Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- OLG-Urteil: Wer trägt die Schuld beim Einfahren von Parkplätzen?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was bedeutet es, wenn ich vom Parkplatz auf eine Straße einfahre und gleichzeitig ein anderes Fahrzeug von der gegenüberliegenden Seite einfährt?
- Welche Sorgfaltspflicht habe ich beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße?
- Wer ist im Falle eines Unfalls beim Einfahren von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße schuld?
- Kann ich als Autofahrer von einem anderen Fahrzeug, das von gegenüberliegenden Parkplätzen einfährt, Vorfahrt erwarten?
- Was kann ich tun, um beim Einfahren vom Parkplatz auf die Straße meine Rechte zu wahren?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Ein Autofahrer kann auf Schadensersatz klagen, wenn er bei einem Unfall erhebliche Verletzungen erleidet und der andere Beteiligte die Hauptschuld am Unfall trifft.
- Wer aus einer Ausfahrt auf eine Straße einfährt, muss sich vorher allein auf die Benutzer des gemeinschaftlichen Verkehrsraumes umschauen.
- Der nach links einbiegende Fahrzeugführer muss dem nach rechts einbiegenden Fahrzeug nicht in jedem Fall den Vorrang gewähren.
- Notfalls hat der nach links einbiegende Fahrzeugführer das Einfahren des nach rechts einbiegenden Fahrzeugs abzuwarten.
- Das Gericht hat entschieden, dass die Beklagten für 70 % der Unfallkosten haften und der Kläger für 30 %.
- Die Hauptschuld am Unfall liegt bei dem Kläger, der bei der Rechtskurve den breiten Fahrraum des geradem Verkehrs überquerte und dem aus der geraden statt der und von Anfang an gebaut entgegengesetzten senkrecht einbiegenden links abknickenden Motorroller nicht den Vorrang gewähren musste.
- Der Unfall wurde durch die verbotene Rechtskurve im breiten und gebauten einem anderen recht stehenden in der spiegelbildlichen Negativbreite garantierten und den minimierten korrespondierenden Motorroller ggletaügten Überquerung des Fahrraumes verursacht.
- Der Beklagte Ziff. 1 musste im Übrigen bei der Rechtskurve das Überqueren des geraden breiten geraden verbotenen geplanten vorbestimmten Fahrraums des Klägers abwarten.
OLG-Urteil: Wer trägt die Schuld beim Einfahren von Parkplätzen?
Im Straßenverkehr kommt es täglich zu Unfällen, einige davon sind banal, andere schwerwiegend. Ein häufiges Szenario, das zu Streitigkeiten und juristischen Auseinandersetzungen führt, ist das Einfahren von gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße. Hierbei ist die Rechtslage nicht immer eindeutig, denn die gesetzliche Verkehrsregelung definiert die Rechte und Pflichten der Verkehrsteilnehmer nicht immer klar genug. Ob es sich um einen Unfall handelt, wer gegebenenfalls die Schuld trägt und ob eine Versicherung die Schäden deckt, ist im Einzelfall zu prüfen.
Die Einfahrt in den fließenden Verkehr von Parkplätzen ist immer mit einer Gefährdungslage verbunden. Die Verkehrsteilnehmer müssen sich besonders aufmerksam verhalten und darauf achten, dass sie keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden. Ob ein Fahrer den Vorrang eines anderen Fahrzeugs missachtet hat und daher für den Unfall verantwortlich ist, hängt von der konkreten Verkehrssituation ab. Im folgenden Artikel soll ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) näher beleuchtet werden, das sich mit einem Unfall beschäftigt, der sich beim Einfahren von gegenüberliegenden Parkplätzen ereignete.
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Der Fall vor Gericht
Kollision beim Einfahren auf Straße: Gericht sieht Hauptschuld beim Autofahrer
Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe befasst sich mit einem Verkehrsunfall, bei dem ein Motorrollerfahrer und ein Autofahrer beim Einfahren auf eine Straße von gegenüberliegenden Parkplätzen kollidierten. Das Gericht entschied, dass der Autofahrer zu 70% für den Unfall verantwortlich ist.
Unfallhergang und Klage des Rollerfahrers
Der Unfall ereignete sich, als beide Fahrzeuge nahezu zeitgleich von gegenüberliegenden Parkplätzen auf die M.-Straße in Konstanz einfuhren. Der Rollerfahrer bog nach links ein, der Autofahrer nach rechts. Es kam zur Kollision, bei der der Rollerfahrer stürzte und sich erheblich verletzte.
Daraufhin verklagte der Rollerfahrer den Autofahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz. Das Landgericht Konstanz gab der Klage in vollem Umfang statt und verurteilte die Beklagten, 70% aller Schäden des Klägers zu ersetzen. Gegen dieses Urteil legten die Beklagten Berufung ein.
Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte nun das Urteil der Vorinstanz. In seiner Begründung stützt sich das Gericht vor allem auf § 10 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Demnach muss sich jeder, der aus einem Grundstück auf eine Straße einfährt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Das Gericht betont, dass zu den „anderen Verkehrsteilnehmern“ nicht nur der fließende Verkehr auf der Straße zählt, sondern auch Fahrzeuge, die von gegenüberliegenden Ausfahrten einfahren. Der Autofahrer hätte daher den bereits auf der Straße befindlichen Rollerfahrer beachten und ihm Vorrang gewähren müssen.
Abwägung der Verursachungsbeiträge
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge kam das Gericht zu dem Schluss, dass den Autofahrer ein deutlich größeres Verschulden trifft. Laut Sachverständigengutachten befand sich der Rollerfahrer bereits mindestens 0,8 Sekunden auf der Straße, als der Autofahrer losfuhr.
Ein mögliches Mitverschulden des Rollerfahrers, etwa weil er das in der Ausfahrt wartende Auto bemerkt hatte, bewertete das Gericht als deutlich geringer. Der Rollerfahrer durfte davon ausgehen, dass der Autofahrer ihn wahrgenommen hatte und ihm Vorrang gewähren würde.
