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Verkehrsunfall – Fahrzeugselbstverbringung zur Lackiererei

AG Hamburg-Bergedorf – Az.: 409 C 195/16 – Urteil vom 21.04.2017

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(ohne Tatbestand nach § 313 a ZPO)

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall - Fahrzeugselbstverbringung zur Lackiererei
Erstattung der Kosten für die Selbstverbringung des Fahrzeugs zur Lackiererei nach einem Verkehrsunfall  (Symbolfoto: Von hedgehog94/Shutterstock.com)

Die Klägerin kann von der Beklagten aus den §§ 7, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 BGB Erstattung der ihr in Rechnung gestellten und von ihr bezahlten Verbringungskosten in Höhe von insgesamt € 178,26 brutto abzüglich gezahlter € 95,20, also € 83,06 verlangen. Bei diesen Kosten handelt es sich um zur Herstellung ihres Wagens erforderliche Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Zu Recht verweist die Beklagte zur Bestimmung der erforderlichen Kosten auf die Rechtsprechung des BGH in seinem Urteil vom 26.04.2016 zum Aktenzeichen VI ZR 50/15, das zur Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten ergangen ist. Danach bildet der vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt bzw. ein Indiz zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Denn bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder. Allerdings obliegt dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots eine gewisse Plausibilitätskontrolle der geforderten bzw. berechneten Preise. Für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöhte Preise sind nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Damit liegt das Risiko, mit der Schadensbeseitigung jemanden zu beauftragen, der sich später im Prozess als zu teuer erweist, beim Geschädigten. Hintergrund ist, dass der Geschädigte nur die Kosten erstattet verlangen kann, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann.

Hier liegt eine Indizwirkung der bezahlten Rechnung im Sinne der obigen BGH-Rechtsprechung vor: Die reparierende Werkstatt hat der Klägerin u.a. einen Betrag von € 149,80 netto bzw. € 178,26 brutto für die Verbringung ihres Fahrzeugs in Rechnung gestellt. Diesen Betrag hat die Klägerin bezahlt.

Hier hat die Klägerin außerdem die im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu kontrollierende Plausibilität des angesetzten Preises bejahen dürfen. Zu Recht stellt die Klägerin zur Bestimmung dessen, was aus der Position eines objektiven Dritten von ihr in ihrer konkreten Position im Rahmen der Plausibilitätskontrolle hat verlangt werden können, auf eine Abgleichung der Rechnung mit dem vorliegenden Gutachten ab. Dieses Gutachten ist von einem unparteiischen Fachmann erstellt worden. Sein Zweck ist gerade die Ermittlung der zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten.

Darüber hinaus kann aber vom Geschädigten, anders als die Klägerin meint, auch verlangt werden, die in der Rechnung angesetzten Positionen mit Blick auf die tatsächlich erfolgte Reparatur auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Hat die konkret eingeschaltete Werkstatt eine Lackiererei vor Ort, ist auch für einen Laien klar erkennbar der Ansatz von Verbringungskosten nicht berechtigt. Hier hat die … in der beauftragten Filiale keine Lackiererei gehabt. Sie hat den Wagen zu einer anderen Filiale verbringen müssen. Unabhängig davon, dass tatsächlich, wie die Beklagte anmerkt, unerheblich ist, wo der Standort des Transportfahrzeugs gewesen ist, ist aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position der Klägerin für die Verbringung des Unfallfahrzeugs ein Arbeitsaufwand angefallen, der sich nicht im reinen Transport des Fahrzeugs erschöpft, sondern auch beispielsweise das Auf- und Abladen und die Befestigung des Unfallfahrzeugs betroffen hat. Selbst wenn man vom Geschädigten im Rahmen der Plausibilitätsprüfung verlangen würde – was das Gericht hier offen lassen kann -‚ die konkrete Strecke zwischen Werkstatt und Lackiererei zu erfragen, hat sich der hier angesetzte Preis von € 149,80 netto auch mit Blick auf die geringe Entfernung zwischen Werkstatt und Lackiererei von nur 4 Kilometern wegen der daneben erforderlichen Arbeiten beim Verbringen nicht als erkennbar deutlich überhöht dargestellt. Angesichts dieser zur Verbringung des Fahrzeugs erforderlichen weiteren Arbeiten stellt sich die Verbringung eines Unfallfahrzeugs nicht als „simpel“ dar, wie die Beklagte meint, sondern verlangt, wie auch das Lackieren des Fahrzeugs oder andere Reparaturen, den Sachverstand und die Zeit eines Fachmanns. Hierfür € 149,80 anzusetzen ist – auch mit Blick auf den beinahe identischen Ansatz im Gutachten – aus Sicht eines Laien plausibel.

Dagegen ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Frage der Plausibilität der Kosten unerheblich, wie die ausführende Werkstatt intern die Verbringungskosten abrechnet. Wenn der Wagen zwecks Lackierung an einen anderen Ort verbracht worden ist, kann die Werkstatt hierfür dem Kunden eine Vergütung in Rechnung stellen.

Eine Kürzung des der Klägerin berechneten Betrags für die Verbringung des Fahrzeugs unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 BGB kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat keine Schadensminderungspflicht verletzt. Sie ist nicht verpflichtet gewesen, ihren Wagen selbst zur Lackiererei zu bringen. Eine solche Mithilfe bei der Reparatur kann vom Geschädigten nicht verlangt werden.

Nach alledem hat die Beklagte den von ihr verlangten Betrag zu Unrecht gekürzt.

Die Beklagte ist seit dem 01.09.2016 mit der Zahlung in Verzug (s. Schreiben vom 17.08.2016, Anlage K 5, Bl. 31 d.A.) und schuldet Verzugszinsen aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall.

 

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