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Verkehrsunfall – für ein manipuliertes Unfallgeschehen sprechende Indizien

OLG Hamm – Az.: 11 U 44/19 – Anerkenntnisurteil vom 12.02.2020

Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.03.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.682,31 EUR festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aufgrund eines behaupteten Verkehrsunfallgeschehens vom 06.04.2018 in N in Anspruch. Über das Schadensereignis gibt es eine polizeiliche Unfallmitteilung. Als Unfallbeteiligte wurden der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) pflichtversicherten Pkw X, amtl. Kz.: YYY, und der Sohn der Klägerin, der Zeuge T, mit dem Pkw Z, amtl. Kz.: XXX, aufgenommen. Der Zeuge T und der Beklagte zu 1) sind nach dem erstinstanzlichen Klagevortrag weitläufig miteinander verwandt und befreundet.

Der Pkw Z war am 28.10.2017 mit einem massiven Vorschaden erworben worden. Das Fahrzeug war nicht mehr fahrbereit, die Reparaturkosten beliefen sich nach einem privaten Schadensgutachten auf 12.293,55 EUR netto bei einem Wiederbeschaffungswert von 16.500,00 EUR. Nach dem Erwerb erlitt das Fahrzeug unter Führung des Zeugen T am 23.01.2018 und 03.03.2018 zwei weitere Unfälle. Die Schäden aus dem Unfall vom 23.01.2018 wurden von der  M-Versicherung reguliert. Wegen des Unfallereignisses vom 03.03.2018 klagt die Klägerin auf Schadenersatz vor dem Amtsgericht Marl (Az.: 23 C 239/18).Über die bei dem hier streitgegenständlichen Ereignis angeblich entstandenen Schäden existiert ein Schadensgutachten der DEKRA. Die Klägerin verlangt auf der Grundlage dieses Gutachtens von den Beklagten Reparaturkosten in Höhe von 4.924,61 EUR netto, einen Ausgleich für die Wertminderung von 100,00 EUR, den Ersatz der Gutachterkosten von 627,70 EUR sowie eine Unkostenpauschale von 30,00 EUR.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, sie sei Eigentümerin des verunfallten Z. Sie habe das Fahrzeug von einer Frau B gekauft. Mit diesem Fahrzeug habe ihr Sohn am 06.04.2018 gegen 16.40 Uhr die D- Allee in N befahren. Er habe das Fahrzeug verkehrsbedingt vor einer roten Ampel abbremsen müssen, der Beklagte zu 1) sei mit massiver Wucht auf das Fahrzeug aufgefahren.

Die Beklagte zu 2) ist dem Beklagten zu 1) im Wege der Nebenintervention beigetreten. Sie hat das Eigentum der Klägerin an dem Pkw Z bestritten. Ferner hat sie geltend gemacht, der behauptete Verkehrsunfall habe sich nicht ereignet. Sofern es tatsächlich zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen sei, sei diese von den Fahrzeugführern verabredet worden. Jedenfalls aber beruhten die geltend gemachten Schäden nicht auf dem streitgegenständlichen Ereignis vom 06.04.2018. Der Beklagte zu 1) hat sich nicht gegen die Klage verteidigt.

Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil die Klägerin weder ihre Eigentümerstellung noch ihren Besitz an dem Pkw Z nachgewiesen habe. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidungsgründe und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs.1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Verkehrsunfall - für ein manipuliertes Unfallgeschehen sprechende Indizien
(Symbolfoto: Von New Africa/Shutterstock.com)

