Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Komplexität des Fahrstreifenwechsels: Ein Gerichtsurteil klärt Haftungsfragen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche grundlegenden Regeln gelten für einen Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn?
- Wer trägt bei einem Unfall durch Spurwechsel die Beweislast?
- Welche Schäden werden nach einem Spurwechselunfall ersetzt?
- Wie verhalte ich mich rechtlich korrekt direkt nach einem Spurwechselunfall?
- Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge für die Haftung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Brühl
- Datum: 17.05.2024
- Aktenzeichen: 23 C 220/23
- Verfahrensart: Zivilprozess wegen Schadensersatzansprüchen aus Verkehrsunfall
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Fahrer eines BMW X5, der Schadensersatz für Beschädigungen an seinem Fahrzeug infolge eines Verkehrsunfalls fordert. Der Kläger argumentiert, dass der Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs mit unangepasster Geschwindigkeit und geringem Sicherheitsabstand fuhr, welche zur Unvermeidbarkeit des Unfalls führten.
- Beklagter: Fahrer eines Ford Focus, vertreten durch die Ehefrau, Ehepaar streitet um das Verschulden am Unfall. Der Beklagte argumentiert, dass der Kläger beim Fahrspurwechsel mit hoher Geschwindigkeit den Unfall verursacht hat.
- Beklagte Partei (Haftpflichtversicherung): Versicherung des Ford Focus, die eine Schadensregulierung ablehnt mit der Begründung, dass der Kläger den Unfall verursacht hat.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Am 11.08.2022 ereignete sich ein Verkehrsunfall am Autobahndreieck Erfttal. Der Kläger wechselte von der BAB 61 auf die BAB 1, um einen LKW zu überholen, und kollidierte mit dem Ford Focus des Beklagten. Strittig sind die genauen Umstände des Spurwechsels und die Schuldfrage.
- Kern des Rechtsstreits: Die Hauptfrage war, ob durch den Fahrspurwechsel des Klägers alleiniges Verschulden an der Kollision angenommen werden kann, oder ob der Beklagte durch unangepasste Geschwindigkeit und geringen Abstand eine Mitschuld trägt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
- Begründung: Das Gericht entschied, dass der Kläger sein Fahrzeug während des Spurwechsels nicht ordnungsgemäß geführt hat, und somit allein haftet. Es bestand ein Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten beim Spurwechsel. Der Kläger brachte keine schlüssigen Umstände hervor, um den Anscheinsbeweis zu widerlegen. Die Zeugenaussage bestätigte die zulässige Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs.
- Folgen: Der Kläger erhält keinen Schadensersatz und muss die Verfahrenskosten tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Komplexität des Fahrstreifenwechsels: Ein Gerichtsurteil klärt Haftungsfragen
Der Fahrstreifenwechsel gehört zu den komplexesten Verkehrssituationen, bei denen schnelle Entscheidungen über Sicherheit und Haftung getroffen werden müssen. Verkehrsteilnehmer sind dabei einem hohen Risiko ausgesetzt, wenn nicht ausreichend Rücksicht und Sorgfalt bei der Fahrzeugbewegung zwischen verschiedenen Fahrspuren beachtet werden.
Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen von Verkehrsunfällen klare Regelungen entwickelt, die das Fahrverhalten und mögliche Mitverschulden präzise bewerten. Entscheidend sind dabei Aspekte wie Vorfahrt, Absicherung beim Spurwechsel, Geschwindigkeit und die Beweissicherung unmittelbar nach einem Unfallereignis. Ein konkreter Gerichtsfall zeigt nun, wie komplex die Rechtslage bei einem Unfall während eines Fahrstreifenwechsels tatsächlich sein kann.
Der Fall vor Gericht
Fahrlässiger Spurwechsel auf der Autobahn führt zur Kollision im Autobahndreieck

Am 11. August 2022 ereignete sich im Autobahndreieck Erfttal ein Verkehrsunfall zwischen einem BMW X5 und einem Ford Focus. Der BMW-Fahrer wechselte gegen 18:35 Uhr von der BAB 61 kommend auf die linke Spur der BAB 1, um einen LKW zu überholen. Dabei kam es zur Berührung mit dem Ford Focus, der bereits auf dem Überholstreifen der BAB 1 fuhr. Der Zusammenstoß verursachte Schäden am hinteren linken Scheibenrad, der Stoßstange und der Radlaufleiste des BMW.
