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Verkehrsunfall – Ersatzbeschaffung Pkw – Ersatz Umsatzsteuer

LG Heidelberg – Az.: 1 S 34/17 – Urteil vom 20.12.2017

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.06.2017, Az. 21 C 27/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Heidelberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nahm die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 27.10.2015 in Heidelberg auf Schadensersatz in Anspruch. Beteiligt waren der Pkw des Klägers Mercedes-Benz C220 CDI, amtliches Kennzeichen: … (Erstzulassung: 08.01.2013, Gesamtlaufleistung: 47.398 km) und der Pkw Hyundai, …, dessen Fahrer der Beklagte zu 3), Halter der Beklagte zu 2) und Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 1) waren. Die 100%-Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Nach dem vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten betrugen die Reparaturkosten 12.931,20 € netto bzw. 15.348,98 € brutto, der Brutto-Wiederbeschaffungswert seines Fahrzeugs 22.350 € und der Restwert 8.000 €. Diese Beträge stehen zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Wiederbeschaffungswert wurde unter Berücksichtigung der Differenzbesteuerung angegeben (vgl. Sachverständigengutachten vom 31.10.2015, Anlage K 2).

Der Kläger sah von einer Reparatur seines verunfallten Fahrzeugs ab, veräußerte dieses am 16.11.2015 zu einem Betrag von 8.200 € und erwarb am 25.11.2015 ein Ersatzfahrzeug für 14.500 € inklusive 19 % Mehrwertsteuer (vgl. Kaufvertrag vom 25.11.2015, Anlage K 7). Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 11.01.2016 (vgl. Anlage K 5) forderte der Kläger die Beklagte zu 1) vorgerichtlich auf, folgende Schäden zu erstatten:

– Wiederbeschaffungswert 22.350 € abzüglich Restwert 8.200 € = 14.150 €

+ Sachverständigenkosten: 1.752,43 € (vgl. Rechnung vom 31.10.2015, Anlage K 3)

+ An- und Abmeldekosten: 70 €

+ Nutzungsausfall: 910 € (14 Tage x 65 €)

+ Auslagenpauschale: 26 €

= 16.908,43 €

Die Beklagte zu 1) regulierte den Schaden mit Ausnahme des Wiederbeschaffungsaufwandes. Hierauf wurden insgesamt nur 12.896,63 € bezahlt. Wegen des Differenzbetrags von 1.253,37 € (zuzüglich Zinsen und restlicher vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten) erhob der Kläger Klage vor dem Amtsgericht Heidelberg.

Der Kläger war der Ansicht, dass vom Brutto-Wiederbeschaffungswert auszugehen sei. Da er ein Ersatzfahrzeug erworben habe, mithin die Mehrwertsteuer tatsächlich angefallen sei, könne er diese auch verlangen. Allenfalls sei vom Wiederbeschaffungswert der Differenzsteuersatz gemäß § 25a UStG in Höhe von maximal 2 % abzuziehen.

Die Beklagten haben demgegenüber eingewandt, dass der Netto-Wiederbeschaffungswert maßgeblich sei. Daher sei die im Brutto-Wiederbeschaffungswert von 22.350 € enthaltene Regelsatz-Mehrwertsteuer von 19 % abzuziehen, so dass der maßgebliche Netto-Wiederbeschaffungswert 18.781,51 € betrage. Nach Abzug des unstreitigen Restwerts von 8.200 € verbliebe ein zu erstattender Wiederbeschaffungsaufwand von 10.581,51 €, der durch vorgerichtliche Zahlung von 12.896,63 € sogar überzahlt worden sei.

