Verkehrsunfall auf Parkplatz: Schadensersatz und Haftungsverteilung
In einem Rechtsstreit vor dem LG Wiesbaden (Az.: 2 O 1096/20) ging es um Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls auf dem Parkplatz eines Baumarkts. Der Kläger, Eigentümer und Halter eines Fiat 500L, verlangte Schadensersatz vom Beklagten zu 1 und dessen Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2. Der Unfall ereignete sich, als der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug aus einer Fahrgasse des Parkplatzes auf die Ein- und Ausfahrtsstraße abbog und dabei mit dem klägerischen Fahrzeug kollidierte.
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Übersicht:
Haftungsgrund und Schadenshöhe
Der Kläger machte einen Gesamtschaden in Höhe von 7.610,32 Euro geltend, der sich aus Reparaturkosten, Sachverständigenkosten, einer Wertminderung und einer Allgemeinkostenpauschale zusammensetzte. Zudem verlangte er vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte zu 2 lehnte eine Schadensregulierung ab und verwies darauf, dass auf dem Parkplatzgelände die Regel „rechts vor links“ gelte.
Entscheidung des Gerichts und Haftungsverteilung
Das Gericht entschied, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt werden, an den Kläger 2.068,76 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 3/4 und die Beklagten zu 1/4 zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Relevante Faktoren und Argumente
Das Gericht wies darauf hin, dass auf dem Parkplatz ein Verkehrsschild mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h angebracht war und darunter stand, dass die Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt. Demnach galt die Regel „rechts vor links“ auch auf dem Parkplatzgelände. Bei der Haftungsverteilung wurden die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile berücksichtigt.
Zusammenfassung der Entscheidung
Insgesamt wurde den Beklagten eine Teilhaftung zugesprochen, wodurch der Kläger einen reduzierten Schadensersatz erhielt. Das Gericht betonte die Anwendbarkeit der StVO auf dem Parkplatzgelände und die Relevanz der Regel „rechts vor links“ bei der Beurteilung der Haftungsverteilung.
Das vorliegende Urteil
LG Wiesbaden – Az.: 2 O 1096/20 – Urteil vom 23.12.2021
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 2.068,76 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.886,45 Euro seit dem 08.04.2020 und aus 182,31 Euro seit dem 10.07.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 3/4 und die Beklagten zu 1/4 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 30.1.2020 gegen 14:45 Uhr auf dem Parkplatzgelände des XXX Baumarktes, F.-B.-Straße …, W., ereignete.
Der Kläger ist Eigentümer und Halter des beschädigten Fahrzeugs, Fiat 500L mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer: Z… und dem amtlichen Kennzeichen: … .
Am 30.1.2020 fuhr der Zeuge XXX mit dem Fahrzeug des Klägers in der Ein- und Ausfahrtsstraße des XXX Parkplatzes in Richtung der Ausfahrt zu F.-B.- Straße. Zeitgleich befuhr der Beklagte zu 1 mit dem Fahrzeug, amtliches Kennzeichen … , welches bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist, einen zwischen den einzelnen Abstellreihen gelegene Fahrgasse des XXX Parkplatzes, um nach rechts auf die gradlinig vorbeiführenden Ein- und Ausfahrtsstraße abzubiegen, um sodann den Hof des XXX Parkplatzes über die F.-B.-Straße zu verlassen. Zu den örtlichen Begebenheiten wird auf die Anlage B2 verwiesen. Der Beklagte zu 1) sah das klägerische Fahrzeug fahren, fuhr dann in die Ein- und Ausfahrtsstraße ein. Es kam sodann zu einer Kollision zwischen den Fahrzeugen. Hierbei kam es zu einem Sachschaden des klägerischen Fahrzeugs, welches hauptsächlich im Bereich des rechten hinteren Radkastens beschädigt wurde. Auf dem Parkplatz befindet sich ein Verkehrsschild, auf dem die Maximalgeschwindigkeit mit 20 km/h angegeben ist und unter welchem steht, dass die StVO gilt. Diesbezüglich wird auf die Anlage B1 verwiesen.