Sie rügt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör mit der Begründung, das Landgericht habe den Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt und die angebotenen Zeugen nicht vernommen. Sie habe in der Klageschrift unter Beweisantritt vorgetragen, das Fahrzeug selbst von einer Frau B aus N gekauft zu haben. Damit habe sie den Eigentumserwerb schlüssig dargestellt. Dies gelte auch in Bezug auf ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung, nach dem der Zeuge T das Fahrzeug für sie erworben habe. Das Geschäft sei so abgelaufen, dass der Zeuge T das Fahrzeug von dem Sohn der Frau B gekauft habe. Der Zeuge T sei zwar im Kaufvertrag als Käufer aufgeführt worden, tatsächlich habe der Zeuge T jedoch als ihr Vertreter gehandelt. Da sie selbst nicht vor Ort gewesen sei, sei man davon ausgegangen, dass der Zeuge T als Käufer in den Kaufvertrag habe eingetragen werden müssen. Jedenfalls aber habe der Zeuge das Fahrzeug an sie übergeben und sie seien darüber einig gewesen, dass das Fahrzeug in ihrem Eigentum stehen solle. Vorsorglich habe Zeuge T sämtliche Ansprüche aus dem Unfallereignis an sie abgetreten, sie habe die Abtretung angenommen. Die Beklagte zu 2) ist dem Beklagten zu 1) auch für das Berufungsverfahren als Nebenintervenientin beigetreten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 5.682,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hiervon 627,70 EUR an die DEKRA Automobil GmbH die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beantragt auch für den Beklagten zu 1), die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Die Beklagte zu 2) verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie macht geltend, die Klägerin könne in der Berufung ihren Vortrag zur Aktivlegitimation nicht ergänzen. Zuletzt hat sie die Wirksamkeit der Abtretung in Abrede gestellt und das Eigentum des Zeugen T an dem Pkw Z sowie die Echtheit des im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Kaufvertrags vom 28.10.2017 bestritten.

Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört. Ferner hat er Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen T. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den Berichterstattervermerk zur Sitzung vom 22.01.2020 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage auf der Grundlage des erstinstanzlichen Streitstoffs mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klage hat auch unter Berücksichtigung des ergänzenden und nach §§ 529 Abs.1 Nr.2, 533 ZPO in der Berufung zuzulassenden Vortrags keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aufgrund des Schadensereignisses vom 06.04.2018 Ansprüche gegen die Beklagten zu. Sie kann weder aus eigenem noch aus abgetretenen Recht gem. §§ 18 Abs.1 StVG, 823 Abs.1 BGB, 115 Abs.1 S.1 Nr.1, S.4 VVG von den Beklagten Schadensersatz verlangen. Der Senat ist nach eingehender Würdigung aller zum Schadenshergang gewonnener Erkenntnisse davon überzeugt, dass das Unfallereignis zwischen dem Zeugen T und dem Beklagten zu 1) abgesprochen war.

1. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Klägerin selbst keine Ansprüche aus dem Schadensereignis vom 06.04.2018 entstanden sind.

Anspruchsvoraussetzung nach §§ 18 Abs.1 i.V.m. 7 StVG und § 823 Abs.1 BGB ist, dass der Anspruchssteller im Zeitpunkt des Schadensfalls Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs gewesen ist, da Schadensersatzansprüche nur dem in dieser Rechtsposition Verletzten zustehen. Dass die Klägerin Eigentümerin des Pkw Z gewesen ist, kann nicht festgestellt werden. Der Erwerb des Eigentums an dem Fahrzeug ist durch die Klägerin schon nicht schlüssig vorgetragen worden; dies gilt auch dann, wenn ihr zweitinstanzlicher Vortrag uneingeschränkt und entgegen den Regeln der §§ 529 Abs.1, 531 Abs.2 ZPO berücksichtigt wird.

Die Klägerin kann sich hinsichtlich ihres Eigentums an dem beschädigten Fahrzeug nicht mit Erfolg auf die Vermutung des § 1006 Abs.1 S.1 BGB oder des § 1006 Abs.3 BGB berufen; dass sie nach §§ 929 ff BGB Eigentum erworben hat, kann nicht festgestellt werden.

Auch wenn die Vermutung des § 1006 BGB nur an den (mittelbaren) Besitz anknüpft, liegt es bei der Klägerin, nicht nur zu ihrer tatsächlichen Sachherrschaft über das Fahrzeug sondern nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast auch zu den Umständen ihres Besitz- und Eigentumserwerbs konkret und schlüssig vorzutragen. Andernfalls würde der außerhalb der maßgeblichen Geschehensabläufe stehenden Beklagten zu 2) jede Möglichkeit genommen, die Vermutung zu entkräften und den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) zu führen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.10.2013, Az.: 9 U 35/13, Tz. 6; OLG Hamm, Beschl. v. 01.02.2013, Az.: 9 U 238/12, Tz.5; jeweils veröffentlicht bei juris).

Die Klägerin ist ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Der Senat kann weder feststellen, dass sie Besitzerin des Fahrzeugs gewesen ist noch sind Umstände schlüssig dargetan, die den Erwerb des Eigentums durch die Klägerin nach §§ 929 ff BGB überhaupt nur nahelegen.