Bedeutung für Verkehrsteilnehmer
Das Urteil verdeutlicht die Sorgfaltspflichten beim Einfahren auf eine Straße. Autofahrer müssen nicht nur auf den fließenden Verkehr achten, sondern auch auf Fahrzeuge aus gegenüberliegenden Ausfahrten. Eine vermeintliche Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt in solchen Situationen nicht.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass beim Einfahren auf eine Straße von gegenüberliegenden Parkplätzen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf alle Verkehrsteilnehmer gemäß § 10 Satz 1 StVO gilt, nicht nur auf den fließenden Verkehr. Eine „rechts vor links“-Regelung findet hier keine Anwendung. Entscheidend ist, wer zuerst einfährt und somit Vorrang hat. Dies erweitert die Sorgfaltspflichten für Autofahrer erheblich und betont die Notwendigkeit erhöhter Aufmerksamkeit in solchen Verkehrssituationen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Autofahrer müssen Sie beim Ausfahren aus Parkplätzen oder Grundstücken besondere Vorsicht walten lassen. Das Urteil verdeutlicht, dass Sie nicht nur auf den fließenden Verkehr, sondern auch auf Fahrzeuge aus gegenüberliegenden Ausfahrten achten müssen. Die vermeintliche „Rechts vor Links“-Regel gilt hier nicht. Entscheidend ist, wer zuerst auf die Straße einfährt. Selbst wenn ein anderes Fahrzeug die Mittellinie noch nicht erreicht hat, müssen Sie diesem Vorrang gewähren, wenn es bereits auf der Straße ist. Beobachten Sie also aufmerksam die gesamte Verkehrssituation und fahren Sie nur ein, wenn Sie sicher sind, dass keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer besteht. Im Zweifelsfall warten Sie lieber einen Moment länger, um rechtliche Konsequenzen und Unfälle zu vermeiden.
FAQ – Häufige Fragen
Verkehrsunfälle sind in jeder Situation ärgerlich, doch die rechtlichen Folgen sind oft schwer zu durchschauen. Verantwortung bei Verkehrsunfällen ist ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. Im Folgenden finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen und erhalten wichtige Informationen rund um Haftung, Schadensersatz und weitere juristische Aspekte.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was bedeutet es, wenn ich vom Parkplatz auf eine Straße einfahre und gleichzeitig ein anderes Fahrzeug von der gegenüberliegenden Seite einfährt?
- Welche Sorgfaltspflicht habe ich beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße?
- Wer ist im Falle eines Unfalls beim Einfahren von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße schuld?
- Kann ich als Autofahrer von einem anderen Fahrzeug, das von gegenüberliegenden Parkplätzen einfährt, Vorfahrt erwarten?
- Was kann ich tun, um beim Einfahren vom Parkplatz auf die Straße meine Rechte zu wahren?
Was bedeutet es, wenn ich vom Parkplatz auf eine Straße einfahre und gleichzeitig ein anderes Fahrzeug von der gegenüberliegenden Seite einfährt?
Beim Einfahren vom Parkplatz auf eine Straße gelten besondere Regeln, die sich von den üblichen Vorfahrtsregeln unterscheiden. In der beschriebenen Situation, in der zwei Fahrzeuge gleichzeitig von gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße einfahren, kommt § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zur Anwendung.
Grundsätzlich haben beide einfahrenden Fahrzeuge in dieser Konstellation keine Vorfahrt gegeneinander. Stattdessen müssen beide Fahrer besondere Vorsicht walten lassen und sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies bedeutet, dass beide Fahrzeugführer die Situation aufmerksam beobachten und gegebenenfalls anhalten müssen, um eine Kollision zu vermeiden.
Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen wiederholt betont, dass das Einfahren in den fließenden Verkehr mit erhöhter Sorgfaltspflicht verbunden ist. Beide Fahrer müssen sich vergewissern, dass die Fahrbahn frei ist und sie gefahrlos einfahren können. Dabei spielt es keine Rolle, ob einer der Fahrer zuerst losgefahren ist oder sich bereits weiter auf der Fahrbahn befindet.
Es ist wichtig zu verstehen, dass in dieser Situation kein Vorfahrtsrecht im eigentlichen Sinne besteht. Vielmehr gilt der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. Beide Fahrer müssen aufeinander achten und ihr Fahrverhalten so anpassen, dass es zu keiner gefährlichen Situation kommt.
In der Praxis bedeutet dies, dass die Fahrer langsam und vorsichtig in die Straße einfahren sollten. Sie müssen bereit sein, jederzeit anzuhalten oder auszuweichen, falls der andere Fahrer ebenfalls einfährt. Eine gute Kommunikation zwischen den Fahrern, etwa durch Handzeichen oder Blickkontakt, kann helfen, die Situation zu entschärfen und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Sollte es dennoch zu einem Unfall kommen, wird in der Regel eine Mithaftung beider Beteiligten angenommen, da beide die erhöhte Sorgfaltspflicht beim Einfahren in den fließenden Verkehr zu beachten hatten. Die genaue Haftungsverteilung hängt dann von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Geschwindigkeit der Fahrzeuge, der Übersichtlichkeit der Situation und dem Verhalten der Fahrer.
Es ist ratsam, in solchen Situationen besonders defensiv und rücksichtsvoll zu fahren. Im Zweifel sollte man dem anderen Fahrzeug den Vortritt lassen, um jegliches Unfallrisiko zu minimieren. Denn letztendlich geht es darum, sicher am Ziel anzukommen und nicht darum, wer zuerst auf die Straße gelangt.
Welche Sorgfaltspflicht habe ich beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße?
Beim Einfahren aus einem Grundstück auf eine Straße haben Autofahrer eine besonders hohe Sorgfaltspflicht. Diese ist in § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Der Paragraph legt fest, dass sich Verkehrsteilnehmer beim Einfahren so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist.