Streit um Schadensersatz vor dem Amtsgericht Brühl
Der BMW-Fahrer verklagte den Ford-Fahrer, dessen Fahrzeughalterin sowie deren Versicherung auf Schadensersatz in Höhe von 2.766,42 Euro. Diese Summe setzte sich aus den Reparaturkosten von 2.266,92 Euro, einem Sachverständigenhonorar von 499,50 Euro sowie einer Auslagenpauschale von 30 Euro zusammen. Zusätzlich forderte er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 Euro.
Gericht weist Klage vollständig ab
Das Amtsgericht Brühl wies die Klage des BMW-Fahrers vollständig ab. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Kläger den Unfall alleine verursacht. Dabei stützte sich das Gericht auf den Anscheinsbeweis des § 7 Abs. 5 StVO, wonach ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Kollision stand in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel des BMW-Fahrers, was regelmäßig zur Alleinhaftung des Spurwechslers führt.
Beweise sprechen gegen den BMW-Fahrer
Das Gericht sah keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Ford-Fahrers. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, wurde durch die Zeugenaussage der Beifahrerin widerlegt. Diese bestätigte glaubhaft, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht überschritten wurde. Auch die geringen Unfallschäden sprachen gegen eine hohe Kollisionsgeschwindigkeit. Die Schadensbilder an beiden Fahrzeugen zeigten, dass sich diese zum Unfallzeitpunkt bereits auf gleicher Höhe befanden. Ein sorgfältiger Blick in den Spiegel oder ein gewissenhafter Schulterblick hätte den Unfall nach Überzeugung des Gerichts verhindern können.
Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei einem Spurwechsel auf der Autobahn die absolute Sicherheit gegeben sein muss, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Wer die Spur wechselt, trägt die volle Verantwortung für die sichere Durchführung des Manövers. Ein nachfolgender Unfall spricht zunächst immer gegen den Spurwechsler, auch wenn der andere Verkehrsteilnehmer möglicherweise zu schnell unterwegs war.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Spurwechsel auf der Autobahn durchführen, müssen Sie besonders vorsichtig sein und sich mehrfach absichern, dass die Spur wirklich frei ist. Selbst wenn andere Verkehrsteilnehmer zu schnell fahren sollten, tragen Sie als Spurwechsler im Zweifelsfall die Verantwortung für einen Unfall. Verzichten Sie lieber auf einen Spurwechsel, wenn Sie sich nicht absolut sicher sind, dass dieser gefahrlos möglich ist. Eine nachträgliche Schadensersatzklage hat kaum Aussicht auf Erfolg, wenn Sie als Spurwechsler in einen Unfall verwickelt werden.
Benötigen Sie Hilfe?
In einen Unfall beim Spurwechsel verwickelt?
Unfälle beim Fahrstreifenwechsel passieren schnell und haben oft weitreichende Folgen. Gerade auf der Autobahn ist besondere Vorsicht geboten, denn selbst wenn der andere Verkehrsteilnehmer zu schnell fährt, trägt der Spurwechsler oft die Hauptverantwortung. Wir helfen Ihnen, die Situation rechtlich einzuordnen und Ihre Möglichkeiten zu prüfen. Dabei stehen wir Ihnen mit unserer Expertise im Verkehrsrecht zur Seite und beraten Sie umfassend zu Ihren Rechten und Pflichten. Kontaktieren Sie uns, um Ihre individuellen Fragen zu klären und gemeinsam die beste Strategie zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche grundlegenden Regeln gelten für einen Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn?
Ein Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn darf gemäß § 7 Absatz 5 StVO nur dann erfolgen, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Pflichten vor dem Spurwechsel
Sie müssen vor jedem Spurwechsel folgende Schritte durchführen:
- Frühzeitige Verkehrsbeobachtung durch Innen- und Außenspiegel
- Setzen des Blinkers zur Anzeige der Spurwechselabsicht
- Erneute Kontrolle durch Spiegel- und Schulterblick
- Spurwechsel nur bei freier Fahrbahn durchführen
Besondere Verkehrssituationen
Bei gleichzeitigem Spurwechsel von links und rechts auf die mittlere Spur hat derjenige Vorrang, der einen deutlichen Vorsprung beim Spurwechselmanöver aufweist. Ein doppelter Spurwechsel über zwei Spuren ist zwar nicht verboten, sollte aber aus Sicherheitsgründen vermieden werden.
