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Verkehrsunfall – Ersatzfähigkeit einzelner Schadenspositionen bei konkreter Schadenberechnung

LG Freiburg (Breisgau) – Az.: 5 O 71/19 – Urteil vom 20.03.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.618,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2018 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 57 % und die Beklagte 43 % zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 6.050,13 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Ersatz restlicher Schadensposten aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Am 10.10.2018 gegen 15:05 Uhr kam es in Gutach im Breisgau zu einem Verkehrsunfall zwischen dem PKW des Klägers, einem Mercedes-Benz C-Klasse C 250 BlueTEC/d C 250 T BlueTEC/d 4Matic, Erstzulassung am … mit dem österreichischen amtlichen Kennzeichen … und einem Ford C-Max, amtliches Kennzeichen …. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt. Die Beklagte ist Haftlichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs. Der Kläger ließ sein Fahrzeug für 17.315, 33 € reparieren, diese Summe enthielt Verbringungskosten in Höhe 150,00 €. Von diesen Verbringungskosten bezahlte die Beklagte lediglich 80, 00 €. Er mietete auch vom 10.10.2018 bis 29.10.2018 ein Ersatzfahrzeug für insgesamt 4.851,67 €, wovon die Beklagte 1.259, 51 € ersetzte. Es entstanden Abschleppkosten in Höhe von 321, 30 €, von denen 267, 75 € ersetzt wurden. Die Beklagte erstattete außerdem vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.242, 84 €.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 6.050, 43 €. Er meint, die Beklagte habe ihm zustehende Verbringungskosten im Rahmen der Reparatur, eine merkantile Wertminderung, restliche Mietwagenkosten, restliche Abschleppkosten, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur unzureichend reguliert. Er meint insbesondere, die Mietwagenkosten seien nach der Schwacke – Liste zu schätzen, zudem sei ein unfallbedingter Aufschlag von 20 % gerechtfertigt. Weiter meint er, die Kosten der merkantilen Wertminderung seien nach einer Methode des OLG Hamburg zu berechnen.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.050, 43 € zu bezahlen nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2018.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, sie habe insoweit alle im Sinne von § 249 BGB erforderlichen Kosten erstattet, wobei die Mietwagenkosten nach der Fraunhofer-Liste zu ersetzen seien.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 21.10.2019 Bezug genommen.

Das Gericht hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigeneingeholt, welches dieser unter dem 24.01.2020 erstattet hat.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage, für welche das angegangene Gericht international zuständig ist (Art. 11 Abs. 1 lit. a EuGVVO) ist überwiegend begründet.

Unstreitig hat die Beklagte auf die Reparaturkosten von 17.315, 33 € insgesamt 17.232, 03 € geleistet; auf die Forderung eines merkantilen Minderwertes in Höhe von 3.500 € insgesamt 1.500 €; für Mietwagenkosten über 4.851, 67 € wurden 1.259, 51 € gezahlt; an Abschleppkosten von 321,30 € wurden 267, 75 €, und für geforderte vorgerichtliche Anwaltsgebühren von 1564, 26 € wurden 1.242, 84 € bezahlt. Es ergibt sich damit eine Regulierungsdifferenz von 6.050, 43 €, von der die Beklagte weitere 2.618, 83 € zu erstatten hat.

Die Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG; § 1 PflVG; das deutsche Recht ist vorliegend gemäß Art. 3 Nr. 1a EGBGB i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO anwendbar. Dem Grunde nach ist die Haftung zu einer Quote von 100 % zwischen den Parteien unstreitig.

1. Dem Kläger steht ein Ersatz der restlichen Verbringungskosten in Höhe von 83, 30 € zu.

a) Nach den schadensrechtlichen Grundsätzen ist für die nach § 249 Abs. 1, 2 BGB zu ersetzenden Kosten maßgeblich, ob diese sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten. Es kommt darauf an, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die infolge der Beschädigung getroffenen Dispositionen für geboten halten durfte (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 30. 11. 2004 – VI ZR 365/03 = NJW 2005, 356, 357 m. w. Nachw.). Der Geschädigte ist aber nach dem Gedanken des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB sehr wohl gehalten, den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte genügt hier in der Regel seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des Unternehmens, das die Reparatur durchgeführt hat. Die tatsächliche Rechnungshöhe stellt ein gewichtiges Indiz bei der Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO dar und damit bei der Bestimmung des für die Herstellung „erforderlichen“ Betrages gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 528/12; Urt. v. 23. 1. 2007 – VI ZR 67/06 = NJW 2007, 1450, 1451).