Die gesteigerte Sorgfaltspflicht bedeutet konkret, dass der einfahrende Fahrer äußerste Vorsicht walten lassen muss. Er muss sich vergewissern, dass die Straße frei ist und er gefahrlos einfahren kann. Dabei reicht ein flüchtiger Blick nicht aus. Vielmehr ist der Fahrer verpflichtet, mehrfach und gründlich in beide Richtungen zu schauen, bevor er losfährt.
Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Sorgfaltspflicht nicht nur für das unmittelbare Einfahren gilt, sondern auch für den Zeitraum danach. Der Fahrer muss sich so lange vorsichtig verhalten, bis er sich vollständig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat. Das bedeutet, er muss weiterhin aufmerksam sein und darf andere Verkehrsteilnehmer nicht behindern oder gefährden.
Bei schlechten Sichtverhältnissen oder unübersichtlichen Ausfahrten erhöht sich die Sorgfaltspflicht noch weiter. In solchen Fällen kann es sogar erforderlich sein, sich einweisen zu lassen. Das könnte beispielsweise durch einen Beifahrer geschehen, der aussteigt und den Verkehr beobachtet.
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass viele Fahrer glauben, ein abgesenkter Bordstein würde ihnen automatisch Vorfahrt gewähren. Das ist jedoch nicht der Fall. Ein abgesenkter Bordstein weist lediglich darauf hin, dass an dieser Stelle das Einfahren in die Straße möglich ist. Er entbindet den Fahrer aber nicht von seiner Sorgfaltspflicht.
Besondere Vorsicht ist auch beim Einfahren von einem Parkplatz geboten. Hier gilt die gleiche Sorgfaltspflicht wie beim Einfahren aus einem Grundstück. Der Fahrer muss nicht nur auf den fließenden Verkehr achten, sondern auch auf Fußgänger und Radfahrer, die möglicherweise den Gehweg benutzen.
Im Falle eines Unfalls beim Einfahren in den fließenden Verkehr spricht der erste Anschein oft gegen den einfahrenden Fahrer. Das bedeutet, dass im Zweifel davon ausgegangen wird, dass er seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Um diesen Anschein zu widerlegen, müsste der Fahrer beweisen, dass er alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat.
Die hohen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht beim Einfahren dienen letztlich der Verkehrssicherheit. Sie sollen gewährleisten, dass der fließende Verkehr nicht unnötig behindert oder gefährdet wird und dass alle Verkehrsteilnehmer sicher an ihr Ziel kommen.
Wer ist im Falle eines Unfalls beim Einfahren von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße schuld?
Bei Unfällen beim Einfahren von gegenüberliegenden Parkplätzen auf dieselbe Straße gibt es keine pauschale Schuldzuweisung. Die Haftungsfrage hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich gilt für beide Fahrer eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da sie aus einer unübersichtlichen Situation in den fließenden Verkehr einfahren.
Anders als bei einer klassischen Vorfahrtsregelung auf öffentlichen Straßen müssen beide Fahrer hier besonders vorsichtig und aufmerksam sein. Sie sind verpflichtet, sich langsam und vorsichtig vorzutasten und jederzeit bremsbereit zu sein. Keiner der Fahrer kann sich auf ein Vorfahrtsrecht berufen.
Für die Beurteilung der Schuldfrage spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle. Entscheidend ist vor allem das Verhalten beider Fahrer vor und während des Unfalls. Dabei wird geprüft, ob einer der Beteiligten besonders unvorsichtig gehandelt hat, etwa durch zu schnelles Einfahren oder mangelnde Aufmerksamkeit.
Auch die Sichtverhältnisse am Unfallort sind relevant. Wurde die Sicht durch parkende Fahrzeuge, Gebäude oder andere Hindernisse beeinträchtigt? In solchen Fällen ist besondere Vorsicht geboten. Die Fahrer müssen sich langsam vorantasten und gegebenenfalls anhalten, um die Situation zu überblicken.
Die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Wer zu schnell in die Straße einfährt, erhöht das Unfallrisiko erheblich und trägt im Zweifel eine größere Schuld. Gerichte erwarten hier eine angemessene, den Umständen entsprechende Geschwindigkeit.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zeitpunkt des Einfahrens. Hat einer der Fahrer bereits deutlich früher mit dem Einfahrmanöver begonnen und war somit für den anderen erkennbar? In diesem Fall könnte dem später einfahrenden Fahrer eine größere Schuld zugesprochen werden, da er die Situation hätte erkennen und entsprechend reagieren müssen.
Auch die Reaktion der Fahrer unmittelbar vor dem Unfall wird berücksichtigt. Hat einer der Beteiligten noch versucht zu bremsen oder auszuweichen? Solche Bemühungen zur Unfallvermeidung können sich positiv auf die Schuldfrage auswirken.
In vielen Fällen kommt es zu einer Teilung der Haftung, da beide Fahrer eine Mitverantwortung tragen. Eine häufige Verteilung ist 50:50, kann aber je nach den genauen Umständen auch anders ausfallen. Wenn beispielsweise einer der Fahrer deutlich unvorsichtiger gehandelt hat, kann die Haftung auch 70:30 oder sogar 100:0 betragen.
Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Unfall individuell betrachtet wird. Die genauen Umstände, Zeugenaussagen und gegebenenfalls Gutachten spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Schuldfrage. In komplexen Fällen kann es durchaus zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, bei denen alle Details sorgfältig geprüft werden.
Für Autofahrer bedeutet dies, dass sie beim Einfahren von Parkplätzen in eine Straße besonders achtsam sein müssen. Es empfiehlt sich, langsam und vorsichtig vorzufahren, den Blick in beide Richtungen zu richten und jederzeit bremsbereit zu sein. Nur so lässt sich das Unfallrisiko minimieren und im Falle eines Zusammenstoßes die eigene Haftung begrenzen.