Aus dem Klagevortrag ergeben sich keine hinreichenden Indizien für den unmittelbaren Besitz der Klägerin an dem Fahrzeug. Indizien für die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug sind etwa die Umstände, wer das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren ist, wer die Fahrzeugschlüssel im Besitz hatte, wer es dem Schadensgutachter vorgestellt hat und auf wen die Zulassungsbescheinigung Teil II (KfZ-Brief) ausgestellt ist (vgl. Laws/Lohmeier/Vinke, jurisPk, § 7 StVG, Rn.208 – 210; OLG Sachsen-Anhalt; Urt. v. 02.02.2015, Az.: 12 U 105/14, Tz.30, juris).

Unstreitig ist die Klägerin das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht gefahren. Zu den oben dargestellten, weiteren Indizien für ihren Besitz hat die Klägerin nicht vorgetragen. Unterstellt werden kann lediglich, dass die Klägerin Halterin des Fahrzeugs gewesen ist, aus diesem Umstand allein ergibt sich aber nicht deren tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug.

Darüber hinaus ist der Klagevortrag zu der Frage des Eigentums- und Besitzerwerbs unschlüssig und in sich widersprüchlich geblieben. Die Klägerin hat in der Klageschrift behauptet, sie habe das Fahrzeug „selbst von einer Frau B“ gekauft. Im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat sie sodann geltend gemacht, der Zeuge T habe bei Abschluss des Kaufvertrags am 28.10.2017 als Stellvertreter (§§ 164 ff BGB) gehandelt, sie selbst sei bei dem Erwerb des Fahrzeugs nicht vor Ort gewesen. In der Berufung hat sie ihren Vortrag mit Vorlage eines schriftlichen Kaufvertrags abermals ergänzt und behauptet, das Fahrzeug sei von dem Sohn der Frau B in seiner Funktion als Vertreter der Verkäuferin veräußert worden. Der maßgebliche Tatsachenvortrag zu dem Handeln des Zeugen T als Stellvertreter der Klägerin erschöpft sich in dem Behaupten, die Klägerin habe den Zeugen T beauftragt, für „uns“ ein Fahrzeug zu erwerben. Dazu, dass der Sohn bei Abschluss des Kaufvertrages konkret in ihrem Namen gehandelt und die Stellvertretung offenkundig gemacht hat, hat sie indes nichts vorgetragen, dies gibt der in der Berufungsinstanz vorgelegte Kaufvertrag auch nicht her. Darin ist nämlich nur der Zeuge T als Käufer aufgeführt, dieser hat den Kaufvertrag im eigenen Namen ohne Hinweis auf die Vertretungsverhältnisse unterschrieben. Ferner hat der Zeuge T das Fahrzeug entgegen genommen und den Kaufpreis bar bezahlt. Danach ist davon auszugehen, dass der als Verkäufer bezeichnete L B das Fahrzeug an denjenigen i.S.d. § 929 BGB übereignen wollte, der sich ihm gegenüber als Vertragspartner geriert hat; dies war der Zeuge T. Auch ein nachträglicher Eigentumserwerb durch Einigung zwischen dem Zeugen T und der Klägerin und Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin ist nicht schlüssig vorgetragen. Dass es nach der Reparatur zu einer Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin in der Absicht gekommen ist, ihr das Eigentum daran zu verschaffen, ergibt sich weder aus dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch aus dem Vorbringen in der Berufungsinstanz. Letztendlich hat die Anhörung der Klägerin vor dem Senat ergeben, dass sie sich selbst tatsächlich nicht als Eigentümerin des Fahrzeugs gesehen hat. Auf Nachfrage des Vorsitzenden, an wen das Geld aus der Veräußerung des Fahrzeugs geflossen sei, hat die Klägerin angegeben, der Erlös sei an ihren Ehemann gegangen, der auch Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sein könne.

Das Landgericht ist schließlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin den Vermutungstatbestand des § 1006 Abs.3 BGB nicht schlüssig dargelegt hat. Davon abgesehen, dass sie nicht schlüssig zu dem Erwerb ihres Eigentums vorgetragen hat, fehlt jeder weitere Vortrag dazu, dass sie – etwa aufgrund einer Leihe – mittelbare Besitzerin (§ 868 BGB) des Fahrzeugs gewesen ist.

