesen werden müssen. Gleichzeitig wahrt er durch die Möglichkeit der Widerlegung die Interessen der Gegenseite und trägt so zu einem ausgewogenen Rechtssystem bei.
Wie funktioniert der Anscheinsbeweis bei Autobahn-Unfällen?
Der Anscheinsbeweis spielt bei Autobahn-Unfällen eine wichtige Rolle, unterliegt jedoch besonderen Bedingungen. Grundsätzlich kann bei Auffahrunfällen, auch auf Autobahnen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft verursacht hat. Dies kann durch Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstands, Unaufmerksamkeit oder unangepasste Geschwindigkeit geschehen.
Besondere Umstände auf Autobahnen können jedoch die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises einschränken. Ein wichtiger Faktor ist dabei der Spurwechsel. Wenn feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber ansonsten nicht aufklärbar ist, ist der Anscheinsbeweis in der Regel nicht anwendbar. Dies liegt daran, dass ein Spurwechsel die typische Situation eines Auffahrunfalls durchbricht und alternative Unfallursachen wahrscheinlicher macht.
Die Beweislast bei der Anwendung des Anscheinsbeweises auf Autobahnen liegt zunächst bei demjenigen, der sich auf den Anscheinsbeweis beruft. Er muss darlegen, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf ein bestimmtes Verschulden hindeutet. Bei einem einfachen Auffahrunfall auf der Autobahn ohne besondere Umstände könnte dies gelingen.
Der Gegner des Anscheinsbeweises hat dann die Möglichkeit, diesen zu erschüttern. Dies gelingt ihm, wenn er Tatsachen vorträgt und beweist, die einen atypischen Geschehensablauf ernsthaft möglich erscheinen lassen. Auf Autobahnen können solche atypischen Umstände häufiger vorliegen als im normalen Straßenverkehr. Beispiele hierfür sind plötzliche Spurwechsel, unerwartete Bremsmanöver oder äußere Einflüsse wie plötzlich auftretende Wetterphänomene.
Besonderheiten bei Autobahn-Unfällen ergeben sich auch aus den spezifischen Verkehrsbedingungen. Die höheren Geschwindigkeiten, der dichtere Verkehr und die Mehrspurigkeit können die Anwendung des Anscheinsbeweises erschweren. In solchen Fällen muss das Gericht besonders sorgfältig prüfen, ob tatsächlich ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der den Anscheinsbeweis rechtfertigt.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Anscheinsbeweis kein absoluter Beweis ist, sondern lediglich eine Beweiserleichterung darstellt. Er kann durch den Gegenbeweis des atypischen Geschehensablaufs entkräftet werden. Gerade bei Autobahn-Unfällen ist die genaue Rekonstruktion des Unfallhergangs oft schwierig, was die Anwendung des Anscheinsbeweises zusätzlich kompliziert.
Die Rechtsprechung zeigt eine gewisse Zurückhaltung bei der Anwendung des Anscheinsbeweises auf Autobahnen. Dies liegt daran, dass die Vielfalt möglicher Unfallursachen auf Autobahnen größer ist als im normalen Straßenverkehr. Gerichte neigen dazu, die konkreten Umstände des Einzelfalls genau zu prüfen, bevor sie einen Anscheinsbeweis zulassen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Autobahn-Unfällen eine genaue Dokumentation und Beweissicherung besonders wichtig sind. Unfallbeteiligte sollten möglichst viele Details zum Unfallhergang festhalten und Zeugen sichern. Dies kann entscheidend sein, um einen Anscheinsbeweis zu begründen oder zu widerlegen.
Warum ist der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen anders als bei Spurwechsel-Unfällen?
Der Anscheinsbeweis spielt bei der rechtlichen Beurteilung von Verkehrsunfällen eine wichtige Rolle, wird jedoch bei Auffahrunfällen und Spurwechsel-Unfällen unterschiedlich angewandt. Diese Unterscheidung basiert auf den spezifischen Charakteristika und rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Unfalltypen.
