AG Dillenburg, Az.: 50 C 423/15 (13), Urteil vom 19.04.2016
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 57,35 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.04.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 70,20 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.09.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(von der Darstellung wird nach §§ 313a, 495a ZPO abgesehen)
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 398, 249 BGB zu.
Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Sachverständigenkosten von € 57,35. Den Sachschaden am Fahrzeug des Zedenten regulierte die Beklagte vollständig, die grundsätzliche Haftung der Beklagten am Unfallgeschehen hat sie nicht bestritten. Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens und trat seine Schadensersatzansprüche in Höhe der Sachverständigenkosten an den Kläger erfüllungshalber ab (vgl. Bl. 7 d.A.).
Die Kosten der Schadensfeststellung – also auch die Sachverständigenkosten – sind Teil des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden Schadens, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei, er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist er gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei darf jedoch das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (vgl. BGH Urteil vom 11.02.2014 , VI ZR 225/13 – = NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 = DAR 2014, 194 = MDR 2014, 401).
Zum Zwecke der Erstellung eines Schadengutachtens darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm bei seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Kfz-Sachverständigen zu beauftragen. Er muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe in der Regel durch die Vorlage der Rechnung des in Anspruch genommen Sachverständigen. Deren Höhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB „erforderlichen“ Betrages, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH a.a.O.).
Dem Schädiger obliegt es dann, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies für den Geschädigten auch erkennbar war. Weiter hat der Schädiger die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung gem. § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen hat.
Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden (vgl. BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144). „Erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB ist nicht nur das, was ortsüblich ist. Sogar wenn das Honorar des Sachverständigen objektiv überhöht ist, ist es bei der gebotenen subjektiven Schadensbetrachtung regelmäßig als der „erforderliche“ Aufwand anzuerkennen, es sei denn den Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden oder die Überhöhung ist derart evident, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, I-1 U 246/07, Juris).
Es kommt also entscheidend darauf an, ob das Honorar erheblich über den Preisen in der Branche lag und der Geschädigte dies auch erkennen konnte. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit eine maßgebende Rolle (BGH a.a.O.). Der Geschädigte muss hierfür weder nach einem Sachverständigen mit günstigen Preisen recherchieren, noch muss er die Tabellensätze der BVSK-Honorarumfrage kennen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az.: 13 S 54/14, zitiert nach Juris).
Es gelten auch keine anderen Anforderungen für den Fall, dass nicht der Geschädigte selber klagt, sondern der Sachverständige nach entsprechender Abtretung des Anspruchs durch den Geschädigten. Denn die Abtretung ändert an der Rechtsnatur des Anspruchs und dessen Voraussetzungen nichts, sondern beinhaltet lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung (so auch LG Stuttgart a.a.O.).
Diese Ansicht wird auch dadurch bestätigt, dass der BGH in seinem Urteil vom 22.7.2014 – Az.: VI ZR 357/13 – bei dem es um an den Sachverständigen abgetretene Ansprüche ging, denselben Maßstab angelegt hat, welchen er für den originären Anspruch des Geschädigten in seinem Urteil vom 11.02.2014 – Az: VI ZR 225/13 – entwickelt hat (so auch LG Fulda, Urteil vom 24.04.2015, Az.: 1 S 168/14 – zitiert nach Juris).
Der BGH hat in dieser Entscheidung lediglich konkreter zu der Frage der Indizwirkung der Rechnung ausgeführt. Danach genügt der Geschädigte seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH a.a.O.). Hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit ist auf den Gesamtbetrag der Rechnung abzustellen und nicht auf einzelne Nebenkostenpositionen (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.03.2015, Az. 10 U 579/15, zitiert nach Juris).
Nach den vorgenannten Grundsätzen hat der Kläger durch Vorlage der Rechnung grundsätzlich die Notwendigkeit der dem Geschädigten angefallenen Kosten hinreichend dargelegt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die abgerechneten Kosten die branchenüblich im Bezirk des Sachverständigen abgerechneten Kosten erheblich und für den Geschädigten erkennbar übersteigen, hat die Beklagtenseite nicht substantiiert aufgezeigt.
Voraussetzung für substantiierte Einwendungen seitens des Schädigers oder der Versicherung ist jedoch die Darlegung der üblichen Sätze für das Grundhonorar und die Nebenkosten bezogen auf das nähere örtliche Umfeld sowie die Darlegung, auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch und unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss (vgl. OLG München a.a.O.). Hierzu findet sich kein ausreichender Vortrag der Beklagten. Insbesondere legt die Beklagte nicht dar, inwieweit es für die Geschädigte hier hätte erkennbar sein können und müssen, dass die streitgegenständliche Rechnung aus ihrer Sicht ca. 13% zu hoch ist. In solch einem Fall, wo eine entsprechende Darlegung durch den Schädiger oder seine Versicherung nicht erfolgt, ist die Erstattungsfähigkeit nur dann abzulehnen, wenn die Abrechnung des Sachverständigen in sich so evident fehlerhaft ist, dass dies auch der Laie erkennen kann (vgl. OLG München a.a.O.). Anhaltspunkte dafür sind hier jedoch weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288 BGB. Ein über den gesetzlichen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bestand jedoch nicht, insoweit war die Klage abzuweisen.
Der Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in geltend gemachter Höhe steht dem Kläger aus Verzugsgesichtspunkten nach §§ 280, 286, 288 BGB zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Zuvielforderung hinsichtlich der Zinsen war unbeachtlich, § 92 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nach § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO nicht zuzulassen.