Dabei darf ein Geschädigter nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (AG Villingen-Schwenningen, Urt. v. 05.02.2015, – 11 C 507/14; LG Köln, Urt. v. 07.05.2014, – 9 S 314/13; OLG Hamm, Urt. v. 31.01.1995, – 9 U 168/94). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Für Verbringungskosten gilt nichts anderes, die Ersatzfähigkeit richtet sich auch hier nach den allgemeinen Grundsätzen für Reparaturkosten (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 06.11.2019, § 249 BGB Rn. 146.1).

b) Demnach sind die Verbringungskosten zwischen Werkstatt und Lackiererei in voller Höhe ersatzfähig. Diese stellen einen Teil des erforderlichen Aufwandes zur Schadensbeseitigung in Form der Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar. Sie sind auch unmittelbar schadenskausal entstanden. Für die Verbringung des Fahrzeuges von der Werkstatt zur Lackiererei und die Rückholung von dort wurden ausweislich der Rechnung der Fa. … KG (Anlage K 1, Blatt 4) Kosten in Höhe von 150,00 € netto berechnet. Dass diese sich im Rahmen dessen halten, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter für erforderlich halten darf, ist nicht nur daran ersichtlich, dass der klägerische Privatsachverständige … – dessen Fachkompetenz und die des Ingenieurbüros … die Beklagte im Schriftsatz vom 28.10.2019 ausdrücklich hervorhebt – in seinem Gutachten (Anlage K 2, S. 12) die notwendigen Verbringungskosten mit 145, 80 € kalkuliert hat. Auch im Vergleich zu anderen Fällen der Praxis ergibt sich kein gravierender Unterschied (vgl. etwa jüngst AG Hamburg-Altona, Urt. v. 26.09.2019 – 318c C 25/19 – Rn. 11 f. – juris zu 120 € Verbringungskosten oder AG Coburg, Urt. v. 27.11.2018 – 14 C 1819/18 zu 126, 55 €). Wahrt der Geschädigte demnach – wie hier – den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine „Preiskontrolle“ durchzuführen (BGH, Urt. v. 23.01.2007 – VI ZR 67/06 = NJW 2007, 1450, 1451). Weshalb die Beklagte in diesem Zusammenhang lediglich 80,00 brutto für angemessen hält, legt sie weder dar, noch ist dies für das Gericht in irgendeiner Weise nachvollziehbar. Demgemäß sind die restlichen 83, 30 € (brutto) zu ersetzen.

2. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf den Ersatz einer über den geleisteten Betrag von 1.500 € hinausgehenden merkantilen Wertminderung in Höhe von 300 € über § 251 Abs. 1 BGB.

Auch die Höhe der merkantilen Wertminderung hat das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei liegt dieser die Vorstellung zu Grunde, dass einem Unfallwagen trotz technisch einwandfreier Reparatur auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein wirtschaftlicher Minderwert zukommt. Dieser Minderwert, der sich auf dem Markt abbildet, ist damit kein technisch – messbarer, sondern ein „psychologisch“ – betriebswirtschaftlicher Wertverlust. Aus diesem Grund verbietet sich nach Auffassung des Gerichts die bloß schematische Anwendung von überkommenen Berechnungsmethoden (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2006 – 1 U 110/06, Rn. 33 – juris; Knerr in: Geigl, Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 3. Kap. Rn. 64) – so auch etwa jener des OLG Hamburg (vgl. OLG Hamburg VersR 1981, 1186), auf die sich der Kläger beruft. Die Frage, ob ein merkantiler Minderwert vorliegt und welche Höhe dieser hat, wird sich nur im Einzelfall und in der Regel mithilfe eines Sachverständigen feststellen lassen.

