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Verkehrsunfall bei Wenden im Kreuzungsbereich

LG Lübeck – Az.: 14 S 106/20 – Urteil vom 02.06.2022

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 28.07.2020, Az. 47 C 257/20, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.814,56 € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 28. Juli 2020.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der Klägerseite ein erheblicher Verursachungsbeitrag zu dem streitgegenständlichen Unfall zu berücksichtigen sei. Denn gegen die Klägerseite streite der Anscheinsbeweis, dass die Fahrerin gegen ihre Sorgfaltspflichten gem. § 9 Abs. 5 StVO verstoßen habe. Der Beklagtenseite zuzurechnende Verursachungsbeiträge habe das Amtsgericht hingegen nicht feststellen können. Ein Fahrstreifenwechsel des Beklagtenfahrzeuges könne es schon wegen § 296a ZPO nicht berücksichtigen und auch ein Verstoß gegen § 1 StVO sei nicht festzustellen.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszug wird im Übrigen auf die von ihnen in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Berufungskläger beantragt, unter Abänderung des am 28. Juli 2020 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Ahrensburg – 47 C 257/20 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.814,56 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 29. Februar 2020 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR zu zahlen.

Die Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungskammer hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 30. September 2021 (Bl. 150 d.A.) und das Ergänzungsgutachten vom 21. Februar 2022 (Bl. 189 d.A.).

II.

Der in zulässiger Weise eingelegten Berufung ist in der Sache der Erfolg versagt.

1. Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

a. Wie bereits vom Amtsgericht zutreffend entschieden, liegen hier keine der Beklagtenseite zuzurechnenden Verursachungsbeiträge an dem Unfallgeschehen vor.

Bei der Abwägung der Haftungsanteile nach § 17 I StVG sind nur unstreitige, zugestandene und erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen; Vermutungen haben außer Betracht zu bleiben. Hieran gemessen vermag auch das Landgericht – Berufungskammer – keine Verursachungsbeiträge der Beklagtenseite festzustellen.

Soweit die Klägerseite insoweit vorträgt, der Beklagte zu 2) habe einen unzulässigen Spurwechsel auf den mittleren Fahrstreifen vollzogen und hierdurch den Unfall verursacht, kann dies nicht zu Grunde gelegt werden. Denn diese Behauptung wurde von der Beklagtenseite zulässigerweise bestritten und war damit beweisbedürftig. Den der Klägerseite obliegenden Beweis eines Fahrspurwechsels konnte diese jedoch nicht führen. Die hierzu angehörte Zeugin vermochte zu der Frage eines Fahrspurwechsels der Beklagtenseite nichts auszusagen. Weitere Beweismittel lagen nicht vor. Aus einem etwaigen Widerspruch zwischen vorgerichtlichen Aussagen des Beklagten zu 2) und den innerprozessualen Aussagen des Beklagten zu 2) lässt sich ein hinreichend verlässliches Beweisbild im Übrigen nicht herleiten, da keine ergänzenden Beweismittel vorliegen, die dem Gericht Rückschlüsse auf den tatsächlichen Geschehensablauf zuließen.

Soweit die Klägerseite behauptet, der Beklagte zu 2) sei bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren, kann dies ebenfalls nicht zugrunde gelegt werden. Denn auch diese Behauptung wurde von dem Beklagten bestritten und war damit ebenfalls beweisbedürftig. Auch diesen Beweis konnte der Kläger jedoch nicht führen. Insbesondere das hierzu eingeholte Sachverständigengutachten erbrachte nicht den der Klägerseite obliegenden Beweis, dass der Beklagte zu 2) bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist. Vielmehr legte der Sachverständige sogar überzeugend und nachvollziehbar dar, dass das Gegenteil – nämlich eine Einfahrt bei Grün – der Fall gewesen sei. Die gegen das Gutachten vorgebrachten Einwände führten ebenfalls nicht dazu, dass der Sachverständige nunmehr den nötigen Beweis darlegen konnte, dass der Beklagte zu 2) bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren sein musste. Vielmehr legte der Sachverständige nachvollziehbar und in der Sache überzeugend dar, dass selbst bei Zugrundelegung der von Klägerseite vorgestellten Parameter (abweichende Startposition bzw. abweichende Geschwindigkeit) – für deren Richtigkeit im Übrigen die Klägerseite in der Beweislast wäre – sogar von einer noch höheren Wahrscheinlichkeit auszugehen sei, dass ein Rotlichtverstoß gerade nicht vorliege.

Soweit die Klägerseite in der Berufung noch anmerkt, dass es sich bei Zugrundelegung der Aussage der Zeugin nicht erschließe, wie es dann zu dem Unfall gekommen sein könne, darf im Übrigen auf die Ausführungen des Sachverständigen insb. in Anlage K 5 des Gutachtens verwiesen werden. Aus diesem ergibt sich anschaulich, dass ohne weiteres Anstoßkonfigurationen möglich sind, die auf einem Fahrverhalten wie dem hier angegebenen, beruhen können.

Verkehrsunfall bei Wenden im Kreuzungsbereich
(Symbolfoto: Tavarius/Shutterstock.com)

b. Auf Seiten des Klägers hat das Amtsgericht im Übrigen zu Recht einen Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO angenommen. Nach dieser Bestimmung muss sich jeder Fahrzeugführer beim Wenden so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dass der Kläger gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen hat, wird dabei vermutet. In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass wegen der besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO gegen den Wendenden der Beweis des ersten Anscheins spricht, eine in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Wendevorgang eingetretene Kollision mit einem anderen Fahrzeug verschuldet zu haben (vgl. etwa KG, Hinweisbeschluss vom 20. 8. 2008 – 12 U 158/08 -, NJOZ 2009, 2047 m.w.N.). Eine derartige Situation liegt hier vor. Dabei kann dahinstehen, ob das klägerische Fahrzeug noch gerade im Wendevorgang begriffen war oder schon gerade vollständig auf der mittleren Fahrspur angekommen war. Denn maßgeblich ist nicht die genaue Position, sondern die Frage, ob noch der vorgenannte „unmittelbare zeitliche und örtliche Zusammenhang“ mit dem Wendevorgang bestand. Dies ist hier in jedem Fall gegeben, da auch nach der klägerischen Darstellung sich der Unfall noch im Kreuzungsbereich und jedenfalls in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dem Wendevorgang ereignete. Entsprechend obläge es der Klägerseite, die sich ergebende Vermutung eines Sorgfaltspflichtverstoßes zu entkräften. Dies ist dem Kläger nicht gelungen, da – wie aufgezeigt – nachweisbare Verursachungsbeiträge der Gegenseite nicht zu erkennen sind und es damit bei der Vermutung bleibt, dass der Unfall durch das klägerische Fahrzeug verursacht wurde.

c. Bedenken gegen die vom Amtsgericht angesetzte Haftungsquote bestehen nicht. Bei einem Zusammenstoß mit einem Wendenden auf sonstigen Straßen ist vielmehr in der Regel von dessen Alleinhaftung auszugehen (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen

16. Auflage 2020, Rn. 259). Gründe, hiervon hier abzuweisen, liegen nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Gründe, die Revision zuzulassen liegen nicht vor.

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