Der Kläger macht einen Schaden i.H.v. 7610,32 € geltend. Dieser setzen sich zusammen aus Reparaturkosten gemäß Gutachten i.H.v. 6.00 2,25 € (diesbezüglich wird auf Anlage K 3 verwiesen), Kosten des Sachverständigen i.H.v. 933,07 € (diesbezüglich wird auf Anlage K 4 verwiesen), einer Wertminderung i.H.v. 650 € und einer Allgemeinkostenpauschale i.H.v. 25 €. Ebenso macht er vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 729,23 € geltend.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 4.2.2020 zeigte der Kläger den Beklagten durch Schreiben an die Beklagte zu 2) das Schadensereignis an und forderte auf, eine Haftung dem Grunde nach zu bestätigen. Die Beklagte zu 2) gab darauf an, Ihre Eintrittspflicht zu prüfen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4.3.2020 an die Beklagten wurde der Schaden beziffert. Ebenso wurden diese mit Fristsetzung bis zum 25.3. 2020 zur Schadensregulierung aufgefordert.
Mit Schreiben vom 5.3.2020 lehnte die Beklagte zu 2) eine Schadensregulierung ab die verwies darauf, dass auf dem Parkplatzgelände rechts vor links gelte. Sodann erfolgte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.3.2020 eine erneute Aufforderung zur Schadensregulierung mit Fristsetzung bis zum 7.4.2020. Die Beklagte lehnte auch weiterhin eine Schadensregulierung ab.
Der Kläger behauptet, dass der Beklagte zu 1) urplötzlich und unvermittelt von einer untergeordneten Fahrgasse in die Ein- und Ausfahrtstraße eingefahren sei. Der Zeuge XXX habe den Einmündungsbereich zur Fahrgasse, aus der der Beklagte zu 1) gekommen sei nahezu gänzlich passiert, als der Beklagte eingefahren sei. Deswegen sei es zu einer Kollision im Bereich der rechten hinteren Fahrzeugtür sowie des rechten hinteren Rades gekommen. Die Fahrbahnen seien bereits optisch aufgrund ihrer jeweiligen Breite baulich deutlich voneinander abgrenzbar. Klar erkennbar sei die breite, durchführende Zufahrtsstraße, angrenzend die untergeordneten Fahrgassen. Das Schadensereignis sei für den Zeugen XXX unvermeidbar gewesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagten zu 100 % für das Schadensereignis haften würden. Der Beklagte zu 1) habe gegen die ihm nach § 10 S. 1 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen. Gegen den Beklagten zu 1) streite damit bereits der Beweis des 1. Anscheins. Er ist der Auffassung, dass er vorfahrtsberechtigt gewesen sei. Der Grundsatz „rechts vor links“ gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 StVO finde vorliegend keine Anwendung, da es sich vorliegend nicht um das Zusammentreffen von zwei gleichberechtigten, dem fließenden Verkehr dienenden Straßen handele, von denen die eine in die andere münde. Die nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotene Abwägung der Verursachung und Verschuldensanteile müsse daher zulasten des Beklagten zu 1) ausfallen, da lediglich auf seiner Seite ein kausaler Verstoß gegen § 10 S. 1 StVO vorliege. Aufgrund des schuldhaften Fehlverhalten des Beklagten zu 1) überwiege dessen sorgfaltswidriges Fahrverhalten dermaßen, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers vollkommen zurücktrete. Der Kläger habe sich auf den im Straßenverkehr geltende Vertrauensgrundsatz verlassen dürfen, wonach der vorfahrtsberechtigte Verkehrsteilnehmer grundsätzlich davon ausgehen dürfe, dass andere Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht beachten würden. Sowohl die UPE-Aufschläge als auch die Verbringungskosten seien erforderliche Kosten zur vollständigen Wiederherstellung und daher auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung zu ersetzen.
Die Klage ist ausweislich der Zustellungsurkunden den Beklagten am 09.07.2020 zugestellt worden.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 7610,32 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.4.2020 zu zahlen;
2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, zur Entlastung des Klägers an seiner Prozessbevollmächtigten 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, den Kläger von der Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 719,23 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 1) kurz vor der Einmündung gehalten habe und erst dann mit einer Geschwindigkeit von max. 5-10 km/h nach rechts abgebogen sei. Das klägerische Fahrzeug befand sich beim Abbiegen noch etwa 2-3 Fahrzeuglängen vom Beklagtenfahrzeug aus nach links gesehen weit entfernt. Das Beklagtenfahrzeug sei daher für den Zeugen XXX gut erkennbar gewesen. Der Zeuge XXX sei mit sehr zügiger Geschwindigkeit gefahren, da er erst etwa 20 m nach der Kollisionsstelle zum Stehen kam. Auf dem Parkplatzgelände gelte die Straßenverkehrsordnung bei einer erlaubten Geschwindigkeit von max. 20 km/h. Die zu den einzelnen Parkreihen führenden Straßen seien von der Ein- und Ausfahrtsstraße, die ebenfalls zu den einzelnen Parkreihen führe und auf zwei Seiten des Gesamtkomplexes existiere, nicht baulich voneinander abgetrennt. Der Zeuge XXX habe nach dem Unfall gegenüber dem Beklagten zu 1 erklärt: „Entschuldigung, ich habe sie vollkommen übersehen.“ Der Zeuge XXX habe den Einmündungsbereich nicht gänzlich passiert als der Beklagte eingefahren sei, sondern der Beklagte zu 1 habe bereits zuvor an der Einmündung gestanden, so dass er vom Zeugen XXX bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht hätte übersehen werden können. Der Beklagte zu 1 sei langsam angefahren, während der Zeuge XXX schneller als 20 km/h gefahren sei und während des Einbiegens des Beklagten zu 1 mit dem klägerischen Fahrzeug vor das Beklagtenfahrzeug fuhr.