Haftung bei Unfällen
Wenn Sie beim Spurwechsel die erforderliche Sorgfalt nicht beachten, tragen Sie im Falle eines Unfalls in der Regel die alleinige Haftung. Die Gerichte werten einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten beim Spurwechsel schwerwiegender als beispielsweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung des bereits auf der Spur fahrenden Fahrzeugs.
Sonderfall Reißverschlussverfahren
Eine Ausnahme von den allgemeinen Spurwechselregeln gilt beim Reißverschlussverfahren. Wenn ein Fahrstreifen endet oder nicht durchgehend befahrbar ist, müssen die Fahrzeuge auf der durchgehenden Spur den Spurwechsel ermöglichen. Die Fahrzeuge ordnen sich dabei unmittelbar vor der Verengung im Wechsel ein.
Wer trägt bei einem Unfall durch Spurwechsel die Beweislast?
Bei einem Unfall im Zusammenhang mit einem Spurwechsel gilt der Anscheinsbeweis gegen den Spurwechsler. Das bedeutet, dass grundsätzlich derjenige die Beweislast trägt, der die Spur gewechselt hat.
Grundsatz der Beweislastverteilung
Der Spurwechsler muss sich vor dem Fahrstreifenwechsel vergewissern, dass dieser Fahrstreifen frei ist. Nach § 7 Absatz 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wenn es zu einem Unfall kommt, wird bei einem typischen Unfallverlauf davon ausgegangen, dass die spurwechselnde Person den Unfall verursacht hat.
Möglichkeiten zur Widerlegung
Der Spurwechsler kann den Anscheinsbeweis widerlegen, indem er nachweist, dass:
- ein atypischer Unfallhergang vorlag
- der Unfall auch bei Beachtung aller Sorgfaltspflichten nicht vermeidbar war
- der andere Verkehrsteilnehmer einen Verkehrsverstoß begangen hat
Besondere Konstellationen
Wenn der genaue Unfallhergang nicht aufgeklärt werden kann, weil beide Fahrer behaupten, der jeweils andere hätte die Spur gewechselt, tritt die Gefährdungshaftung ein. In diesem Fall wird der Schaden hälftig zwischen beiden Unfallbeteiligten aufgeteilt.
Bei überhöhter Geschwindigkeit des auf der Zielspur fahrenden Fahrzeugs kann es zu einer Mithaftung kommen, auch wenn der andere Verkehrsteilnehmer einen fehlerhaften Spurwechsel durchgeführt hat.
Welche Schäden werden nach einem Spurwechselunfall ersetzt?
Nach einem Spurwechselunfall haben Sie als Geschädigter Anspruch auf Ersatz verschiedener Schadenspositionen, wenn der Unfallgegner den Unfall verschuldet hat.
Fahrzeugschäden und direkte Kosten
Bei einem verschuldeten Spurwechselunfall werden die Reparaturkosten für Ihr beschädigtes Fahrzeug vollständig ersetzt. Wenn Sie einen Totalschaden erlitten haben, erhalten Sie den Wiederbeschaffungswert abzüglich eines eventuellen Restwertes.
Eine merkantile Wertminderung wird Ihnen zusätzlich zu den Reparaturkosten erstattet, wenn Ihr Fahrzeug durch den Unfall trotz fachgerechter Reparatur an Wert verloren hat.
Gutachter- und Nebenkosten
Die Sachverständigenkosten für ein Gutachten sind in voller Höhe erstattungsfähig, auch wenn Sie nur teilweise Recht bekommen. Dies gilt allerdings nicht bei Bagatellschäden unter 750 Euro.
Sie können auch Abschleppkosten und eine Auslagenpauschale für Telefonate und Korrespondenz geltend machen.
Nutzungsausfall und Mietwagenkosten
Wenn Sie Ihr Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen können, steht Ihnen entweder ein Nutzungsausfallentschädigung oder der Ersatz von Mietwagenkosten zu. Die Nutzungsausfallentschädigung wird für die Dauer der Reparatur oder bei einem Totalschaden bis zur Ersatzbeschaffung gezahlt.
Anwaltskosten und weitere Positionen
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten gehören zum ersatzfähigen Schaden. Bei einem Mitverschulden werden diese entsprechend der Haftungsquote gekürzt.
Wenn Sie durch den Unfall arbeitsunfähig werden, können Sie auch den entstandenen Verdienstausfall geltend machen.
