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Verkehrsunfall –  Erstattung von Nutzungsausfall

Unverschuldet in Unfall verwickelt, doch keine Entschädigung für Nutzungsausfall: Landgericht Berlin weist Klage eines Autobesitzers ab, da „repräsentatives Fahrzeug“ nicht zur Gewinnerzielung diente und wirtschaftliche Beeinträchtigung nicht nachgewiesen werden konnte.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht entschied zugunsten des Klägers, dass die Beklagte für den Unfall haftet.
  • Der Kläger erhielt Schadenersatz für Reparaturkosten, Wertminderung, Gutachterkosten und eine Unkostenpauschale.
  • Der Kläger konnte fiktive Reparaturkosten geltend machen, auch wenn er den Schaden nicht vollständig repariert hat.
  • Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wurde abgelehnt, da der Kläger keine ausreichende wirtschaftliche Beeinträchtigung nachweisen konnte.
  • Die Beklagte konnte in der Berufung keine neuen Tatsachen vorbringen, da sie dies bereits in der ersten Instanz hätte tun müssen.
  • Der Kläger erhielt zusätzlich vorgerichtliche Anwaltskosten erstattet.
  • Die Beklagte zu 1 wurde zur Zahlung von Zinsen und weiteren Kosten verurteilt.
  • Die Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  • Eine Revision des Urteils wurde nicht zugelassen.

Nach Verkehrsunfall: Wer zahlt den entgangenen Autonutzen?

Wer kennt es nicht: Ein unverschuldeter Verkehrsunfall und plötzlich stehen Sie – ohne eigenes Verschulden – ohne Auto da. Doch nicht nur die Reparaturkosten belasten Ihre Finanzen. Auch der Verlust der Nutzung Ihres Wagens im Alltag, also der sogenannte Nutzungsausfall, stellt einen finanziellen Schaden dar.

Doch wer trägt die Kosten für den Nutzungsausfall? Und wie hoch ist dieser? Die Rechtslage ist komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Oftmals stellt sich die Frage, ob der Nutzungsausfall überhaupt im vollen Umfang erstattet wird oder nicht. Im folgenden Fall wird gezeigt, wie Gerichte die Frage des Nutzungsausfalls im Einzelfall entscheiden.

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Nach einem unverschuldeten Unfall ohne Nutzungsausfallentschädigung dazustehen, ist ärgerlich. Wir verstehen Ihre Situation und kennen die rechtlichen Hürden. Mit unserer langjährigen Erfahrung im Verkehrsrecht und unserer Expertise in der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen stehen wir Ihnen zur Seite.

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Der Fall vor Gericht


Nutzungsausfall nach Verkehrsunfall: Gericht lehnt Entschädigung ab

Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil vom 13. Oktober 2021 (Az. 46 S 26/21) eine wichtige Entscheidung zum Thema Nutzungsausfall nach einem Verkehrsunfall getroffen. Der Fall dreht sich um einen Autobesitzer, der nach einem unverschuldeten Unfall Schadensersatz und eine Entschädigung für den Nutzungsausfall seines Fahrzeugs forderte.

Unfallhergang und Schadensersatzforderung

Der Kläger wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem die Beklagte zu 1 durch einen Fahrstreifenwechsel den Unfall verursachte. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte zu 1 dem Kläger gegenüber in vollem Umfang haftbar ist. Der Kläger forderte daraufhin Schadensersatz für die Reparaturkosten, den merkantilen Minderwert, Gutachterkosten, eine Unkostenpauschale sowie eine Entschädigung für den Nutzungsausfall seines Fahrzeugs.

Gerichtliche Entscheidung zum Schadensersatz

Das Landgericht Berlin gab der Klage in weiten Teilen statt und sprach dem Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 2.669,85 Euro zu. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 1.926,55 Euro für Reparaturkosten, 250 Euro für den merkantilen Minderwert, 473,30 Euro für Gutachterkosten und 20 Euro als Unkostenpauschale.

Das Gericht bestätigte, dass der Kläger die Reparaturkosten auch fiktiv abrechnen kann, ohne eine tatsächliche Reparaturrechnung vorlegen zu müssen. Bezüglich der Vorschäden am Fahrzeug des Klägers wurde der Vortrag als schlüssig erachtet, dass diese vor dem Unfall bereits fachgerecht beseitigt worden waren.

Ablehnung des Anspruchs auf Nutzungsausfall

Ein zentraler Punkt des Urteils betrifft die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung des Nutzungsausfalls. Das Gericht begründete diese Entscheidung damit, dass der Kläger keine ausreichende fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung dargelegt habe.