Daran ändere der Erwerb eines Pkw durch den Kläger nichts. Zunächst werde bestritten, dass es sich hierbei überhaupt um ein Ersatz für das verunfallte Fahrzeug handele. Hierauf komme es aber aus Rechtsgründen auch nicht an. Der Kläger könne entweder fiktiv abrechnen. Dann sei der im Gutachten ausgewiesenen Wiederbeschaffungswert um die darin enthaltene Mehrwertsteuer zu bereinigen. Rechne er konkret ab, könne er lediglich die tatsächlich angefallenen Brutto-Kosten verlangen, wovon dann der Restwert abzuziehen sei. Vorliegend könnte der Kläger bei konkreter Abrechnung also lediglich 6.300 € (14.500 € Brutto-Kosten der Ersatzbeschaffung abzgl. 8.200 € Restwert) verlangen. Eine Kombination aus fiktiver und tatsächlicher Abrechnung in der Weise, dass zu dem Netto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten die tatsächlich bei der Ersatzbeschaffung angefallene Mehrwertsteuer hinzugesetzt werde, sei dagegen unzulässig.

Vorliegend komme die Differenzbesteuerung von 3,5 % nicht zum Ansatz, da mit dem Klägerfahrzeug vergleichbare Fahrzeuge üblicherweise regelbesteuert würden. Daher seien vom Brutto-Widerbeschaffungswert 19 % abzuziehen.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 13.06.2017, Az. 21 C 27/17, der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass vorliegend von dem im Gutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert auszugehen sei. Daher sei es unerheblich, ob dieser der Regel- oder Differenzbesteuerung unterliege. Dies rechtfertige sich daraus, dass der Kläger ein Ersatzfahrzeug erworben habe. Davon sei auszugehen, da ein anderer Zweck als der Ersatz für das verunfallte Fahrzeug nicht ersichtlich sei. Es liege ein Fall der konkreten Schadensabrechnung vor. Dabei sei der im Gutachten ausgewiesene Brutto-Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes zu ersetzen, wenn der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis erwerbe, der dem Sachverständigengutachten zumindest entspreche. Vorliegend habe der Kläger mit 14.500 € gegenüber dem im Gutachten ausgewiesenen Betrag von 14.150 € sogar ein etwas teureres Ersatzfahrzeug angeschafft.

Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung führen sie an, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Geschädigte bei konkreter Abrechnung den Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Sachverständigengutachten abzüglich des Restwerts dann verlangen könne, wenn er ein Fahrzeug zu einem Preis erwerbe, welcher diesem entspreche oder diesen übersteige. Insofern zitiere des Amtsgericht die BGH-Rechtsprechung noch zutreffend. Vorliegend aber betrage der Kaufpreis für das Fahrzeug nur 14.500 €, während nach dem Sachverständigengutachten der Brutto-Wiederbeschaffungswert bei 22.350 € liege. Das Erstgericht verwechsele entweder Wiederbeschaffungswert mit Wiederbeschaffungsaufwand oder missverstehe die BGH-Rechtsprechung.

Die Beklagten beantragen:

Das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.06.2017, Az. 21 C 27/17, wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt: Die Berufung ist kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselte schriftsätzliche Korrespondenz nebst zu den Akten gereichten Anlagen.

II.

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1, Abs. 2, 249 BGB als Gesamtschuldner die Zahlung eines restlichen Schadensbetrags von 1.253,37 € beanspruchen.

Auszugehen ist von dem unstreitigen Wiederbeschaffungswert des unfallgeschädigten Fahrzeugs des Klägers in Höhe von 22.350 €. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der darin enthaltenen Mehrwertsteuer. Daher kommt es auf die Frage der Höhe des Mehrwertsteuersatzes, d.h. ob differenz- oder regelbesteuert, nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2005, Az.: VI ZR 26/05).

Der bei Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag schließt die Umsatzsteuer nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Für den Ersatz der Umsatzsteuer kommt es – unabhängig von dem Weg, den der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat – darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist. Hingegen soll die Umsatzsteuer nicht mehr ersetzt werden, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt. Verzichtet der Geschädigte auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung und verlangt stattdessen den hierfür erforderlichen Geldbetrag, erhält er nicht mehr den vollen, sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten Geldbetrag. Dies gilt sowohl für den Fall, dass sich der erforderliche Geldbetrag nach den fiktiven Reparaturkosten richtet als auch für den Fall, dass er sich nach den fiktiven Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache richtet. Die Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB begrenzt insoweit die Dispositionsfreiheit des Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2016, Az. VI ZR 654/15).

