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Verkehrsunfall bei Grundstücksausfahrt

AG Stralsund – Az.: 25 C 45/17 – Urteil vom 05.07.2018

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.078,76 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2016 sowie weitere 179,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.178,76 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 01.10.2016 kam es zu einer Berührung zwischen den Fahrzeugen der Beteiligten in der Straße „…“ in … in Höhe der Hausnummer … . Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug die Straße „…“ – bei der es sich um eine so genannte Spielstraße handelt – in Richtung seines Grundstückes unter der Hausnummer … . Der Beklagte zu 1) fuhr zu diesem Zeitpunkt rückwärts aus seiner Auffahrt – Hausnummer … – heraus. Dabei kollidierten beide Fahrzeuge und es entstand Sachschaden am klägerischen Fahrzeug. Ob das Beklagtenfahrzeug im Kollisionszeitpunkt noch in der Rückwärtsfahrt begriffen war oder wieder abgebremst war und gestanden hat, ist streitig.

Unstreitig ist zuletzt der gesamte Sachschaden.

Bereits vorgerichtlich hat die Beklagte zu 2) die gutachterlich veranschlagten Nettoreparaturkosten, die (Brutto-)Sachverständigenkosten und die allgemeine Unkostenpauschale jeweils zur Hälfte ausgeglichen. Die vom Kläger mit 200,00 € geltend gemachte merkantile Wertminderung hat die Beklagtenseite vorgerichtlich insgesamt nicht anerkannt. Danach ergab sich ein unregulierter Restbetrag von 1.178,76 €, den der Kläger mit seiner am 21.02.2017 bei Gericht eingegangenen und den Beklagten am 17.03.2017 zugestellten Klage vom 15.02.2017 eingeklagt hat. Am 21.04.2017 hat die Beklagte zu 2) auf die merkantile Wertminderung einen hälftigen Betrag von 100,00 € gezahlt. In diesem Umfang haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger geht von einer Alleinverantwortlichkeit des Beklagten zu 1) aus.

Er beantragt zuletzt, – wie erkannt -.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, das Fahrzeug des Beklagten zu 1) habe im Kollisionszeitpunkt bereits wieder gestanden. Der Kläger sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit – mindestens 50 km/h – gefahren.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) in der öffentlichen Sitzung vom 27.06.2017 persönlich angehört. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.06.2017 (Bl. 58 ff. d.A.) Bezug genommen. Sodann ist mit Beschluss vom 11.07.2017 (Bl. 70 f. d.A.) eine sachverständige Begutachtung angeordnet worden. Für deren Ergebnis wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen … vom 03.05.2018 (Bl. 91 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

In dem nach der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung vom 27.06.2017 verbliebenen Umfang ist der Klage uneingeschränkt zu entsprechen. Sie ist zulässig und begründet.

Die Beklagtenseite haftet – der Beklagte zu 1) gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG und die Beklagte zu 2) gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG – allein, also zu 100 %. Ob der Unfall für den Kläger unvermeidbar i.S.d. § 17 Abs. 3 S. 1 StVG war, kann insoweit offen bleiben. Zumindest streitet gegen den Beklagten zu 1) ein – nicht erschütterter – Anscheinsbeweis für eine Alleinverursachung. Das folgt zumindest aus den gesteigerten Verhaltensmaßgaben des § 10 Satz 1 StVO, und zwar ausdrücklich auch – unabhängig von § 9 Abs. 5 StVO – für den Fall, dass das Beklagtenfahrzeug bereits wieder zum Stillstand gekommen sein sollte, ehe beide Fahrzeuge sich „trafen“. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit vollumfänglich Bezug genommen werden auf die rechtlichen Hinweise aus dem Beschluss vom 11.07.2017 (Bl. 70 f. d.A.); daran hält das erkennende Gericht – auch in jetziger Besetzung – fest. Darauf ist bereits mit Verfügung vom 19.06.2018 (Bl. 153 d.A.) aufmerksam gemacht worden.