Das Fahrzeug diente nicht unmittelbar der Gewinnerzielung, sondern wurde als „repräsentatives Fahrzeug“ genutzt. Das Gericht stellte klar, dass in solchen Fällen eine konkrete Darlegung der wirtschaftlichen Beeinträchtigung erforderlich ist. Der Kläger konnte jedoch nicht ausreichend darlegen, welche spezifischen wirtschaftlichen Nachteile ihm durch den dreitägigen Nutzungsausfall entstanden sind.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt, dass ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung eine konkret dargelegte, fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung erfordert. Bei Fahrzeugen, die nicht unmittelbar der Gewinnerzielung dienen, genügt der bloße Ausfall nicht. Vielmehr muss der Geschädigte spezifische wirtschaftliche Nachteile nachweisen. Dies stärkt die Position der Versicherer und erhöht die Anforderungen an Geschädigte bei der Geltendmachung von Nutzungsausfallentschädigungen für nicht gewerblich genutzte Fahrzeuge.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Autobesitzer, der einen unverschuldeten Verkehrsunfall erlitten hat, müssen Sie beachten, dass eine Entschädigung für Nutzungsausfall nicht selbstverständlich ist. Das Gericht verlangt den Nachweis einer konkreten, fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung. Wenn Ihr Fahrzeug nicht unmittelbar der Gewinnerzielung dient, reicht der bloße Ausfall für einige Tage nicht aus. Sie müssen konkret darlegen, welche finanziellen Nachteile Ihnen entstanden sind, etwa durch Mietwagenkosten oder entgangene Aufträge. Dokumentieren Sie daher sorgfältig alle Einschränkungen und Kosten, die durch den Nutzungsausfall entstehen, um Ihre Ansprüche erfolgreich geltend machen zu können.


FAQ – Häufige Fragen

Sie waren in einen Verkehrsunfall verwickelt und fragen sich, was Ihnen zusteht? Nutzungsausfall nach einem Unfall kann ein komplexes Thema sein. Unsere FAQ-Rubrik bietet Ihnen umfassende Informationen und hilfreiche Antworten auf Ihre Fragen. So erhalten Sie Klarheit und wissen, welche Schritte Sie im Falle eines Falles unternehmen können.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall zu erhalten?

Die Nutzungsausfallentschädigung nach einem Verkehrsunfall unterliegt bestimmten rechtlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um einen Anspruch geltend machen zu können.

Zunächst ist es entscheidend, dass der Unfall unverschuldet war. Der Geschädigte darf keine oder nur eine geringe Mitschuld am Unfallgeschehen tragen. Dies bildet die Grundlage für den Anspruch auf Entschädigung durch die gegnerische Versicherung.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die tatsächliche Nutzungsbeeinträchtigung des Fahrzeugs. Das Auto muss entweder so stark beschädigt sein, dass es nicht mehr fahrtüchtig ist, oder es darf aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht mehr genutzt werden können. Die bloße Existenz eines Schadens reicht nicht aus, wenn das Fahrzeug weiterhin nutzbar ist.

Der Geschädigte muss zudem einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit nachweisen. Dies bedeutet, dass er das Fahrzeug im fraglichen Zeitraum tatsächlich hätte nutzen wollen und können. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wird. Allerdings besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für reine Freizeit- oder Hobbyfahrzeuge wie Wohnmobile oder Motorräder.

Die Dauer des Nutzungsausfalls ist ebenfalls relevant. Bei einer Reparatur wird die Entschädigung für den Zeitraum gezahlt, in dem das Fahrzeug in der Werkstatt ist. Dabei wird vorausgesetzt, dass sich der Geschädigte um eine zügige Begutachtung und Reparatur bemüht. Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens kann die Entschädigung für einen angemessenen Zeitraum zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beansprucht werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht, wenn ein Mietwagen oder Ersatzfahrzeug genutzt wird. Ebenso entfällt der Anspruch, wenn ein Zweitwagen zur Verfügung steht, es sei denn, dieser wird nachweislich von anderen Familienmitgliedern genutzt.

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Fahrzeugmodell und dem Alter des Fahrzeugs. Dabei werden Fahrzeuge in verschiedene Entschädigungsgruppen eingestuft, wobei Fahrzeuge über fünf Jahren in der Regel niedriger eingestuft werden. Die täglichen Entschädigungssätze liegen derzeit zwischen 23 und 175 Euro.

Ein wichtiger Aspekt ist der Reparaturnachweis. Bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachterbasis kann eine Nutzungsausfallentschädigung nur für die im Gutachten genannte Dauer der Reparaturen geltend gemacht werden. Dies gilt auch, wenn die tatsächliche Reparatur in einer freien Werkstatt länger dauern sollte.

Interessanterweise hat das OLG Frankfurt in einem aktuellen Urteil vom 25.01.2024 entschieden, dass auch für ältere Fahrzeuge (über 5 Jahre) ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht. Dies stärkt die Position von Besitzern älterer Fahrzeuge bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche.

Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden hat der Geschädigte Anspruch auf Nutzungsausfall für den Zeitraum bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Dabei wird ihm eine angemessene Zeit zur Entscheidungsfindung zugestanden, die über die reine Wiederbeschaffungsdauer hinausgeht.

Die Geltendmachung der Nutzungsausfallentschädigung erfolgt in der Regel nach Abschluss der Reparatur oder nach der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs bei der gegnerischen Versicherung. Es ist ratsam, alle relevanten Unterlagen und Nachweise sorgfältig zu dokumentieren, um den Anspruch zu untermauern.

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Was zählt als ausreichender Nachweis für eine wirtschaftliche Beeinträchtigung durch den Nutzungsausfall?

Der Nachweis einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung durch Nutzungsausfall erfordert konkrete und nachvollziehbare Belege. Als ausreichender Nachweis gelten in der Regel dokumentierte finanzielle Einbußen oder belegbare Mehraufwendungen, die direkt auf den Ausfall des Fahrzeugs zurückzuführen sind.

