AG Coburg – Az.: 14 C 1819/18 – Urteil vom 27.11.2018
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.04.2018 Zug um Zug gegen Abtretung eines etwaigen Überzahlungsanspruches gegen die aus der Rechnung 181860 vom 18.04.2018 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 46,55 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Am 10.03.2018 kam es zwischen dem klägerischen Fahrzeug, und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug zu einem Verkehrsunfall, bei welchem das Fahrzeug der Klagepartei erheblich beschädigt wurde. Die Reparaturkosten beliefen sich ausweislich der vorgelegten Rechnung auf 1.205,90 €, worauf die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.159,35 € regulierte.
Die zulässige Klage ist weitestgehend begründet.
Der Klagepartei steht im tenorierten Umfang ein Anspruch auf restlichen Schadensersatz gegen die Beklagten gemäß §§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG zu.
Die Parteien streiten um restliche Verbringungskosten. Die geltend gemachten restlichen Verbringungskosten stellen nach Ansicht des Gerichts dem Grunde als auch der Höhe nach den erforderlichen Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Verbringungskosten überhöht und damit nicht erforderlich gewesen seien und bestreitet, dass eine Verbringung tatsächlich erfolgt ist.
Die Beklagt hat die geltend gemachten Verbringungskosten mit einem pauschalen Betrag von 80,00 € netto beglichen. Warum die Beklagte diesen Betrag für angemessen erachtet, erschließt sich dem Gericht nicht. Aus einer Vielzahl von gleichartigen Verfahren weiß das Gericht, dass die Beklagte offenbar immer 80,00 € ohne jegliche Einzelfallprüfung reguliert. Die Beklagte legt aber weder in den entsprechenden Abrechnungsschreiben noch im Verfahren dar, warum dies der erforderliche Betrag sein soll.
Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind insofern regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Absatz 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.
Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers (AG Norderstedt, Urteil vom 14. 9. 2012 – 44 C 164/12; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 9 S 314/13). Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigten Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, NJW, 302, 304; AG Düsseldorf, 21.11.2014 – 37 C 11789/11). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendung sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier gleichartige Aufwendung sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind hier die Kosten der Verbringung ersatzfähig. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat die Klagepartei die Reparaturkosten insoweit für erforderlich halten dürfen. damit sind insbesondere auch die Verbringungskosten zu erstatten, auch wenn die Beklagte die Verbringung als solche bestreitet (OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Die Reparatur und die Abrechnung sind der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Von daher war auch kein Beweis über die Verbringung zu erheben, da das Werkstattrisiko eben auch Arbeiten umfassen würde, die nicht ausgeführt wurden (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94).
Ein Berufen auf das Werkstatt- und Prognoserisiko ist auch sachgerecht. Der Geschädigte soll aus Divergenzen zwischen der Haftpflichtversicherung und der Werkstatt herausgehalten werden. Der Geschädigte kann, sofern entsprechende Kosten im Sachverständigengutachten ausgewiesen werden, auf die Erforderlichkeit dieser vertrauen. Mithin ist von ihm auch nicht zu erwarten, dass er jede Rechnungsposition hinterfragt und sich belegen lässt. Der Haftpflichtversicherung steht es frei, sich entsprechende Ansprüche gegen die Werkstatt abtreten zu lassen.
Nicht relevant ist, ob die Klagepartei die Kosten bereits beglichen hat. Seinerseits sieht sie sich in jedem Fall einer entsprechenden Forderung der Reparaturwerkstatt gegenüber, der sie auch nicht substantiiert entgegen treten kann, da sie keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, warum die Forderung überzogen sein soll.
Die Beklagte kann jedoch verlangen, dass ihr Zug um Zug etwaige Erstattungsansprüche der Klagepartei gegen die Reparaturwerkstatt aus dem Reparaturvertrag abtritt. Eine solche Abtretung schmälert die Rechtsposition der Klagepartei als Geschädigten nicht und ist nicht davon abhängig, dass etwaige Ansprüche gegen die Reparaturwerkstatt tatsächlich bestehen; vielmehr genügt es, dass es möglich erscheint, dass solche Ansprüche vorhanden sind (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 19.10.2012 – 13 S 38/12, zit. n. juris). Die Berechtigung eines solchen Anspruchs ist vielmehr dann im Verhältnis zwischen dem Schädiger, hier der Beklagten, und der Reparaturwerkstatt zu klären. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Rechnung von der Klägerin bereits ausgeglichen worden ist oder nicht. Denn die Geltendmachung eines Anspruches gegenüber der Werkstatt wegen Überzahlung ist nicht notwendigerweise davon abhängig, ob bereits bezahlt wurde oder nicht. Darüber hinaus hatte es die Beklagte angesichts Ihres Prüfergebnisses bereits frühzeitig in der Hand, von der Klagepartei wenigstens vorsorglich eine solche Abtretung zu verlangen und diese darüber zu informieren, dass aus ihrer Sicht es günstiger sein kann, mit der Bezahlung der Reparaturkostenrechnung bis zur Durchführung des Abtretungsgeschäftes abzuwarten.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280, 288 BGB.
Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Verurteilung der Beklagten lediglich Zug um Zug führt dabei nicht zu einer Veränderung der Kostenquote. Denn hierbei handelt es sich nur um einen wertmäßig nicht zu berücksichtigenden Nebenanspruch im Zusammenhang der Schadensregulierung (AG Kassel, Urteil vom 08.02.2018 – 435 C 4137/17).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.