Besonderheiten bei der Schadensregulierung
Die Versicherung des Unfallgegners muss die Schäden grundsätzlich vollständig ersetzen, wenn ihr Versicherungsnehmer den Unfall allein verschuldet hat. Bei einem Mitverschulden werden die Kosten entsprechend der Haftungsquote aufgeteilt.
Wie verhalte ich mich rechtlich korrekt direkt nach einem Spurwechselunfall?
Sofortmaßnahmen zur Unfallsicherung
Nach einem Spurwechselunfall müssen Sie unverzüglich anhalten und die Unfallstelle absichern. Schalten Sie die Warnblinkanlage ein und stellen Sie bei geringfügigem Schaden das Fahrzeug an den Straßenrand. Tragen Sie eine Warnweste und stellen Sie das Warndreieck in ausreichender Entfernung auf – bei schnellem Verkehr etwa 100 Meter vor der Unfallstelle.
Erste Hilfe und Verletztenversorgung
Prüfen Sie umgehend, ob Personen verletzt wurden. Bei Verletzten müssen Sie Erste Hilfe leisten und den Notruf 112 wählen. Bewegen Sie verletzte Personen nur dann aus dem Fahrzeug, wenn akute Gefahr besteht.
Rechtliche Pflichten am Unfallort
Als Unfallbeteiligter müssen Sie:
- Sich über die Unfallfolgen vergewissern
- Den anderen Beteiligten mitteilen, dass Sie am Unfall beteiligt waren
- Auf Verlangen Namen, Anschrift, Führerschein und Fahrzeugschein vorzeigen sowie Angaben zur Haftpflichtversicherung machen
- Am Unfallort bleiben, bis die Feststellung Ihrer Person, des Fahrzeugs und der Art der Beteiligung ermöglicht wurde
Dokumentation des Unfalls
Sichern Sie wichtige Beweise, bevor diese verloren gehen. Machen Sie Fotos von den Fahrzeugpositionen und Schäden. Unfallspuren dürfen nicht beseitigt werden, bevor die notwendigen Feststellungen getroffen wurden. Bei einem Spurwechselunfall ist besonders wichtig zu dokumentieren, in welcher Position sich die Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt befanden, da dies für die spätere Haftungsfrage entscheidend sein kann.
Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge für die Haftung?
Die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge hat erheblichen Einfluss auf die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall. Wenn Sie deutlich schneller als erlaubt fahren, kann dies auch dann zu einer Mithaftung führen, wenn der andere Unfallbeteiligte den Unfall hauptsächlich verursacht hat.
Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts
Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um mehr als 30 Prozent müssen Sie in der Regel mit einer Mithaftung rechnen. Wenn Sie beispielsweise in einer 50er-Zone mit 75 km/h oder schneller unterwegs sind, kann dies zu einer Mithaftungsquote von 20 bis 30 Prozent führen.
Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen
Wenn Sie auf der Autobahn die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschreiten, erhöht sich die sogenannte Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs. Dies bedeutet: Selbst wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer durch einen Spurwechsel einen Unfall verursacht, können Sie zur Mithaftung herangezogen werden. Die Gerichte begründen dies damit, dass andere Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit eines sich schnell von hinten annähernden Fahrzeugs oft nicht richtig einschätzen können.
Beweislast und Haftungsquoten
Bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung müssen Sie als schnell fahrender Verkehrsteilnehmer beweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit nicht vermeidbar gewesen wäre. Die Haftungsquoten staffeln sich dabei wie folgt:
- Bei 10 bis 25 Prozent Tempoüberschreitung: etwa 20 bis 30 Prozent Mithaftung
- Bei 25 bis 50 Prozent Tempoüberschreitung: 30 bis 50 Prozent Mithaftung
- Ab 50 Prozent über der Höchstgeschwindigkeit: bis zu 80 Prozent Haftung
Besonders schwerwiegend wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung bewertet, wenn Sie dadurch den Unfall nicht mehr vermeiden können. In einem solchen Fall kann die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs sogar vollständig hinter Ihr Verschulden zurücktreten.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anscheinsbeweis
Ein juristisches Beweismittel, das auf typischen Erfahrungssätzen des täglichen Lebens basiert. Dabei wird von einem äußeren Geschehensablauf auf einen bestimmten Sachverhalt geschlossen, ohne dass dieser direkt bewiesen werden muss. Der Anscheinsbeweis kann durch den Nachweis eines atypischen Geschehensablaufs widerlegt werden. Im Verkehrsrecht besonders relevant bei der Beurteilung von Unfallhergängen. Grundlage ist § 286 ZPO (freie Beweiswürdigung).