Die Beklagten behaupten, dass es zum Schadensbild gekommen sei, weil der Zeuge XXX unter Überschreitung der Geschwindigkeit und 20 km/h von 20 Prozent unter vermutlich falscher Annahme eines Vorrechtes gegenüber dem Beklagtenfahrzeug einfach weitergefahren sei, anstatt den Beklagten zu 1 bevorrechtigt abwiegen zu lassen. Da die Fahrgasse sehr breit ausgebaut sei, gelte die Vorfahrtsregel rechts vor links. Der Zeuge XXX, der eine zu hohe Geschwindigkeit gehabt habe, habe versucht dem Beklagtenfahrzeug auch noch auszuweichen, so dass sich das Schadensbild hierdurch erkläre.
Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass der an den Sachverständigen 933,07 Euro gezahlt habe. Die erforderlichen Reparaturkosten betrügen lediglich 4628,73 €. Die UPE-Aufschläge seien aufgrund der fiktiven Abrechnung nicht angefallen. Auch seien 80 € Verbringungskosten nicht fiktiv zu erstatten.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass auf dem Parkplatzgelände rechts vor links gelte.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30.06.2021 Bl. 100 ff. d. A. verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Ein Anspruch i.H.v. 2.068,76 Euro ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 StVG, für die Beklagte zu 2) i. V. mit § 115 VVG.
Eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger ist dem Grunde nach gegeben, da es zu einer Rechtsverletzung, hier das Eigentum des Klägers, bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges gekommen ist und der Beklagte zu 1) Führer und Halter des Fahrzeuges ist. Die Beklagte zu 2) ist der Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1)
Es liegt auch kein Haftungsausschluss durch höhere Gewalt gem. § 7 Abs. 2 StVG vor, da es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall nicht um ein völlig betriebsfremdes Ereignis handelt, was nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar und nicht zu verhindern war.
Die Beklagten haften jedoch nur mit einer Quote von 25 Prozent.
Keiner der Parteien ist der Nachweis gelungen, dass der Unfall ein „unabwendbares Ereignis“ iSv § 17 Abs. 3 StVG für sie darstellt. Insbesondere steht nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts gem. § 286 ZPO fest, dass der Unfall für den Kläger durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Ein solches unabwendbares Ereignis kann gem. § 17 Abs. 3 StVG nur angenommen werden, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses ist wertend zu betrachten. Geboten ist eine am Schutzzweck der Gefährdungshaftung für den Kraftfahrzeugbetrieb ausgerichtete Wertung unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände. Nach der Gesetzesintention kann ein Schadensereignis insbesondere dann als unabwendbar anzusehen sein, wenn sich darin – sei es auch im Zusammenhang mit dem Betrieb des Kfz – ein Risiko aus einem fremden Gefahrenkreis aktualisiert, weshalb eine Gefährdungshaftung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Eine absolute Unvermeidbarkeit ist nicht erforderlich. Ebenso wenig genügt allerdings der Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach § 276 Abs. 2 BGB. Geboten ist eine besonders sorgfältige Reaktion. Es muss ein schadenstiftendes Ereignis vorliegen, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Eine Freistellung soll nur erfolgen, wenn sich der Schadenseintritt auch bei vorsichtigem Vorgehen nicht vermeiden lässt. Notwendig ist daher eine über den gewöhnlichen Fahrerdurchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht und ein über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinausreichendes geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Augenblick der Gefahr. Der Fahrer muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben. Hierzu gehört ein in der bestimmten Verkehrssituation alle möglichen und naheliegenden Gefahrenmomente sowie fremde Fahrfehler berücksichtigendes Fahrverhalten. Ein unabwendbares Ereignis ist daher zu verneinen, wenn ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch abgewandt oder jedenfalls einen weniger schweren Unfall verursacht hätte. Ein „Idealfahrer“ hält nicht nur alle Verkehrsvorschriften ein. Er stellt seine Fahrweise auch von vornherein darauf ein, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden. Auf eine „Schreckzeit“ kann sich der Idealfahrer nur bei unvorhersehbaren Gefahren berufen. Die Prüfung des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses erfordert also die Bewertung, ob schnell und richtig auf Gefahrenmomente reagiert wurde, und die Beurteilung der Frage, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Verkehrslage geraten wäre. Ein sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnder Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr (zu spät) „ideal“ verhält (BeckOGK/Walter, 1.9.2019, StVG § 17 Rn. 12-15).