Eine gängige Methode ist die Vorlage von Geschäftsunterlagen, die einen Umsatzrückgang oder entgangene Aufträge während des Nutzungsausfalls belegen. Hierbei sollten Vergleichszahlen aus Zeiträumen vor dem Unfall herangezogen werden, um die Differenz zu verdeutlichen. Auch Stornierungen von Kundenaufträgen oder abgesagte Termine, die nachweislich aufgrund der fehlenden Fahrzeugverfügbarkeit entstanden sind, können als Beleg dienen.

Für Selbstständige oder Freiberufler können Aufzeichnungen über entgangene Einnahmen relevant sein. Dies könnte beispielsweise durch Absagen von Kundenterminen oder die Unmöglichkeit, bestimmte Dienstleistungen zu erbringen, entstehen. Hierbei ist es wichtig, einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Fahrzeugausfall und den finanziellen Einbußen herzustellen.

Bei Angestellten kann der Nachweis durch Gehaltsabrechnungen erfolgen, die einen Verdienstausfall aufgrund von Fehlzeiten oder unbezahltem Urlaub zeigen. Ergänzend können Bestätigungen des Arbeitgebers über die Notwendigkeit des Fahrzeugs für die Berufsausübung hilfreich sein.

Zusätzliche Kosten für alternative Transportmittel wie Taxi, Mietwagen oder öffentliche Verkehrsmittel sind ebenfalls relevant. Hier sollten detaillierte Quittungen oder Fahrscheine vorgelegt werden, die den Zeitraum des Nutzungsausfalls abdecken.

In manchen Fällen kann auch eine eidesstattliche Versicherung über die konkrete Nutzung des Fahrzeugs und die daraus resultierenden Einschränkungen als ergänzender Nachweis dienen. Diese sollte jedoch stets durch weitere objektive Belege untermauert werden.

Die Detailliertheit der Nachweise spielt eine entscheidende Rolle. Je präziser und umfassender die Belege sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Anerkennung. Tägliche Aufzeichnungen über entgangene Geschäftsmöglichkeiten, zusätzliche Kosten oder Zeitverluste können hierbei sehr hilfreich sein.

Es ist ratsam, alle relevanten Dokumente chronologisch zu ordnen und mit einer nachvollziehbaren Berechnung des Gesamtschadens zu versehen. Diese sollte die einzelnen Schadenspositionen aufschlüsseln und summieren.

Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen kann der Nachweis durch Fahrtenbücher oder Auftragsübersichten ergänzt werden, die die übliche Nutzungsintensität des Fahrzeugs belegen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Fahrzeugs für den Geschäftsbetrieb.

In Fällen, in denen der konkrete finanzielle Schaden schwer zu beziffern ist, kann auf branchenübliche Durchschnittswerte oder anerkannte Schätzmethoden zurückgegriffen werden. Diese sollten jedoch stets durch individuelle Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls ergänzt werden.

Es ist zu beachten, dass die Anforderungen an den Nachweis je nach Einzelfall variieren können. Die Gerichte legen Wert auf eine plausible und nachvollziehbare Darlegung der wirtschaftlichen Beeinträchtigung. Bloße Behauptungen oder pauschale Angaben reichen in der Regel nicht aus.

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Wie unterscheidet sich die Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich und privat genutzten Fahrzeugen?

Bei der Nutzungsausfallentschädigung für Fahrzeuge gibt es bedeutende Unterschiede zwischen gewerblicher und privater Nutzung. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sie die Grundlage für die Berechnung und Gewährung der Entschädigung bildet.

Bei privat genutzten Fahrzeugen wird in der Regel eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung gewährt. Dies basiert auf der Annahme, dass der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs einen messbaren wirtschaftlichen Nachteil darstellt, auch wenn kein konkreter finanzieller Schaden nachgewiesen werden kann. Die Höhe dieser Entschädigung richtet sich nach Tabellen, die verschiedene Fahrzeugklassen und -alter berücksichtigen. Der Anspruch besteht, solange das Fahrzeug nicht genutzt werden kann, beispielsweise während einer Reparatur nach einem Unfall.

Im Gegensatz dazu gestaltet sich die Situation bei gewerblich genutzten Fahrzeugen komplexer. Hier wird grundsätzlich zwischen Fahrzeugen unterschieden, die unmittelbar zur Gewinnerzielung eingesetzt werden, und solchen, die dies nicht tun. Bei Fahrzeugen, die direkt der Gewinnerzielung dienen, wie etwa Taxis oder Lieferfahrzeuge, wird in der Regel kein pauschaler Nutzungsausfall gewährt. Stattdessen bemisst sich der Schaden nach dem konkret entgangenen Gewinn, den Vorhaltekosten für ein Ersatzfahrzeug oder den Mietkosten für ein solches.

Für gewerblich genutzte Fahrzeuge, die nicht unmittelbar der Gewinnerzielung dienen, wie beispielsweise Dienstwagen von Geschäftsführern oder Außendienstmitarbeitern, hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren geändert. Früher wurde hier generell kein Nutzungsausfall gewährt, da man davon ausging, dass der Schaden durch entgangenen Gewinn oder Ersatzfahrzeugkosten abgedeckt sei. Neuere Gerichtsentscheidungen tendieren jedoch dazu, auch in diesen Fällen eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung zuzusprechen, sofern Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit bestanden haben.