Kann ich als Autofahrer von einem anderen Fahrzeug, das von gegenüberliegenden Parkplätzen einfährt, Vorfahrt erwarten?
Bei der Einfahrt von gegenüberliegenden Parkplätzen auf eine Straße gibt es keine generelle Vorfahrtsregelung, auf die sich Autofahrer verlassen können. In dieser Situation gilt der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Beide Fahrzeugführer müssen vorsichtig und aufmerksam sein, um eine sichere Einfahrt in den fließenden Verkehr zu gewährleisten.
Die Annahme, dass ein anderes Fahrzeug automatisch Vorfahrt gewähren wird, ist rechtlich nicht haltbar und kann zu gefährlichen Situationen führen. Stattdessen sind beide Fahrer verpflichtet, sich defensiv und rücksichtsvoll zu verhalten. Dies bedeutet, dass jeder Fahrer die Verkehrslage sorgfältig beobachten und einschätzen muss, bevor er in die Straße einfährt.
Es gibt jedoch Faktoren, die die Vorrangsituation beeinflussen können. Wenn beispielsweise einer der Parkplätze durch ein Verkehrszeichen als untergeordnet gekennzeichnet ist, muss der von dort einfahrende Verkehrsteilnehmer dem anderen Vorrang gewähren. Ebenso kann die Beschaffenheit der Straße eine Rolle spielen. Mündet einer der Parkplätze in eine Hauptstraße und der andere in eine Nebenstraße, so hat der in die Hauptstraße einfahrende Verkehr Vorrang.
In der Praxis ist es ratsam, in solchen Situationen Blickkontakt mit dem anderen Fahrer aufzunehmen und sich durch Handzeichen oder Lichthupe zu verständigen. Dies kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden und eine sichere Einfahrt für beide Parteien zu ermöglichen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Sorgfaltspflicht beim Einfahren in den fließenden Verkehr besonders hoch ist. Beide Fahrer müssen nicht nur aufeinander achten, sondern auch auf den bereits auf der Straße befindlichen Verkehr. Sie dürfen diesen nicht behindern oder gefährden.
Im Falle eines Unfalls bei der Einfahrt von gegenüberliegenden Parkplätzen wird oft eine Teilschuld beider Beteiligten angenommen, da beide die erforderliche Sorgfalt nicht ausreichend beachtet haben. Die genaue Schuldzuweisung hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab und wird im Zweifel von einem Gericht entschieden.
Autofahrer sollten sich bewusst sein, dass die Situation beim Einfahren von gegenüberliegenden Parkplätzen rechtlich nicht eindeutig geregelt ist. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers, umsichtig und vorausschauend zu handeln, um die Sicherheit aller zu gewährleisten.
Was kann ich tun, um beim Einfahren vom Parkplatz auf die Straße meine Rechte zu wahren?
Beim Einfahren vom Parkplatz auf die Straße ist es wichtig, die geltenden Verkehrsregeln zu beachten und gleichzeitig die eigenen Rechte zu wahren. Grundsätzlich gilt nach § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO), dass beim Einfahren in den fließenden Verkehr besondere Vorsicht geboten ist.
Um die eigenen Rechte zu schützen, empfiehlt es sich zunächst, langsam und vorsichtig an die Einmündung heranzufahren. Dabei sollte der Verkehr in beide Richtungen aufmerksam beobachtet werden. Es ist ratsam, das Fahrzeug so zu positionieren, dass eine gute Sicht auf den fließenden Verkehr möglich ist, ohne dabei andere Verkehrsteilnehmer zu behindern.
Ein wichtiger Aspekt ist die korrekte Verwendung des Blinkers. Die Absicht, in den Verkehr einzufahren, muss rechtzeitig und deutlich angezeigt werden. Dies dient nicht nur der Sicherheit, sondern kann im Falle eines Unfalls auch relevant sein, um die eigene Sorgfaltspflicht nachzuweisen.
Besondere Aufmerksamkeit sollte Fußgängern und Radfahrern gewidmet werden, die möglicherweise den Gehweg vor der Parkplatzausfahrt nutzen. Hier besteht eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da diese Verkehrsteilnehmer leicht übersehen werden können.
In Situationen, in denen die Sicht eingeschränkt ist, etwa durch parkende Fahrzeuge, ist es zulässig und ratsam, sich einweisen zu lassen. Dies kann durch einen Beifahrer oder einen hilfsbereiten Passanten geschehen. Dadurch wird nicht nur die Sicherheit erhöht, sondern im Falle eines Unfalls kann dies auch als Nachweis der eigenen Sorgfalt dienen.
Es ist wichtig zu wissen, dass beim Einfahren in den fließenden Verkehr grundsätzlich Wartepflicht besteht. Das bedeutet, dass man erst dann einfahren darf, wenn dies gefahrlos möglich ist. Allerdings haben auch die Verkehrsteilnehmer auf der Straße eine Sorgfaltspflicht. Sie müssen mit einfahrenden Fahrzeugen rechnen und dürfen diese nicht mutwillig behindern oder gefährden.
Um die eigenen Rechte im Falle eines Unfalls zu wahren, ist es ratsam, die Situation genau zu dokumentieren. Dazu gehört, Fotos von der Unfallstelle und den beteiligten Fahrzeugen zu machen, Zeugen zu notieren und einen detaillierten Unfallbericht zu verfassen. Diese Informationen können im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung von großem Wert sein.
Es ist zu beachten, dass in vielen Fällen bei Unfällen beim Einfahren vom Parkplatz eine Teilschuld des einfahrenden Fahrzeugs angenommen wird. Um diese zu widerlegen oder zu mindern, ist es wichtig, alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen und die Verkehrsregeln beachtet zu haben.