Sorgfaltspflicht
Die rechtliche Verpflichtung, sich so zu verhalten, dass andere nicht geschädigt werden. Im Straßenverkehr bedeutet dies besonders aufmerksames und umsichtiges Verhalten gemäß § 1 StVO. Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht können zu Schadensersatzansprüchen führen. Beim Spurwechsel gehören dazu vor allem Spiegelblick, Schulterblick und rechtzeitiges Blinken.
Mitverschulden
Die anteilige Beteiligung mehrerer Personen an der Entstehung eines Schadens nach § 254 BGB. Bei einem Unfall wird geprüft, ob und in welchem Umfang das Verhalten der Beteiligten zum Schaden beigetragen hat. Dies beeinflusst die Verteilung der Haftung. Beispiel: Wenn beide Fahrer Verkehrsregeln missachtet haben, können die Kosten zwischen ihnen aufgeteilt werden.
Beweissicherung
Die systematische Dokumentation aller relevanten Fakten und Spuren nach einem Unfall. Dazu gehören Fotos, Zeugenaussagen, Unfallskizzen und die Dokumentation der Schäden. Diese Beweise sind entscheidend für die spätere rechtliche Beurteilung und Durchsetzung von Ansprüchen. Die Beweissicherung sollte möglichst unmittelbar nach dem Unfall erfolgen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Möglichkeit, ein Urteil bereits vor seiner Rechtskraft zu vollstrecken, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Geregelt in §§ 708 ff. ZPO. Der Gläubiger muss dabei meist eine Sicherheit leisten, um mögliche Schäden bei einer späteren Aufhebung des Urteils ausgleichen zu können. Im Beispielfall 110% des zu vollstreckenden Betrags.
Rechtsanwaltskosten
Gebühren für die anwaltliche Vertretung, die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet werden. Sie umfassen die vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit. Die unterlegene Partei muss diese Kosten meist erstatten. Vorgerichtliche Kosten entstehen bereits durch die erste Beauftragung eines Anwalts zur Durchsetzung von Ansprüchen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB: Diese Vorschrift regelt die Haftung für unerlaubte Handlungen. Sie besagt, dass wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall streitet der Kläger über Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls. § 823 BGB ist relevant, da hier die Frage der Haftung für den entstandenen Schaden im Mittelpunkt steht. - § 7 StVG: Das Straßenverkehrsgesetz verpflichtet Fahrzeughalter zur Haftpflichtversicherung für Schäden, die durch den Betrieb ihres Fahrzeugs verursacht werden. Diese Versicherung deckt Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab.
Die Beklagte zu 3) ist als Fahrzeughalter haftpflichtversichert. § 7 StVG ist daher maßgeblich für die Regulierung der Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Versicherung. - § 3 StVO: Dieser Paragraph der Straßenverkehrs-Ordnung legt fest, dass sich Verkehrsteilnehmer so verhalten müssen, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder behindert wird. Insbesondere beim Spurwechsel und Überholen gelten besondere Verhaltensregeln.
Im Unfallfall wechselte der Kläger die Spur, um einen LKW zu überholen. § 3 StVO ist relevant, um zu beurteilen, ob der Kläger hierbei die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten hat oder ob ein Fehlverhalten vorlag. - § 1 StVO: Grundlegende Vorschriften zur Teilnahme am Straßenverkehr, die die Sicherung und Leichtigkeit des Verkehrs regeln. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, dass kein anderer geschädigt wird.
Die Beurteilung des Unfallhergangs im vorliegenden Fall erfordert die Anwendung von § 1 StVO, um festzustellen, ob die Verkehrsteilnehmer ihre Sorgfaltspflichten eingehalten haben. - Zivilprozessordnung (ZPO) § 91: Dieser Paragraph regelt die Kostenentscheidung im Zivilprozess, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Im Urteil wurde entschieden, dass der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen hat. § 91 ZPO ist somit entscheidend für die Kostenverteilung im vorliegenden Rechtsstreit.
Das vorliegende Urteil
AG Brühl – Az.: 23 C 220/23 – Urteil vom 17.05.2024
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