Ein besonderer Fall liegt vor, wenn ein Fahrzeug sowohl gewerblich als auch privat genutzt wird. Hier wird teilweise eine anteilige Nutzungsausfallentschädigung für den privaten Nutzungsanteil gewährt. Die genaue Berechnung und Gewährung hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab.

Wichtig ist, dass bei gewerblich genutzten Fahrzeugen der Geschädigte in der Regel genauer darlegen und nachweisen muss, welcher konkrete wirtschaftliche Nachteil durch den Nutzungsausfall entstanden ist. Dies kann durch Buchführungsunterlagen, Auftragsbestätigungen oder ähnliche Dokumente erfolgen. Bei privat genutzten Fahrzeugen genügt hingegen oft der Nachweis, dass das Fahrzeug nicht zur Verfügung stand und eine Nutzungsabsicht bestand.

Die unterschiedliche Behandlung von gewerblich und privat genutzten Fahrzeugen bei der Nutzungsausfallentschädigung spiegelt die verschiedenen wirtschaftlichen Realitäten wider. Während bei Privatfahrzeugen der Verlust der Nutzungsmöglichkeit an sich als Schaden anerkannt wird, steht bei gewerblichen Fahrzeugen der konkrete wirtschaftliche Nachteil im Vordergrund. Diese Differenzierung soll eine angemessene und faire Entschädigung in beiden Fällen sicherstellen.

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Welche Schritte sollten nach einem unverschuldeten Unfall unternommen werden, um eine Nutzungsausfallentschädigung zu beantragen?

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall können Geschädigte eine Nutzungsausfallentschädigung beantragen, wenn sie ihr Fahrzeug aufgrund der Reparatur nicht nutzen können. Um diesen Anspruch erfolgreich geltend zu machen, sind mehrere Schritte erforderlich.

Zunächst ist es wichtig, auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu verzichten. Die Nutzungsausfallentschädigung stellt nämlich einen alternativen Schadensersatzanspruch dar, der nicht parallel zu den Kosten eines Mietwagens geltend gemacht werden kann.

Als nächstes sollte der Geschädigte umgehend Kontakt zur gegnerischen Haftpflichtversicherung aufnehmen. Dies kann formlos per Brief oder E-Mail erfolgen. In diesem Schreiben sind die wesentlichen Informationen zum Unfall, zum beschädigten Fahrzeug und zur Person des Geschädigten anzugeben. Dazu gehören das Unfalldatum, der Unfallort, die Fahrzeugdaten wie Marke, Modell und Baujahr sowie die persönlichen Kontaktdaten.

Von zentraler Bedeutung ist der Nachweis der tatsächlichen Reparaturdauer. Hierfür ist eine detaillierte Reparaturbestätigung der Werkstatt einzuholen. Diese sollte den genauen Zeitraum der Reparatur sowie die durchgeführten Arbeiten beinhalten. Ergänzend kann ein Sachverständigengutachten hilfreich sein, das den Umfang des Schadens und die voraussichtliche Reparaturdauer dokumentiert.

Der Geschädigte muss zudem seinen Nutzungswillen und die Nutzungsmöglichkeit nachweisen. Dies bedeutet, dass er darlegen muss, dass er das Fahrzeug im fraglichen Zeitraum tatsächlich genutzt hätte und auch dazu in der Lage gewesen wäre. Hierfür können beispielsweise Arbeitsverträge, die eine regelmäßige Fahrzeugnutzung belegen, oder geplante Reisen angeführt werden.

Es ist ratsam, sämtliche Kommunikation mit der Versicherung schriftlich zu führen und alle relevanten Unterlagen sorgfältig aufzubewahren. Dazu zählen neben der Korrespondenz auch Fotos vom Unfallort und vom beschädigten Fahrzeug, der Unfallbericht sowie alle Rechnungen und Gutachten.

Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung richtet sich nach der sogenannten Nutzungsausfallentschädigungstabelle, die das Fahrzeug in verschiedene Gruppen einteilt. Je nach Fahrzeugklasse und -alter ergeben sich unterschiedliche Tagessätze. Diese Einstufung sollte vom Geschädigten überprüft und gegebenenfalls mit der Versicherung diskutiert werden.

Es ist zu beachten, dass die Nutzungsausfallentschädigung in der Regel auf einen angemessenen Zeitraum begrenzt ist. Bei einer Reparatur sind dies üblicherweise die tatsächlichen Reparaturtage zuzüglich einiger Tage für die Organisation. Bei einem Totalschaden wird meist eine Frist von zwei bis drei Wochen für die Ersatzbeschaffung als angemessen erachtet.

Sollte die Versicherung die Zahlung verweigern oder nur einen Teil der geforderten Summe anbieten, ist es ratsam, die eigenen Ansprüche nochmals schriftlich zu begründen und gegebenenfalls weitere Nachweise vorzulegen. In besonders strittigen Fällen kann die Einschaltung eines Rechtsbeistands erwogen werden.

Durch sorgfältiges Vorgehen und lückenlose Dokumentation können Geschädigte ihre Chancen auf eine angemessene Nutzungsausfallentschädigung deutlich verbessern. Die genaue Beachtung der genannten Schritte trägt wesentlich dazu bei, den Prozess der Schadensregulierung zu beschleunigen und einen fairen Ausgleich für den erlittenen Nutzungsausfall zu erhalten.

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Welche Rechte haben Autobesitzer, wenn die Nutzungsausfallentschädigung von der Versicherung abgelehnt wird?

Wenn die Versicherung eine Nutzungsausfallentschädigung ablehnt, haben Autobesitzer verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

Zunächst ist es wichtig, die Ablehnung der Versicherung genau zu prüfen und zu hinterfragen. Oft begründen Versicherungen ihre Ablehnung damit, dass kein Nutzungswille oder keine Nutzungsmöglichkeit bestanden habe. Hier können Autobesitzer Nachweise erbringen, dass sie das Fahrzeug tatsächlich genutzt hätten und zur Nutzung in der Lage gewesen wären. Dies kann beispielsweise durch Belege über regelmäßige Fahrten zur Arbeit oder andere typische Nutzungen erfolgen.

Ein weiterer häufiger Ablehnungsgrund ist, dass die Reparaturdauer unangemessen lang gewesen sei. In solchen Fällen können Autobesitzer darlegen, dass Verzögerungen nicht von ihnen zu vertreten waren, etwa aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass solche nicht vom Geschädigten verschuldeten Verzögerungen zu Lasten des Schädigers gehen.

Sollte die Versicherung trotz Nachweisen bei ihrer Ablehnung bleiben, können Autobesitzer den Klageweg beschreiten. Vor einer Klage empfiehlt sich jedoch meist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung. Hierfür kann ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden, der mit der Versicherung verhandelt. Oft lassen sich Streitigkeiten so bereits beilegen.

Kommt es dennoch zu einem Gerichtsverfahren, stehen die Chancen für Autobesitzer nicht schlecht. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Rechte von Geschädigten bei Nutzungsausfallentschädigungen gestärkt. So wurde beispielsweise klargestellt, dass auch bei längeren Reparaturzeiten ein Anspruch bestehen kann, wenn die Verzögerung nicht vom Geschädigten zu vertreten ist.

Auch die Nutzung eines Ersatzfahrzeugs schließt einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht automatisch aus. Wird einem Geschädigten unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug von einem Dritten zur Verfügung gestellt, etwa von Familienmitgliedern, entlastet dies den Schädiger nicht. Die Gerichte wenden hier den Rechtsgedanken an, dass freiwillige Leistungen Dritter dem Schädiger nicht zugutekommen sollen.

Bei der gerichtlichen Durchsetzung ist zu beachten, dass die Nutzungsausfallentschädigung für ganze Tage zu berechnen ist. Der Tag des Unfalls sowie der Tag der Rückgabe des reparierten Fahrzeugs oder der Zulassung eines Ersatzfahrzeugs zählen dabei mit. Dies wurde in mehreren Gerichtsurteilen bestätigt.

Autobesitzer sollten sich auch bewusst sein, dass die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung von verschiedenen Faktoren abhängt, insbesondere vom Fahrzeugtyp und -alter. Hierfür existieren Tabellen, die von den Gerichten als Orientierung herangezogen werden. Es ist ratsam, sich vor einem Gerichtsverfahren über die üblicherweise zugesprochenen Beträge zu informieren.

Letztlich ist zu betonen, dass die Durchsetzung von Ansprüchen auf Nutzungsausfallentschädigung oft eine Frage des richtigen Vortrags und der stichhaltigen Beweisführung ist. Eine gute Dokumentation des Schadensfalls, der Reparaturdauer und der konkreten Beeinträchtigungen kann entscheidend für den Erfolg sein.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Nutzungsausfall: Dies bezeichnet den finanziellen Schaden, den ein Autobesitzer erleidet, wenn er sein Fahrzeug nach einem Unfall nicht nutzen kann. Dieser Schaden kann durch den Verlust von Mobilität oder entgangene Einnahmen entstehen. Um eine Entschädigung zu erhalten, muss der Geschädigte nachweisen, dass der Ausfall zu einer spürbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung geführt hat.
  • Fiktive Abrechnung: Bei der fiktiven Abrechnung kann der Geschädigte die Reparaturkosten seines Fahrzeugs geltend machen, ohne dass er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt. Dies ist besonders nützlich, wenn der Schaden auf Grundlage eines Gutachtens abgerechnet wird. Der Geschädigte kann so die Kosten erstattet bekommen, die eine Reparatur hypothetisch gekostet hätte.
  • Merkantiler Minderwert: Dies ist der Wertverlust eines Fahrzeugs, der auch nach einer fachgerechten Reparatur verbleibt, weil das Fahrzeug durch den Unfall an Marktwert verliert. Der merkantile Minderwert ist eine Art von Schaden, für den der Geschädigte ebenfalls Ersatz verlangen kann.
  • Fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung: Dies ist ein juristischer Begriff, der beschreibt, dass der Geschädigte durch den Nutzungsausfall seines Fahrzeugs einen spürbaren wirtschaftlichen Nachteil erleiden muss. Beispielsweise könnten entgangene Einnahmen oder zusätzliche Kosten wie Mietwagenkosten als fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung gelten. Ohne diesen Nachweis gibt es keine Nutzungsausfallentschädigung.
  • Gewinnerzielung: Dieser Begriff beschreibt die Nutzung eines Fahrzeugs zur Erzielung von Einnahmen, beispielsweise in einem Gewerbebetrieb. Fahrzeuge, die zur Gewinnerzielung genutzt werden, haben höhere Chancen, Nutzungsausfallentschädigungen zu erhalten, da der wirtschaftliche Nachteil leichter nachgewiesen werden kann.
  • Unkostenpauschale: Dies ist ein pauschaler Betrag, den der Geschädigte als Entschädigung für kleinere, oft nicht genau bezifferbare Kosten nach einem Unfall geltend machen kann. Dazu gehören beispielsweise Telefonkosten, Fahrtkosten zu Werkstätten oder Ähnliches. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger eine Unkostenpauschale zugesprochen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 18 I StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftung des Fahrzeughalters bei Unfällen im Straßenverkehr. Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte zu 1 gemäß § 18 I StVG für den Unfall verantwortlich gemacht, da sie durch einen Fahrstreifenwechsel den Unfall verursacht hat.
  • § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt die Schadensersatzpflicht bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder einem sonstigen Recht. Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte zu 1 gemäß § 823 BGB zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger verurteilt, da sie durch den Unfall das Eigentum des Klägers (sein Fahrzeug) beschädigt hat.
  • § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Bestimmt, dass der Schädiger den Zustand herstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte zu 1 dem Kläger die Kosten für die Reparatur seines Fahrzeugs ersetzen muss, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen.
  • § 251 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt den Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden. Im vorliegenden Fall wurde der Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfall als immaterieller Schaden betrachtet und vom Gericht abgelehnt, da keine ausreichende wirtschaftliche Beeinträchtigung nachgewiesen werden konnte.
  • § 531 II ZPO (Zivilprozessordnung): Beschränkt die Möglichkeit, in der Berufungsinstanz neue Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagten zu 1 die Möglichkeit verwehrt, neue Tatsachen zum Unfallhergang vorzubringen, da sie sich in erster Instanz nicht eingelassen hatte.

Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 46 S 26/21 – Urteil vom 13.10.2021


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.02.2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 122 C 3106/18 –, sofern über die Berufung nicht bereits durch das Versäumnisteil- und Teilurteil vom 02.10.2019 entschieden ist, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte zu 1 als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 2 verurteilt, an den Kläger 2.669,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 302,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2018 zu zahlen.

2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 8%, die Beklagte zu 1 42% und die Beklagte zu 2 50%. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen der Kläger 17% und die Beklagte zu 1 83%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 hat diese selbst zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil – soweit dieses aufrechterhalten worden ist – sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, § 313a I 1 ZPO i.V.m. § 544 II Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung im Verhältnis zur Beklagten zu 1, um die es nur noch geht, ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, also weit überwiegend, begründet. Insoweit stehen dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 Ansprüche gemäß § 18 I StVG, § 823 BGB zu.

1. Dem Grunde nach haftet die Beklagte zu 1 dem Kläger in vollem Umfang.

Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass der Unfall durch einen Fahrstreifenwechsel der Beklagten zu 1 verursacht wurde. Das hat grundsätzlich die volle Haftung der Beklagten zu 1 zur Folge (vgl. etwa KG, NJ 2021, 226). Es mag zu vermuten sein, dass die Beklagte zu 1, die sich in der ersten Instanz gar nicht eingelassen hat, die Ausführungen der Beklagten zu 2 zum Unfallhergang für sich gelten lassen wollte (Dressler in: BeckOK-ZPO, Stand: 01.07.2021, § 61 Rn. 6 m.w.N). Allerdings lässt dieser im Schriftsatz vom 30.09.2018 gehaltene Vortrag nicht genau erkennen, wie sich der Unfall aus Beklagtensicht im Einzelnen ereignet haben soll. Daraus geht schon nicht hervor, wer in welchem Fahrstreifen gefahren ist. Mit neuem Vorbringen zum Unfallhergang ist die Beklagte zu 1 gemäß § 531 II ZPO ausgeschlossen. Soweit die Beklagte zu 1 im Schriftsatz vom 22.09.2021 die Auffassung vertritt, ihr neuer Vortrag sei gemäß § 531 II Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil das Amtsgericht die Erteilung eines gebotenen Hinweises gemäß § 139 ZPO unterlassen habe, erschließt sich das nicht. Aus den pauschalen Ausführungen im Schriftsatz vom 22.09.2021 wird schon nicht deutlich, dass sie sich (auch) auf die Frage des Haftungsgrundes erstrecken. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, welchen Hinweis das Amtsgericht insoweit unterlassen haben soll. Die Beklagte zu 1 hat sich vor dem Amtsgericht überhaupt nicht eingelassen. Welchen Hinweis die Beklagte zu 1 erwartet hat, bleibt unklar. Unabhängig davon sei Folgendes ausgeführt: Warum sich der Unfall, wie die Beklagte zu 1 in der Berufungserwiderung lapidar vortragen lässt, für sie als unabwendbares Ereignis dargestellt habe, wird nicht erläutert. Pauschal bestreiten kann die Beklagte zu 1 den Vortrag des Klägers nicht, da es sich insoweit um eigene Handlungen bzw. einen Gegenstand eigener Wahrnehmung handelt. Der Hinweis auf eine Aussage der Beklagten zu 1 im Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Mitte erschließt sich, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, nicht. Dies gilt auch für den Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Aus ihnen ergibt sich hinsichtlich des Unfallhergangs nichts, was der Beklagten zu 1 günstig ist. Auch darauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen.

2. Der Kläger kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Schadensersatz wie folgt verlangen:

 

Reparaturkosten netto 1.926,55 €

Merkantiler Minderwert 250,00 €

Gutachterkosten netto 473,30 €

Unkostenpauschale 20,00 €

Gesamt 2.669,85 €

Im Einzelnen:

a) Der Kläger kann Reparaturkosten in Höhe von 1.926,55 € netto verlangen.

aa) Der Kläger ist nicht gehalten, eine Reparaturrechnung vorzulegen. Er kann unabhängig davon, ob er den Schaden gar nicht, teilweise oder vollständig repariert hat, fiktiv abrechnen (vgl. etwa BGH, NJW 2019, 852 Rn. 6). Fiktive Reparaturkosten kann ein Geschädigter freilich dann nicht verlangen, wenn er vorträgt, den Schaden sach- und fachgerecht nach Maßgabe des von ihm eingeholten Gutachtens beseitigt zu haben, und zwar zu einem geringeren Entgelt. Dann ist ein Vortrag, dass höhere Reparaturkosten entstanden sind, unschlüssig (BGH, NJW 2014, 535). Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht gegeben. Soweit das Kammergericht ausführt, im Fall der vollständigen Reparatur nach Maßgabe des Gutachtens folge aus der Wahl der fiktiven Abrechnung zwingend, dass die Reparaturkosten geringer gewesen sein müssen, weil die Wahl anderenfalls wirtschaftlich sinnlos wäre (KG, Urteil vom 11.04.2019 – 22 U 195/16 [Einzelrichter] – n.v.), greift der Gedanke hier nicht, weil der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Ein wirtschaftlich sinnloser Verzicht auf die Geltendmachung der Umsatzsteuer liegt in einem solchen Fall nicht vor.

bb) Hinsichtlich der Vorschäden ist anzumerken, dass der Kläger mit der Klageschrift das Gutachten des Sachverständigen …X vom 16.07.2018 vorgelegt hat, in dem es heißt, dass es Vorschäden an der Stoßstange und dem Rad vorne links gebe, diese Vorschäden aber sach- und fachgerecht instandgesetzt worden seien. Hierauf hat der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens erster Instanz ausdrücklich Bezug genommen. Demgemäß war schlüssig vorgetragen worden, dass die Vorschäden vollständig beseitigt waren, als es zum streitgegenständlichen Unfall kam. Sachvortrag ist nämlich dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Anspruchstellers entstanden erscheinen zu lassen (BGH, NJW 2019, 3236 Rn. 10; std. Rspr.). Weitere Einzelheiten (vgl. hierzu etwa KG, r+s 2015, 571, wohl teilweise überholt durch BGH, NJW 2020, 393) hätte der Kläger nur vortragen müssen, wenn die Beklagtenseite im Hinblick auf die Vorschäden bzw. deren Beseitigung konkrete Einwände erhoben hätte, da sich die Darlegungslast nach der Einlassung des Gegners richtet (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 310 unter II. 1. a) bb) der Gründe). Erstinstanzlich ist dies nicht geschehen.

Soweit Einwände im Berufungsverfahren geltend gemacht worden sind – auch dadurch, dass sich die Beklagte zu 1 Ausführungen des Sachverständigen … konkludent zu eigen macht –, sind sie unbeachtlich. Ein Grund, der ihre Zulassung gemäß § 531 II ZPO rechtfertigt, ist nicht ersichtlich. Auch insoweit erschließt sich nicht, welchen Hinweis des Amtsgerichts die Beklagte zu 1 vermisst, wenn sie sich im Schriftsatz vom 22.09.2021 auf § 531 II Satz 1 Nr. 2 ZPO beruft. Dass das Amtsgericht nicht gehalten war, die Beklagte zu 1, die sich, wie ausgeführt, dort nicht eingelassen hat, zu einem Bestreiten hinsichtlich der Beseitigung der Vorschäden zu animieren, versteht sich von selbst. Der Beklagten zu 1 stand es frei, in der ersten Instanz entsprechenden Vortrag zu halten. Von dieser Möglichkeit hat sie aber keinen Gebrauch gemacht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 hat das Gericht ihr in zweiter Instanz erstmalig erfolgtes Bestreiten auch nicht im Sinne von § 531 II ZPO bereits zugelassen. Die Zulassung erfolgt, wie im Berufungstermin am 08.09.2021 erörtert, zusammen mit der Hauptsacheentscheidung, nicht aber durch einen (Beweis-)Beschluss o. ä. (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 531 Rn. 36). Die Hauptsacheentscheidung wird aber erst jetzt getroffen. Dass das Gericht – in anderer Besetzung – bereits in eine Beweisaufnahme eingetreten ist, ist daher unerheblich. Soweit die Beklagte zu 1 meint, die Zulassung sei durch das – ebenfalls in anderer Besetzung des Gerichts erlassene – „Versäumnisteil- und Teilurteil“ vom 02.10.2019 erfolgt, trifft das nicht zu. Dieses Urteil betrifft ausschließlich die Beklagte zu 2, wobei diese mit Ausnahme eines auf die Unkostenpauschale entfallenden Betrages in Höhe von 5 € antragsgemäß verurteilt wurde. Das Gericht hatte hier, soweit es um die Begründetheit geht, allein die Schlüssigkeit der Klage zu prüfen, nicht aber Einwände der Beklagtenseite, schon gar nicht solche der Beklagten zu 1, die von diesem Urteil nicht betroffen war. Daher erschließt sich nicht einmal annäherungsweise, warum das Gericht durch dieses Urteil neues Vorbringen der Beklagten zu 1 zugelassen haben soll. Das Gericht verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des BGH in der Revisionsinstanz nicht gerügt werden kann, dass das Berufungsgericht neues Vorbringen zu Unrecht berücksichtigt hat. Das Berufungsgericht solle das erstinstanzliche Urteil in erster Linie mit dem Ziel der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung überprüfen und deshalb neuen Tatsachenvortrag nur in besonderen Ausnahmefällen berücksichtigen. Dieses Ziel des Gesetzes lasse sich nicht mehr erreichen, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen weitergehend als im Gesetz vorgesehen berücksichtigt habe (BGH, NJW 2004, 1458, 1459 unter II. 4. b) der Gründe; a.A. etwa Musielak/Ball, ZPO, 18. Aufl., § 531 Rn. 24). So liegt der Fall hier aber nicht, weil das Gericht das Vorbringen, wie ausgeführt, noch nicht abschließend berücksichtigt hat, zumal die begonnene Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen war. In einem solchen Fall lässt sich das gesetzgeberische Ziel noch erreichen.