Bei Auffahrunfällen greift in der Regel der Anscheinsbeweis zulasten des Auffahrenden. Dies liegt darin begründet, dass Fahrzeugführer gemäß § 4 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) stets einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten müssen. Kommt es zu einem Auffahrunfall, wird vermutet, dass der Auffahrende entweder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten, unaufmerksam gefahren oder mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs war. Diese Vermutung basiert auf der Lebenserfahrung und der Tatsache, dass Auffahrunfälle typischerweise auf ein Fehlverhalten des hinteren Fahrzeugs zurückzuführen sind.
Im Gegensatz dazu gestaltet sich die Anwendung des Anscheinsbeweises bei Spurwechsel-Unfällen komplexer. Hier kommt es entscheidend auf den genauen Unfallhergang an. Bei Unfällen im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Spurwechsel spricht der erste Anschein zunächst gegen den Spurwechsler. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 5 StVO, wonach jeder Fahrstreifenwechsel mit äußerster Sorgfalt durchzuführen ist und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein muss.
Die unterschiedliche Behandlung erklärt sich durch die verschiedenen Verkehrssituationen: Während bei einem Auffahrunfall in der Regel eine längere Fahrt hintereinander vorausgeht, ist ein Spurwechsel ein aktiver Eingriff in den fließenden Verkehr. Der Spurwechselnde muss sich vergewissern, dass er andere nicht gefährdet, was eine höhere Sorgfaltspflicht begründet.
Allerdings kann der Anscheinsbeweis bei Spurwechsel-Unfällen leichter erschüttert werden als bei klassischen Auffahrunfällen. Wenn beispielsweise unklar ist, ob der Unfall unmittelbar mit dem Spurwechsel zusammenhängt oder ob das auffahrende Fahrzeug möglicherweise zu schnell war, kann der Anscheinsbeweis entfallen. In solchen Fällen müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls genauer betrachtet werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beweislast. Bei Auffahrunfällen muss der Auffahrende den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er einen atypischen Geschehensablauf darlegt und beweist. Bei Spurwechsel-Unfällen hingegen kann bereits die Darlegung plausibler Umstände, die gegen ein Verschulden des Spurwechslers sprechen, ausreichen, um den Anscheinsbeweis zu entkräften.
Die unterschiedliche Handhabung des Anscheinsbeweises bei diesen Unfalltypen berücksichtigt die spezifischen Risiken und Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr. Sie dient dazu, eine gerechte und realitätsnahe rechtliche Beurteilung zu ermöglichen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit zu fördern, indem sie Anreize für umsichtiges Verhalten sowohl beim Hinterherfahren als auch beim Spurwechseln setzt.
Was passiert, wenn das Unfallgeschehen nicht ausreichend geklärt werden kann?
Bei unklaren Unfallsituationen ergeben sich oft komplexe rechtliche Konsequenzen. Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der Ansprüche geltend macht, auch die Beweislast für den Unfallhergang und die daraus resultierenden Schäden trägt. Dies bedeutet, dass der Geschädigte nachweisen muss, dass der Unfall so stattgefunden hat, wie er es behauptet.
Kann das Unfallgeschehen nicht ausreichend geklärt werden, kann dies zu einer Teilung der Haftung führen. In solchen Fällen gehen Gerichte oft von einer gleichmäßigen Schadensverteilung aus, was bedeutet, dass jede Partei 50% des Schadens selbst tragen muss. Dies basiert auf der Annahme, dass bei unklarer Beweislage keiner der Beteiligten seine Unschuld beweisen kann.
Allerdings gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Wenn beispielsweise ein Anscheinsbeweis vorliegt, kann die Beweislast umgekehrt werden. Ein Anscheinsbeweis kommt dann zum Tragen, wenn nach der Lebenserfahrung ein bestimmter Geschehensablauf typisch ist. Auf Autobahnen gilt zum Beispiel oft der Anscheinsbeweis zugunsten des Vorausfahrenden bei Auffahrunfällen.
In Fällen mit unklarer Beweislage spielen Indizien eine wichtige Rolle. Gerichte berücksichtigen alle verfügbaren Beweise wie Fotos von der Unfallstelle, Zeugenaussagen, Gutachten von Sachverständigen und die Plausibilität der Unfallschilderungen. Je mehr Beweise vorliegen, desto eher kann das Gericht zu einer Entscheidung kommen.