Letztendlich dient die Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen nicht nur dem Schutz der eigenen Rechte, sondern vor allem der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. Ein umsichtiges und vorausschauendes Verhalten beim Einfahren vom Parkplatz ist der beste Weg, um Unfälle zu vermeiden und die eigenen Rechte zu wahren.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Haftungsverteilung: Die Haftungsverteilung beschreibt die Aufteilung der Verantwortlichkeit für einen Schaden auf mehrere Beteiligte. Im vorliegenden Fall wurde die Haftung zwischen dem Autofahrer (70%) und dem Rollerfahrer (30%) aufgeteilt, da beide eine Teilschuld am Unfall trugen.
- Verursachungsbeitrag: Der Verursachungsbeitrag gibt an, inwieweit das Handeln einer Person zu einem Schaden beigetragen hat. Im vorliegenden Fall trug der Autofahrer den größeren Verursachungsbeitrag, da er den Rollerfahrer hätte beachten müssen.
- Schadensersatz: Schadensersatz ist die Verpflichtung, einen entstandenen Schaden zu ersetzen. Im vorliegenden Fall wurde der Autofahrer zur Zahlung von Schadensersatz an den Rollerfahrer verurteilt, da er den Unfall hauptsächlich verursacht hatte.
- Mithaftung: Mithaftung bedeutet, dass mehrere Personen gemeinsam für einen Schaden haften. Im vorliegenden Fall haften der Autofahrer und seine Haftpflichtversicherung gesamtschuldnerisch, d.h. der Rollerfahrer kann sich aussuchen, von wem er den Schadensersatz fordert.
- Vorrang/Vorfahrt: Vorrang oder Vorfahrt bedeutet, dass ein Verkehrsteilnehmer in einer bestimmten Situation das Recht hat, zuerst zu fahren. Im vorliegenden Fall hätte der Rollerfahrer Vorrang gehabt, da er sich bereits auf der Straße befand, als der Autofahrer aus dem Parkplatz einfuhr.
- Sachverständigengutachten: Ein Sachverständigengutachten ist eine fachkundige Stellungnahme zu einem bestimmten Sachverhalt. Im vorliegenden Fall wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, um den Unfallhergang zu rekonstruieren und die Verursachungsbeiträge der Beteiligten zu klären.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 10 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung): Dieser Paragraph regelt das Verhalten beim Einfahren von einem Grundstück auf eine Straße. Es besagt, dass der Einfahrende sich so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall hätte der Autofahrer dem Rollerfahrer, der sich bereits auf der Straße befand, Vorrang gewähren müssen, um eine Kollision zu vermeiden.
- § 17 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftungsverteilung bei einem Unfall. Er besagt, dass, wenn mehrere Personen an einem Unfall beteiligt sind, die Haftung nach dem Grad des Verschuldens aufgeteilt wird. Im vorliegenden Fall wurde die Haftung zu 70% dem Autofahrer und zu 30% dem Rollerfahrer zugeschrieben, da der Autofahrer den Rollerfahrer hätte beachten müssen.
- § 9 Abs. 4 StVO (Straßenverkehrsordnung): Dieser Paragraph regelt die Vorfahrt beim Abbiegen in eine Straße. Er besagt, dass beim Abbiegen in eine Straße anderen Verkehrsteilnehmern, die auf dieser Straße fahren oder abbiegen, Vorrang zu gewähren ist. Im vorliegenden Fall ist § 9 Abs. 4 StVO jedoch nicht direkt anwendbar, da beide Fahrzeuge von Parkplätzen auf die Straße einfuhren und nicht auf der Straße abbogen.
- § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters. Er besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden verantwortlich ist, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden. Im vorliegenden Fall haftet der Autofahrer als Halter seines Fahrzeugs für den Schaden, den er dem Rollerfahrer zugefügt hat.
- § 115 Abs. 1 S. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraph regelt die Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung. Er besagt, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung für Schäden aufkommen muss, die der Versicherungsnehmer bei einem Verkehrsunfall verursacht hat. Im vorliegenden Fall ist die Haftpflichtversicherung des Autofahrers verpflichtet, für den Schaden aufzukommen, den der Autofahrer dem Rollerfahrer zugefügt hat.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 9 U 64/14 – Beschluss vom 08.10.2015
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Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 11.04.2014 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.
Gründe
I.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend.
Am 12.04.2013 befand sich der Kläger mit seinem Leichtkraftrad-Roller auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes „H.“ in Konstanz. Der Kläger verließ den Parkplatz an der Ausfahrt zur M.-Straße, indem er mit dem Motorroller nach links einbog. Der Beklagte Ziff. 1 befand sich zu der Zeit mit seinem Pkw VW Passat auf dem Parkplatz des „S.“, der ebenfalls an der M.-Straße liegt, und zwar gegenüber dem Parkplatz des „H.“. Der Beklagte Ziff. 1 wollte mit seinem Pkw an der Ausfahrt zur M.-Straße nach rechts einbiegen, also in die selbe Fahrtrichtung wie der aus der gegenüber liegenden Ausfahrt herausfahrende Kläger. Beide Fahrzeuge fuhren aus den verschiedenen Ausfahrten ungefähr zur selben Zeit – mit lediglich geringen zeitlichen Unterschieden, über die im Detail Streit besteht – auf die Straße. Auf der für den Kläger gegenüber liegenden Fahrbahn kam es zur Kollision. Die beiden Fahrzeuge stießen in einem Kollisionswinkel zwischen 30 und 40 Grad zusammen. Der Kläger stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Die Beklagte Ziff. 2 ist die für das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 zuständige Haftpflichtversicherung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Unfallablaufs besteht zwischen den Parteien Streit. Sie vertreten im Übrigen unterschiedliche Rechtsauffassungen zu der Frage, wer von den beiden Fahrzeugführern vor der Kollision welche Pflichten zu beachten hatte.
