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Verkehrsunfall – Bestimmung des Werts eines Fahrzeug-Unikats

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 157/18 – Urteil vom 24.03.2020

Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 18.7.2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil wird ebenfalls für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 5.885,76 € festgesetzt.

Gründe

I. Hinsichtlich der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 ZPO auf Einzelheiten verzichtet, dein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht statthaft ist (§ 544 ZPO).

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat sowohl in Begründung als auch Ergebnis die Beklagten zutreffend entsprechend dem Tenor verurteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die mit der Berufung hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen in vollem Umfang nicht durch.

Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Beklagte zu 2) für den von ihrem Versicherungsnehmer in der Nacht vom XX./XX.XX.2013 verursachten Schaden an dem Fahrzeug der Klägerin in vollem Umfang verantwortlich ist. Es kommt vorliegend lediglich auf die Frage an, wie der Wert des beschädigten Fahrzeugs zu bestimmen ist.

Dabei hat das Landgericht zutreffend nicht auf § 249 BGB, sondern auf § 251 BGB abgestellt, da das Fahrzeug der Klägerin ein Unikat darstellte, das auf dem regulären Markt nicht erhältlich ist, weshalb im eigentlichen Sinne auch kein Wiederbeschaffungswert im Sinne der Naturalrestitution des § 249 BGB festgestellt werden kann.

Das Landgericht hat durch ausführliche Beweisaufnahme und Beweiswürdigung, an die der Senat gemäß § 529 ZPO gebunden ist und die er in der Sache auch teilt, festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin auf der Basis der Karosserie eines Marke1 Typ1 faktisch ein Fahrzeug der Klasse Marke1 Typ2 hergestellt hat, indem er die wesentlichen Baugruppen des Marke1 Typ2 in die Karosserie des Marke1 Typ1 eingebaut hat. Der Zeuge A hat insoweit glaubhaft und auch nachvollziehbar erklärt, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker die Möglichkeit hatte, die beiden Fahrzeugtypen zusammenzuführen, wobei er in monatelanger Arbeit beide Fahrzeuge quasi zerlegt und dann neu zusammengebaut hat. Dabei wurden auch zahlreiche Neuteile eingebaut, grundlegende und wesentliche Baugruppen wurden verändert. Der Sachverständige hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass es sich im Ergebnis um ein Fahrzeug der Klasse Typ2 handelt, was sich insbesondere von dem ursprünglichen Fahrzeug Typ1 darin unterscheidet, dass das Fahrzeug mit einem Sechszylindermotor ausgestattet ist. Der Sachverständige hat auch ausreichend festgestellt, und dies ist durch die Vernehmung der Zeugen A und B auch bewiesen, dass bei dem Umbau passende Teile verwendet worden sind.

Diese sollen im Wesentlichen auch Marke1-Originalteile sein; darauf kommt es im Ergebnis aber nicht entscheidend an, da angesichts der Sachkunde des Sachverständigen und der benannten Zeugen eindeutig erkennbar ist, dass vorliegend ein ganz besonderes Fahrzeug hergestellt werden sollte, weshalb auch der Umbau fotografisch im Einzelnen dokumentiert worden ist.

Es sind keine Umstände erkennbar, die gegen die Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Landgerichts sprechen. Die von der Berufung aufgeführten Fehler des Sachverständigen sind unerheblich, wirken sich im Ergebnis nicht aus und sind auch vom Landgericht ausreichend berücksichtigt worden.

Das Landgericht hat auch ausreichend dargestellt und auch in der Beweisaufnahme untersucht, wie in einem solchen Fall denn ein Wert bestimmt werden kann, der zum einen der Brauchbarkeit, zum anderen aber auch dem Interesse des Klägers an dem Fahrzeug entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 92, 85) ist der Geldwert eines Unikats mangels eines Marktpreises nur durch Vergleich mit ähnlichen Objekten, die einen Marktpreis haben, zu finden, wobei außer fehlender Marktgängigkeit und den damit verbundenen Abstrichen an einem etwaigen Einsatz zu Vermögensdispositionen Unterschiede in der Qualität, Quantität, Erhaltungszustand, Gebrauchswert und dergleichen bei der notwendigen richterlichen Schätzung berücksichtigt werden müssen.