Die überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen … im Gutachten vom 24.01.2020 kommen nachvollziehbar zu der Feststellung einer merkantilen Wertminderung in Höhe von 1.800 €.

3. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung zusätzlicher Mietwagenkosten in Höhe von 2.181, 98 €.

a) Diesbezüglich kann er jedoch lediglich den Ersatz des Normaltarifes und nicht eines um 20 % erhöhten Unfallersatztarifes verlangen.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich auch den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH NZV 2019, 524, 525; BGH NJW 2016, 2402, 2403 m. w. Nachw.). Den Ersatz eines gegenüber dem Normaltarif erhöhten Unfalltarifes kann der Geschädigte deshalb nur unter engen Voraussetzungen verlangen, es bedarf hierfür einer Not – bzw. Eilsituation, bei der es dem Geschädigten in der konkreten Anmietsituation nicht zumutbar war, sich vor der Anmietung nach günstigeren Tarifen zu erkundigen (BGH NZV 2013, 383, 385).

Eine solche lag aber nicht vor. Vorliegend hatte der Kläger zwar nach seinem Vortrag in der Klageschrift am „12.10.2019“ einen dringenden Notartermin in Villingen – Schwenningen und sei deshalb auf ein Auto angewiesen gewesen. Das Gericht versteht die Jahresangabe als Schreibversehen und legt zugrunde, dass eigentlich der 12.10.2018 gemeint war, also zwei Tage nach dem Unfall am 10.10.2018. Dies führt jedoch nicht zu einer Eil- oder Notsituation. Der Kläger hatte nämlich mehr als einen ganzen Tag Zeit, um sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen und stand damit keineswegs unter Zeitdruck.

b) Die damit nach dem Normaltarif im Grundsatz ersatzfähigen Mietwagenkosten schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Landgerichts Freiburg nach dem arithmetischen Mittelwert zwischen den Tabellen der Schwacke – Liste und der Fraunhofer – Liste des jeweiligen Jahrgangs, hier also der Listen von 2018 (vgl. LG Freiburg Urt. v. 16.04.2018 – 3 S 9/18; Urt. v. 21.02.2013 – 3 S 309/12; Urt. v. 23.10.2012 – 3 S 262/11; ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 2019, 731, 733; OLG Köln Urt. v. 30.07.2013 – 15 U 212/12; OLG Karlsruhe Urt. v. 11.08.2011 – 1 U 27/11). Hinsichtlich der Fahrzeugklasse ist dabei auf den angemieteten Ersatzwagen und nicht auf den beschädigten Unfallwagen abzustellen, da für die Frage der Angemessenheit in Rechnung gestellter Mietwagenkosten allein das tatsächlich angemietete Fahrzeug maßgeblicher Vergleichsmaßstab ist (LG Freiburg Urt. v. 16.04.2018 – 3 S 9/18; OLG Köln Urt. v. 30.07.2013 – 15 U 212/12; OLG Stuttgart NZV 2009, 563). Vorliegend richtet sich der Wert nach Fahrzeuggruppe 9. Einen niedrigeren Schadensersatz als den nach dem Mittelwert der beiden Listen ermittelten Normaltarif darf der Schädiger nur leisten, wenn dieser darlegen und beweisen kann, dass dem Geschädigten „ohne Weiteres“ ein noch günstigerer Tarif in seiner konkreten Situation zugänglich war (LG Freiburg Urt. v. 23.10.2012 – 3 S 262/11). Ein solcher Beweis wurde nicht geführt.

