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Verkehrsunfall – fiktive Schadensabrechnung nach tatsächlicher Fahrzeugreparatur

LG Oldenburg – Az.: 1 O 2175/18 – Urteil vom 14.06.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadenersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom 07.06.2018 im Kreuzungsbereich Karlstraße/Herbertstraße, Nordenham.

Die Klägerin fuhr mit ihrem Taxi auf der Karlstraße. Die Beklagte zu 1) näherte sich der Kreuzung mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug aus Sicht der Klägerin von links auf der Herbertstraße. Im Kreuzungsbereich gilt mangels besonderer Vorfahrtsregelungen die Vorfahrtsregel „rechts vor links. Die Beklagte zu 1) missachtete die Vorfahrt der Klägerin, sodass es im Kreuzungsbereich zum Zusammenstoß kam. Die Beklagte zu 2) zahlte auf den Schaden vorprozessual 11.956,79 EUR.

Die Klägerin ließ das Unfallfahrzeug bereits vollständig reparieren, rechnet den Unfallschaden aber mit Ausnahme der Gutachterkosten fiktiv wie folgt ab:

Reparaturkosten: 18.055,13 EUR netto

+ Wertminderung: 1.000, — EUR

+ Nutzungsausfall für 12 Tage à 79,- EUR = 948, — EUR

+ Gutachterkosten: 1.756, — EUR netto

+ Kostenpauschale: 30, — EUR

= 21.789,34 EUR

Abzüglich bereits gezahlter 11.956,79 EUR ergibt sich der Klagebetrag.

Die Klägerin ist der Auffassung, trotz erfolgter Reparatur sei eine Abrechnung auf Basis der fiktiven Reparaturkosten zulässig. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht, Urteil vom 22.02.2018 (Az. VII ZR 46/17), sei auf das allgemeine Schadensersatzrecht nicht übertragbar.

Zum Unfallgeschehen behauptet die Klägerin, sie habe vor der Kreuzung gehalten und sich sodann vorsichtig mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung hineingetastet.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 9.832,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 984,60 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Klage sei unschlüssig, da die Klägerin nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Landgerichts Darmstadt, Urteil vom 20.03.2019 (Az. 23 O 132/17), die Reparaturkosten nicht mehr fiktiv abrechnen dürfe.

Die Schadenersatzpositionen seien im Übrigen – auch bei fiktiver Abrechnung –  überhöht. Für die einzelnen Einwände der Beklagten wird verwiesen auf die Klageerwiderung vom 22.10.2018, Bl. 17 ff. d.A..

Zum Unfallgeschehen behaupten sie, die Klägerin sei ihrer Wartepflicht gegenüber den aus ihrer Sicht von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern nicht nachgekommen, sondern sei mit normaler Stadtverkehrgeschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineingefahren.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat ihren Vermögensschaden nicht substantiiert dargelegt. Das Gericht folgt für die Fallgestaltungen, in denen trotz erfolgter Instandsetzung nicht konkret, sondern fiktiv abgerechnet wird, im Ergebnis der Rechtsprechung des Landgerichts Darmstadt, Urteil vom 20.03.2019 (Az. 23 O 132/17), wonach die Abrechnung eines Fahrzeugschadens auf der Grundlage der nur fiktiv ermittelten Reparaturkosten unzulässig ist.

1. a. Der 7. Senat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17, seine ständige Rechtsprechung zur Berechnung des kleinen Schadenersatzanspruchs im Werkvertragsrecht aufgegeben. Er hat den Grundsatz des dem Schadensersatzrecht immanenten Bereicherungsverbotes hervorgehoben (BGH, a.a.O., Rn. 35 ff.) und hieraus geschlossen, dass der Besteller seinen Schadenersatzanspruch nicht mehr in Höhe der nur fiktiv ermittelten Mangelbeseitigungskosten abrechnen kann. Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätige, habe keinen Vermögensschaden in Form und Höhe der nur fiktiven Aufwendungen. Erst wenn der Besteller den Mangel beseitigen lasse und die Kosten hierfür beglichen habe, entstehe ihm ein Vermögensschaden in Höhe der tatsächlich aufgewandten Kosten (BGH, a.a.O., Rn. 32). Mit dieser Entscheidung schreibt der Bundesgerichtshof eine Rechtsprechungstendenz fort, die durch das Anliegen gekennzeichnet ist, eine Überkompensation durch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu vermeiden (BGH, a.a.O, Rn. 35 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Das OLG Frankfurt hat am 21.01.2019 (29 U 183/17) unter Berufung auf diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs entschieden, dass auch der Käufer nicht fiktiv abrechnen kann, wenn er die Sache behält. Eine Abrechnung auf fiktiver Mangelbeseitigungsbasis sei auch im Kaufrecht mit dem Verbot der Überkompensation unvereinbar (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Oktober 2018 – I-24 U 194/17 –, Rn. 49, juris).

Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 20.03.2018, Az. 23 O 132/17, diese Grundsätze auf sämtliche Schadenersatzansprüche erstreckt; es hält eine fiktive Schadensabrechnung für alle vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnisse für unzulässig.

b. Die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt zur Übertragung der Rechtsprechung des 7. Senats auf die Abrechnung von Kfz-Unfällen ist in der Literatur teilweise auf Zustimmung (Greger, DAR 1/2019, S. 50; differenzierend: Lemcke, r + s 3/2019, S. 175 f.; unter Kritik am BGH Übertragbarkeit bejahend: Seibel, NZBau 2019, 81, 82.), teilweise auf Kritik (Schulz, r + s 5/2019, S. 295) gestoßen. Dogmatisch wird kritisiert, das Landgericht habe den Wortlaut des § 249 S. 2 BGB ignoriert. Eine Abschaffung der fiktiven Fahrzeugschadenabrechnung bedürfe einer Änderung des § 249 S. 2 BGB durch den Gesetzgeber (Lemcke, a.a.O.).

Verkehrsunfall - fiktive Schadensabrechnung nach tatsächlicher Fahrzeugreparatur
(Symbolfoto: Von Artit Wongpradu/Shutterstock.com)

c. Das Gericht folgt der Rechtsprechungstendenz unter Berücksichtigung der dogmatischen Bedenken gegen die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt dahingehend, dass jedenfalls bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht § 249 Abs. 2 BGB, sondern § 251 BGB angewendet wird, auch wenn die Unmöglichkeit der Naturalrestitution auf Dispositionen des Geschädigten beruht.

aa. Der Grundsatz des Bereicherungsverbotes betrifft nicht allein das Werkvertragsrecht, sondern ist nach allgemeiner Meinung eine das allgemeine Schadensersatzrecht bestimmende Regel. Der Bundesgerichtshof erhebt es in den Rang des deutschen ordre public (BGH, NJW 1992, 3096, beck-online, MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 20). Auch der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz bei der Reform des Schadensersatzrechts als einen der drei wesentlichen Grundsätze des Schadensersatzrechts – neben dem Grundsatz der Totalreparation und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit – hervorgehoben (BT-Drs. 14/7752 S. 13).

bb. Das Risiko, dass sich der Geschädigte auf Kosten des Schädigers an dem Schadensfall bereichert, stellt sich in sämtlichen Fällen, in denen ein Mangel bzw. ein Schaden auf der stets unsicheren Grundlage nur voraussichtlicher, im Nachgang nicht abzurechnender Mangel- bzw. Schadensbeseitigungskosten berechnet wird (so für das Kaufrecht auch OLG Frankfurt, Urteil vom 21.01.2019, Az. 29 U 183/17). Die Gefahr der Bereicherung des Geschädigten mag, wie der Bundesgerichtshof betont hat, im Baurecht besonders ausgeprägt sein. Sie ist es aber nicht minder, wenn der Geschädigte eines Verkehrsunfalls die Reparatur auf der Grundlage nur fiktiv ermittelter Reparaturkosten abrechnet. Die damit einhergehende Gefahr der Bereicherung bei fiktiver Abrechnung von Fahrzeugschäden hat auch der Gesetzgeber anerkannt (BT-Ds 14/7752, S. 13).

Aus der Bereicherungsgefahr wird nahezu eine Bereicherungsgewissheit, wenn der Geschädigte den Unfallwagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits hat reparieren lassen und sich anschließend – in Kenntnis der konkreten Kosten – dazu entscheidet, auf der Grundlage der zuvor fiktiv ermittelten Werte abzurechnen.

cc. Gegen eine direkte Übertragung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht auf das Haftungsrecht des Straßenverkehrs spricht, dass anders als im dort entschiedenen Fall hier nicht das Äquivalenzinteresse betroffen ist, sondern das Integritätsinteresse verletzt wurde (OLG Frankfurt, a.a.O, Rn. 79, a.A.: LG Darmstadt, Urteil vom 20.03.2019, Az. 23 O 132/17, Rn. 31 ff.). Anders als im Rahmen der vertraglichen Mangelhaftung ist für die Fälle einer Sachbeschädigung in § 249 Abs. 2 BGB geregelt, dass der Geschädigte von dem Schädiger den für die Naturalrestitution erforderlichen Betrag verlangen kann. Dementsprechend hat der 6. Senat des Bundesgerichtshofs nach der Entscheidung des 7. Senats zum Werkvertragsrecht an der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung bei Sachbeschädigung festgehalten (BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17 –, Rn. 22, juris).

dd. Die Frage, ob hieran auch für den vorliegenden Fall festzuhalten sein wird, in dem das Fahrzeug vom Geschädigten bereits repariert wurde, ist aus den folgenden Gründen zu verneinen:

(1) Bei Beschädigung einer Sache ist stets eine Abgrenzung zwischen einer Entschädigung gemäß § 249 Abs. 2 BGB und einem Schadensersatzanspruch gemäß § 251 BGB erforderlich (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2015 – V ZR 26/15 –, Rn. 21, juris). Während gem. § 249 Abs. 2 BGB die zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Kosten verlangt werden können, erfordert § 251 BGB einen Vermögensvergleich, für den die nur fiktiv ermittelten Reparaturkosten unerheblich sind. Eine Bereicherung droht hier nicht.

Das Abgrenzungskriterium zwischen der Anwendbarkeit des § 249 BGB und des § 251 BGB gibt § 251 BGB vor: Ist die Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB unmöglich, entfällt auch der Anspruch aus § 249 Abs. 2 BGB; eine Kompensation des Schadens erfolgt dann über § 251 BGB (BGH, Urteil vom 04. Mai 2001 – V ZR 435/99 –, BGHZ 147, 320-325, Rn. 9 juris, Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 25). Eine freie Wahl zwischen Restitution (§ 249) und Kompensation (§ 251) ist den §§ 249 ff. BGB fremd (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 365; § 251 Rn. 14).

Verfahrensrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt für die Schadensbetrachtung ist grundsätzlich – und vom BGH in der aktuellen Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht bestätigt – der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17, Rn. 23; MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 251 Rn. 7, Rn. 14; Staudinger/Schiemann (2017) Vorbemerkungen zu §§ 249–254, Rn. 79; Ebert in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 249 BGB, Rn. 29).

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin den Unfallwagen unstreitig vollständig Instand gesetzt. Eine Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB war dadurch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB. Der Erfolg der von § 249 Abs. 1 BGB geschuldeten Wiederherstellungspflicht war bereits eingetreten (BeckOGK/Riehm, 1.4.2019, BGB § 275 Rn. 112). Die Berechnung des Schadenersatzes richtet sich nach § 251 BGB.

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(2) Das Gericht verkennt nicht, dass diese Rechtsauffassung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur fiktiven Abrechnung von Fahrzeugschäden widerspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend: BGH, Urteil vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74 –, vgl. auch BGHZ 66, 239-250, BGH, Urteil vom 12. März 2009 – VII ZR 88/08 –, Rn. 24) könne es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er von seiner Dispositionsbefugnis durch Veräußerung oder Instandsetzung eines beschädigten Kfz Gebrauch mache, bevor der Ersatzpflichtige geleistet habe. Mit dieser auf die Dispositionsfreiheit des Geschädigten gestützten Argumentation hat der Bundesgerichtshof trotz Unmöglichkeit der Restitution im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei Berechnung des Schadens nicht auf § 251 BGB, sondern auf § 249 Abs. 2 BGB abgestellt (so auch MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 367: „Beruht die Unmöglichkeit der Naturalrestitution auf einer Disposition des Geschädigten, so berührt dies den Geldersatzanspruch nicht.“). Soweit der Bundesgerichtshof bei erfolgter Reparatur die fiktiven Kosten für nicht erstattungsfähig hielt (BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 03.12.2013 – VI ZR 24/13), hat er – im Rahmen von § 249 Abs. 2 BGB – sinngemäß argumentiert, die ex ante prognostizierten Kosten hätten sich ex post als zu hoch geschätzt erwiesen. Diese für den vorliegenden Fall im Grundsatz ebenfalls denkbare Argumentation setzt voraus, dass die Klägerin die kostengünstigere Reparatur nach den Vorgaben des Privatgutachters vorgenommen hat, wozu nichts vorgetragen worden ist. Bei grundsätzlicher Ablehnung der Erstattungsfähigkeit der fiktiven Kosten nach eigener Instandsetzung des Unfallwagens ist diese Frage nicht entscheidungserheblich.

(3) Der zur Begründung einer Ausnahme von § 251 BGB herangezogene Grundsatz der freien Dispositionsbefugnis ist eine richterrechtliche Weiterführung und Modifikation des in § 249 BGB festgelegten Grundsatzes der Naturalrestitution (BGH, Urteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17 –, Rn. 22), der – jedenfalls in der vorgenannten Ausprägung – in Konflikt steht mit dem Grundsatz des Bereicherungsverbotes und dem Wortlaut und der Systematik der §§ 249, 251 BGB.

Die Anwendung des § 249 Abs. 2 BGB trotz Unmöglichkeit der Wiederherstellung wird vom Bundesgerichtshof auch nicht einheitlich gehandhabt. So hat der Bundesgerichtshof für den deliktischen Schadenersatzanspruch im Fall der Veräußerung eines beschädigten Hausgrundstücks zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entschieden, dass der Anspruch aus § 249 Abs. 2 BGB (ohne Abtretung des Schadenersatzanspruchs) wegen der mit der Veräußerung einhergehenden Unmöglichkeit der Naturalrestitution untergegangen ist und der Geschädigte nur noch Kompensation des Schadens gem. § 251 BGB verlangen kann (BGH, Urteil vom 02. Oktober 1981 – V ZR 147/80 –, BGHZ 81, 385-394, Rn. 25, BGH, Urteil vom 04. Mai 2001 – V ZR 435/99 –, BGHZ 147, 320-325, Rn. 9 und BGH, Urteil vom 11. Dezember 2015 – V ZR 26/15 –, Rn. 20, juris).  Zudem scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Anspruch gem. § 249 BGB aus, wenn der Geschädigte bei Verlust einer vertretbaren Sache (hier: Aktienpaket) die Ersatzbeschaffung selbst vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 15. Mai 2008 – III ZR 170/07 –, Rn. 11). Der Geschädigte habe es nicht in der Hand, den Zweck des Ersatzkaufs zu beschränken und nur für sich selbst den früheren Zustand gegenständlich wiederherzustellen, während eine Entlastung des Schädigers durch denselben Vorgang ausgeschlossen sein soll. Der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes bestimme sich objektiv nach rechtlichen Kriterien und unterliege nicht der Disposition des Verletzten (BGH, Urteil vom 15. Mai 2008 – III ZR 170/07 –, Rn. 11 a.E., juris).

Die Dispositionsbefugnis des jeweils Geschädigten ist in dem hier zu entscheidenden und den vorgenannten Fällen gleichermaßen betroffen und gebietet entweder in sämtlichen oder in keinem der erwähnten Fälle den Anspruch in Höhe der erforderlichen Wiederherstellungskosten gemäß § 249 Abs. 2 BGB zuzusprechen und die damit einhergehende Gefahr der Bereicherung des Geschädigten in Kauf zu nehmen.

(4) Den Konflikt zwischen den beiden ungeschriebenen Grundsätzen des Schadensersatzrechts – der freien Dispositionsbefugnis des Geschädigten einerseits und dem Bereicherungsverbot andererseits – löst das Gericht unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechungstendenz und der Motive des Gesetzgebers bei Änderung der Sachschadensabrechnung (BT-Drs. 14/7752) zugunsten des Bereicherungsverbotes und zugunsten von § 251 BGB.

Der Gesetzgeber hat bei Änderung der Sachschadensabrechnung das Anliegen verfolgt,

„bei Erhaltung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten (…), den Grundgedanken einer konkreten Schadenabrechnung wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken und die Gefahr einer Überkompensation dadurch zu verringern, dass der Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher daran ausgerichtet wird, welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadenbeseitigung trifft.“ (BT-Drs. 14/7752 S. 13)

Zwar hat der Gesetzgeber entschieden, der erkannten Gefahr der Überkompensation durch fiktive Abrechnung des Schadens vorerst nur durch Einfügen des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB zu begegnen. Hieraus lässt sich allerdings kein Argument für die Anwendbarkeit des § 249 BGB bei Unmöglichkeit der Restitution herleiten. Denn zum einen hat es der Gesetzgeber im Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom Dezember 2001 „im Übrigen der Rechtsprechung (…) überlassen, das Sachschadensrecht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln“ (BT-Drs. 14/7752, S. 14). Zum anderen bedarf es zur Vermeidung einer Überkompensation des Geschädigten in Fällen der eigenen Instandsetzung vor Schluss der mündlichen Verhandlung keiner weitergehenden Gesetzesreform, sondern nur der Anwendung des § 251 BGB, der nach seinem Wortlaut die Rechtslage bereits eindeutig regelt. Die vom Gesetzgeber nur am Rande und nur allgemein in Bezug genommene Dispositionsfreiheit des Geschädigten gebietet keine Ausnahme von § 251 BGB. Sie verlangt insbesondere nicht zwingend, dass der Anspruch nach § 249 Satz 2 BGB auch die Unmöglichkeit der Herstellung überdauert (so ausdrücklich auch: BGH, Urteil vom 02. Oktober 1981 – V ZR 147/80 –, BGHZ 81, 385-394, Rn. 25). Der Geschädigten wird hierdurch nicht unbillig belastet, denn bei Anwendung des § 251 BGB wird sein Vermögensschaden vollständig kompensiert; er „verliert“ nur die sich ihm bei Anwendung des § 249 Abs. 2 BGB bietende Bereicherungschance.

2. Gem. § 251 Abs. 1 BGB ist die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens der Klägerin, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert zu ersetzen. Entscheidend hierfür sind die konkret angefallenen Reparaturkosten und der nach Reparatur tatsächlich verbleibende Minderwert. Auch den Nutzungsausfall für ihr Taxi kann die Klägerin nicht abstrakt, sondern nur gem. § 252 BGB in Höhe des ihr hierdurch konkret entstandenen Gewinnausfalles geltend machen (so schon jetzt st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 06. Dezember 2018 – VII ZR 285/17 –, Rn. 18, juris m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die fiktive Schadensberechnung nicht gerecht.

Ein Schriftsatznachlass zu dem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf die derzeitige Unschlüssigkeit der Klage bei fiktiver Schadensabrechnung war trotz gerichtlicher Nachfrage nicht gewünscht. Eine Umstellung der Klage auf eine konkrete Schadensberechnung hat die Klägerin ausgeschlossen; der konkrete Schaden wurde auch nicht hilfsweise geltend gemacht. Nicht zuletzt dieses Prozessverhalten zeigt, dass eine Schadensdarlegung auf der Grundlage der tatsächlichen Werte zu einem geringeren als dem Klagebetrag geführt hätte. Dies unterstreicht, dass die nur fiktiv ermittelten Schadenbeseitigungskosten keine geeignete Schätzgrundlage i.S.d. § 287 ZPO für die Ermittlung der tatsächlichen unfallbedingten Vermögenseinbuße der Klägerin darstellen.

3. Neben den nicht substantiiert dargelegten Schadenspositionen Reparaturkosten, Minderwert und Nutzungsausfall macht die Klägerin weitere Schäden in Höhe von 1.756,- EUR (Sachverständigenkosten) und 30,- EUR (Kostenpauschale) geltend. Da diese Positionen hinter den bereits erbrachten Zahlungen der Beklagten zu 2) in Höhe von insgesamt 11.956,79 EUR zurückbleiben, muss nicht entschieden werden, ob der Klägerin diese Positionen bei sonstiger Unschlüssigkeit der Klage zustehen (verneinend: LG Darmstadt, a.a.O, Rn. 44).

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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