Es ist wichtig zu betonen, dass Versicherungen in solchen Fällen oft zunächst die Zahlung verweigern oder nur einen Teil des Schadens übernehmen. Dies kann dazu führen, dass der Geschädigte gezwungen ist, den Rechtsweg zu beschreiten, um seine Ansprüche durchzusetzen.
Eine mögliche Lösung bei unklarer Beweislage ist der Vergleich. Hierbei einigen sich die Parteien auf eine Schadensaufteilung, die nicht unbedingt der tatsächlichen Schuld entsprechen muss, aber einen Rechtsstreit vermeidet. Dies kann für beide Seiten vorteilhaft sein, da langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren vermieden werden.
In einigen Fällen kann auch die Einschaltung eines unabhängigen Gutachters helfen, die Situation zu klären. Ein neutraler Sachverständiger kann oft anhand der Unfallspuren und der Beschädigungen an den Fahrzeugen Rückschlüsse auf den Unfallhergang ziehen.
Es ist ratsam, nach einem Unfall so viele Beweise wie möglich zu sammeln. Dazu gehören Fotos von der Unfallstelle und den beteiligten Fahrzeugen, Kontaktdaten von Zeugen und ein detailliertes Unfallprotokoll. Je mehr Informationen vorliegen, desto einfacher ist es, den Unfallhergang zu rekonstruieren und die Schuldfrage zu klären.
Bei komplexen Fällen oder hohen Schadenssummen kann es sinnvoll sein, einen spezialisierten Verkehrsrechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser kann die rechtliche Situation einschätzen, bei Verhandlungen mit der Versicherung unterstützen und gegebenenfalls die Interessen des Mandanten vor Gericht vertreten.
Abschließend ist zu beachten, dass jeder Unfall individuell betrachtet werden muss. Die rechtlichen Konsequenzen bei unklarem Unfallgeschehen hängen stark von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Eine sorgfältige Dokumentation und professionelle Beratung können entscheidend dazu beitragen, die eigenen Rechte zu wahren und faire Lösungen zu finden.
Welche Beweismittel sind relevant, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen?
Der Anscheinsbeweis spielt bei der rechtlichen Beurteilung von Verkehrsunfällen eine wichtige Rolle. Er ermöglicht es dem Gericht, auf Grundlage typischer Geschehensabläufe Rückschlüsse auf ein schuldhaftes Verhalten zu ziehen. Um diesen Anscheinsbeweis zu widerlegen, können verschiedene Beweismittel relevant sein.
Unfallschilderungen der Beteiligten haben bei der Beweiswürdigung eine zentrale Bedeutung. Sie liefern dem Gericht wichtige Informationen über den Unfallhergang aus erster Hand. Allerdings müssen diese Aussagen kritisch geprüft werden, da sie subjektiv gefärbt sein können. Das Gericht wird die Glaubwürdigkeit und Plausibilität der Schilderungen sorgfältig abwägen.
Ein besonders gewichtiges Beweismittel zur Widerlegung des Anscheinsbeweises ist das Sachverständigengutachten. Ein unabhängiger Experte kann durch seine fachliche Expertise neue Erkenntnisse liefern, die den typischen Geschehensablauf in Frage stellen. Der Sachverständige untersucht beispielsweise Unfallspuren, Beschädigungen an den Fahrzeugen oder rekonstruiert den Unfallhergang. Seine Schlussfolgerungen können den Anscheinsbeweis erschüttern, wenn sie eine ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs aufzeigen.
Neben diesen Hauptbeweismitteln können auch Zeugenaussagen von Unbeteiligten den Anscheinsbeweis entkräften. Neutrale Zeugen, die den Unfall beobachtet haben, liefern oft wertvolle Hinweise auf den tatsächlichen Hergang. Ihre Aussagen können insbesondere dann bedeutsam sein, wenn sie den typischen Geschehensablauf widerlegen.
Objektive Beweismittel wie Fotos oder Videos vom Unfallort können ebenfalls zur Widerlegung des Anscheinsbeweises beitragen. Sie dokumentieren die Unfallsituation unmittelbar nach dem Geschehen und können Aufschluss über die Fahrzeugpositionen, Beschädigungen oder Spuren geben. Diese visuellen Belege sind oft aussagekräftiger als bloße Schilderungen.