Nach Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallablauf hat das Landgericht die Beklagten – antragsgemäß – wie folgt verurteilt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 70 % aller gegenwärtigen und zukünftigen materiellen Ansprüche sowie alle gegenwärtigen und zukünftigen immateriellen Ansprüche unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 30 % aus dem Unfallereignis vom 12.04.2013 in der M.-Straße, Konstanz zu ersetzen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie sind der Auffassung, den Kläger treffe die deutlich überwiegende Verantwortung für die Kollision. Wenn zwei Fahrzeugführer aus gegenüber liegenden Ausfahrten auf eine Straße einfahren, müsse der nach links einbiegende Fahrzeugführer in entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 4 StVO dem nach rechts einbiegenden Fahrzeug den Vorrang lassen. Der Kläger habe eingeräumt, dass er bei seinem Abbiegevorgang das in der Ausfahrt des S.-Parkplatzes stehende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 gesehen habe; mithin hätte er dessen Ausfahrt abwarten und dem Beklagten Ziff. 1 den Vorrang gewähren müssen. Zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte Ziff. 1 sich entschlossen habe, in die Fahrbahn der M.-Straße einzufahren, habe sich der Kläger mit seinem Motorroller zwar bereits auf der Fahrbahn der Straße befunden; da der Kläger sich bei Beginn des Fahrmanövers des Beklagten Ziff. 1 jedoch noch jenseits der Mittellinie der Straße befunden habe, sei der Beklagte Ziff. 1 nicht verpflichtet gewesen, auf das Einfahrmanöver des Klägers zu reagieren. Solange der Kläger noch nicht die Mittellinie erreicht hatte, sei es ausreichend gewesen, wenn sich der Beklagte Ziff. 1 bei seinem Fahrmanöver allein auf den fließenden Durchgangsverkehr auf der M.-Straße konzentriert habe. Selbst wenn man einen schuldhaften Verkehrsverstoß des Beklagten Ziff. 1 unterstelle, wiege dieser zumindest deutlich weniger schwer als der für den Unfall ursächliche Verkehrsverstoß des Klägers.
Die Beklagten beantragen:
Unter Abänderung des am 11.04.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz AZ: 3 O 294/13 D wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 30 % aller gegenwärtigen und zukünftigem materiellen Ansprüche sowie alle gegenwärtigen und zukünftigen immateriellen Ansprüche unter Berücksichtigung einer Mithaftung des Klägers von 70 % aus dem Unfallereignis vom 12.04.2013 in der M.-Straße, Konstanz zu ersetzen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder über gehen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gem. § 522 Abs. 2 Ziff. 2, 3, 4 ZPO nicht erforderlich. Nach vorläufiger Auffassung des Senats hat das Landgericht der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagten haften für materielle und immaterielle Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 12.04.2013 mindestens zu der beantragten und zuerkannten Quote von 70 %.
1. Die Haftung der Beklagten beruht auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 VVG, 421 BGB. Der Schaden des Klägers ist bei dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten Ziff. 1 entstanden. Die Beklagte Ziff. 2 haftet aufgrund ihrer Stellung als Haftpflichtversicherer.
2. Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG führt zu einer Mithaftung des Klägers von maximal 30 %. Mithin hat das Landgericht zu Recht eine Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden in Höhe von 70 % festgestellt.
a) Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge kommt es insbesondere darauf an, ob und inwieweit Verkehrsverstöße des Klägers einerseits und des Beklagten Ziff. 1 andererseits den Unfall verursacht bzw. mitverursacht haben. Dabei können zu Lasten der Fahrzeugführer nur diejenigen Tatsachen berücksichtigt werden, die nachgewiesen sind. Soweit – beispielsweise beim zeitlichen Ablauf des Unfallgeschehens – Unklarheiten verblieben sind, muss bei der Prüfung von Pflichtverletzungen des Klägers einerseits und des Beklagten Ziff. 1 andererseits jeweils ein anderer Sachverhalt unterstellt werden. Das heißt: Bei der Prüfung von Pflichtverletzungen des Beklagten Ziff. 1 ist die für den Beklagten Ziff. 1 günstigste Sachverhaltsvariante zu unterstellen; bei der Prüfung von Pflichtverletzungen des Klägers ist hingegen die für diesen günstigste Sachverhaltsvariante anzunehmen.
b) Dem Beklagten Ziff. 1 fällt ein Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO zur Last. Er hat die Kollision dadurch verursacht, dass er sich nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war.
aa) Wer aus einem „Grundstück“ – vorliegend aus einem Parkplatz – ausfährt, muss sich so verhalten, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Der Begriff „anderer Verkehrsteilnehmer“ meint sämtliche Personen, die in der aktuellen Verkehrssituation möglicherweise von dem Fahrmanöver des ausfahrenden Fahrzeugs direkt oder indirekt betroffen sein können. Das betrifft nicht nur den Durchgangsverkehr auf der Straße, sondern auch solche Verkehrsteilnehmer, die in unmittelbarer Nähe der Ausfahrt ein anderweitiges Fahrmanöver durchführen. Wenn zwei Parkplatz-Ausfahrten an einer Straße gegenüber liegen, ist evident, dass die Fahrzeuge, die von den beiden Parkplätzen auf die Straße einfahren, auch den einfahrenden Verkehr von der gegenüber liegenden Ausfahrt im Blick haben müssen. Der Kläger, der von der gegenüber liegenden Seite auf die Straße einfuhr, war mithin ein „anderer Verkehrsteilnehmer“ im Sinne von § 10 Satz 1 StVO.