Vorliegend hat der Kläger am 25.11.2015 ein Fahrzeug für 14.500 € brutto erworben. Da er das verunfallte Fahrzeug unstreitig am 16.11.2015 veräußert hatte und es sich bei dem am 25.11.2015 erworbenen Fahrzeug ebenfalls um eine Mercedes-Benz-Limousine handelte, geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon aus, dass es sich hierbei um eine Ersatzbeschaffung handelte.

In dem Kaufpreis war ein Mehrwertsteueranteil von 2.315,12 € (Regelsteuersatz von 19 %) enthalten. In dieser Höhe ist also Mehrwertsteuer tatsächlich angefallen. Demgegenüber beträgt der Mehrwertsteueranteil in dem im Gutachten ausgewiesen Wiederbeschaffungswert lediglich 438,24 € (bei einer Differenzbesteuerung von 2 %) bzw. 755,80 € (bei einer Differenzbesteuerung von 3,5 %). Daher ist die im Wiederbeschaffungswert laut Gutachten enthaltene Mehrwertsteuer zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen und daher gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auch zu ersetzen.

Es besteht nach Ansicht der Kammer keine Rechtfertigung, den Kläger vor die Wahl zu stellen, entweder auf Gutachtenbasis fiktiv abzurechnen und dabei lediglich den Netto-Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert anzusetzen oder konkret abzurechnen und dabei nur den tatsächlichen Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt zu verlangen, d.h. den Brutto-Kaufpreis abzüglich Restwert. Auszugehen ist nach Ansicht der Kammer von dem im Gutachten bezifferten Wiederbeschaffungsaufwand, d.h. dem Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert. Denn dies stellt den Schaden dar, den der Kläger aufgrund des Unfalls erlitten hat. Gemäß der gesetzlichen Wertung ist Mehrwertsteuer dann zu ersetzen, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies ist vorliegend aufgrund der Ersatzbeschaffung der Fall. Weshalb der Geschädigte dann, wenn er ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis erwirbt, der unterhalb des Wiederbeschaffungswerts liegt, schlechter stehen soll – und der Schädiger entsprechend besser -, weil er sich dann zwischen fiktiver Abrechnung ohne Ersatz der Mehrwertsteuer und tatsächlicher Abrechnung, zwar mit Mehrwertsteuer, aber nur in Höhe des tatsächlich aufgewandten Kaufpreises, entscheiden müssen soll, ist nicht recht verständlich. Denn auch bei Erwerb eines Ersatzfahrzeugs unterhalb des Wiederbeschaffungswerts hat er einen Schaden in Höhe des im Gutachten ausgewiesenen Wiederbeschaffungsaufwands erlitten, der ihm zu ersetzen ist.

Darin liegt nach Ansicht der Kammer auch keine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung, vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.11.2005, VI ZR 26/05. Dies wäre dann der Fall, wenn der Netto-Wiederbeschaffungswert um den bei der Ersatzbeschaffung angefallenen Steuersatz erhöht würde. Vorliegend aber geht der Kläger bei der Schadensermittlung von dem Brutto-Wiederbeschaffungswert laut Gutachten aus, d.h. von dem darin enthaltenen Differenzsteuersatz.

Unter Abzug des unstreitigen Restwerts von 8.200 € kann der Kläger daher von den Beklagten einen Wiederbeschaffungsaufwand von 14.150 € verlangen. Nach vorgerichtlicher Zahlung hierauf in Höhe von 12.896,63 steht mithin noch der vom Amtsgericht zuerkannte Betrag von 1.253,37 € offen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da mit der vorliegenden Entscheidung von der Rechtsprechung des BGH, wonach die Mehrwertsteuer bei Abrechnung auf Gutachtenbasis im Falle der Ersatzbeschaffung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung den Betrag aufgrund fiktiver Schadensberechnung übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2016, Az. VI ZR 654/15), abgewichen wird.

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