Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- AG Braunschweig Urteil: Volle Haftung für Fahrer, der beim Überholtwerden ausschert und Unfall verursacht – Analyse zu § 5 Abs. 4 StVO
- Ausgangssituation: Kollision während des Überholens auf Braunschweiger Straße
- Der Streit um den Unfallhergang: Ausscheren versus Fehleinschätzung des Abstands
- Beweisaufnahme vor Gericht: Sachverständigengutachten stützt Version des Überholenden
- Das Urteil: Volle Haftung für den ausschwenkenden Fahrer und seine Versicherung
- Die Begründung des Gerichts: Schwerwiegender Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO
- Finanzielle Regelungen: Schadensberechnung, Zinsen und zukünftige Ansprüche
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Sorgfaltspflichten gelten beim Überholen im Straßenverkehr gemäß der StVO?
- Was bedeutet „Ausscheren“ im juristischen Sinne und welche Konsequenzen hat es bei einem Überholvorgang?
- Wie wird die Beweislast bei einem Verkehrsunfall während eines Überholvorgangs verteilt?
- Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Klärung des Unfallhergangs vor Gericht?
- Welche Schadenspositionen können nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 117 C 1155/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Braunschweig
- Datum: 22.02.2022
- Aktenzeichen: 117 C 1155/20
- Verfahrensart: Urteil
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer und Fahrer eines PKW Audi A3, der behauptete, der Beklagte sei während des Überholvorgangs plötzlich nach links ausgeschert und habe die Kollision verursacht.
- Beklagte: Die Haftpflichtversicherung des anderen PKW (Beklagte zu 1)) und dessen Fahrer (Beklagter zu 2)). Sie behaupteten, der Kläger sei beim Überholen zu dicht gefahren und habe den seitlichen Abstand falsch eingeschätzt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Bei einem Überholvorgang auf einer zweispurigen Straße in Braunschweig kam es zur Kollision zwischen dem überholenden Fahrzeug des Klägers und dem überholten Fahrzeug der Beklagten.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, wer die Verantwortung für den Unfall trug – der überholende oder der überholte Fahrer – und inwieweit die Haftpflichtversicherung des überholten Fahrzeugs für den Schaden haftet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Teils des bereits entstandenen Schadens und stellte fest, dass sie auch für 100 % des weiteren Schadens ersatzpflichtig sind. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
- Begründung: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hat, indem er während des Überholvorgangs des Klägers nach links ausscherte und diesen gefährdete. Ein Fehlverhalten des Klägers konnte nicht festgestellt werden, weshalb die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs hinter dem gravierenden Verstoß der Beklagten zurücktrat und eine 100%ige Haftung der Beklagten begründete.
Der Fall vor Gericht
AG Braunschweig Urteil: Volle Haftung für Fahrer, der beim Überholtwerden ausschert und Unfall verursacht – Analyse zu § 5 Abs. 4 StVO
Ein alltäglicher Vorgang im Straßenverkehr – das Überholen – endete in Braunschweig mit einer Kollision und einem anschließenden Rechtsstreit.

Das Amtsgericht Braunschweig musste klären, wer die Verantwortung für den Unfall trägt, bei dem ein Fahrzeug während des Überholvorgangs nach links ausscherte und mit dem überholenden Auto zusammenstieß. Im Fokus stand die Frage der Haftung und des Schadensersatzes, insbesondere die Auslegung von Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO). Das Urteil (Az.: 117 C 1155/20 vom 22.02.2022) weist die volle Verantwortung dem ausschwenkenden Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung zu.
Ausgangssituation: Kollision während des Überholens auf Braunschweiger Straße
Am 28. Februar 2020 befuhr der spätere Kläger mit seinem Pkw Audi A3 die … Straße in Braunschweig. Vor ihm fuhr ein anderer Pkw, dessen Fahrer später als Beklagter zu 2) im Prozess auftrat und dessen Fahrzeug bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war. Die Straße war an dieser Stelle zweispurig ausgebaut. Der Fahrer des Audi A3 entschied sich, das vor ihm fahrende Fahrzeug zu überholen und wechselte dazu auf die linke Fahrspur, die in diesem Fall der Gegenfahrbahn entsprach. Als sich die beiden Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe befanden, kam es zu einer seitlichen Kollision.