2.  Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auch nicht aus abgetretenem Recht des Zeugen T zu.

a)  Zwar ist die Klägerin gem. § 398 BGB aufgrund der schriftlichen Vereinbarung über die Abtretung der Ansprüche aus dem Schadenereignis vom 06.04.2018 aktivlegitimiert. Die Abtretung ist wirksam. Etwaige Ansprüche aus dem Schadensereignis sind dem Zeugen T entstanden, da dieser nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts sowie nach den vorstehenden Ausführungen unter Ziff.1 Eigentümer des Fahrzeugs gewesen ist. Die Beklagte zu 2) hat das Eigentum des Zeugen T nicht wirksam dadurch bestritten, dass sie die Echtheit der Kaufvertragsurkunde vom 28.10.2017 in Zweifel gezogen hat. Denn jedenfalls für den Zeugen T streitet die Vermutung des § 1006 Abs.1 BGB. Die tatsächliche Sachherrschaft des Zeugen T über das Fahrzeug sowie die für dessen Besitz- und Eigentumserwerb sprechenden Tatsachen ergeben sich aus dem Klagevortrag. Dieser Tatsachenvortrag kann durch das schlichte Bestreiten der Echtheit der Kaufvertragsurkunde nicht widerlegt werden. Die sich aus der Abtretung ergebenden Ansprüche kann die Klägerin in der Berufungsinstanz im Wege der Klageänderung gem. §§ 533, 529 Abs.1 ZPO geltend machen.

b)  Der Senat geht noch davon aus, dass der Schaden an dem Fahrzeug des Zeugen T gem. § 7 Abs.1 StVG durch den Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten Fahrzeugs entstanden ist und Gründe für einen Haftungsausschluss nach §§ 7 Abs.2, 17 Abs.3 StVG nicht vorliegen.

Daran, dass sich die Kollision der Fahrzeuge Z und X am 06.04.2018 vor der Kreuzung J- Allee/R–Allee in N tatsächlich ereignet hat, hegt der Senat keinen ernsthaften Zweifel. Das Schadensereignis ist von der Polizei aufgenommen worden, die grundsätzlich kompatible Schäden in der Unfallmitteilung festgehalten hat. Der Ablauf der Kollision ist von dem Zeugen T nachvollziehbar geschildert worden. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Fotografie des bei der Kollision beschädigten Fahrzeugs X (Bl.60 d.A.) – wie von der Klägerin und dem Zeugen T angegeben – nicht unmittelbar nach der Kollision entstanden ist. Nach der Fotografie hat das bei der Beklagten zu 2) versicherte Fahrzeug infolge der Kollision einen deutlich erkennbaren Schaden im Bereich des vorderen Stoßfängers erlitten. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Zeuge T und der Beklagte zu 1) mit einem derart vorgeschädigten Fahrzeug in N an einem Freitagnachmittag gegen 16.40 Uhr an einer belebten Kreuzung einen Unfallhergang vorgetäuscht haben und dies unbemerkt geblieben ist.

c)  Die Ersatzpflicht der Beklagten für den dem Zeugen T entstandenen Schaden ist jedoch ausgeschlossen, weil der Senat mit dem Maß des § 286 ZPO davon überzeugt ist, dass der Zeuge T in die Beschädigung seines Eigentums eingewilligt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt auch im Rahmen der Gefährdungshaftung der Rechtssatz „volenti non fit iniuria“, wonach davon auszugehen ist, dass demjenigen, der in die Beschädigung seines Rechtsguts durch einen anderen ausdrücklich einwilligt, kein ersatzfähiges Unrecht geschieht (BGH, Urteile v. 13.12.1977, Az.: VI ZR 36/76, Tz.9 f u. VI ZR 206/5, Tz.10, juris).

Die Beklagte zu 2) hat den ihr obliegenden Beweis geführt, dass der Zeuge T in die Herbeiführung des Schadens eingewilligt hat. Die Beklagte zu 2) hat gemäß den Anforderungen der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung an eine solche Beweisführung eine ungewöhnliche Häufung von für einen manipulierten Verkehrsunfall typischen Umständen angeführt, die in ihrer Gesamtschau vernünftigerweise nur den Schluss auf ein fingiertes Unfallgeschehen zulassen. Die einzelnen Indizien, auf die der Senat seine Überzeugung stützt, ergeben sich aus den dem Klageverfahren unstreitig zugrunde liegenden Tatsachen. Dabei mögen einige der Umstände, für sich betrachtet, auch einer anderen Erklärung zugänglich sein, in ihrem Zusammenwirken lassen sie vernünftigerweise jedoch nur den Schluss zu, dass der Zeuge T in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt und das Geschehen mit dem Beklagten zu 1) abgesprochen hat (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 374 f Tz.13). Der streitgegenständliche „Unfall“ stellt sich als Glied einer Kette von Geschehnissen dar, die sich durch Zufall nicht mehr erklären lassen.