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht davon überzeugt, dass der Kläger den Anforderungen an einen Idealfahrer in der konkreten Situation erfüllt hat. Es steht insbesondere nicht fest, dass der Beklagte zu 1) wie von dem Kläger vorgetragen urplötzlich und unvermittelt in eine untergeordnete Fahrbahn eingefahren ist. Zwar steht nach dem Sachverständigengutachten zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Beklagtenfahrzeug gegen den hinteren Bereich von der rechten Flanke des Klägerfahrzeugs gestoßen ist, als dieses gerade im Begriff war, den Bereich der Einmündung zu verlassen. Auch kommt das Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass sowohl bei Zugrundelegung, dass das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision im Einmündungsbereich angehalten habe als auch ob es ohne anzuhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, eine Kollision für den Zeugen XXX nicht vermeidbar gewesen wäre. Hierbei wurde jedoch seitens des Sachverständigen eine Bremsausgangsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs von 20 km/h zugrunde gelegt. Bei den Anforderungen an den Idealfahrer ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Verkehrslage geraten wäre, und eben nicht nur, ob schnell und richtig auf Gefahrenmomente reagiert wurde. Nur weil die Kollision in der in der Einmündung befindlichen Situation für den Zeugen XXX nicht mehr technisch vermeidbar war, bedeutet die nicht, dass auch das Zustandekommen gerade dieser Unvermeidbarkeit ebenfalls unvermeidbar war.
Bei der Beurteilung, ob eine solche Gefahrenlage vermeidbar war, ist nicht der Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB ausreichend, sondern der Zeuge XXX hätte als Idealfahrer aufgrund der auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen nicht immer eindeutig vorhandene Vorfahrtsregelungen sich vor Einfahren in die Einmündung zunächst versichern müssen, dass ein Fahrzeug von rechts nicht kommt. Dies umso mehr, da es sich vorliegend bei der von dem Beklagtenfahrzeug befahrenen Gasse nicht um eine untergeordnete Straße handelt. Selbst wenn der Kläger davon ausgegangen ist, dass er vorliegend vorfahrtsberechtigt sei, so hätte er aufgrund der oft nicht jedem sofort klaren Vorfahrtsregeln auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen damit rechnen müssen, dass ein von rechts kommender Fahrer die Vorfahrtsregel anders beurteilt. Der Kläger hätte daher mit einem Einfahren aus der Gasse des Beklagten kommenden Fahrzeugs rechnen und sich langsam in den Einmündungsbereich vortasten müssen.
Da der Kläger und die Beklagten grundsätzlich gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, ggf. i.V.m. § 115 VVG haften und insoweit weder § 7 Abs. 2 StVG noch § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG eingreifen, hängt gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der somit erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 21.11.2006, VI ZR 115/05, r+s 2007, 76; BGH, Urt. v. 27.6.2000, VI ZR 126/99, r+s 2000, 409; OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.10.2010, 4 U 110/10, BeckRS 2010, 25380; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.7.2018, 1 U 117/17, r+s 2018, 671 Rn. 5). Die jeweils ausschließlich unstreitigen oder nachgewiesenen Tatbeiträge, müssen sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis obliegt im Übrigen demjenigen, der sich auf einen einzustellenden Gesichtspunkt beruft, d. h. hier der jeweils anderen Partei (vgl. BGH r+s 1996, 174; König in Hentschel/König/Dauer, StVR, 44. Aufl. 2017, § 17 StVG, Rn. 31; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.7.2018, 1 U 117/17, r+s 2018, 671 Rn. 5).
Nach diesen Maßstäben ist im Rahmen der Abwägung zulasten des Klägers ein Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Der Kläger der aus der über die Einmündung hinaus geradeaus fahren wollte, hatte an der Einmündung dem von rechts kommenden Beklagten zu 1) nach der Regel „rechts vor links“ Vorfahrt zu gewähren.