Außerdem ist ein Eigenersparnisabzug auf den ermittelten Normalpreis vorzunehmen, diesen schätzt das Gericht auf 5 % (LG Freiburg Urt. v. 23.10.2012 – 3 S 262/11).

c) Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der einzelnen geltend gemachten Nebenkostenpositionen für Winterreifen (aa), Zweitfahrer (bb), Anhängerkupplung (cc), Navigationsgerät (dd) und eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung von 150 € (ee) gilt folgendes:

Grundsätzlich sind gesondert in Rechnung gestellte, weitere Leistungen des Autovermieters – wie die streitbefangenen – dem arithmetischen Mittel aus Schwacke und Fraunhofer zuzuschlagen, sofern sie tatsächlich vereinbart und angefallen sind. Für diese kann jedoch nicht, wie es der Kläger im Schriftsatz vom 07.06.2019 berechnet hat, pauschal die Nebenkostentabelle der Schwacke – Liste herangezogen werden. Sind – wie vorliegend der Fall – die aus dem konkreten Mietvertrag ersichtlichen tatsächlichen Kosten für die betreffende Nebenleistung geringer, so sind diese maßgeblich (LG Freiburg Urt. v. 23.10.2012 – 3 S 262/11; OLG Köln Urt. v. 30.07.2013 – 15 U 212/12). Denn sonst würde es durch den Schadensersatz zu einer Bereicherung des Geschädigten kommen.

aa) Die Ausstattung des Mietfahrzeugs mit Winterreifen in der kalten Jahreszeit ist i. S. v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich und damit als Nebenkostenposition gesondert ersatzfähig. Soweit die Beklagte meint, ein Autovermieter schulde gemäß § 2 Abs. 3a StVO in der kalten Jahreszeit ohnehin eine wintertaugliche Bereifung, weshalb diese zur Grundausstattung zählten und keine gesonderte Leistung seien, dringt sie nicht damit durch. Nach der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung stellt die Winterreifenpflicht gemäß § 2 Abs. 3a StVO kein Argument gegen eine zusätzliche Vergütung dar. § 2 Abs. 3a StVO fordert nämlich nicht generell, das Fahrzeug mit Winterreifen auszurüsten, sondern nur im Bedarfsfall, nämlich bei den dort genannten Witterungsverhältnissen. Allein daraus, welche Leistung der Mieter vom Autovermieter verlangen kann (Überlassung eines verkehrstauglichen, den aktuellen Bestimmungen genügenden Fahrzeugs), lässt sich nicht darauf schließen, dass hierfür privatautonom keine besondere Vergütung vereinbart werden darf. (BGH NJW 2013, 1870, 1872 m. w. Nachw.; ausführlich OLG Stuttgart Urt. v. 18.08.2011 – 7 U 109/11 Rn. 70 – juris). Die Kosten für Winterreifen wurden ausweislich des Mietvertrages vom 10.10.2018 zwischen dem Kläger und der Fa. … vereinbart, diese sind tatsächlich angefallen und damit in tatsächlicher Höhe von 168,00 € zu ersetzen.

bb) Auch gesonderte Kosten für einen Zweitfahrer sind als erforderlich anzusehen (OLG Köln Urt. v. 30.07.2013 – 15 U 212/12), denn auch das unfallbeschädigte Fahrzeug des Klägers konnte von seiner Frau genutzt werden. Soweit die Beklagte meint, mit einer hier zusätzlich abgeschlossenen Vollkaskoversicherung mit 150 € Selbstbeteiligung erübrige sich das erhöhte Risiko, welches der Autovermieter durch einen zweiten Fahrer übernimmt, kann das Gericht dem nicht folgen. Es kann auf dem Markt legitimer Weise als Mehrleistung des Vermieters angesehen werden, die Mietsache auch der Einwirkung Dritter preiszugeben, die gerade nicht Vertragspartner sind.

cc) Die Kosten für eine Anhängerkupplung kann der Kläger vorliegend nicht verlangen. Diese können grundsätzlich nur dann als erforderlich ersetzt verlangt werden, wenn das eigene Auto selbst mit einer Anhängerkupplung ausgestattet war (OLG Köln NZV 2014, 314, 319). Dies muss der Kläger darlegen und beweisen. Es ist für das Gericht aber weder aus der Ausstattungsliste des Privatgutachtens des Klägers (Anlage K 2, S. 6 – 8), welches insoweit als substantiierter Parteivortrag gilt, noch aus seinem sonstigen Vortrag zu erkennen, dass sein eigenes Auto eine solche Anhängerkupplung hatte.