aa)  Der Senat gründet seine Überzeugung im Einzelnen auf folgende Umstände:

(1) Die beteiligten Fahrer sind jedenfalls miteinander bekannt (vgl. OLG Hamm RuS 2001, 458), nach dem Vortrag der Klägerin auch befreundet, wobei sie vor dem Schadensereignis nicht gemeinsam unterwegs gewesen sein wollen. Die Kollision soll sich nach den Angaben des Zeugen T zufällig ereignet haben, erst dann habe man festgestellt, dass man sich kennt. Ein solcher Geschehensablauf ist zwar denkbar. Dass er sich tatsächlich so ereignet hat, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung jedoch äußerst unwahrscheinlich.

(2) Die Kollision ereignete sich durch ein einfaches Fahrmanöver (Auffahrunfall vor einer roter Ampel) mit mäßiger Geschwindigkeit. Letzteres schließt der Senat daraus, dass in keinem der beiden Fahrzeuge die Airbags ausgelöst haben, keiner der Fahrzeuginsassen ernsthaft verletzt worden ist und beide Fahrzeuge nach der Kollision zwar beschädigt aber grundsätzlich fahrbereit waren. Der Senat geht davon aus, dass der Zeuge T aufgrund seiner beruflichen Fachkenntnisse als Fahrzeugaufbereiter und der Tätigkeit in der Reparaturwerkstatt seines Vaters in der Lage ist, konkrete Vorstellungen darüber zu entwickeln, bei welcher Geschwindigkeit ein Auffahrunfall zu erheblichen Sachschäden führt, ohne dass ein ernst zunehmendes Verletzungsrisiko für die Fahrzeuginsassen besteht. Das Schadensereignis ist daher von seinen Auswirkungen her kontrollierbar gewesen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.03.2013, Az.: 6 U 167/12) und konnte deshalb an einem belebten Ort vor Zeugen inszeniert werden.

(3) Es stehen Unfallzeugen zur Verfügung, die von der Klägerin im Rechtsstreit zum Unfallhergang nicht benannt worden sind.

(4) Das Fahrzeug ist rd. 6 Monate vor dem Unfall von dem Zeugen T angeschafft worden und war seit dem Ankauf in Abstand von wenigen Wochen (23.01.2018; 03.03.2018 u. 06.04.2018) in drei Schadensereignisse verwickelt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 03.03.2004, Az.: 13 U 183/03; OLG Hamm, Urt. v. 02.10.1997, Az.: 6 U 104/97). Ein solcher Geschehensablauf ist zwar denkbar, er ist nach allgemeiner Lebenserfahrung allerdings äußerst unwahrscheinlich.

(5) Die Schäden aus allen Schadensereignissen sind fiktiv abgerechnet worden, die Reparatur ist in der familieneigenen Werkstatt kostengünstig erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 05.10.2010, Az.: 190/09, Tz.80; OLG Hamm, Urt. v. 02.10.1997, Az.: 6 U 104/97). Unmittelbar nach dem hier streitigen Geschehen ist das Fahrzeug repariert und veräußert worden.

(6) Das Fahrzeug ist mit einem kapitalen Vorschaden günstig erworben worden und unter Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen vom Ehemann der Klägerin repariert worden, belastbare Nachweise über die Reparatur liegen nicht vor. Der Vorschaden ist bei der Erstellung der Schadensgutachten nach den Ereignissen vom 21.01.2018 und 03.03.2018 nicht offenbart worden.

(7) Das Unfallfahrzeug, ein Z 1984 ccm Hubraum, 132 KW gehört der gehobenen Mittelklasse an (vgl. KG NZV 2008, 243), d.h. die Kosten einer fachgerechten Reparatur sind relativ hoch.

(9) Die nicht am Unfall beteiligte Klägerin wird mit sukzessiv ergänzten, nachgebesserten und dennoch widersprüchlich gebliebenen Vortrag als Eigentümerin des geschädigten Fahrzeugs präsentiert, obwohl – außer ihrer Haltereigenschaft – keinerlei objektive Anhaltspunkte für ihre Eigentümerstellung sprechen.