cc) Soweit erstinstanzlich „das Gutachten“ – das substantiierten Parteivortrag darstellt, der auch substantiiert bestritten werden muss (BGH, NJW 1989, 3009) – durch die Beklagte zu 2 bestritten worden ist, mag auch insoweit zu vermuten sein, dass die Beklagte zu 1 diesen Vortrag für sich gelten lassen wollte. Das Bestreiten ist allerdings unbeachtlich. Es ist unter Hinweis darauf erfolgt, dass am Beklagtenfahrzeug keinerlei Schaden erkennbar sei. Das ist allerdings unzutreffend. Dass es zu einer Kollision zwischen beiden Fahrzeugen gekommen ist, ist unstreitig. Die Polizei hat zudem vermerkt, dass sich die Hauptanstoßstelle am Beklagtenfahrzeug links befindet. Der Sachschaden wurde auf 1.000 € geschätzt. Unabhängig davon ist der Sachverständige … in seinem nachvollziehbaren Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Kläger vorgetragenen Schäden durch den streitgegenständlichen Unfall verursacht worden sein können. Konkretere Feststellungen konnte er lediglich deshalb nicht treffen, weil die Beklagte zu 1 Schadensunterlagen bzw. Fotos und Fahrzeugdaten für das Beklagtenfahrzeug nicht vorlegen konnte.

b) Die im Gutachten des Sachverständigen … ausgewiesene Wertminderung in Höhe von 250 € ist zu ersetzen. Rechtserhebliche Einwände hiergegen liegen nicht vor. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

c) Der Kläger hat nach allem zudem Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 473,30 € netto.

d) Die erstattungsfähige Unkostenpauschale beträgt lediglich 20 €, nicht 25 €. Ein höherer Anspruch kommt nur dann in Betracht, wenn tatsächlich höhere Unkosten nachgewiesen werden, was nicht geschehen ist. Nach wie vor erfordert die Preisentwicklung auf dem Kommunikationsmarkt keine Erhöhung der Pauschale (siehe etwa KG, Urteil vom 05.04.2018 – 22 U 47/16 – BeckRS 2018, 15150 Rn. 21).

e) Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Nutzungsausfall steht dem Kläger hingegen nicht zu. Dient ein Fahrzeug unmittelbar der Gewinnerzielung, hat der Geschädigte den ihm durch den Ausfall des Fahrzeugs entgangenen Gewinn konkret zu berechnen (BGH, r+s 2014, 153 Rn. 3). Hier dient das Fahrzeug jedoch unstreitig nicht unmittelbar der Gewinnerzielung. Ein Anspruch auf Erstattung einer abstrakt berechneten Nutzungsausfallentschädigung setzt aber eine fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung voraus (BGH a.a.O. Rn. 5, BGH, NJW 2019, 1064 Rn. 11). Der Kläger hat diese jedoch nicht ausreichend dargelegt. Es erschließt sich nicht, welche konkrete fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung dadurch entstanden ist, dass der Kläger das Fahrzeug, das als „repräsentatives Fahrzeug“ diente, drei Tage lang nicht nutzen konnte. Darauf hat das Gericht im Termin am 08.09.2021 hingewiesen.

3. a) Der Kläger kann zudem Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 2.669,85 € (s.o.) in Höhe von 281,30 € (Geschäftsgebühr sowie Auslagenpauschale) nebst Dokumentenpauschale in Höhe von 9 € sowie Erstattung der Kosten für eine Akteneinsicht in Höhe von 12 € verlangen.

b) Der Zinsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 ergibt sich aus §§ 187 I (analog), 288 I 2, 291 BGB.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe, die die Zulassung der Revision erfordern (§ 543 II 1 ZPO), sind nicht ersichtlich.


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