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dd) Die zusätzlichen Kosten für das Navigationsgerät kann der Kläger ebenfalls nicht verlangen. Zusätzliche Kosten für ein Navigationsgerät können nur dann verlangt werden, wenn sie nicht bereits in der Grundmiete der beiden Listen Schwacke und Fraunhofer enthalten sind. Das ist dann der Fall, wenn ein Navigationsgerät ohnehin zur Standardausstattung derartiger Fahrzeuge gehört. Diese Kammer teilt dabei die Ansicht der 3. Kammer dieses Gerichts, dass bei einem hochwertigen Fahrzeug der Kategorie 9 – wie also vorliegend – regelmäßig hiervon auszugehen ist (LG Freiburg Urt. v. 16.04.2018 – 3 S 9/18).

ee) Die Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 € stellt dagegen einen ersatzfähigen Schadensposten dar. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Vollkaskoversicherung sogar ohne Selbstbeteiligung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn der Geschädigte in der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (BGH NJW 2006, 360; NJW 2005 1041). Das ist vorliegend der Fall, weil der Geschädigte dem Risiko einer erneuten Verwicklung in einen Verkehrsunfall mit einem typischerweise neuwertigen Mietwagen unterliegt, bei dem er entsprechenden erheblichen Haftungsrisiken für fremdes Eigentum ausgesetzt wäre (OLG Köln Urt. v. 30.07.2013 – 15 U 212/12; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.09.2007 – 13 U 217/06).

Auf die ersatzfähigen Nebenleistungen noch aufzuschlagen ist die Mehrwertsteuer.

Aus alldem ergibt sich folgendes Bild:

Schadensposten  Betrag

Schwacke Automietpreisspiegel 2018 (Modus, PLZ-Gebiet 793**, Klasse 9) Wochenpauschale: 1325, 50 € / 7 x 20 Tage 3787, 14 €

Fraunhofer Marktpreisspiegel 2018 (Mittelwert, PLZ-Gebiet 79***, Gruppe 9) 7 Tages-Pauschale: 552, 79 € / 7 x 20 Tage 1579, 40 €

hieraus Mittelwert Schwacke – Fraunhofer 2549, 11 €

– 5 % Eigenersparnis – 127, 45 €

+ Haftungsreduzierung auf Vollkasko mit 150 € SB + 487, 40 €

+ Zusatzfahrer + 201, 60 €

+ Winterreifen + 168, 00 €

+ MwSt. (19 %) auf Haftungsred., Zusatzfahrer, Winterreifen + 162, 83 €

ersatzfähiger Gesamtbetrag 3.441, 49 €

– Zahlung der Beklagten – 1259, 51 €

Restforderung 2.181, 98 €

4. Der Kläger kann außerdem den Ersatz restlicher Abschleppkosten in Höhe von 53, 55 € beanspruchen, denn diese waren entgegen der Ansicht der Beklagten zur Schadensbehebung erforderlich gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Beklagte meint zwar, es sei nicht ein Stundesatz von 180, 00 € ersatzfähig, vielmehr seien angemessen und ortsüblich lediglich 150, 00 €. Es kommt hier aber im Ergebnis nicht darauf an, ob diese tatsächlich überhöht sind oder nicht. Denn dem Kläger ist es nicht zuzumuten, vor einem Abschleppvorgang „Marktforschung“ dergestalt zu betreiben, ob die Preise des Abschleppunternehmers marktüblich sind oder nicht. Das gilt erst recht in dem hier streitigen Umfang von lediglich 20 €. Selbst vorausgesetzt, 180, 00 € wären tatsächlich nicht marktüblich, sondern nur 150, 00 €, so bedürfte es vertiefter Branchenkenntnisse, dies überhaupt zu erkennen. Dieses Risiko kann nicht auf den Geschädigten abgewälzt werden, dessen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten Grenzen gesetzt sind (vgl. BGH NJW 2005, 1112, 1113).