Genau dies haben der Sachverständige und das Landgericht getan, indem sie die verschiedenen Bewertungsmethoden berücksichtigt haben, dabei die Besonderheiten des vorliegenden Falles eingeflossen sind und eine Gesamtbewertung vorgenommen wurde. Es geht deshalb nicht an, wie die Beklagte zu 2) meint, lediglich einen Vergleich mit Fahrzeugen der Klasse Typ1 oder der Klasse Typ2 bei dem entsprechenden Baujahr und der Laufleistung vorzunehmen. Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin zahlreiche Neuteile eingebaut hat und der Motor und das Getriebe des Marke1 Typ2 eine Laufleistung von lediglich 120.000 km aufwiesen. Darauf, dass die Karosserie des Marke1 Typ1 bereits ein erhebliches Alter aufwies, kommt es im Ergebnis nicht an, da nach den glaubhaften Angaben des Sachverständigen und auch der Eigenerfahrung des Senats bei entsprechendem Pflegezustand Autokarosserien sehr lange halten, ohne dass diese einen tatsächlichen Wertverlust aufweisen, während dies hinsichtlich der verschleißabhängigen Baugruppen gerade nicht der Fall ist und es dort auf die Laufleistung in viel deutlicherem Maße ankommt.

Auch wenn für den Senat offenbleiben kann, warum und aus welchem Grund der Ehemann der Klägerin gerade eine solche Verbindung zweier Fahrzeuge mit erheblichem Arbeitsaufwand vorgenommen hat, liegt doch auf der Hand, dass dies nicht ohne Sinn erfolgt sein kann. Für den Senat verbleibt, wie dies der Sachverständige auch angedeutet hat, eigentlich nur die Möglichkeit, dass es sich um eine Verdeckung der wahren Eigenschaften des Fahrzeugs, mithin der Geschwindigkeit und der Motorkraft handelt, indem der Anschein eines eher behäbigen Fahrzeug erweckt wurde, das tatsächlich eine ganz erheblich höhere Leistung aufwies.

Dass dies in Kreisen von bestimmten Auto-Fanatikern durchaus üblich ist oder zumindest Gefallen daran gefunden wird, zeigt sich daran, dass es bereits zahllose Beispiele dafür gibt, in scheinbar unscheinbare Fahrzeuge Großmotoren einzubauen, um damit entsprechend angeben zu können. Es ist durchaus auf deutschen Straßen auch Alltag, dass illegale Straßenrennen durchgeführt werden. Ohne dass der Senat dies unterstellt, würde sich aber insoweit ein solches Fahrzeug durchaus anbieten, weil für den Gegner natürlich nicht erkennbar ist, dass darunter erheblich mehr Leistung steckt. Jedenfalls kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass es in einschlägigen Kreisen ganz erhebliches Interesse an einer solchen Verschleierung geben kann. Dies muss insgesamt bei der Frage des Marktwertes Berücksichtigung finden, weil solche Intentionen zwar nicht unbedingt der allgemeinen Meinung und Auffassung gerade hinsichtlich der Sicherheit im Straßenverkehr entsprechen dürften, allerdings im generellen nicht verboten sind und deshalb bei der Berücksichtigung eine Rolle spielen müssen.

Die Einwendungen der Berufung, dass nach den Angaben ihres Sachverständigen lediglich der bereits gezahlte Betrag als Wertersatz anfallen könnte, greifen deshalb nicht durch. Es ist dafür unerheblich, ob es einen speziellen Liebhabermarkt gibt oder nicht. Jedenfalls erfordert die Schätzung eines solchen Marktwertes sehr viel mehr Aufwand, als dass lediglich Wiederbeschaffungswerte vergleichbarer Fahrzeuge herangezogen werden. Insoweit ist auch durchaus von Bedeutung, dass der Schadensgutachter der Klägerin ebenfalls zu einem höheren Wiederbeschaffungswert gekommen ist.