In manchen Fällen können auch technische Aufzeichnungen relevant sein. Dazu gehören etwa Daten aus Fahrtenschreibern oder modernen Fahrassistenzsystemen. Diese liefern präzise Informationen über Geschwindigkeit, Bremsmanöver oder andere fahrzeugtechnische Aspekte zum Unfallzeitpunkt.
Die Unfallörtlichkeit selbst kann als Beweismittel dienen. Besondere Straßenverhältnisse, unübersichtliche Verkehrsführungen oder außergewöhnliche Witterungsbedingungen können den typischen Geschehensablauf beeinflussen. Eine genaue Dokumentation und Analyse dieser Umstände kann den Anscheinsbeweis in Frage stellen.
Bei der Bewertung der Beweismittel ist zu beachten, dass der Anscheinsbeweis bereits dann erschüttert ist, wenn eine ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs besteht. Es muss nicht der volle Beweis des Gegenteils erbracht werden. Vielmehr genügt es, wenn die vorgebrachten Beweismittel Zweifel am typischen Ablauf wecken.
Die Widerlegung des Anscheinsbeweises erfordert eine sorgfältige Zusammenstellung und Präsentation der relevanten Beweismittel. Jedes einzelne Beweismittel kann dabei den entscheidenden Beitrag leisten, um die typische Situation in Frage zu stellen und eine differenzierte rechtliche Beurteilung zu ermöglichen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Schadensersatz: Schadensersatz ist die finanzielle Entschädigung, die jemand erhält, wenn ihm durch eine andere Person ein Schaden zugefügt wurde. Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin Schadensersatz zugesprochen, weil ihr Fahrzeug bei dem Unfall beschädigt wurde.
- Sachverständiger: Ein Sachverständiger ist eine Person mit speziellen Fachkenntnissen, die vom Gericht beauftragt wird, um in einem bestimmten Bereich (z.B. Unfallrekonstruktion) eine Expertise abzugeben. Im vorliegenden Fall wurde ein Sachverständiger hinzugezogen, um den Unfallhergang zu rekonstruieren und die Schäden an den Fahrzeugen zu bewerten.
- Beweislast: Die Beweislast beschreibt die Pflicht einer Partei in einem Rechtsstreit, bestimmte Tatsachen zu beweisen. Im vorliegenden Fall konnte weder die Klägerin noch die Beklagtenseite den genauen Unfallhergang beweisen, was zu einer hälftigen Schadensteilung führte.
- Unaufklärbares Verkehrsunfallgeschehen: Ein unaufklärbares Verkehrsunfallgeschehen liegt vor, wenn der genaue Unfallhergang trotz aller Bemühungen nicht geklärt werden kann. In solchen Fällen wird der Schaden oft hälftig zwischen den Beteiligten aufgeteilt.
- Gesamtschuldner: Gesamtschuldner sind mehrere Personen, die für denselben Schaden verantwortlich sind. Im vorliegenden Fall wurden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, da sowohl der Lkw-Fahrer als auch die Versicherung für den Schaden am Pkw der Klägerin haften.
- Vorläufig vollstreckbar: Ein Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn es bereits vor Abschluss des Rechtsstreits durchgesetzt werden kann. Im vorliegenden Fall wurde das Urteil vorläufig vollstreckbar erklärt, was bedeutet, dass die Klägerin den zugesprochenen Schadensersatz bereits vor einer möglichen Revision geltend machen kann.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die Haftung für Schäden, die jemand anderem durch eine unerlaubte Handlung zugefügt wurden. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Lkw-Fahrer oder der Pkw-Fahrer durch ihr Verhalten den Unfall verursacht und damit den Schaden am jeweils anderen Fahrzeug verursacht haben.
- § 249 BGB (Schadensersatzumfang): Dieser Paragraph bestimmt den Umfang des Schadensersatzes, der dem Geschädigten zusteht. Im vorliegenden Fall geht es darum, wie hoch der Schaden am Pkw ist und in welcher Höhe die Klägerin Anspruch auf Ersatz hat.
- § 7 StVG (Haftung des Fahrzeughalters): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht wurden. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte zu 3. als Halterin des Lkw in Anspruch genommen worden.