Infolge des Unfalls ließ der Audi-Fahrer sein Fahrzeug begutachten. Ein Sachverständiger stellte Reparaturkosten in Höhe von netto 2309,52 Euro fest. Zusätzlich wurde eine Wertminderung des Fahrzeugs von 100,00 Euro und eine Kostenpauschale von 25,00 Euro ermittelt, was einen Gesamtschaden von 2434,52 Euro ergab. Das beschädigte Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht repariert worden. Die Anwälte des geschädigten Audi-Fahrers forderten die Haftpflichtversicherung des anderen beteiligten Fahrzeugs im März 2020 zur Zahlung des vollen Betrags auf. Die Versicherung leistete daraufhin eine Teilzahlung von 1200,00 Euro. Der Restbetrag blieb strittig und wurde Gegenstand der Klage.
Der Streit um den Unfallhergang: Ausscheren versus Fehleinschätzung des Abstands
Wie es zu der Kollision kommen konnte, darüber gingen die Meinungen der Beteiligten stark auseinander. Dies war der zentrale Punkt, den das Gericht zu klären hatte.
Der überholende Fahrer schilderte den Vorfall so: Das vor ihm fahrende Fahrzeug sei auffällig langsam, mit nur etwa 10 bis 20 km/h, unterwegs gewesen und habe zudem mehrfach ohne ersichtlichen Grund stark abgebremst. Dieses Fahrverhalten habe ihn dazu bewogen, zum Überholen anzusetzen. Als er sich mit seinem Audi bereits fast auf gleicher Höhe, aber auf der linken Spur befand, habe der Fahrer des anderen Pkw plötzlich beschleunigt und sei gleichzeitig nach links ausgeschert. Dadurch sei dieser auf seine Fahrspur geraten. Er selbst habe keine Möglichkeit mehr gehabt, den Zusammenstoß zu verhindern, habe sofort gebremst und versucht, sich wieder hinter das andere Fahrzeug einzuordnen, wobei es zur Berührung gekommen sei.
Die Versicherung und der Fahrer des überholten Fahrzeugs stellten den Hergang anders dar. Sie behaupteten, der Audi-Fahrer sei zuvor sehr dicht aufgefahren. Beim eigentlichen Überholvorgang habe der Audi-Fahrer dann den seitlichen Sicherheitsabstand nicht korrekt eingeschätzt und sei deshalb zu nah an ihr Fahrzeug herangekommen, was zur Kollision geführt habe. Sie bestritten entschieden, dass der Fahrer absichtlich nach links ausgeschert sei, um das Überholen zu verhindern oder zu erschweren.
Beweisaufnahme vor Gericht: Sachverständigengutachten stützt Version des Überholenden
Um den wahren Unfallhergang zu ermitteln, führte das Amtsgericht Braunschweig eine Beweisaufnahme durch. Dazu wurde ein Zeuge vernommen und, was entscheidend war, ein schriftliches Sachverständigengutachten eines erfahrenen Diplom-Ingenieurs eingeholt.
Der Sachverständige analysierte die Spuren und Schäden an beiden Fahrzeugen. Er konnte zwar die genaue Unfallursache mangels eindeutiger technischer Anknüpfungspunkte nicht mit letzter Sicherheit technisch rekonstruieren, kam aber zu wichtigen Schlussfolgerungen bezüglich der Kollisionskonstellation. Er beschrieb den Anstoß als einen kurzen, quasi-statischen Kontakt mit nur geringem Winkelversatz zwischen den Fahrzeugen. Ein zentrales Ergebnis seiner Untersuchung war die Feststellung, dass die beiden Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Kollision annähernd die gleiche Geschwindigkeit gehabt haben müssen. Dies leitete er daraus ab, dass die hinterlassenen Raddrehspuren keinen nennenswerten Versatz zeigten.
Diese Feststellung war von großer Bedeutung: Bei einem normalen Überholvorgang, bei dem das überholte Fahrzeug seine Geschwindigkeit beibehält, hätte das überholende Fahrzeug (der Audi) logischerweise eine höhere Geschwindigkeit haben müssen. Die vom Sachverständigen festgestellte annähernd gleiche Geschwindigkeit ließ sich nach dessen Einschätzung nur plausibel durch die vom Audi-Fahrer behauptete Beschleunigung des überholten Fahrzeugs während des Überholvorgangs erklären.
Zudem stellte der Gutachter fest, dass der Anstoßpunkt am rechten Vorderrad des Audis etwa auf Höhe der Mitte des anderen Fahrzeugs lag. Das bedeutet, der Audi befand sich zum Kollisionszeitpunkt im direkten seitlichen Sichtfeld des Fahrers des überholten Wagens. Hätte der Audi-Fahrer, wie von der Gegenseite behauptet, lediglich den seitlichen Abstand falsch eingeschätzt, hätte er quasi sehenden Auges gegen das andere Fahrzeug lenken müssen. Der Sachverständige hielt dies für unwahrscheinlich und sah darin eine weitere Stütze für die Version des Audi-Fahrers, nämlich dass der andere Fahrer in ihn hineingefahren sei.