5. Der Kläger kann keine weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen. Zur Berechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr ist der Geschäftswert zugrunde zu legen, welcher der objektiv berechtigen Forderung entspricht (BGH NJW 2018, 2417; NJW 2017, 3588). Dieser setzt sich nach dem obigen wie folgt zusammen:

Reparaturkosten: 17.315, 33 €

Merkantile Wertminderung: 1.800, 00 €

Mietwagenkosten: 3.441,49 €

Abschleppkosten: 321, 30 €

Gesamt: 22.878, 12 €

Entgegen der Auffassung des Klägers können hier jedoch nicht 1, 5 Geschäftsgebühren nach Anl. 1 RVG Nr. 2300 in Ansatz gebracht werden, weil die anwaltliche Tätigkeit vorliegend weder umfangreich noch schwierig war. Ein außergewöhnlicher zeitlicher Umfang ist nicht ersichtlich. Für die Schwierigkeit der Sache ist ein objektiver Maßstab anzulegen, es ist unerheblich, ob ein spezialisierter Anwalt die Sache hätte schneller oder ein unerfahrener Anwalt langsamer bewältigen können (Teubel in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, RVG Nr. 2300 VV, Rn. 25). Der Rechtsstreit ist hiernach nicht von überdurchschnittlicher Schwierigkeit, denn die maßgeblichen Rechtsfragen sind von der Rechtsprechung allesamt geklärt und die Haftung ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Danach ist von einem nur durchschnittlichen Verkehrsunfall auszugehen, weshalb eine 1,3 Geschäftsgebühr angemessen erscheint. Danach ergibt sich:

1,3 x 788, 00 € = 1024,40 €

+ 20 € (Pauschale für Post und Telekommunikation)

+ 198, 44 € (19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG)

= 1242, 84 €.

Diese wurden von der Beklagten in voller Höhe erstattet.

6. Zusammengefasst ergibt sich also:

Restliche Verbringungskosten: 83, 30 €

Restliche Wertminderung 300,00 €

Restliche Mietwagenkosten: 2181,98 €

Restliche Abschleppkosten: 53, 55 €

Gesamt: 2618,83 €.

7. Der Zinsanspruch ab 22.11.2018 rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB, denn es liegt mit dem Anwaltsschreiben vom 15.11.2018 an die Beklagte eine Mahnung nach Fälligkeit vor. Eine Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen. In der einseitigen Bestimmung eines Zahlungsziels durch den Gläubiger liegt eine Mahnung, wenn der Gläubiger den Schuldner auffordert, die Rechnung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu begleichen, und damit die für eine Mahnung erforderliche eindeutige Leistungsaufforderung zum Ausdruck bringt (vgl. BGH NJW 2006, 3271). So verhält es sich hier. Der Kläger forderte die Beklagte im Schreiben vom 15.11.2018 auf, bis zum 21.11.2018 zu leisten. Durch die Formulierung „Wir bitten um Bezahlung des […] Betrages […] bis zum 21.11.2018.“ wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger die Leistung einfordert.

Soweit sich die Beklagte mit einem Beschluss des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 27.06.2007 – 1 W 23/07) auf eine zu kurz bemessene Frist beruft, verkennt sie, dass es in diesem Beschluss überhaupt nicht um eine Mahnung geht, sondern um die Erhebung der Klage nur drei Wochen nach einem Unfall.

Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Mahnung eine überhöhte Forderung geltend gemacht wurde, denn auch eine Zuvielmahnung ist eine wirksame Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der nach seiner Vorstellung zu geringen Leistung bereit ist (BGH NJW 2006, 769, 771; NJW 2006, 3271, 3272). Voraussetzung für den Verzug ist, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann (BGH NJW 2006, 3271) Die Beklagte musste das Schreiben als Aufforderung verstehen, die berechtigte Schadensersatzsumme zu bezahlen. In welcher Höhe diese für die einzelnen Schadensposten berechtigt ist, ist durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt und damit für die Beklagte als Versicherungsunternehmen auch ermittelbar.

Diese Mahnung erfolgte auch nach Eintritt der Fälligkeit, denn die Fälligkeit nach § 271 Abs. 1 BGB tritt in der Regel sofort mit der Verletzung des Rechtsguts ein, hier also zum Unfallzeitpunkt (vgl. BGH NJW 2009, 910).

II. Die Kostenentscheidung erging gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 2 ZPO.

 

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