- § 18 StVG (Haftung mehrerer Beteiligter): Dieser Paragraph regelt die Haftung mehrerer Beteiligter für einen Schaden. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob der Lkw-Fahrer und der Pkw-Fahrer beide für den Unfall verantwortlich sind und deshalb beide haften müssen.
- § 286 ZPO (Beweislast): Dieser Paragraph regelt die Beweislast im Zivilprozess. Im vorliegenden Fall geht es darum, wer beweisen muss, dass der jeweils andere den Unfall verursacht hat. Da dies nicht eindeutig geklärt werden konnte, wurde der Schaden geteilt.
[/themify_box]
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 12 U 325/13 – Urteil vom 26.10.2015
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 27.02.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 19.737,50 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2012 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 65 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 35 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit der Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis geltend, das sich am 28.05.2012 auf der Autobahn A 61 in der Gemarkung …[Z] ereignet hat. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 56.576,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2012 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit seinem am 27.02.2013 verkündeten Urteil hat das Landgericht Mainz die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 56.576,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2012 zu zahlen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts Mainz vom 27.02.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. …[A] sowie durch Einholung zweier gutachterlicher Stellungnahmen des Sachverständigen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen in dem Gutachten vom 26.02.2014 sowie in den gutachterlichen Stellungnahmen vom 06.10.2014 und vom 27.03.2015 Bezug genommen. Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 19.737,50 € aus § 823, 249 BGB, 7, 18 StVG. Die Beklagte zu 3. ist für die Regulierung von Unfallschäden von Ausländern im Inland passivlegitimiert und haftbar.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass vorliegend von einem sogenannten unaufklärbaren Verkehrsunfallgeschehen auszugehen ist. Als Folge hieraus war eine hälftige Schadensverteilung (siehe u. a. BGH in VersR 2011, 234) vorzunehmen.
Dem Senat ist es anhand der Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, ob der streitgegenständliche Verkehrsunfall allein oder zumindest vorwiegend von der Beklagten zu 1. oder aber allein oder zumindest vorwiegend von dem Geschäftsführer der Klägerin verursacht worden ist. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 26.02.2014 überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, sowohl die Unfallschilderung der Beklagten zu 1. als auch die des Geschäftsführers der Klägerin seien für ihn insbesondere aufgrund der vorgefundenen Schadensbilder nicht nachvollziehbar. Hätte sich der Unfall so wie von der Beklagten zu 1. vorgetragen ereignet, so seien an dem Lkw größere Beschädigungen bis zur Zugmaschine zu erwarten gewesen, die es aber eben nicht gebe. In diesem Falle gäbe es auch kein Aufsteigen des Pkw der Klägerin am vorderen Reifen des Aufliegers. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit der Unfallschilderung der Beklagten zu 1. die vorhandenen Beschädigungen und der daraus notwendige Berührungsverlauf nicht darstellen ließen. Gleiches hat der Sachverständige allerdings auch bezüglich der Unfallschilderung des Geschäftsführers der Klägerin festgestellt. Er hat dies damit überzeugend und nachvollziehbar begründet, dass, da für das Fahrzeug der Klägerin eine höhere Geschwindigkeit vorgegeben sei als für den Lkw, es technisch nicht möglich sei, dass das Fahrzeug der Klägerin schon neben dem Lkw gewesen sei, als der Lkw seinen Spurwechsel eingeleitet habe. Somit sei auch die klägerische Kollisionsschilderung für ihn nicht nachvollziehbar. Auch hier seien die vorhandenen Beschädigungen mit dieser Kollisionsschilderung nicht vereinbar. Der Sachverständige hat dieses von ihm gefundene Ergebnis auch in den beiden von ihm erstellten ergänzenden Stellungnahmen vom 06.10.2014 und vom 27.03.2015 ausdrücklich bestätigt. In diesem Zusammenhang hat er noch einmal klargestellt, dass es weder möglich sei festzustellen mit welcher Geschwindigkeit sich der Geschäftsführer der Klägerin dem von der Beklagten zu 1. geführten Lkw angenähert habe noch welche Geschwindigkeit der Lkw zum Zeitpunkt des Spurwechsel gefahren habe. Aus diesem Grund sei es ihm aber auch nicht möglich festzustellen, wie weit der klägerische Pkw noch von dem Lkw entfernt gewesen sei als dieser begonnen habe den Spurwechsel zu vollziehen. Konsequenterweise hat der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 27.03.2015 dann auch festgestellt, dass es ihm somit auch nicht möglich sei, belastbare Angaben zur Vermeidbarkeit des streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignisses zu machen. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Richtigkeit dieser nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln. Er schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an.
Somit war es dem Senat aber anhand der Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich festzustellen, ob der streitgegenständliche Verkehrsunfall durch eine unachtsam vorgenommenen Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1. (§ 7 Abs. 5 StVO) oder durch einen schuldhaften Verstoß des Geschäftsführers der Klägerin gegen § 4 Abs. 1 StVO (Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes) bzw. gegen § 1 Abs. 2 StVO (Unaufmerksames Fahren) verursacht worden ist.
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts durch die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.09.2015. Die Ausführungen (Berechnungen) der Klägerin bezüglich der Dauer des Spurwechsels des Lkw bzw. der Missachtung der doppelten Rückschaupflicht der Beklagten zu 1. gehen von gefahrenen Geschwindigkeiten von 120 km/h (Pkw der Klägerin) bzw. 86 km/h (Lkw) aus. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen kann aber nicht mehr festgestellt werden, mit welchen Geschwindigkeiten die unfallbeteiligten Fahrzeuge bewegt wurden.
Entgegen der auch in der Berufung vertretenen Auffassung der Klägerin konnten zu ihren Gunsten auch nicht die Regelungen des Anscheinsbeweises in Ansatz gebracht werden. Bei „Auffahrunfällen“ auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis nämlich dann regelmäßig nicht anwendbar, wenn sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall im unmittelbaren Zusammenhang einerseits mit einem Fahrstreifenwechsel des einen Unfallbeteiligten und andererseits mit einem Überholvorgang des anderen Unfallbeteiligten ereignet hat und der Sachverhalt im Übrigen nicht aufklärbar ist (BGH in MDR 2012, 145; OLG Koblenz in ZfSch 2014, 380). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang im obigen Sinne ist vorliegend gegeben. Nach der Überzeugung des Senats macht es auch keinen Unterschied, ob der von hinten kommende Unfallbeteiligte frontal auf den spurwechselnden Unfallbeteiligten auffährt oder aber wie vorliegend einen Seitenschaden erleidet. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn es der Klägerin gelungen wäre zu beweisen, dass die Beklagte zu 1. den Spurwechsel zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, als sich der Pkw der Klägerin bereits neben dem Lkw befunden hat. Nach den obigen Ausführungen des Senats steht dies aber gerade nicht fest. Damit war im Ergebnis von einem sogenannten ungeklärten/unaufklärbaren Verkehrsunfallgeschehen auszugehen.
Was die Höhe des ersatzfähigen Schadens angeht gilt Folgendes:
Da die Klägerin den Pkw nicht hat reparieren lassen, ist sie auf die preisgünstigere Ersatzbeschaffung zu verweisen (Gebot der Wirtschaftlichkeit). Der Sachverständige hat den Nettowiederbeschaffungswert des klägerischen Pkw in seinem Gutachten vom 26.02.2014 auf 54.000,00 € beziffert. Abzüglich des Restwerts von 18.705,88 € ergibt sich somit zunächst ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 35.294,12 €. Dem hinzuzurechnen waren die Sachverständigenkosten in Höhe von 3.792,90 €, die Abschleppkosten in Höhe von 296,00 €, die Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie die Kosten für den ausgefallenen Flug in Höhe von 66,98 €. Nicht hinzuzurechnen waren hingegen die geltend gemachten Stornokosten bezüglich des Mietwagens. Insoweit haben die Beklagten substantiiert bestritten, dass eine kostenfreie Stornierung nicht möglich gewesen wäre. Die Klägerin ist dem nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Die Wertminderung war nicht in Ansatz zu bringen, da vorliegend eine Abrechnung auf Totalschadenbasis erfolgt ist. Auszugehen war somit von einem Gesamtschaden von 39.475,00 €. Der ersatzfähige hälftige Anteil hiervon beträgt 19.737,50 €. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die ausgeurteilte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 56.576,35 € festgesetzt.

Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz