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Verkehrsunfall – Auffahrunfall durch ein zurücksetzendes Fahrzeug

AG Ludwigslust, Az.: 5 C 124/10, Urteil vom 09.05.2012

I1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 760,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.02.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.02.2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheit in Höhe von 1.100,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert wird auf bis zu 900,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalles.

Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des PKW … mit dem amtlichen Kennzeichen …. Der Beklagte zu 2) ist Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …, für das bei der Beklagten zu 1) eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht. Am 28.05.2010 gegen 15.20 Uhr befuhr die Zeugin … mit dem Wagen der Klägerin aus Richtung Uelitz kommend die Ortschaft Rastow in Richtung des Bahnüberganges. Vor der Zeugin … fuhr der Beklagte zu 2) mit seinem Fahrzeug. Der Beklagte zu 2) bremste sodann, um sich eine Telephonnummer von einem Werbeschild zu notieren; in diesem Zusammenhang kam es zu einer Kollision der beiden Autos. An dem PKW der Klägerin entstand Sachschaden, dessen Reparatur Kosten in Höhe von 1.061,76 € verursachte. Die Klägerin nahm hinsichtlich einer Schadensregulierung anwaltlichen Beistand in Anspruch, wobei sich die Auftragerteilung zunächst auf eine außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen bezog; der Klägerin entstanden insoweit Kosten in Höhe von 120,67 €, die sie noch nicht beglichen hat. Die Beklagte zu 1) glich aufgrund eines entsprechenden Abrechnungsschreiben vom 24.08.2010, das bei dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin am 27.08.2010 einging, einen Betrag in Höhe von 326,03 € aus. Die Beklagte zu 1) verwies dabei darauf, dass die Zeugin … auf das Fahrzeug des Beklagten zu 2) aufgefahren sei und man für diesen nur einen Haftungsanteil in Höhe der Betriebsgefahr sehe, weil er gebremst habe; für weitere Informationen könne man sich an die Beklagte zu 1) wenden.

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Ersatz der restlichen Reparaturkosten zuzüglich einer Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nunmehr gerichtlich geltend. Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2) habe eine Vollbremsung unternommen, um auf Höhe des Werbeschildes halten zu können; die Zeugin … sei noch hinter dem Beklagten zu 2) zum Stehen gekommen, dieser habe aber zurückgesetzt und sei gegen das Auto der Klägerin gefahren. Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 760,73 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24.08.2010 zu zahlen, und

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 120,67 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, die Klägerin von Kosten in dieser Höhe gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Klage wurde den Beklagten jeweils am 04.02.2011 zugestellt. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Zeugin … sei auf den Wagen des Beklagten zu 2) aufgefahren.

Verkehrsunfall - Auffahrunfall durch ein zurücksetzendes Fahrzeug
Symbolfoto: Von tommaso79 /Shutterstock.com

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Es wurde Beweis erhoben zu der Frage des Unfallherganges durch die persönliche Anhörung des Beklagten zu 2) sowie die Vernehmung der Zeuginnen … und …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 (Blatt 45 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig und weitestgehend begründet.

1 a. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf die Zahlung von 760,73 € gemäß §§ 18Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB. Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges eine Sache beschädigt, so ist danach der Führer des Kraftfahrzeuges zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat sodann den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, wobei der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, wenn wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist.

aa. Der Beklagte zu 2) hat sich nicht gemäß §§ 17Abs. 3 Satz 1, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG entlastet; danach ist die Verpflichtung zum Schadensersatz ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht bzw. wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist. Der Beklagte zu 2) war hierfür darlegungs- und beweispflichtig, nachdem eine Partei immer die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnorm trägt, auf deren Rechtsfolgen sie sich beruft.

(1) Dabei kam dem Beklagten zu 2) zunächst nicht etwa ein Beweis des ersten Anscheins dahingehend zu gute, dass die Zeugin … auf seinen PKW aufgefahren wäre.

(a) Bei einem typischen Auffahrunfall spricht zwar bereits im Grundsatz ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende entweder durch einen ungenügenden Sicherheitsabstand nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO, durch unangepaßte Geschwindigkeit gemäß § 3 Abs. 1 StVO und/oder durch allgemeine Unaufmerksamkeit entgegen dem Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO den Unfall verursacht und verschuldet hat (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2003, 216 m. w. N.).

(b) Soweit dies voraussetzt, dass der typische Geschehensablauf, also bei einem Auffahrunfall eben das Auffahren des hinteren Fahrzeuges auf ein davor befindliches, unstreitig oder bewiesen ist (vgl. Zöller-Greger, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., 2010, vor § 284 Rn. 29 m. w. N.), soll dann nach einer Auffassung auch bereits das Auffahren als solches ein tatsächlicher Vorgang sein, der mittels eines Beweises des ersten Anscheins nachgewiesen werden kann. Dieser erfordere, dass es auf ebener Fahrbahn im gleichgerichteten Verkehr in demselben Fahrstreifen zu einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen mit der Folge eines Frontschadens an dem einen und eines Heckschadens an dem anderen Fahrzeug komme, und fest stehe, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden entweder vorwärts gefahren sei oder (jedenfalls zunächst) stillgestanden habe; aufgrund solcher Umstände spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Fahrzeug mit dem Frontschaden aufgefahren sei (vgl. LG Berlin, Urteil vom 06.01.2000, Az.: 58 S 176/99, – zitiert nach juris –).

(c) Der Anscheinsbeweis ist aber angewandte Lebenserfahrung im Sinne einer besonderen Art des Indizienbeweises; danach gibt es Vorgänge, die so typisch und häufig sind, dass man dem ersten Anschein nach auf eine bestimmte Ursache oder Wirkung schließen darf (vgl. BGHZ 2, 1). Vor diesem Hintergrund greift die zuvor unter lit. (b) dargestellte Ansicht insofern zu weit, als sie doch gerade auch für den Fall, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden „(jedenfalls zunächst)“ gestanden hat, unterstellt, dass sich dasjenige dahinter in Bewegung befunden habe. Denn das Stehen des am Heck beschädigten Wagens lässt für sich genommen keinerlei irgendwie zwingenden Rückschluss darauf zu, dass das dahinter befindliche Auto (noch) gefahren sei, wenn genau dies zwischen den Unfallbeteiligten streitig ist; vielmehr erscheint es ab dem Zeitpunkt, zu dem das vordere Fahrzeug zum Stehen gekommen ist, genauso wahrscheinlich, dass es sich nunmehr selbst nach hinten gegen das rückwärtige (gegebenenfalls stehende) Auto bewegt hat, wie dass dieses (weiter) nach vorne gefahren ist (noch deutlicher wird die Zweifelhaftigkeit der dortigen Grundsätze in der Konstellation zweier an einer roten Ampeln haltenden PKW bei LG Berlin a. a. O.). Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass es des Rückgriffes auf einen Beweis des ersten Anscheins im Übrigen gar nicht bedürfte, wenn feststeht, dass das Fahrzeug mit dem Heckschaden vorwärts gefahren ist; unter solchen Umständen ist es vielmehr schon denklogisch ausgeschlossen, dass es ohne ein Auffahren des dahinter befindlichen Wagens zu dem Unfall gekommen wäre.

(2) All dies kann aber auch schon dahinstehen, weil selbst ein solcher Anscheinsbeweis zu Gunsten des Beklagten zu 2) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erschüttert bzw. widerlegt ist.

(a) Der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung geschildert, dass er im Hinblick auf das Anhalten bei dem Haus mit dem Werbeschild geblinkt habe und rechts rangefahren sei. Im Rückspiegel habe er das Fahrzeug der Klägerin noch mehrere hundert Meter entfernt gesehen. Nach dem Anhalten und Abstellen des Motors habe er ins Handschuhfach gegriffen und sich noch einmal vergewissert, dass er gefahrlos aussteigen könne; da sei es erst zu der Kollision gekommen.

Die Zeugin … hat angegeben, sie sei etwa 30 bis 40 m hinter dem Transporter des Beklagten zu 2) gewesen. Er habe ohne zu blinken gebremst, sodass sie aufgrund einer Vollbremsung etwa 30 cm hinter ihm zum Stehen gekommen sei. Da habe der Beklagte zu 2) schon zurückgesetzt. Sie selbst sei bereits von der Bremse herunter gewesen. Die Bremslichter an dem Transporter habe sie gesehen; es sei aber zu kurz gewesen, um noch links an ihm vorbei zu fahren. Ob sie auch die Rückfahrleuchten wahrgenommen habe, konnte die Zeugin aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr sagen. Der Beklagte zu 2) sei ausgestiegen und habe ziemlich wörtlich gesagt: „Mensch, Mädchen, kannst Du nicht aufpassen, dass ich rückwärts fahre.“

Die Zeugin …, als von dem Beklagten zu 2) beförderte Schülerin hat ausgesagt, sie habe nicht auf den Verkehr geachtet, weil sie sich mit dem Hund des Beklagten zu 2) beschäftigt habe. Der Beklagte zu 2) habe angehalten, um sich etwas aufzuschreiben. Ob der Motor aus war und ob sich das Fahrzeug des Beklagten zu 2) noch in Bewegung befand, konnte die Zeugin … aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr angeben; es könne sein, dass er ein bisschen zurückgefahren sei. Auf den Vorhalt des Satzes: „Mensch, Mädchen, kannst Du nicht aufpassen, wenn ich zurück fahre“, erklärte die Zeugin … dieser komme ihr bekannt vor. Seit längerer Zeit habe sei einen anderen Busfahrer als den Beklagten zu 2), mit dem sie zuletzt vor etwa einem Jahr telephonisch gesprochen habe; der Beklagte zu 2) versuche immer wieder, sie anzurufen, sie gehe dann aber nicht ans Telephon.

(b) Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen wie des Beklagten zu 2) lassen sich nach dem Aussageverhalten und dem Aussageinhalt nicht begründen; sie ergeben sich insbesondere nicht zwangsläufig aus den persönlichen Beziehungen eines Zeugen zu einer Partei oder einem eigenen Interesse an den streitgegenständlichen Geschehnissen. Die Zeuginnen wie der Beklagte zu 2) haben ihre Erinnerungen umfassend und detailreich vorgebracht, die Zeuginnen ruhig und sachlich, der Beklagte zu 2) mit einer gewissen Erregung über das Geschehen, wobei sie erkennbar bemüht waren, die Geschehnisse wahrheitsgemäß wiederzugeben. Insbesondere haben die Zeuginnen es ohne Weiteres eingeräumt, wenn sie sich an bestimmte Einzelheiten nicht mehr genau erinnern konnten. Dabei waren die Aussagen insgesamt in sich schlüssig und nachvollziehbar.

(c) In der Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme standen sich danach zunächst die einander zum Unfallhergang für sich genommen in praktisch allen relevanten Punkten widersprechenden Angaben der Zeugin … und des Beklagten zu 2) als den direkt Unfallbeteiligten gegenüber. Das Ergebnis der persönlichen Anhörung des letzteren gemäß § 141 ZPO war dabei nach § 286 ZPO einzubeziehen, wobei der Richter bei der Bildung seiner Überzeugung der Erklärung einer nach § 141 ZPO angehörten Partei zudem gegebenenfalls sogar mehr Glauben schenken darf als selbst einem beeideten Zeugen (vgl. KG MDR 2004, 533). Soweit es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür fehlte, ob der Zeugin … oder aber dem Beklagten zu 2) die größere Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit zukommt, müsste ohne einen Anscheinsbeweis zu Gunsten des Beklagten zu 2) schon ein solches so genanntes non liquet angesichts der eingangs dargestellten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu seinem Nachteil gehen.