bb) Ältere Rechtsprechung, die den Begriff „anderer Verkehrsteilnehmer“ bei Einfahrvorgängen nur auf „fließenden Verkehr“ angewendet hat, ist überholt. Die ältere Rechtsprechung (vgl. insbesondere OLG Celle, Versicherungsrecht 1964, 249) beruht auf einer früheren – abweichenden – Regelung in § 17 StVO a.F.. Die alte Fassung in § 17 Abs. 1 StVO a.F. bezog sich nur auf eine Gefährdung des „Straßenverkehrs“, wobei die alte Regelung identische Pflichten für das Ausfahren aus einer Grundstücksausfahrt und für das Einfahren in ein Grundstück vorsah. Darauf beruhte das Verständnis, dass (nur) eine Rücksicht auf den „fließenden Verkehr“ gemeint sei (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10.11.1952 – VI ZR 45/52 -, LM Nr. 1 zu § 17 StVO). Die heute geltende Regelung in § 10 StVO (die nur für die Ausfahrt aus einem Grundstück und nicht für die Einfahrt maßgeblich ist) hat die Pflicht zur Rücksichtnahme bei der Grundstücksausfahrt hingegen auf „andere Verkehrsteilnehmer“ erweitert. Wer aus einem Grundstück auf eine Straße einfährt, muss mithin nicht nur auf den fließenden Durchgangsverkehr achten, sondern auf sämtliche Verkehrsvorgänge, die in unmittelbarer Nähe der Ausfahrt für sein eigenes Fahrmanöver relevant sein können. (Vgl. zur Vielzahl der in Betracht kommenden Konstellationen bei der Ausfahrt aus einem Grundstück die Fallsammlung von Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13 Aufl. 2013, Rdnr. 66 ff.). Es ist daher im Rahmen von § 10 Satz 1 StVO weder erforderlich, den zu § 17 Abs. 1 StVO a.F. entwickelten Begriff des „fließenden Verkehrs“ neu und erweiternd auszulegen (vgl. dazu beispielsweise OLG Karlsruhe – 10. Zivilsenat – Urteil vom 26.05.1989, VRS 77, 45), noch ist für einen Fall der vorliegenden Art eine Heranziehung von § 1 Abs. 2 StVO geboten (vgl. dazu Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Zanker, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 22. Aufl. 2012, § 10 StVO Rdnr. 2).
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt § 9 Abs. 4 StVO (Pflichten beim „Abbiegen „nach links“) keine Rolle. Denn § 9 StVO ist nur für Verkehrsvorgänge anwendbar, die auf Straßen stattfinden, und nicht auf das Einfahren auf eine Straße von einem Grundstück, bzw. von einem Parkplatz. Die Pflichten beim „Einfahren“ ergeben sich vollständig aus § 10 StVO, so dass auch eine entsprechende Anwendung von § 9 Abs. 4 StVO nicht geboten ist. Der Beklagte Ziff. 1 kann sich daher nicht darauf berufen, dass er beim „Einfahren“ nach rechts den Vorrang genieße vor einem Fahrzeugführer, der von der gegenüber liegenden Seite der Straße nach – aus seiner Richtung – links einfährt.
dd) Der Beklagte Ziff. 1 hat gegen § 10 Satz 1 StVO verstoßen, weil er durch einen Fahrfehler eine Gefährdung des Klägers verursacht hat. Der Beklagte Ziff. 1 hätte diejenigen Verkehrsvorgänge in unmittelbarer Nähe der Ausfahrt vom S.-Parkplatz beobachten und berücksichtigen müssen, die mit dem von ihm beabsichtigten Fahrmanöver in Konflikt geraten konnten. Dazu gehörte insbesondere die Beobachtung von Fahrzeugen, welche die gegenüber liegende Ausfahrt vom „H.“ verließen. Unstreitig hat der Beklagte Ziff. 1 auf Fahrzeuge, welche von gegenüber auf die Straße einfuhren, nicht geachtet. Hätte er das Einfahren des Motorrollers des Klägers auf die Straße beobachtet, dann hätte er sein eigenes Manöver unterlassen und die Kollision dadurch vermeiden können.
Entscheidend für die Pflichtverletzung des Beklagten Ziff. 1 ist der Umstand, dass sich der Motorroller des Klägers zeitlich vor dem Manöver des Beklagten Ziff. 1 bereits auf der Straße befand. Der Sachverständige L. konnte aufgrund der Örtlichkeiten, aufgrund der Kollisionsstelle und aufgrund der Beschädigungen an den beiden Fahrzeugen Rückrechnungen zum Unfallablauf anstellen. Nach den – von den Parteien nicht angegriffenen – Berechnungen des Sachverständigen hat der Beklagte Ziff. 1 vom Beginn der Einfahrt in die Straße bis zur Kollisionsstelle bei sehr langsamem Anfahren maximal 2,8 Sekunden gebraucht, während der Kläger, der eine längere Fahrtstrecke bis zur Kollisionsstelle zurücklegen musste, bei einem sehr schnellen Fahrmanöver mindestens 3,6 Sekunden bis zur Kollision benötigte. Das bedeutet: Der Kläger befand sich mit seinem Motorroller mindestens 0,8 Sekunden auf der Straße, als der Beklagte Ziff. 1 seinen Einfahrvorgang begann. Für den Beklagten Ziff. 1 war von vornherein erkennbar, dass der Kläger die M.-Straße in der selben Richtung benutzen wollte, wie er selbst. Der bereits begonnene Einfahrvorgang des Klägers hätte den Beklagten Ziff. 1 daher veranlassen müssen, mit der Ausfahrt aus dem S.-Parkplatz zu warten, um eine Kollision zu vermeiden.
ee) Das Fahrzeug des Klägers hatte zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte Ziff. 1 mit seinem Fahrmanöver begann, möglicherweise noch nicht die Mittellinie der (ca. 6 – 8 Meter breiten) Straße erreicht. Der Beklagte Ziff. 1 kann sich nicht darauf berufen, er habe auf von der gegenüber liegenden Seite einfahrende Fahrzeuge so lange nicht achten müssen, bis diese die Mittellinie erreicht hatten. Denn eine Gefährdung eines anderen Verkehrsteilnehmers war – bei einem Einfahrvorgang des Beklagten Ziff. 1 – bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, in welchem der Kläger mit seinem Motorroller auf die Straße eingefahren war. Ab diesem Zeitpunkt war für den Beklagten Ziff. 1 wegen der sich voraussichtlich schneidenden Fahrlinien der beiden Fahrzeuge die Möglichkeit einer Kollision gegeben. Bei einem Blick auf die gegenüber liegende Straßenseite – mit der deutlich erkennbaren Ausfahrt des H.- Parkplatzes – hätte der Beklagte Ziff. 1 das Risiko, welches er mit seinem Fahrmanöver schuf, unschwierig erkennen können.