Das Landgericht hat zutreffend auch die Werterhöhung durch die Standheizung berücksichtigt und dabei auch die vom Sachverständigen festgestellten Angaben übernommen. Es hat sich auch mit der Frage der richtigen Bereifung auseinandergesetzt. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nur einen geringen Abzug dafür gemacht hat, weil nach der Beweisaufnahme feststeht, dass der Zeuge durchaus in der Lage gewesen wäre, entsprechende Reifen zu besorgen, und die aufgezogenen lediglich zur Vervollständigung des Fahrzeugs gedient hatten, keinesfalls aber bei der Zulassung benutzt worden wären. Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge A dies in der Werkstatt des Zeugen B durchführen konnte, liegt es nahe, dass er auch in der Lage gewesen wäre, dort vorhandene Reifen aus Unfallfahrzeugen etc. zu benutzen, so dass auch keine erheblichen höheren Investitionen erforderlich gewesen wären.

Wesentlicher Angriffspunkt der Berufung ist auch die Frage, dass das Fahrzeug der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht zugelassen war. Insoweit hat der Sachverständige aber zutreffend ausgeführt, dass sämtliche Arbeiten des Zeugen A den entsprechenden Vorgaben von Marke1 entsprochen haben und es aus Sicht von Marke1 keine Frage gewesen wäre, dass das Fahrzeug zugelassen werden könnte. Der Sachverständige hat sich auch bei den einschlägigen TÜV-Unternehmen erkundigt und auch dort wurde im Wesentlichen grünes Licht gegeben. Im Ergebnis kann allerdings auch dahinstehen, ob das Fahrzeug im Ergebnis zugelassen worden wäre oder weitere größere Umbauten erforderlich gewesen wären. Es liegt nämlich in der Verantwortlichkeit des Klägers, wenn der Geschädigte aus dem von ihm eingeschlagenen Weg herausgerissen wird und daraus erst die besondere Schwierigkeit folgt, eine Prognose über die hypothetische Entwicklung anzustellen (BGH 14.11.2017 VI ZR 92/17). Ergeben sich weder für einen Erfolg noch für einen Misserfolg hinreichende Anhaltspunkte, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten auszugehen und auf dieser Basis die weitere Prognose anzustellen und den Schaden nach § 287 zu schätzen. Verbleibende Risiken können durch Abschläge, besondere Chancen durch Zuschläge berücksichtigt werden.

Diese zum Personenschaden ergangene Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Es sind überhaupt keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum das fragliche Fahrzeug nicht hätte zugelassen werden können. Der Zeuge A war Fachmann und hätte sicherlich den Arbeitsaufwand nicht durchgeführt, wenn er nicht sicher gewesen wäre, eine Zulassung zu erhalten. Dies ergibt sich auch aus den übrigen vom Sachverständigen aufgelisteten Indizien. Dass eine solche Zulassung ist angesichts der erheblichen Beschädigung nicht mehr möglich war, geht zulasten des Schädigers. Das Landgericht hat insoweit gewisse Risiken mit einem geringen Abschlag berücksichtigt, was der Senat genauso sieht.

Da ansonsten keine weiteren Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der landgerichtlichen Entscheidung bestehen, war die Berufung insgesamt zurückzuweisen. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor, da der Senat weder von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht noch die Sache so grundsätzliche Bedeutung hat, dass eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs notwendig ist. Die Frage der Bewertung eines Unikats ist durch den Bundesgerichtshof, insbesondere auch in der Entscheidung vom 7.2.2013 – IX ZR 75/12 -, ausgeführt und bestätigt worden. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung sind nicht erkennbar.

 

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