Von ausschlaggebender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang dann aber die Aussage der Zeugin … als sozusagen einzig Außenstehender, und insoweit auf den betreffenden Vorhalt insbesondere ihre Erklärung, der Satz: „Mensch, Mädchen, kannst Du nicht aufpassen, wenn ich zurück fahre“ komme ihr bekannt vor. Zwar machte die Zeugin … einen insgesamt unsicheren und zurückhaltend-schüchternen Eindruck. Von umso größerem Gewicht ist vor diesem Hintergrund aber ihre Erinnerung gerade an eine solche Äußerung des Beklagten zu 2) in Richtung der Zeugin …. Die durchgehend eher vorsichtige Ausdrucksweise der noch minderjährigen Zeugin … lässt sich dabei im Übrigen insofern gut nachvollziehen, als der Beklagte zu 2) offenbar häufiger versucht hat, mit ihr Kontakt aufzunehmen, was durchaus merkwürdig erscheint angesichts des Umstandes, dass er lediglich in der Vergangenheit als Fahrer des Schultransportes der Zeugin … fungiert hat und persönliche Beziehungen zwischen beiden ansonsten nicht bestehen.

Es ist danach davon auszugehen, dass sich der Unfall entsprechend der Schilderung der Zeugin … wie von der Klägerin vorgetragen abgespielt hat und es folglich zu der Kollision kam, weil der Beklagte zu 2) rückwärts gegen das bereits stehende Fahrzeug der Klägerin gefahren ist; ein solcher Geschehensablauf erscheint insbesondere auch nicht von vornherein abwegig, weil der Beklagte zu 2) schlichtweg zu spät gebremst haben und bereits zu weit an dem Werbeschild vorbei gewesen sein kann, und dann wieder zurückgesetzt hätte, um dieses besser im Blick zu haben. Der Beklagte hat hierbei seine gesteigerten Sorgfaltspflichten gemäß § 9 Abs. 5 StVO verletzt, wonach er sich beim Rückwärtsfahren so verhalten musste, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; denn er hat die unmittelbar hinter seinem Fahrzeug befindliche Zeugin … offensichtlich übersehen.

bb. Die Klägerin muss sich demgegenüber nicht gemäß §§ 18Abs. 3, 17 Abs. 1 bis 3 Satz 1 und 2 StVG die Betriebsgefahr ihres eigenen Fahrzeuges im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG anrechnen lassen.

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt, so ist der Halter danach verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge an einem von ihnen verursacht, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes danach von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; dies gilt entsprechend, wenn eine Schadensersatzverpflichtung eines an dem Unfall beteiligten Kraftfahrzeugführers besteht. Die Verpflichtung zum Ersatz ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht; als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.

(2) Die Klägerin hat sich insoweit nach den Ausführungen bezüglich des Beklagten zu 2) zuvor unter lit. aa) nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 StVG erfolgreich dahingehend entlastet, dass es sich für sie bei dem Unfall um ein unabwendbares Ereignis handelte; es ist nicht ersichtlich, dass der als Vergleich maßgebliche Idealfahrer (vgl. Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., 2011, § 17 Rn. 22 m. w. N.) die Kollision noch hätte vermeiden können, indem er selbst vor dem rückwärts fahrenden Beklagten zu 2) noch weiter nach hinten gesetzt hätte.

cc. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen sind dem Grunde nach durchgehend im Rahmen von § 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB ersatzfähig (vgl. insbesondere zur Auslagenpauschale und deren Höhe Palandt-Grüneberg, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., 2010, § 249 Rn. 79 m. w. N.). Abzüglich der von der Beklagten zu 1) bereits geleisteten Zahlung ergibt sich folglich der zugesprochene Hauptforderungsbetrag in Höhe von (1.061,76 € Reparaturkosten + 25,00 € Auslagenpauschale = 1.086,76 € – 326,03 € Zahlung =) 760,73 €.