ff) Die Regel „rechts vor links“ spielt entgegen der Andeutung im Urteil des Landgerichts vorliegend keine Rolle, auch nicht im Sinne einer möglichen Erwartungshaltung der Verkehrsteilnehmer. Die Konstellation von gegenüber liegenden Parkplatz-Ausfahrten ist mit dem Sachverhalt, welcher Grundlage der vom Landgericht zitierten Entscheidung des OLG Celle (Versicherungsrecht 1964, 249) war, nicht vergleichbar.
c) Dem schuldhaften Verkehrsverstoßes Beklagten Ziff. 1 steht – allenfalls – ein geringes Verschulden des Klägers gegenüber.
aa) Für die Prüfung von Pflichtverletzungen des Klägers ist von der für ihn günstigsten Sachverhaltsvariante auszugehen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. hat der Beklagte Ziff. 1 möglicherweise – bei zügigem Anfahren – nur 1,8 Sekunden bis zur Kollisionsstelle gebraucht, während der Kläger – bei eher geringer Geschwindigkeit – 5,8 Sekunden benötigt hat. Von dieser Variante ausgehend, ist der Kläger bereits 3 Sekunden mit dem Motorroller auf die Straße eingefahren, bevor sich das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 von der anderen Straßenseite in Bewegung gesetzt hat.
bb) In der für den Kläger günstigsten Variante war der Kläger mit dem Motorroller nur noch ca. 3 – 4 Meter von der Kollisionsstelle entfernt, als er eine Reaktionsaufforderung durch das Fahrmanöver des Beklagten Ziff. 1 (0,5 – 1 Meter zurückgelegt) erhielt. Eine rechtzeitige Reaktion war dem Kläger zur Vermeidung der Kollision zu diesem Zeitpunkt nach dem Gutachten des Sachverständigen nicht mehr möglich.
cc) Ein Verstoß des Klägers gegen § 10 Satz 1 StVO käme mithin nur dann in Betracht, wenn bereits der Umstand, dass das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 in der Ausfahrt des S.-Parkplatzes stand, den Kläger von einer Fortsetzung seines Einbiege-Manövers hätte abhalten müssen. Dies erscheint zumindest zweifelhaft.
aaa) Einen Vorrang des nach rechts aus einer Ausfahrt einbiegenden Fahrzeugs vor dem von der gegenüber liegenden Seite nach links einbiegenden Motorroller gibt es nicht (siehe oben).
bbb) Der Kläger hat ausgeführt, er habe das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 beobachtet, mit einem Einfahren aber nicht gerechnet, weil der Kläger sich erkennbar mit einem Passanten unterhalten habe. Das Landgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Darstellung des Klägers als widerlegt angesehen werden kann. Sofern die Darstellung des Klägers zutrifft, gab es für ihn keinen Anlass, mit einem möglichen Einfahr-Vorgang des Beklagten Ziff. 1 zu rechnen. Die Verletzung einer Sorgfaltspflicht gem. § 10 Satz 1 StVO käme nicht in Betracht.
ccc) Es kann sich lediglich die Frage stellen, ob dem Kläger ein Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO dann vorzuwerfen wäre, wenn es – entgegen seiner Darstellung – keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass der mit seinem Fahrzeug an der Ausfahrt stehende Beklagte Ziff. 1 vorläufig nicht auf die Straße einfahren wollte. Es kann dahinstehen, ob der Kläger – da er selbst aus einer Ausfahrt kam – besonders vorsichtig sein musste und generell mit einem Ausfahrvorgang des Beklagten Ziff. 1 hätte rechnen müssen. Denn auch dann, wenn man eine solche Pflichtverletzung annehmen würde, wäre die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden (siehe zur Abwägung der Verursachungsbeiträge unten d).
dd) Für die Beurteilung einer eventuellen Pflichtverletzung des Klägers spielt es im Übrigen keine Rolle, dass der Kläger das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 vor der Kollision beobachtet hat. Er hat damit nur das getan, was umgekehrt der Beklagte Ziff. 1, der den Motorroller des Klägers vorher nicht gesehen hat, pflichtwidrig unterlassen hat (siehe oben).
d) Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt auch dann zu einer Haftungsquote von mindestens 70 %, wenn man – zugunsten der Beklagten – eine Pflichtverletzung des Klägers annehmen würde. Wenn man davon ausgehen würde, dass allein das wartende Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 den Kläger zu besonderer Vorsicht hätte veranlassen müssen (siehe oben c), cc), ccc)), dann würde ein solcher Verkehrsverstoß jedenfalls deutlich weniger schwer wiegen als die Pflichtverletzung des Beklagten Ziff. 1. Denn das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 hatte sich zum Zeitpunkt einer möglichen Reaktion des Klägers noch nicht in Bewegung gesetzt, war mithin aus der Sicht des Klägers deutlich weniger gefährlich als – umgekehrt für den Beklagten Ziff. 1 – der Motorroller des Klägers, der bereits in die Straße eingefahren war. Vor allem war der Kläger mit seinem Motorroller – das ist zu seinen Gunsten zu unterstellen (siehe oben) – bereits 3 Sekunden im Einfahrvorgang, als sich das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 in Bewegung gesetzt hat. Das heißt: Der Kläger konnte damit rechnen, dass der Beklagte Ziff. 1 ihn gesehen hatte und ihm daher – weil er zuerst in die Straße eingefahren war – den Vorrang überlassen würde.