Das Gericht folgte dieser Einschätzung. Es bewertete zudem die Aussagen des überholenden Fahrers bei seiner Anhörung als detailliert, lebensnah, widerspruchsfrei und glaubwürdig. Seine Schilderungen stimmten mit seinen früheren schriftlichen Angaben überein und passten sehr gut zu den technischen Feststellungen des Sachverständigen.
Im Gegensatz dazu erschienen dem Gericht die Angaben des Fahrers des überholten Fahrzeugs zum eigentlichen Kollisionsmoment als sehr vage und wenig erhellend. Sie konnten den Hergang nicht schlüssig erklären und wichen zudem von der ursprünglichen Verteidigungslinie (Fehleinschätzung des Abstands durch den Kläger) ab. Das Gericht äußerte daher erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellung.
Das Urteil: Volle Haftung für den ausschwenkenden Fahrer und seine Versicherung
Basierend auf der Beweisaufnahme und der überzeugenden Analyse des Sachverständigen kam das Amtsgericht Braunschweig zu einer klaren Entscheidung: Die Klage des Audi-Fahrers war zulässig und begründet.
Das Gericht verurteilte die Haftpflichtversicherung und den Fahrer des überholten Fahrzeugs als Gesamtschuldner zur Zahlung des noch offenen Schadensbetrags von 1217,02 Euro zuzüglich Zinsen. Als Gesamtschuldner haften beide gemeinsam für die gesamte Summe; der Geschädigte kann sich aussuchen, von wem er das Geld fordert.
Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die Versicherung und der Fahrer als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Audi-Fahrer auch allen weiteren Schaden zu 100 % zu ersetzen, der ihm aufgrund des Unfalls vom 28. Februar 2020 bereits entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden ebenfalls der Versicherung und dem Fahrer des überholten Wagens auferlegt.
Die Begründung des Gerichts: Schwerwiegender Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die allgemeinen Haftungsregeln bei Verkehrsunfällen, insbesondere auf die Haftung des Fahrzeughalters (§ 7 StVG) und den Direktanspruch gegen den Versicherer (§ 115 VVG). Bei Unfällen, an denen mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt sind, erfolgt die Verteilung der Haftung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG. Maßgeblich sind hier die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der beteiligten Fahrer. Dabei dürfen nur Umstände berücksichtigt werden, die unstreitig sind oder bewiesen wurden und sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Fahrer des überholten Fahrzeugs einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begangen hat. Er habe gegen die Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel verstoßen, die in § 7 Abs. 5 StVO (in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung, jetzt § 5 Abs. 4 StVO) geregelt sind. Diese Vorschrift besagt sinngemäß, dass ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das plötzliche Ausscheren nach links während des laufenden Überholvorgangs durch den Audi stellte nach Überzeugung des Gerichts eine solche grob fahrlässige Gefährdung dar.
Ein Fehlverhalten des überholenden Audi-Fahrers konnte das Gericht hingegen nicht feststellen. Insbesondere die Behauptung der Gegenseite, er habe den seitlichen Sicherheitsabstand beim Überholen unterschritten, wurde durch das Sachverständigengutachten und die glaubhafte Aussage des Fahrers widerlegt. Es gab keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung durch den Überholenden.
Aufgrund des nachgewiesenen und als „gravierend“ eingestuften Verkehrsverstoßes des überholten Fahrers entschied das Gericht gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG, dass die sogenannte Betriebsgefahr des überholenden Audis vollständig zurücktritt. Die Betriebsgefahr bezeichnet das Risiko, das allein vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht, auch ohne dass dessen Fahrer einen Fehler macht. Bei einem schwerwiegenden Verschulden der Gegenseite kann diese Betriebsgefahr jedoch bei der Haftungsverteilung unberücksichtigt bleiben. Dies führte im Ergebnis zu einer Haftungsquote von 100 % zulasten des überholten Fahrers und seiner Versicherung.
Finanzielle Regelungen: Schadensberechnung, Zinsen und zukünftige Ansprüche
Der vom Gericht anerkannte Gesamtschaden setzte sich aus den Netto-Reparaturkosten (2309,52 €), der Wertminderung (100,00 €) und der Kostenpauschale (25,00 €) zusammen, was 2434,52 € ergibt. Da die Versicherung bereits 1200,00 € und später weitere 17,50 € (insgesamt 1217,50 €) gezahlt hatte, verblieb der zugesprochene Restbetrag von 1217,02 €.
