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Verkehrsunfall – fiktive Schadensabrechnung – Verweisung auf Preise eines Eurogarant-Fachbetrieb

AG Hamburg-Harburg – Az.: 650 C 9/12 – Urteil vom 08.03.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger kann aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 13.9.2011 über den bereits gezahlten Betrag hinaus keinen weiteren Schadensersatz verlangen.

Die Beklagten sind dem Kläger zwar unstreitig zum vollen Schadensersatz nach einer Haftungsquote von 100 % verpflichtet. Der Schaden ist allerdings niedriger als der fiktiv abrechnende Kläger dies annimmt, weil er sich nach § 254 Abs. 2 BGB auf die im von den Beklagten vorgelegten Prüfgutachten zugrunde gelegten niedrigeren Stundenverrechnungssätze verweisen lassen muss.

Ist vom Schädiger Schadensersatz wegen der Beschädigung einer Sache zu leisten, kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Grundsätzlich leistet der Geschädigte auch im Rahmen fiktiver Abrechnung dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genüge, wenn er der Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 23.02.2010, Az.: VI ZR 91/09 m. w. N.). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB aber auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Fachwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würde (BGH, Urteil vom 13.07.2010, Az.: VI ZR 259/09; BGH, Urteil vom 23.02.2010, Az.: VI ZR 91/09).

Im vorliegenden Fall ist das Gericht im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2010, Az.: VI ZR 259/09, Rn. 13) zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der von der Beklagten aufgezeigten Reparaturmöglichkeit in der Firma … eine im Vergleich zu einer Reparatur in einer Fachwerkstatt mit Stundenverrechnungssätzen, wie sie im klägerischen Sachverständigengutachten zugrunde gelegt sind, günstigere und technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit handelt. Die von der Beklagten benannte Referenzwerkstatt ist unstreitig als Meisterbetrieb Mitglied im Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik und gehört zu den, „…-Fachbetrieben“. Aufgrund des Internetauftritts der … sieht es das Gericht als offenkundig an, dass der Referenzbetrieb zu den bundesweit nur etwa 500 Mitgliedbetrieben gehört, die alle einen hohen Qualitätsstandard aufweisen: Sie reparieren nach Herstellervorgaben und -richtlinien, verwenden nur Originalersatzteile, gewähren mindestens drei Jahre Reparaturgarantie und unterliegen einer regelmäßigen Qualitätskontrolle.

Insgesamt erfüllt der Betrieb damit die Voraussetzungen, die in den Urteilen des BGH vom 13.07.2010, Az.: VI ZR 259/09 und 23.02.2010, Az.: VI ZR 91/09 als ausreichend angesehen wurden, um ermessensfehlerfrei davon ausgehen zu können, dass der Betrieb die Unfallschäden genauso kompetent beheben könnte wie eine markengebundene Vertragswerkstatt, zumal nicht ersichtlich ist, dass es für die Behebung der Schäden am Fahrzeug des Klägers besonderer Erfahrungen mit der Automarke des Klägers bedurft hätte.

Die Klägerseite geht zu weit, wenn sie verlangt, es müsse von Beklagtenseite zunächst dargelegt werden, welche Qualitätsmerkmale eine markengebundene Werkstatt erfülle, wie sie arbeite, wie sie vom Hersteller überprüft werde, wie oft das Personal geschult werde etc. Entscheidend ist nicht eine Vergleichbarkeit in allen Einzelpunkten. Vielmehr ist entscheidend das Ergebnis der Reparaturarbeiten: Kann der Referenzbetrieb die Unfallschäden genauso kompetent beheben wie eine markengebundene Vertragswerkstatt? Nur in diesem Punkt muss zwischen den Werkstätten ein vergleichbarer Standard herrschen. Dass dieser höher ist, weil das Personal unter Umständen einmal im Jahr mehr geschult oder vom Hersteller einmal mehr überprüft wird oder weil bestimmte Arbeiten anders ausgeführt werden, ist nicht zwingend. Auch erschließt sich nicht, warum der Reparaturweg in den einzelnen Arbeitsschritten hundertprozentig identisch sein muss, um qualitativ dasselbe Reparaturergebnis zu erzielen. Solange der Referenzbetrieb die Herstellervorgaben, sofern es welche gibt, einhält (wozu er als Mitglied der … Fachbetriebe grundsätzlich ebenso verpflichtet ist, wie eine markengebundene Werkstatt des Herstellers), Originalersatzteile verwendet, dieselbe Garantie gibt und ansonsten Qualitätssicherung durch Schulungen betreibt, spricht nichts dafür, dass eine Reparatur nicht ebenso kompetent durchgeführt würde, wie durch eine Vertragswerkstatt des Herstellers.

Der von Klägerseite als erforderlich angesehene konkrete Vergleich scheitert im Übrigen im vorliegenden Fall auch schon daran, dass auch markengebundene Vertragswerkstätten einen durchaus unterschiedlichen Standard haben. Ein Vergleich könnte sich – ohne Angabe einer ganz konkreten Werkstatt – allenfalls auf Allgemeinplätze beschränken, etwa welche Herstellervorgaben üblicherweise gelten, welche Kontrollen üblicherweise durchgeführt werden und wie üblicherweise gearbeitet werde, um sich Vertragswerkstatt eines Herstellers nennen zu können. Dann ist aber auch nicht zu beanstanden, wenn hinsichtlich des Referenzbetriebs wegen seiner Zugehörigkeit zu den …-Fachbetrieben auf Kriterien abgestellt wird, die bei einer solchen Zugehörigkeit üblicherweise erfüllt sind.

Die Klägerseite hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die es dem Kläger unzumutbar machen könnten, sein Fahrzeug in der Referenzwerkstatt zu reparieren. Eine solche Unzumutbarkeit wird von der Rechtsprechung regelmäßig dann angenommen, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre alt war oder wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in eine markengebundenen Fachwerkstatt hat reparieren lassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2010, Az.: VI ZR 259/09). Beide Gesichtspunkte sind vorliegend nicht erfüllt: Das Fahrzeug des Klägers war im Unfallzeitpunkt fast über 11 Jahre alt und ist nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagtenseite weder scheckheftgepflegt noch in den letzten Jahren in einer Markenwerkstatt gewesen.

Auch aus der Entfernung der Referenzwerkstatt zum Wohnort des Klägers ergibt sich keine Unzumutbarkeit, da die Firma … unstreitig einen kostenlosen Hol- und Bringdienst betreibt.

Auch die geforderten UPE-Aufschläge stehen dem Kläger nicht zu. Ein Ausweichen auf die genannte Firma … ist ihm ohne weiteres möglich, diese berechnet sie aber unstreitig nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

 

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