Soweit die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 03.07.2018 (Bl. 162 f. d.A.) auf ein Urteil des Landgerichts Hagen vom 14.11.2007 (Az.: 10 S 35/07) verweist, vermag auch dieser Ansatz nicht durchzudringen. Das Landgericht Hagen hat in der angegebenen Entscheidung zunächst lediglich ausgeführt (Juris; Tz. 6), dass es im Rahmen einer Kollision im Anwendungsbereich des § 10 StVO gegen die Annahme von Unabwendbarkeit sprechen könne, wenn im Ergebnis der sachverständigen Begutachtung feststehe, dass der Ausfahrende im Kollisionszeitpunkt bereits gestanden habe. Erstens hat das Landgericht Hagen aber schon diese Frage offengelassen. Und zweitens kommt es vorliegend aus den oben genannten Gründen auch gar nicht darauf an, ob hier für den Kläger Unabwendbarkeit gegeben war. Soweit das Landgericht Hagen dann im Weiteren dem vorrangigen Fahrzeug bzw. dessen Eigentümer die Betriebsgefahr entgegenhält, vermag jedenfalls das erkennende Gericht diese Sichtweise nicht zu teilen. Sie steht in Widerspruch zu der gemeinhin anerkannten Formel, dass der Anscheinsbeweis gegen den Ausfahrenden für eine Alleinverantwortlichkeit streitet, die für einen Haftungsabzug unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr keinen Raum mehr lässt. Das Landgericht Hagen vermag sich insoweit augenscheinlich auch nicht auf geeignete Zitatstellen zu stützen. Auch die Beklagten nennen vorliegend keine weiteren Fundstellen aus Rechtsprechung oder Literatur, die Anlass geben könnten, sich hiermit weitergehend auseinanderzusetzen.

Ebenfalls unerheblich ist es, ob eine ergänzende Aussage des Gerichtssachverständigen zur Frage des Fahrzeugstillstandes die Einlassung des Klägers aus dem mündlichen Verhandlungstermin widerlegen würde. Da sich die vorliegende Entscheidung nicht bzw. jedenfalls nicht tragend auf die Einlassung des Klägers stützt, sondern auf den objektivierbaren Befund, von dem der Gutachter ausgegangen ist, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Von einer gezielten Lüge des Klägers wäre ohnehin nicht zwingend auszugehen, selbst wenn das Beklagtenfahrzeug tatsächlich nachweislich gestanden hätte. Es erscheint keineswegs ausschließbar, dass insoweit im gegebenen Fall in der Person des Klägers lediglich ein Wahrnehmungs- oder Erinnerungsdefizit vorläge, zumal der Sachverständige absehbar allenfalls eine Aussage dazu treffen könnte, ob das Fahrzeug des Beklagten zu 1) unmittelbar im Kollisionszeitpunkt gestanden hat. Selbst bei Bejahung dieser Frage könnte ein Abstoppen in letzter Sekunde zugrunde liegen, dass der Kläger möglicherweise gar nicht mehr hätte wahrnehmen können.

Einzig zur Erschütterung des prima-facie-Beweises geeignet gewesen wäre der behauptete Geschwindigkeitsverstoß des Klägers. Im Ergebnis des Gutachtens vom 03.05.2018 (Bl. 91 ff. d.A.) hat sich ein Geschwindigkeitsverstoß – der ohnehin einiges Gewicht hätte aufweisen müssen – aber nicht beweisen lassen. Damit bleibt es bei der Alleinhaftung der Beklagtenseite.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. Auch der für erledigt erklärte Teilbetrag von 100,00 € wäre – hätte die Beklagte zu 2) nicht prozessbegleitend gezahlt – zuzusprechen gewesen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Wertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 43 Abs. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Eine gestufte Festsetzung mit Blick auf die Teilerledigungserklärung konnte vorliegend unterbleiben, weil kein Gebührenstufensprung eingetreten ist.

 

 

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