Vorliegend war die Regel des § 8 Abs. 1 StVO auf dem öffentlich zugänglichen Parkplatz auch anwendbar. Dass die StVO grundsätzlich zu beachten war, ergibt sich bereits aus dem als Anlage B1 vorgelegten Lichtbilder, welches eindeutig ein Verkehrsschild zeigt, wonach die StVO auf dem Parkplatz gilt.
Inwieweit die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 StVO auf einem Parkplatz Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr, d. h. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen (OLG Hamm Urteil vom 15.02.2001 – 5 U 202/00 – zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf NZV 2000, 263; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 8.9.2009 – 14 U 45/09, BeckRS 2010, 1841, beck-online).
Ausgehend von diesen Maßstäben weisen, wie aus der Luftbildaufnahme (Anlage B2) ersichtlich ist, die Fahrspuren des Parkplatzes, von denen aus die gesondert markierten Parkplätze angefahren werden müssen, eine ausreichende Breite auf, um zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passieren zu lassen. Dies ermöglicht sowohl einen Begegnungsverkehr als auch das Vorbeifahren an einem äußerst langsam fahrenden Suchverkehr. Hierdurch wird den Parkplatznutzern ein gewisser Straßencharakter vermittelt, der durch den Umstand, dass keine Fahrtrichtungspfeile vorhanden sind und die Fahrspuren umlaufend befahren werden können, verstärkt wird. Auch aus Anlage B1 (zweites Bild) ist erkennbar, dass Aus diesem Grund liegt es nahe, an den Schnittpunkten (Kreuzungen und Einmündungen) der Fahrspuren die Rechts-vor Links-Regel anzuwenden, gegen die der Kläger verstoßen hat, indem er über die Einmündung, aus der das Beklagtenfahrzeug kam, fuhr ohne auf den von rechts kommenden Beklagten zu 1) zu achten.
Ein Beweis des ersten Anscheins streitet daher gerade – entgegen des klägerischen Vortrags – gerade nicht für den Kläger. Vielmehr streitet der Beweis des ersten Anscheins für den Beklagten zu 1).
Eine unfallursächliche Missachtung des Vorfahrtsrechts des Klägers durch den Bekl. zu 1) steht nach Anscheinsgrundsätzen fest. Ein Beweis des ersten Anscheins ist immer dann anzunehmen, wenn sich in einem (Unfall-)Geschehen ein hinreichend typisierter Geschehensablauf realisiert hat, der einen Rückschluss auf ein unfallursächliches Fehlverhalten einer Partei regelmäßig zulässt.
So liegt der Fall hier.
Das Vorfahrtsrecht gilt für die Kreuzungsfläche, die bei rechtwinklig einmündenden Straßen und bei rechtwinkligen Straßenkreuzungen von den Fluchtlinien der Fahrbahnen beider Straßen gebildet wird und bei einer trichterförmigen Einmündung auch die ganze bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterte bevorrechtigte Fahrbahn umfasst (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2014, VI ZR 279/13, r+s 2014, 364, Rn. 11 mwN). Dabei gilt die Wartepflicht des § 8 Abs. 2 StVO, bis der Einfahrende sich vollständig auf der vorfahrtsberechtigten Straße eingeordnet und eine den dort fahrenden Fahrzeugen entsprechende Geschwindigkeit erreicht hat (vgl. Bender in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl., § 8 StVO, Rn. 13; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 8 StVO, Rn. 55). Erst ab diesem Zeitpunkt richtet sich das weitere Verkehrsgeschehen nach den üblichen Abstands- und Überholregeln.
Ausgehend hiervon, ereignete sich der streitgegenständliche Unfall im Zusammenhang mit einem Vorfahrtsverstoß des Klägers. Dies steht nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur erforderlichen Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass das Klägerfahrzeug den Kreuzungsbereich nahezu passiert hat, jedoch nicht vollständig. Ebenso stellt er fest, dass das Beklagtenfahrzeug mit einem Längswinkel von 27 Grad +/- 3 Grad mit der linken Vorbauecke gegen den Bereich vom Kniestück des rechten Seitenteils am Klägerfahrzeug gestoßen ist. Ein Auffahrunfall liegt daher gerade nicht vor. Vielmehr steht fest, dass sich der vorfahrtsberechtigte Beklagte zu 1) noch nicht vollständig auf der Straße eingeordnet hatte. Der Kläger hätte den Beklagten vollständig passieren lassen müssen, bevor er in den Einmündungsbereich einfährt.