Der Anspruch auf Zinsen wurde ab dem 8. April 2020 zugesprochen, da die Versicherung durch das Anwaltsschreiben des Audi-Fahrers vom 24. März 2020 mit einer Zahlungsfrist bis zum 7. April 2020 in Verzug gesetzt worden war (§§ 286, 288 BGB).
Auch der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden hatte Erfolg. Das Gericht sah hierfür ein berechtigtes Interesse (§ 256 ZPO), da das Fahrzeug des Klägers noch nicht repariert war. Es war daher wahrscheinlich, dass weitere Schadenspositionen, wie zum Beispiel Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur, noch entstehen könnten. Das Gericht stellte klar, dass der Geschädigte nicht gezwungen ist, seine Klage aufzuspalten, wenn der Schaden sich noch in der Entwicklung befindet. Dieser Feststellungsanspruch bezieht sich selbstverständlich nur auf Schäden, die nicht bereits durch die Zahlung abgedeckt sind.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass der Audi-Fahrer die Zahlung sofort verlangen kann, auch wenn die Gegenseite noch Rechtsmittel einlegen sollte. Die Beklagten können die Vollstreckung nur durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung abwenden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass ein Fahrer, der während eines Überholvorgangs nach links ausschert, vollständig für den daraus entstehenden Unfall haftet, da dies einen gravierenden Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO darstellt. Zentral war die Sachverständigenanalyse, die bestätigte, dass der überholte Fahrer beschleunigte und nach links ausscherte, wodurch die Kollision verursacht wurde. Die Entscheidung unterstreicht die Verkehrssicherheitspflicht, dass ein Fahrstreifenwechsel nur erfolgen darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden kann – bei Nichtbeachtung dieser Regel trägt man das volle Haftungsrisiko.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Sorgfaltspflichten gelten beim Überholen im Straßenverkehr gemäß der StVO?
Das Überholen im Straßenverkehr erfordert besondere Vorsicht. Die wichtigsten Regeln dazu finden sich in § 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Diese Vorschrift legt Pflichten für denjenigen fest, der überholen möchte, aber auch für den, der überholt wird. Ziel ist es, Überholvorgänge für alle Beteiligten und andere Verkehrsteilnehmer sicher zu gestalten.
Pflichten des Überholenden
Wenn Sie ein anderes Fahrzeug überholen möchten, müssen Sie mehrere Dinge sorgfältig beachten:
- Klare Sicht: Sie dürfen nur überholen, wenn Sie über die gesamte Strecke des Überholvorgangs freie Sicht haben. Das bedeutet, Sie müssen sehen können, ob Gegenverkehr kommt oder ob andere Hindernisse auftreten.
- Ausreichender Abstand: Sie müssen beim Überholen genug seitlichen Abstand zum überholten Fahrzeug halten. Dieser Abstand muss groß genug sein, um niemanden zu gefährden. Das gilt besonders beim Überholen von Zweirädern (wie Fahrrädern) oder Fußgängern. Auch nach dem Überholen müssen Sie beim Wiedereinscheren auf Ihre Spur genug Platz lassen, um das überholte Fahrzeug nicht zu behindern oder zum Bremsen zu zwingen.
- Keine Gefährdung oder Behinderung: Beim Überholen dürfen Sie keinen anderen Verkehrsteilnehmer gefährden oder über das notwendige Maß hinaus behindern. Das betrifft insbesondere den Gegenverkehr, aber auch Fahrzeuge auf Ihrer Spur oder andere, die vom Überholvorgang betroffen sein könnten.
- Schneller fahren: Sie müssen wesentlich schneller fahren als das Fahrzeug, das Sie überholen. Das stellt sicher, dass der Überholvorgang zügig und sicher abgeschlossen werden kann.
Pflichten des Überholten
Auch wenn Sie überholt werden, haben Sie Pflichten, um den Verkehr sicher zu halten:
- Geschwindigkeit nicht erhöhen: Sie dürfen Ihre Geschwindigkeit nicht erhöhen, während Sie überholt werden. Das würde den Überholvorgang erschweren und unnötig verlängern.
- Überholenden nicht behindern: Sie sollten den Überholenden nicht unnötig behindern. Wenn Sie ein langsameres Fahrzeug führen, kann es unter Umständen sinnvoll sein, etwas weiter rechts zu fahren (ohne den Verkehr auf der rechten Seite zu behindern), um das Überholen zu erleichtern – allerdings sind Sie dazu nicht verpflichtet, es sei denn, es handelt sich um besondere Fälle langsamer Fahrzeuge.
Diese Regeln sollen gewährleisten, dass das Überholen ein planbarer und sicherer Vorgang bleibt und keine unnötigen Risiken für Sie und andere im Straßenverkehr entstehen.
Was bedeutet „Ausscheren“ im juristischen Sinne und welche Konsequenzen hat es bei einem Überholvorgang?
Im Straßenverkehrsrecht versteht man unter „Ausscheren“ in der Regel das Wechseln des Fahrstreifens oder das Verlassen der Spur, insbesondere als Vorbereitung oder während eines Überholvorgangs.
Die Sorgfaltspflicht beim Ausscheren
Für das sichere Ausscheren gibt es klare Regeln, die in der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt sind. Das Wichtigste dabei ist die Sorgfaltspflicht: Bevor Sie zum Überholen ausscheren, müssen Sie sicherstellen, dass dadurch niemand gefährdet oder behindert wird. Das bedeutet konkret:
- Sie müssen den nachfolgenden Verkehr genau beobachten (Blick in den Rückspiegel und Schulterblick).
- Sie dürfen nur ausscheren, wenn der Abstand zum nachfolgenden Verkehr auf dem anderen Fahrstreifen groß genug ist.
- Sie müssen den Fahrstreifenwechsel rechtzeitig und deutlich ankündigen, zum Beispiel durch Blinken.
Ein „plötzliches“ oder „unangekündigtes“ Ausscheren liegt dann vor, wenn diese Sorgfaltspflichten missachtet werden. Stellen Sie sich vor, ein Fahrzeug wechselt abrupt die Spur, ohne auf den Verkehr zu achten, der von hinten schnell näherkommt – das wäre ein solches unsicheres Ausscheren.
Konsequenzen bei Unfällen
Ein Unfall, der durch unsicheres Ausscheren verursacht wird, hat in aller Regel schwerwiegende Folgen für die Haftung. Wer seine Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel verletzt, trägt meist die volle oder die überwiegende Schuld an einem dadurch verursachten Unfall.
Die Gerichte gehen oft davon aus, dass derjenige, der ausscherte, den Unfall vermeiden hätte können, wenn er die vorgeschriebene Vorsicht beachtet hätte. Dies kann dazu führen, dass der Ausscherende den gesamten Schaden des Unfallgegners (Reparaturkosten, Schmerzensgeld etc.) ersetzen muss. Selbst wenn der Unfallgegner eventuell zu schnell war, kann die Hauptschuld beim unachtsam Ausscherenden liegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Sicheres Ausscheren ist eine grundlegende Pflicht im Straßenverkehr. Wer dabei unvorsichtig handelt und dadurch einen Unfall verursacht, muss meist mit erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen rechnen.
Wie wird die Beweislast bei einem Verkehrsunfall während eines Überholvorgangs verteilt?
Bei einem Verkehrsunfall stellt sich immer die Frage, wer was beweisen muss, um seine Ansprüche durchzusetzen. Diesen Punkt nennt man Beweislast.
Wenn es während eines Überholvorgangs zu einem Unfall kommt und jemand (z.B. der Überholende) Schadenersatz vom Unfallgegner fordert, muss dieser grundsätzlich beweisen, dass der Unfall durch ein Verschulden des Unfallgegners verursacht wurde. Das ist die Grundregel im Schadensrecht: Wer behauptet, durch jemand anderen geschädigt worden zu sein, muss die Fehler des anderen beweisen, die zum Schaden geführt haben.
Stellen Sie sich vor, Sie überholen und es kommt zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug, das Sie gerade überholen. Wenn Sie nun sagen, der andere Fahrer sei schuld gewesen, weil er plötzlich ausgeschert ist, müssen Sie beweisen, dass der andere Fahrer tatsächlich plötzlich und fehlerhaft ausgeschert ist und dass dies ursächlich für den Unfall war.
ABER: Im Straßenverkehr gibt es viele besondere Regeln und Pflichten, die jeder Verkehrsteilnehmer beachten muss. Beim Überholen gilt das für beide Seiten. Der Überholende muss sich vergewissern, dass er gefahrlos überholen kann. Der Überholte darf den Überholvorgang nicht behindern und darf insbesondere während des Überholens nicht plötzlich die Fahrspur wechseln oder beschleunigen.
Wenn der Unfall gerade durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine solche klare Pflicht des Unfallgegners verursacht wurde – zum Beispiel, weil das überholte Fahrzeug plötzlich, unerwartet und ohne zu blinken die Fahrspur gewechselt hat, während es überholt wurde – dann kann sich die Beweissituation ändern.
In solchen Fällen kann es zu einer Beweiserleichterung für den Geschädigten kommen. Das bedeutet, dass es für denjenigen, der eigentlich beweisen müsste (oft den Überholenden), leichter wird, den Beweis zu führen. Manchmal spricht ein solcher Verstoß so stark für die Schuld des Unfallgegners (das überholte Fahrzeug), dass dieser dann beweisen muss, dass der Unfall eben nicht auf seinen Verstoß zurückzuführen ist. Das kann die Beweisführung erheblich beeinflussen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Grundsätzlich muss der Geschädigte beweisen, dass der Unfall durch den anderen verursacht wurde. Wenn der Unfallgegner aber klar gegen eine wichtige Verkehrsvorschrift verstoßen hat (wie z.B. plötzliches Ausscheren beim Überholtwerden), kann dies die Beweissituation zugunsten des Geschädigten drehen und den Beweis erheblich erleichtern oder sogar den Unfallgegner in die Pflicht nehmen zu beweisen, dass er nicht schuld war.
Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Klärung des Unfallhergangs vor Gericht?
Bei der Klärung des Unfallhergangs vor Gericht, besonders nach einem Verkehrsunfall, spielt ein Sachverständigengutachten eine sehr wichtige Rolle.
Das Gericht selbst ist kein Technik-Experte. Es kann oft technische Fragen nicht beantworten, die wichtig sind, um zu verstehen, wie der Unfall genau passiert ist. Fragen zur Geschwindigkeit, zu Bremswegen, zur Sichtbarkeit, zu den Kräften, die aufeinander wirkten, oder zum Zustand der beteiligten Fahrzeuge erfordern spezielles Wissen.
Hier kommt der Sachverständige ins Spiel. Er oder sie wird vom Gericht beauftragt, den Unfall wissenschaftlich und technisch zu untersuchen. Ziel ist es, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Das Gutachten erklärt dann dem Gericht auf Basis technischer Berechnungen und Fakten, was wahrscheinlich passiert ist.
Für das Gericht ist dieses Gutachten eine wesentliche Entscheidungsgrundlage. Es liefert die notwendigen technischen Fakten, die das Gericht benötigt, um den Sachverhalt vollständig zu erfassen und rechtlich zu beurteilen, wer welche Verantwortung trägt. In der Praxis folgt das Gericht dem Ergebnis eines unabhängigen Sachverständigen in aller Regel, da dieser über das notwendige Fachwissen verfügt, das dem Gericht fehlt.
Das Gericht ist zwar nicht zwingend an das Gutachten gebunden, darf aber nur davon abweichen, wenn es sehr triftige Gründe dafür gibt. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn das Gutachten offensichtliche Mängel aufweist oder wenn andere Beweise (wie Zeugenaussagen oder Dokumente) dem Gutachten eindeutig widersprechen und diese Beweise für das Gericht überzeugender sind.
Für Sie als Prozessbeteiligten bedeutet das: Das Sachverständigengutachten hat oft entscheidenden Einfluss darauf, wie das Gericht den Unfallhergang beurteilt und damit, wie der Fall entschieden wird.
Welche Schadenspositionen können nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden?
Nach einem Verkehrsunfall können verschiedene Arten von Kosten und Verlusten entstehen, die unter bestimmten Umständen vom Unfallverursacher oder dessen Versicherung ersetzt werden müssen. Man spricht hier von sogenannten Schadenspositionen. Das bedeutet, dass Sie die finanzielle Wiedergutmachung für diese Schäden verlangen können.
Welche Schäden das genau sind, hängt immer vom Einzelfall ab und davon, was durch den Unfall beschädigt wurde oder welche Folgen er hatte.
Typische Schadenspositionen nach einem Verkehrsunfall:
Zu den häufigsten Schadenspositionen gehören:
- Reparaturkosten: Dies sind die Kosten, um Ihr beschädigtes Fahrzeug wieder instand zu setzen. Wenn eine Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll ist (Totalschaden), wird oft der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des Fahrzeugs ersetzt.
- Wertminderung (merkantiler Minderwert): Auch wenn das Fahrzeug nach der Reparatur wieder technisch einwandfrei ist, kann es auf dem Gebrauchtwagenmarkt weniger wert sein, da es ein Unfallfahrzeug ist. Dieser Wertverlust kann als eigener Schaden geltend gemacht werden.
- Nutzungsausfallentschädigung: Wenn Sie Ihr Fahrzeug nach dem Unfall nicht nutzen können und auch keinen Mietwagen nehmen, können Sie für die Dauer des Ausfalls eine Entschädigung erhalten. Das soll den Nachteil ausgleichen, dass Ihnen Ihr Fahrzeug nicht zur Verfügung steht.
- Mietwagenkosten: Benötigen Sie während der Reparaturzeit oder bis zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs einen Mietwagen, können die hierfür anfallenden Kosten unter bestimmten Voraussetzungen übernommen werden. Dabei gibt es oft Einschränkungen, z.B. bezüglich der Fahrzeugklasse.
- Abschleppkosten: Wenn Ihr Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit ist und abgeschleppt werden muss, sind diese Kosten in der Regel ebenfalls zu ersetzen.
- Sachverständigenkosten (Gutachterkosten): Um die Höhe des Fahrzeugschadens festzustellen, ist oft ein Gutachten notwendig. Die Kosten für einen unabhängigen Sachverständigen, der den Schaden bewertet und die Reparaturkosten kalkuliert, können bei Haftung der Gegenseite ebenfalls erstattet werden.
- Rechtsanwaltskosten: Bei einem fremdverschuldeten Unfall können auch die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche als erstattungsfähiger Schaden gelten.
- Schmerzensgeld: Wurden Sie bei dem Unfall verletzt, können Sie zusätzlich zu den materiellen Schäden auch eine Entschädigung für die erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen verlangen. Dies soll einen Ausgleich für nicht-wirtschaftliche Beeinträchtigungen bieten.
- Weitere Kosten: Hinzu kommen können beispielsweise Kosten für die Ummeldung eines Ersatzfahrzeugs, Standgebühren für das beschädigte Fahrzeug oder auch ein möglicher Verdienstausfall, wenn Sie durch eine Verletzung nicht arbeiten können.
Wichtig ist: Jeder Schaden muss nachgewiesen werden. Das geschieht meist durch Rechnungen, Quittungen, Kostenvoranschläge, Gutachten oder ärztliche Atteste. Die genaue Höhe des zu ersetzenden Schadens hängt immer von den spezifischen Umständen des Unfalls und den konkret entstandenen Kosten und Verlusten ab.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Ausscheren
Ausscheren bezeichnet das Wechseln des Fahrstreifens, insbesondere beim Überholen, also wenn ein Fahrzeug von seiner bisherigen Spur nach links oder rechts fährt. Rechtlich ist hierbei wichtig, dass der Fahrer vor dem Ausscheren sorgfältig prüfen muss, ob andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet oder behindert werden (§ 5 Abs. 4 StVO). Ein plötzliches oder unangekündigtes Ausscheren, das zu einem Unfall führt, wird meist als Pflichtverletzung gewertet und kann eine volle Haftung begründen, wie im vorliegenden Fall des Überholunfalls in Braunschweig deutlich wurde.
Beispiel: Wenn Sie auf der Autobahn plötzlich ohne Spurwechselanzeige und ohne Blick in den Rückspiegel nach links ausscheren, sodass ein nachfolgendes Fahrzeug nicht mehr ausweichen kann, kann Ihnen daraus ein Unfallverschulden entstehen.
Haftung
Haftung bedeutet die rechtliche Verantwortung, die jemand für einen Schaden trägt und im Zweifelsfall dafür finanziell aufkommen muss. Im Straßenverkehr regelt sich die Haftung meist nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), insbesondere bei Unfällen mit mehreren Beteiligten nach § 17 StVG. Dabei wird geprüft, wer den Unfall verursacht oder mitverschuldet hat. Im vorliegenden Fall wurde dem ausschwenkenden Fahrer die volle Haftung zugewiesen, weil er durch sein Fehlverhalten den Unfall verursachte.
Beispiel: Verursachen Sie einen Autounfall, weil Sie die Vorfahrt missachten, müssen Sie den Schaden des Unfallgegners ersetzen – Sie haften für den Schaden.
Schadensersatz
Schadensersatz ist der finanzielle Ausgleich, den ein Geschädigter vom Schädiger oder dessen Versicherung verlangen kann, wenn ihm ein Schaden zugefügt wurde (§§ 823 BGB, 249 ff. BGB). Er umfasst alle Kosten, die durch den Unfall entstanden sind, etwa Reparaturkosten, Wertminderung oder Nutzungsausfall. Im vorliegenden Fall forderte der geschädigte Audi-Fahrer von der Haftpflichtversicherung des anderen Fahrers eine volle Schadenszahlung, da dieser für den Unfall verantwortlich gemacht wurde.
Beispiel: Wenn Ihr Auto durch einen Unfall beschädigt wird, dürfen Sie von demjenigen, der den Schaden verursacht hat, verlangen, dass er Ihnen die Reparaturkosten erstattet.
Beweislast
Die Beweislast bezeichnet die Verpflichtung, Tatsachen vor Gericht nachzuweisen, die für die Ansprüche entscheidend sind. Im Schadensrecht gilt grundsätzlich, dass derjenige beweisen muss, dass der andere den Schaden verursacht hat. Eine Beweiserleichterung kann eintreten, wenn ein eindeutiger Verkehrsverstoß erfolgt ist, etwa ein plötzliches Ausscheren während des Überholvorgangs. Dann muss der Unfallgegner widerlegen, dass er den Unfall verursacht hat. Im vorliegenden Verfahren half diese Regelung, da das Gericht zugunsten des Audi-Fahrers entschied, weil der andere Fahrer gegen die Sorgfaltspflichten verstieß.
Beispiel: Wenn Sie sagen, dass jemand Sie mit seinem Fahrzeug angefahren hat, müssen Sie normalerweise beweisen, dass er schuld ist. Verletzte dieser Fahrer aber klar Regeln, wird es für Sie leichter, den Anspruch durchzusetzen.
Sachverständigengutachten
Ein Sachverständigengutachten ist eine schriftliche, fachlich fundierte Untersuchung durch einen Experten, der technische oder fachliche Fragen klärt, die für die gerichtliche Entscheidung wichtig sind. Bei Verkehrsunfällen helfen Gutachten dabei, Unfallschäden, Unfallhergänge oder Geschwindigkeiten zu rekonstruieren, um Schuldfragen zu klären. Im hier beschriebenen Fall war das Gutachten entscheidend dafür, dass das Gericht feststellen konnte, dass beide Fahrzeuge annähernd gleich schnell waren, was die Version des Ausscheren-Verstoßes stützte.
Beispiel: Nach einem Unfall wird ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger beauftragt, um anhand der Beschädigungen zu berechnen, wie der Unfall abgelaufen ist und wer vermutlich Schuld hat. Das Gericht orientiert sich dann an diesem Gutachten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 4 StVO (ehemals § 7 Abs. 5 StVO): Regelt die Pflichten beim Fahrstreifenwechsel, insbesondere dass dieser nur erfolgen darf, wenn keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht. Ein plötzlicher Spurwechsel während eines Überholvorgangs kann einen schweren Verkehrsverstoß darstellen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass der überholte Fahrer durch das plötzliche Ausscheren nach links diese Sorgfaltlicht verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat.
- § 17 Abs. 1 und 2 StVG: Bestimmt die Haftungsverteilung bei Unfällen mit mehreren Beteiligten unter Berücksichtigung von Verursachungs- und Verschuldensanteilen. Betriebsgefahr des Fahrzeugs kann bei gravierendem Verschulden des anderen zurücktreten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund des grob fahrlässigen Verstoßes des ausschwenkenden Fahrers wurde diesem die volle Haftung zugeschrieben, sodass die Betriebsgefahr des überholenden Fahrzeugs keine Rolle spielte.
- § 7 StVG (Halterehaftung): Der Halter eines Fahrzeugs haftet grundsätzlich für Schäden, die durch das Fahrzeug verursacht werden, auch wenn der Fahrer verantwortlich ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Haftpflichtversicherung des Halters des ausschwenkenden Fahrzeugs wurde als Gesamtschuldnerin zur Schadenszahlung verpflichtet.
- § 115 VVG (Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung): Ermöglicht dem Geschädigten, seine Ansprüche direkt gegenüber der Haftpflichtversicherung des Schädigers geltend zu machen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger konnte die Schadenersatzansprüche direkt gegen die Versicherung des überholten Fahrers durchsetzen.
- §§ 286, 288 BGB (Verzug und Verzugszinsen): Regelt die Voraussetzungen und Folgen des Zahlungsverzugs, inklusive der Berechnung von Verzugszinsen ab dem Eintritt des Verzugs. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung geriet in Verzug ab dem gesetzten Zahlungsziel, was dem Kläger den Anspruch auf Verzugszinsen sicherte.
- § 256 ZPO (Feststellungsinteresse): Dient der gerichtlichen Klärung noch ungewisser oder zukünftiger Ansprüche, wenn ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht erkannte den Anspruch des Klägers auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden an, da der Schaden noch nicht vollständig abschließend feststeht (z.B. Nutzungsausfall).
Das vorliegende Urteil
AG Braunschweig – Az.: 117 C 1155/20 – Urteil vom 22.02.2022
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz