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Verkehrsunfall – Fortfall des Deckungsanspruchs gegen die Pflichtversicherung

LG Wuppertal – Az.: 5 O 198/11 – Urteil vom 08.06.2012

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.408,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.10 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 290,06 € zu zahlen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 13.04.2010 in Remscheid ereignete.

An diesem Tag fanden sich zur Festnahme des Beklagten zu 3), der wegen Rauschgiftdelikten von der Polizei observiert worden war, die Beamten PK … und PK … des mobilen Einsatzkommandos des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vor dem Haus … in Remscheid ein. Als der Beklagte zu 3) gegen 18:10 Uhr in den dort parkenden Pkw BMW M 3 mit dem amtlichen Kennzeichen … einstieg, fuhren die Beamten ihr ziviles Dienstfahrzeug, einen Pkw SEAT Leon mit dem amtlichen Kennzeichen … , schräg vor den BMW, um dessen Flucht zu verhindern. Als der Beklagte zu 3) erkannte, dass seine Festnahme unmittelbar bevorstand, startete er das Fahrzeug und rammte mit dem vorderen linken Kotflügel das vor ihm stehende Dienstfahrzeug im rechten Kotflügel- und Türbereich. Durch den Zusammenstoß entstand an beiden Fahrzeugen Sachschaden. Dem Beklagten zu 3) gelang zunächst die Flucht. Er wurde später von der Polizei festgenommen.

Der Beklagte zu 3) nutzte den BMW, der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, bis zu seiner Verhaftung privat. Die Beklagte zu 2) ist Versicherungsnehmerin der Haftpflichtversicherung für den BMW. Sie betreibt in E. ein Unternehmen, das u.a. für Privat- und Nutzfahrzeuge gewerblich Leasingverträge vermittelt. Bei ihr war der Vater des Beklagten zu 3) bis zum 30.04.2009 beschäftigt.

Im Schreiben vom 14.04.2010 an die Kriminalpolizei Duisburg teilte der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2), Herr F. K., mit, dass der BMW nur aus Gefälligkeit auf den Namen der Beklagten zu 2) zugelassen worden sei, damit der Beklagte zu 3) von den günstigeren Firmen-Flottentarifen profitieren könne (Anlage K 3, Bl. 54 d. A.). Mit Schreiben vom 23.04.2010 bat der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2) das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen um Mitteilung des genauen Schadensherganges, damit eine Schadensmeldung an die Versicherung erfolgen könne (Anlage K 7, Bl. 106 d. A.). Nachdem der BMW an die Beklagte zu 2) herausgegeben worden war, gab diese zur Begutachtung der am Fahrzeug eingetretenen Schäden ein Kostenvoranschlag in Auftrag (vgl. Anlage K 8, Bl. 108 ff. d. A.).

Der Kläger forderte die Beklagten zu 1) mit Einschreiben vom 04.11.2010 unter Fristsetzung bis zum 24.11.2010 auf, den Schaden in Höhe von insgesamt 6.408,79 € auszugleichen (Anlage K 4, Bl. 24 f. d. A.). Da eine Zahlung nicht erfolgte, verfolgt der Kläger die geltend gemachte Schadensersatzforderung nunmehr gerichtlich weiter. Der Kläger macht neben der Kostenpauschale von 25,00 € unter Hinweis auf die Rechnung der Fa. Carosserie … GmbH vom 14.05.2010 (Anlage 2 3, Bl. 10 ff. d.A.) Reparaturkosten in Höhe von brutto 4.888,42 € sowie Ausgleich des merkantilen Minderwerts in Höhe von 945,37 € geltend. Darüber hinaus begehrt er eine Nutzungsausfallentschädigung für elf Tag in Höhe von 550,00 € (11 x 50,00 €).

Verkehrsunfall - Fortfall des Deckungsanspruchs gegen die Pflichtversicherung
Symbolfoto: Von JaruekChairak-Stop Motion/Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 2) sei Halterin des Pkw BMW M3.

Mit Schriftsatz vom 14.07.2011 (Bl. 37 ff. d.A.) ist die Beklagte zu 1) als Nebenintervenientin der Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 3) beigetreten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.408,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.10 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Kosten in Höhe von 290,06 € zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 3) beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, die Beklagte zu 2) sei nicht Halterin, sondern lediglich Scheinhalterin des BMW. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte zu 3) das Fahrzeug ausschließlich genutzt und die entsprechenden Kosten selbst getragen habe. Insbesondere habe er die Kfz-Steuer sowie die Versicherungsbeiträge für die Haftpflichtversicherung bezahlt. Die Beklagte zu 2) habe das Fahrzeug nur deshalb auf ihren Namen zugelassen, damit der Beklagte zu 3) ihren unternehmenseigenen  günstigen Flottentarif erhalte.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, sie sei von der Leistung nach § 103 VVG befreit, da der Haftungsausschluss des § 103 VVG auch dann greife, wenn der mitversicherte Fahrer den Unfall widerrechtlich und vorsätzlich herbeiführt.

Das Gericht hat den Beklagten zu 3) im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.12.2011 insbesondere zu der Frage, ob er die Versicherungsbeiträge sowie die Kraftfahrzeugsteuer selbst gezahlt habe, angehört (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2011, Bl. 149 ff. d.A.). Die Akte der Staatsanwaltschaft Wuppertal 921 Js 451/10 ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist ebenso wie die Nebenintervention der Beklagten zu 1) zugunsten der nicht erschienenen und anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 2) zulässig.

Eine Nebenintervention gemäß § 66 ZPO ist zulässig, sofern zwischen anderen Parteien ein Rechtsstreit anhängig ist und der Beitretende ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Beklagte zu 1) vermeiden möchte, dass ihr Versicherungsnehmer – die Beklagte zu 2) – trotz eines für sie günstigen, die Klage abweisenden Urteils später Ansprüche gegen sie im Deckungsverhältnis geltend macht. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte zu 2), wenn sie im hiesigen Verfahren zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt würde, später versuchen würde, sich im Rahmen eines Regresses bei der Beklagten zu 1) schadlos zu halten.

Da die Nebenintervention zulässig ist, ist vorliegend auch kein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu 2) ergangen, obgleich dies beantragt worden ist.

1.

Die Klage ist begründet.

Neben dem Beklagten zu 3), dessen Haftung als Fahrer sich aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303 StGB ergibt, haften die Beklagte zu 2) aus § 7 Abs. 1 StVG und die Beklagte zu 1) aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gesamtschuldnerisch für die durch den Verkehrsunfall entstanden Schäden.

a.

Die Klage gegen den Beklagten zu 3) ist begründet, da er als Fahrer gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG haftet.

Der Schaden ist bei Betrieb des BMW verursacht worden. Der Beklagte zu 3) hat durch das gezielte Rammen des schräg vor ihm stehenden Dienstfahrzeuges zumindest mit bedingtem Vorsatz den Schaden hervorgerufen.

Dementsprechend ergibt die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge (§ 17 Abs. 1, 2 StVG), dass die Haftungsquote hier 100 zu 0 zulasten der Beklagten beträgt. Der Beklagten zu 3) ist allein für den Zusammenstoß verantwortlich, da ein eklatanter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vorliegt, wohingegen den Beamten kein Verstoß gegen Bestimmungen der StVO zur Last fällt. Da das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt des Schadensereignisses stand, tritt die von ihm grundsätzlich ausgehende Betriebsgefahr zurück.

Der Beklagte zu 3) hat den Zusammenstoß auch verschuldet; der Entlastungsbeweis nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ist ihm nicht gelungen.

Die Reparaturkosten, die Wertminderung sowie die Kostenpauschale sind nach § 249 Abs. 2 BGB, die Nutzungsausfallentschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) haben die Schadenshöhe nicht substantiiert bestritten. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2012 darauf hingewiesen, dass möglicherweise unter Berücksichtigung der Strohmannfunktion der Beklagten zu 2) eine Haftung dem Grunde nach in Betracht kommt.

Im Übrigen haftet der Beklagte zu 3) auch gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303 StGB.

b.

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist ebenfalls begründet, da sie zumindest als Mithalterin des BMW gemäß § 7 Abs. 1 StVG zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist Halter eines Kraftfahrzeuges derjenige, der es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (BGHZ 13, 351, 354; 32, 332, 333; 87, 133, 135). Die Verfügungsgewalt besteht darin, Anlass, Zeit und Zeitpunkt der Fahrt selbst zu bestimmen. Von besonderer Bedeutung für die Bestimmung der Haltereigenschaft ist entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 1 StVG die Einwirkungsmöglichkeit auf das Kraftfahrzeug als Gefahrenquelle (BGHZ 87, 133).

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) handelt es sich bei der Beklagten zu 2) nicht lediglich um eine „Scheinhalterin“.

Zunächst spricht für die (Mit-)Haltereigenschaft der Beklagten zu 2), dass sie im Kfz-Brief als Halter des BMW eingetragen ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 2) die Haftpflichtversicherung für den BMW abgeschlossen hat und später auch bis zum Zeitpunkt des Unfalls Vertragspartnerin der Beklagten zu 3) geblieben ist. Damit war die Beklagte zu 2) während der Nutzung des Fahrzeuges durch den Beklagten zu 3) zumindest im Außenverhältnis rechtlich verpflichtet, die Versicherungsbeiträge für die Haftpflichtversicherung des BMW zu entrichten. Soweit die Beklagte zu 1) vorgetragen hat, der Beklagte zu 3) habe seinerseits die Versicherungsbeiträge in bar an die Beklagte zu 2) gezahlt, während der Beklagten zu 2) lediglich die Funktion eines Strohmannes zugekommen sei, ist dies in rechtlicher Hinsicht nicht beachtlich, da die Beklagte zu 2) – unterstellt der Vortrag der Beklagten zu 1) ist richtig – tatsächlich wirtschaftliche Aufwendungen für eigene Rechnung getätigt hat. Jedenfalls trug sie zumindest das Insolvenzrisiko, das sich spätestens mit der Verhaftung des Beklagten zu 3) verwirklicht haben dürfte.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Umstand, auf wen das Fahrzeug zugelassen und haftpflichtversichert ist, für die Frage der Haltereigenschaft von untergeordneter Bedeutung ist. Nichtsdestotrotz kann diesem Umstand im Einzelfall eine indizielle Wirkung zukommen (vgl. BGH, VersR 1969, 907).

Überdies kann der Vortrag der Beklagten zu 1) zu der streitigen Frage, wer im Innenverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 3) für die Haftpflichtversicherungsbeiträge aufkam, der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Der Beklagte zu 3) hat in seiner mündlichen Anhörung Angaben zur Ausgestaltung des Innenverhältnisses im Hinblick auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen verweigert. Soweit sich die Beklagte zu 1) insofern in Widerspruch zu den Erklärungen des Beklagten zu 3) gestellt hat, kann deren Vortrag bei der Entscheidungsfindung bereits aus prozessualen Gründen aufgrund ihrer Stellung als Nebenintervenientin nicht berücksichtigt werden (vgl. Vollkommer, in Zöller, 28. Aufl., § 67 ZPO, Rn. 9).

Weil der Beklagten zu 3) sich einerseits geweigert hat, Angaben zur Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten zu 2) zu machen, und der Kläger andererseits naturgemäß keine Möglichkeit hat, die konkrete finanzielle Gestaltung der Fahrzeugüberlassung zu überblicken, trifft die Beklagte zu 1) insofern eine gesteigerte Darlegungslast, da ihre Vertragspartnerin – die Beklagte zu 2) – die Möglichkeit gehabt hätte, den Sachverhalt aufzuklären. Jedenfalls kann es nicht dem Kläger zum Nachteil gereichen, dass sich der Beklagte zu 3) auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft.

In der Tat ist nicht ausgeschlossen, dass das Verhalten des Beklagten zu 3) und der Beklagten zu 2) strafrechtlich relevant ist. Unterstellt der Vortrag der Beklagten zu 1) sowie die Ausführungen des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten zu 2) im Schreiben vom 14.04.2010 wären richtig, ist nach der überzeugenden Ansicht des Amtsgerichts Schmallenberg der Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung verwirklicht (AG Schmallenberg, Urt. v. 16.12.1999, Az.: 3 C 232/99, zitiert nach juris). Daneben liegen Anhaltspunkte für einen gemeinschaftlich begangenen Betrug der Beklagten zu 2) und des Beklagten zu 3) zulasten der Beklagten zu 1) vor.

Zwar spricht gegen die Haltereigenschaft der Beklagten zu 2), dass sich der BMW unstreitig in der Verfügungsgewalt des Beklagten zu 3) befand und dieser ausweislich des Bescheids vom 19.05.2009 (Anlage K 10, Bl. 111 d.A.) zumindest einmalig die Kraftfahrzeugsteuer zahlte. Dies reicht jedoch nicht aus, um als alleiniger Halter des Fahrzeuges zu gelten. Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten zu 1) unterstellt, dass der Beklagte zu 3) Halter des Fahrzeuges war, so steht dies einer zusätzlichen Haltereigenschaft der Beklagten zu 2) nicht entgegen.

Halter eines Fahrzeuges können nämlich auch mehrere Beteiligte zugleich sein (BGHZ 13, 351, BGH). Für den Fall der längerfristigen Vermietung von Fahrzeugen beispielsweise ist anerkannt, dass sowohl der Mieter des Kraftfahrzeuges als auch der Vermieter nebeneinander Halter sein können und dass die Überlassung des Mietfahrzeuges allein die Haltereigenschaft des Vermieters nicht beendet, obwohl danach regelmäßig der Mieter über den Einsatz desselben bestimmen kann (BGHZ 116, 200, 206).

Da die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) hier keine eindeutige Abgrenzung hinsichtlich der Kostentragung getroffen haben, sondern offensichtlich bewusst die Zahlungsströme verschleiert haben, kann hier nichts Anderes gelten. Ganz wesentlich für die zusätzliche Haltereigenschaft der Beklagten zu 2) spricht, dass sie nach dem Unfall zu erkennen geben hat, dass sie ein ganz erhebliches Interesse an dem BMW hat. Dabei ist sie gegenüber Außenstehenden so aufgetreten, als stünde ihr die Verfügungsgewalt über den verunfallten BMW zu. Eindeutiger Beleg hierfür ist insbesondere das Schreiben des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten zu 2) vom 23.04.2010 (Anlage K 7, Bl. 106 d. A.). Auch der Umstand, dass die Beklagte zu 2) offensichtlich die Erstellung des Kostenvoranschlags für die Reparaturkosten des BMW beauftragt und von dem Kläger mit anwaltlichem Schreiben sogar Schadensersatz für die Beschädigung des BMW geltend gemacht hat (Anlage K 8, Bl. 107 d.A), kann nur so interpretiert werden. Zudem belegt die Rechnung über den Verkauf des BMW durch die Firma … GmbH vom 14.04.2008 (Anlage K 9, Bl. 110 d.A.), dass die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 3) bewusst verschleiern wollten, dass Letzterer gar nicht Mitarbeiter der Beklagten zu 2) war. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb der Beklagte zu 3) dort unter der Firmenanschrift als Adressat angeführt ist. Insgesamt verdeutlicht dieses Verhalten, dass die Beklagte zu 2) die Verfügungsgewalt nicht ganz aus der Hand gegeben hatte, was für die Annahme ihrer Mithalterstellung ausreicht.

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da bei dem Unfall keine höhere Gewalt mitgewirkt hat. Höhere Gewalt liegt ausschließlich bei einem von außen auf den Betrieb des Fahrzeuges einwirkendes Ereignis vor, das so außergewöhnlich ist, dass mit seinem Eintritt nicht gerechnet werden muss. Derartige von außen wirkende Gefahren, Kräfte oder Ereignisse liegen hier nicht vor. Im Übrigen hat der Beklagte zu 3) den BMW nicht originär als Waffe und damit auch nicht zu betriebsfremden Zwecken eingesetzt. Primäres Ziel des Beklagten zu 3) war es, zu fliehen, um der Festnahme zu entgehen. Dies ergibt sich bereits aus den äußeren Umständen des Geschehens, die zwischen den Parteien unstreitig sind. Er setzte das von ihm gesteuerte Fahrzeug zu Fortbewegungszwecken ein. Da das Einsatzfahrzeug der Polizei schräg vor dem von dem Beklagten zu 3) gesteuerten Fahrzeug stand, war ihm die Flucht letztlich nur durch Rammen des Fahrzeuges möglich.

c.

Auch die Beklagte zu 1) haftet gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG neben der Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 3) gesamtschuldnerisch für die entstandenen Schäden.

Die Beklagte zu 1) haftet gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, weil die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG hier nicht ausgeschlossen ist. Die Beklagte zu 1) war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2). Letztere war – wie oben dargestellt – ebenfalls Halterin des BMW.

Die Beklagte zu 1) muss vorliegend zwar nicht für die Haftung des Beklagten zu 3) eintreten, da insoweit die Haftung gemäß § 103 VVG ausgeschlossen ist. Denn der Beklagten zu 3) handelte, als er mit dem Fahrzeug sich eine Flucht ermöglichen wollte, zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz hinsichtlich etwaiger Beschädigungen des klägerischen Fahrzeugs. Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs von dem Handelnden als möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt wird. Dabei liegt die Annahme einer Billigung im Rechtssinne nahe, wenn der Täter – wie hier – sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang oder überhaupt das Nichtvorliegen des objektiven Tatbestandes vertrauen zu können, und wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH NJW-RR 2002, 740).

Als der Beklagte zu 3) erkannte, dass seine Festnahme unmittelbar bevorstand, sah er keine andere Möglichkeit, als mit dem Fahrzeug zu fliehen. Um mit dem BMW die Flucht antreten zu können, hat er gezielt das Fahrzeug des Klägers gerammt, um sich eine Gasse zwischen dem klägerischen Fahrzeug und der Hauswand zu schaffen.

Die Haftungsfreistellung schlägt hier jedoch nicht auch auf die Halterin, mithin die Beklagte zu 2), durch. Denn die Haftungsfreistellung der Beklagten zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 3) nach § 103 VVG führt nicht automatisch dazu, dass jegliche Haftung der Beklagten zu 1) entfällt. Der Fortfall des Deckungsanspruchs des mitversicherten Fahrers gegen die Pflichtversicherung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens wirkt nicht zugleich gegen die Versicherungsnehmerin, der kein vorsätzliches Handeln zur Last fällt (vgl. BGH VersR 1971, 239; OLG Köln VersR 1982, 383; OLG Hamm, NJW-RR 1993,1180; OLG Hamm, Urt. v. 15.06.2005, Az.: 13 U 63/05, Rn. 11 – zitiert nach juris).

Die Haftungsfreistellung der Beklagten zu 1) gegenüber der Beklagten zu 2) käme daher nur dann in Betracht, wenn die Beklagte zu 2) selbst Mittäterin oder Gehilfin der Vorsatztat des Beklagten zu 3) war. In Bezug auf die Tat des Beklagten zu 3), d.h. das Rammen des Dienstfahrzeuges, ist dies hier jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Verzug ist mit Ablauf der im Schreiben vom 04.11.2010 gesetzten Frist, mithin mit Ablauf des 24.11.2010 eingetreten.

3.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten gesamtschuldnerisch auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu. Es handelt sich insofern um erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten. Die Haftung dem Grunde nach ergibt sich aus den oben unter I.1. dargestellten Gründen.

II.

Die Kostenentscheidungen beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 100 Abs. 4 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Streitwert: 6.408,79 €.

 

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