Kommt es – wie hier – zu einem Verkehrsunfall mit einem zur Vorfahrt Berechtigten, nachdem der Wartepflichtige bereits in den Einmündungsbereich eingefahren war, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein Verstoß gegen § 8 StVO unfallursächlich war, solange sich der Wartepflichtige noch nicht ohne Behinderung des bevorrechtigten Verkehrs eingeordnet hatte (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1982, 2668; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 8 StVO, Rn. 68; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 2.4.2009, 12 U 214/08, BeckRS 2009, 10345 Rn. 7).
Dieser Anschein kann nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 8 StVO, Rn. 68 mwN).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis einer unfallursächlichen Vorfahrtsverletzung durch den Nachweis von Umständen auszuräumen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass der Beklagte zu 1) sich beim Einfahren des Klägers in den Kreuzungsbereich noch in der Parkplatzgasse und nicht bereits in der Ein- und Ausfahrtsstraße befunden hat und somit für den Kläger gar nicht als Vorfahrtsberechtigter (rechtzeitig) erkennbar war.
Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1) mit einer dermaßen hohen Geschwindigkeit in die Einmündung eingefahren ist, dass der Kläger diesen zuvor nicht habe wahrnehmen können. Vielmehr kann der Sachverständige keine Feststellung dazu treffen, ob das Beklagtenfahrzeug vor der Einmündung angehalten hat oder ohne Anhalten in die Einmündung eingefahren ist. Auch konnte durch das Sachverständigengutachten nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger in angepasster Geschwindigkeit fuhr, vielmehr kann die Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs nicht mehr ermittelt werden. Auch konnte der Kläger nicht nachweisen, dass der Beklagte zu 1) in Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit, wie von ihm vorgetragen urplötzlich und unvermittelt in einem Zug in die Ein- und Abfahrtsstraße einfuhr. Vielmehr besteht die Möglichkeit, dass das sich das klägerische Fahrzeug noch 1,5 Fahrzeuglängen vom Mittelpunkt des Einmündungsbereiches entfern befunden haben könnte. Nach beiden von dem Sachverständigen zugrunde zu legenden Alternativen (Beklagtenfahrzeug fuhr einmal mit, einmal ohne zu halten in die Einmündung) steht nach den Zeichnungen 3 und 4 des Sachverständigen nicht fest, dass der Beklagte unverhofft, und ohne für den Kläger erkennbar, in den Einmündungsbereich eingefahren ist.
Trotz dieser grundsätzlich anzuwendenden Grundsätze ist bei einer Vorfahrtsverletzung auf Parkplötzen im Gegensatz zu Vorfahrtsverletzungen im fließenden Verkehr bei fehlendem Mitverschulden des Bevorrechtigten regelmäßig nicht von einer Alleinhaftung des Wartepflichtigen auszugehen. Das liegt zum einen daran, dass der Vorfahrtsberechtigte hier in besonderem Maße mit Vorfahrtsverletzungen rechnen muss und sich deshalb nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. Das erhöht nicht nur seine Sorgfaltsanforderungen als Idealfahrer nach § 17 III StVG, sondern auch als Durchschnittsfahrer nach § 1 II StVO, weshalb nicht selten ein Mitverschulden zu berücksichtigen ist, etwa dann, wenn sich der Bevorrechtigte nicht auch nach links umfassend vergewissert oder nicht stets bremsbereit fährt. Zum anderen stellt die Vorfahrtsverletzung auf einem Parkplatz aufgrund der baulichen Gegebenheiten, der ständig wechselnden Verkehrssituationen und vor allem wegen der undurchsichtigen Vorfahrtsregel grundsätzlich keinen schwerwiegenden Regelverstoß dar, der ein Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs rechtfertigt. Eine Mithaftung des Bevorrechtigten von 25 % wird daher ohne Hinzutreten weiterer gefahrerhöhender Umstände regelmäßig verbleiben (vgl. NJW 2019, 2502, beck-online).
Ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, insbesondere konnte nicht mehr festgestellt werden, dass das Fahrzeug vor Einfahrt in den Einmündungsbereich gerade nicht angehalten hatte, sondern durchgefahren ist, sodass von einer Haftung auf Beklagtenseite von 25 Prozent auszugehen ist.
Es ist auch ein adäquat kausaler Schaden i.S.d. § 249 ff. BGB i.H.v. insgesamt 7.545,78 Euro entstanden, von denen der Beklagte 25 Prozent, mithin 1.886,45 Euro zu tragen hat.
Bei Reparaturkosten handelt es sich um einen adäquat kausalen Schaden i.S.d. § 249 BGB. Jedoch sind nicht wie vom Kläger beantragt 6.002,25 Euro zur Wiederherstellung erforderlich, sondern nur i.H.v. 5.937,71 Euro, von denen der Beklagte 1.484,43 Euro zu ersetzen hat. Hinsichtlich der Zusammenstellung des Schadens wird auf das Privatgutachten des Sachverständigen XXX verwiesen.
Insbesondere waren auch die UPE-Aufschläge i.H.v. 17 Prozent zu erstatten.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalles grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei (vgl. BGHZ 155, 1ff m.w. Nachw.). Unter dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte zwar grundsätzlich gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei genügt es aber im allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Das Grundanliegen des § 249 II 1 BGB, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll, darf bei der Bewertung nicht aus den Augen verloren werden. Der Geschädigte muss sich danach nur dann auf eine günstigere – und gleichwertige – Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, wenn ihm diese mühelos ohne weiteres zugänglich ist. Ist dies jedoch nicht der Fall – etwa weil die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze in den regionalen Fachwerkstätten tatsächlich anfallen – muss er sich auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen. Grundlage bei fiktiver Abrechnung der erforderlichen Reparaturkosten ist daher nicht der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region. Bei Zugrundelegung eines solchen abstrakten Mittelwertes würde nämlich außer Betracht bleiben, dass der Schädiger zur vollständigen Behebung des Schadens unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet ist, zudem würde die dem Geschädigten in § 249 II 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie unzulässigerweise eingeschränkt werden. Schließlich würde die Realisierung einer Reparatur zu den von dem Schädiger vorgetragenen (günstigeren) Preisen die Entfaltung erheblicher eigener Initiative durch den Geschädigten erfordern, wozu dieser jedoch nicht verpflichtet ist (vgl. LG Aachen, Urteil vom 7. 4. 2005 – 6 S 200/04 = NZV 2005, 649, beck-online).
Diese vom Bundesgerichtshof für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Stundenverrechnungssätzen einer Fachwerkstatt entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für die Frage der Erstattungsfähigkeit von sog. UPE-Aufschlägen, wenn diese – wie hier – in den örtlichen Fachwerkstätten anfallen. Denn auch in diesem Fall würde bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Bekl. die Dispositionsfreiheit des Geschädigten eingeschränkt und ihm auferlegt, einen aufwendigen Preisvergleich der einzelnen Werkstätten zu erstellen, um eine Reparatur im Rahmen der seitens des Schädigers zuerkannten Preise zu erhalten
Nichts Anderes kann gelten für die Verbringungskosten. Nehmen alle für die Reparatur in Frage kommenden markengebundenen Fachwerkstätten einen Aufschlag auf die Ersatzteilpreise und verfügen sie ferner nicht über eine eigene Lackiererei, so dass insoweit im Reparaturfall stets Verbringungskosten anfallen, gehören sowohl die UPE-Zuschläge als auch die Verbringungskosten zu den zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten, sie sind also nicht anders zu behandeln als die teureren Stundensätze (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.10 – VI ZR 259/09, NJW 2010, 2941, juris Rn. 10; OLG München, Urt. v. 27.5.10 – 10 U 3379/09, juris Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.10 – 1 U 140/09, juris Rn. 42; Urt. v. 16.6.08 – 1 U 246/07, DAR 2008, 523, juris Rn. 59; KG, Urt. v. 10.9.07 – 22 U 224/06; KGR Berlin 2008, 610; OLG Dresden, Urt. v. 13.6.01 – 13 U 600/01, DAR 2001, 455, juris Rn. 11).
Ausgehend von diesen Maßstäben waren sowohl die UPE-Aufschläge als auch die Verbringungskosten zu ersetzen. Der Sachverständige kommt insbesondere in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass d bei den regional ansässigen Fiat-Vertragswerkstätten ausnahmslos Aufschläge zwischen 10 Prozent und 17 Prozent auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers erhoben werden. Auch die für Wiesbaden zuständige Fiat-Vertragswerkstatt erhebt einen 17 prozentigen Aufschlag auf die UPE.
Auch bei den Ein- und Ausbau des Kraftstoffbehälters handelt es sich um einen adäquat kausalen Schaden im Sinne des § 249 BGB dar. Der Sachverständige führt diesbezüglich überzeugend aus, dass der Aus- und Einbau im Zusammenhang mit dem kalkulierten Teilersatz der hinteren rechten Seitenwand steht und deshalb eine Verbundsarbeit darstellt.