(10) Der Beklagte zu 1) hat sich in dem Verfahren nicht zur Sache eingelassen. Er ist zum Senatstermin trotz Ladung nicht erschienen. Dabei lässt es der Senat dem Beklagten zu 1) ausdrücklich nicht zum Vorwurf gereichen, dass er den Schadenshergang nicht in Abrede gestellt hat. Auffällig ist hingegen, dass der Beklagte zu 1) keine Veranlassung sieht, den im Raum stehenden Betrugsvorwurf auszuräumen. Die beschriebene Passivität des verursachenden Unfallgegners ist in Rechtsstreitigkeiten, die einen fingierten Verkehrsunfall zum Gegenstand haben, die Regel.

bb)  Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau ist der Senat namentlich wegen der unter den vorstehenden Ziff. (1), (4) und( 9) aufgeführten Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um ein abgesprochenes Geschehen handelt. Auffällig ist, dass sich in dem Schadensgeschehen die unter den Ziff. (1) und (4) genannten Zufallsereignisse realisiert haben, deren Eintritt jeweils für sich genommen schon äußerst unwahrscheinlich und deren kumuliertes Auftreten in einem Geschehen nach dem Dafürhalten des Senats ausgeschlossen ist. Es mag noch möglich sein, dass Bekannte zufällig in einen Verkehrsunfall verwickelt sind. Deutlich unwahrscheinlicher ist es, dass ein Fahrzeug unter Führung desselben Fahrers in einem Zeitraum von weniger als vier Monaten in drei unverschuldete Verkehrsunfälle verwickelt wird. Dass beide der vorgenannten Umstände in dem Schadensereignis vom 06.04.2018 zusammengetroffen sind, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Hinzu kommt die unter Ziff. (9) erwähnte Form der Prozessführung und der in Ziff.II.1. des Urteils ausführlich dargestellte widersprüchliche Vortrag der Klägerin zu den Fragen ihres Eigentums an dem Fahrzeug und dessen Erwerb. Der in jedem Schriftsatz der Klägerin ergänzte und geänderte Vortrag ist nur damit erklärbar, dass die Klägerin die wahren Eigentumsverhältnisse an dem Fahrzeug verschleiern wollte, sei es um den tatsächlichen Fahrzeugeigentümer als Zeugen in das Verfahren einbringen zu können oder um sich eine etwaige Absprache zwischen den Unfallbeteiligten nicht zurechnen lassen zu müssen. Des Weiteren hatte der Senat im Rahmen der Gesamtschau die übrigen unter den Ziff. (2), (3), (5) – (8) und (10) genannten Kriterien in den Blick zu nehmen, die das sich aufdrängende Bild eines abgesprochenen Unfalls abrunden. Insbesondere die unter den Ziff. (5), (6), (7) und (10) genannten Umstände sind nach der Erfahrung des Senat mit ähnlich gelagerten Fällen typisch für ein fingiertes Unfallgeschehen.

Die vorgenannten, eindeutig für eine Unfallmanipulation sprechenden Indizien werden weder dadurch entkräftet, dass sich in den unfallbeteiligten Fahrzeugen Beifahrer befanden noch dadurch, dass das von dem Beklagten zu 1) geführte Fahrzeug vordergründig nicht dem „typischen“ Verursacherfahrzeug eines fingierten Unfallgeschehens entspricht. Die Anwesenheit der Beifahrer widerspricht im vorliegenden Fall nicht einem manipulierten Unfallgeschehen, weil die Kollision mit mäßiger Geschwindigkeit erfolgt ist, weshalb das Verletzungsrisiko für alle am Geschehen beteiligten Personen gering gewesen ist. Darüber hinaus spricht nach den Angaben des Zeugen T nichts dafür, dass es sich bei dem unfallgegnerischen Volvo V 50 um ein werthaltiges Fahrzeug gehandelt hat. Der Zeuge hat angegeben, das Fahrzeug sei keinesfalls neu gewesen; im Übrigen hat das Fahrzeug offenbar keinen schweren Schaden erlitten. Vor allem spricht nicht gegen die Annahme eines abgesprochenen Schadensereignisses, dass der Zeuge T das Unfallgeschehen vor dem Senat in sich widerspruchsfrei und schlüssig geschildert hat. Denn die Kollision hat sich auch nach Überzeugung des Senats tatsächlich so ereignet, wie von dem Zeugen bekundet; insoweit entsprachen die Angaben des Zeugen zum konkreten Schadenshergang der Wahrheit.

3.  Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1, 101 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

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