baa. Die Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf die Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den zugesprochenen Betrag der Hauptforderung seit dem 05.02.2011 gemäß §§ 280Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 1 und 2,288 Abs. 1 BGB; im Übrigen war die Klage hinsichtlich des Zinsanspruches dagegen abzuweisen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger danach Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB verlangen, d. h. beispielsweise, wenn der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt; der Mahnung steht die Erhebung der Klage auf die Leistung gleich. Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen; der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Zinsen konnten danach auf die Hauptforderung hier erst ab Rechtshängigkeit zugesprochen werden bzw. unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Zustellung der Klage folgenden Tag (vgl. BGH NJW-RR 1990, 519; zitiert bei Palandt-Ellenberger, a. a. O., § 187 Rn. 1 a. E.). Eine der Rechtshängigkeit vorausgehende Mahnung der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2) als Voraussetzung der Begründung eines früheren Verzugseintritts war dagegen nicht ersichtlich.

bb(1) Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,67 € gemäß §§ 18Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB. Denn entsprechende Rechtsverfolgungskosten sind von dem Schutzzweck der betreffenden Normen mitumfasst (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 249 Rn. 57 m. w. N.). Nach Ziffern 2300, 7002 und 7008 VV-RVG errechnen sich nach einem Gegenstandswert von bis zu 900,00 € Gebühren in Höhe der eingangs genannten (65,00 € x 1,3 Geschäftsgebühr + 20 % Post- und Telekommunikationspauschale + 19 % MwSt. auf den Gesamtbetrag =) 120,67 €.

(2) Der Zinsanspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich entsprechend dem zuvor unter lit. aa) Gesagten. Unerheblich war dabei, dass die Klägerin die betreffende Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten noch nicht ausgeglichen hat; denn damit der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergeht, genügt es bereits, wenn die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers (der Partei) durch den Dritten (den Rechtsanwalt) wie hier mit Sicherheit zu erwarten ist (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth-Toussaint, juris Praxiskommentar zum BGB, Stand: 17.08.2011, § 257 Rn. 9 m. w. N.). Die Nachholung eines zu der Korrektur der bisher diesbezüglich geäußerten Rechtsaufassung unterbliebenen gerichtlichen Hinweises war gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht veranlasst, weil es sich lediglich um eine Nebenforderung handelte.

2. Denjenigen gegen den Beklagten zu 2) entsprechende Ansprüche ergeben sich für den Kläger gegen die Beklagte zu 1) aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG; ein geschädigter Dritter kann seinen Anspruch auf Schadensersatz danach auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Eine Abweichung ergibt sich auch nicht bezogen auf den Beginn des Zinslaufes für die Hauptforderung, nachdem sich insbesondere der Abrechnung der Beklagten zu 1) eine für die Entbehrlichkeit einer Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB notwendige ausreichend eindeutige ernsthafte und endgültige Verweigerung weiterer Zahlungen noch nicht zwingend entnehmen lässt. Es sind insoweit strenge Anforderungen dahingehend zu stellen, dass die Weigerung des Schuldners als sein letztes Wort aufzufassen sein muss (vgl. alandt-Grüneberg, a. a. O., § 281 Rn. 14, 286 Rn. 24 m. w. N.); dem genügt allein die Übersendung eines Schreibens mit der Ankündigung einer hinter dem geforderten Betrag zurückbleibenden Zahlung nicht.

3. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten folgt aus § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG; der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften danach als Gesamtschuldner.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

III. Der Streitwert war gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO nach dem Hauptforderungsbetrag des bezifferten Zahlungsantrages auf bis zu 900,00 € festzusetzen.

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