Auch bei dem kalkulierten Teilersatz der rechten Seitenwand des Klägerfahrzeugs handelt es sich um einen adäquat kausalen Schaden im Sinne des § 249 BGB. Der Sachverständige stellt fest, dass die rechte Seitenwand des Klägerfahrzeugs im Bereich des Kniestücks um ca. 2 cm eingetrübt gewesen ist. Unter der Radlaufabdeckung war das Kniestück vom rechten Seitenteil sogar ein gefaltet und zwar so erheblich, dass dort der Lack an der Kante abgeplatzt und der Aufnahmeclip der Radlaufverkleidung stark nach innen gedrückt worden ist. Dies begrenze die Möglichkeit einer Instandsetzung und deren Durchführung in einem akzeptablen Zeitrahmen daher war der im vom Kläger Gutachten kalkulierte Teilersatz der rechten Seitenwand für eine ordnungsgemäße fachgerechte Reparatur erforderlich.
Auch die Kosten für die Reifen sind grundsätzlich zu ersetzen, jedoch sind diese nur i.H.v. 90 Euro erforderlich i.S.d. § 249 BGB.
Wegen des Preisabzuges bei den Winterreifen rechts und die Erforderlichkeit der Erneuerung der Seitenwand hinten rechts ist ein Abzug bei den Kleinteilen nur i.H.v. 10,47 Euro angemessen. Im Übrigen sind die Kosten für die Ersatzteile erforderlich.
Auch die Kosten für die Erstellung des Privatgutachtens von Herrn XXX i.H.v. 933,07 Euro sind ein adäquat kausaler Schaden i.S.d. § 249 BGB, wovon der Beklagte zu 1) 233,27 Euro zu ersetzen hat.
Der Freistellungsanspruch hat sich auch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Mit Schreiben vom 04.03.2020 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Zahlung der Sachverständigenkosten i.H.v. 933,07 Euro bis zum 25.03.2020 an den Sachverständigen auf. Nach Ablauf dieser Frist hat sich der Freistellungsanspruch demnach in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 250 Rn. 13).
Auch ist ein Schaden i.H.v. 650 Euro i.S.d. § 251 BGB entstanden. Ausweislich des Privatgutachtens ist ein merkantiler Minderwert i.H.v. 650 Euro entstanden. Dieser wurde auch von den Beklagten nicht bestritten. Hiervon hat der Beklagte zu 1) 162,50 Euro zu ersetzen.
Auch die allgemeine Kostenpauschale i.H.v. 25,00 Euro stellt einen adäquat kausalen Schaden i.S.d. § 249 BGB dar, wovon der Beklagte zu 1) 6,25 Euro zu ersetzen hat.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 280 Abs.1, Abs.2, 288 BGB, da sich die Beklagten durch das Schreiben vom 27.03.2020 mit Fristsetzung zum 07.04.2020 seit dem 08.04.2020 in Verzug befanden.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) auch ein Anspruch auf Zahlung von 25 Prozent der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 729,23 Euro, also 182,31 Euro zu, da es sich auch hierbei um einen adäquat kausalen Schaden i.S.d. §§ 249, 250 BGB handelt. Ein etwaiger Befreiungsanspruch gem. § 250 S. 2 BGB ist in einen Geldanspruch übergegangen ist. Diese Vorschrift eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, unabhängig von den §§ 249 II, 251 BGB zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Herstellung, das heißt hier Haftungsfreistellung, setzt. Dem steht es nach ständiger Rechtsprechung des BGH gleich, wenn der Schuldner die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Dann wandelt sich der Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, WM 1965, 287 [289]; NJW-RR 1987, 43 = WM 1986, 1115 [1117]; NJW 1991, 2014 = WM 1991, 1002; NJW 1992, 2221 = WM 1992, 1074 [1076]; NVwZ 1993, 1020 L = WM 1993, 1557 [1559f.]; NJW-RR 1996, 700 = WM 1996, 1282 [1283]; NJW 1999, 1542 = WM 1999, 779 [781]).
So liegt der Fall hier. Die Beklagten haben eine Schadensersatzverpflichtung schon dem Grunde nach strikt abgelehnt. Mit Schreiben vom 05.03.2020 wurde eine Haftung. Auch eine abermalige Fristsetzung konnte die Beklagten nicht umstimmen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 01.04.2020, wo ausdrücklich geschrieben wird, dass die Auffassung nicht geändert werde. Eine endgültige Verweigerung liegt also vor. Der Kläger durfte damit davon ausgehen, dass auch die Rechtsanwaltskosten nicht übernommen werden und direkt zur Zahlung auffordern.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB seit dem 10.07.2020, da die Klage ausweislich der Zustellungsurkunden am 09.07.2020 zugestellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 und 709 Satz 1 und 2 ZPO.