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Verkehrsunfall – Geltendmachung Rentenminderungsschaden

OLG Bamberg – Az.: 5 U 63/17 – Beschluss vom 12.07.2017

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 09.03.2017, Az. 12 O 339/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Senat beabsichtigt weiter, dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 67.685,00 € festzusetzen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16.08.2017.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte weitergehenden Ersatz materieller und immaterieller Schäden aus einem Verkehrsunfall geltend. Der Kläger bezieht seit 1.7.2015 eine Altersrente in Höhe von monatlich 890,00 € netto. Der Kläger meint, die Beklagte müsse ihm den Rentenminderungsschaden ersetzen, der dadurch entstanden sei, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund aufgrund falscher Angaben der Beklagten die Pflichtbeiträge bei der Beklagten nicht regressiert habe. Der Kläger sei auch aktivlegitimiert, weil zum Unfallzeitpunkt keine Rentenversicherungspflicht des Klägers bestanden hätte.

Ferner begehrt der Kläger ein weitergehendes Schmerzensgeld von 4.000,00 € aufgrund der Erneuerung des künstlichen Gebisses, das er unfallbedingt erhalten hat, sowie ein Abwesenheitsgeld von 385,00 € für die Zahnarztsitzung.

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des in der Berufung noch anhängigen Teils mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger für die Geltendmachung eines Rentenminderungsschadens wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs gem. § 119 SGB X die Aktivlegitimation fehle. Schmerzensgeld hat es lediglich in Höhe von 1.500,00 € für angemessen erachtet und zugesprochen. Abwesenheitsgeld könne dem Kläger mangels Anspruchsgrundlage nicht erstattet werden. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter, soweit er unterlegen ist.

Er beantragt:

1. unter Abänderung des am 9.3.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Aschaffenburg, Az. 12 O 339/16, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 14.400,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9.9.2016,

2. unter Abänderung des am 9.3.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Aschaffenburg, Az. 12 U 339/16, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 1.7.2016 eine monatliche vorauszahlbare Rente von 1.200,00 € zu bezahlen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem ersten eines jeden Monats bis zum Ableben des Klägers,

3. die Beklagte zu verurteilen, weitere 2.885,50 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 30.4.2014 zu bezahlen.

Zur Begründung seines Rechtsmittels vertritt der Kläger die Rechtsansicht, dass er hinsichtlich des Rentenminderungsschadens aktivlegitimiert sei. Die Beklagte hätte vorsätzlich und rechtswidrig Zahlungen an die Deutsche Rentenversicherung verweigert. Eine Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund vor dem Sozialgericht auf Zahlung einer höhere Rente oder Regressierung der Beiträge bei der Beklagten sei genausowenig erfolgversprechend wie eine zivilrechtliche Schadensersatzklage gegen die Deutsche Rentenversicherung gem. § 839 BGB vor dem Zivilgericht. Der Kläger sei nicht versicherungspflichtig gewesen, weil er ab Oktober 1998 in das Beamtenverhältnis übernommen worden wäre. Daher sei die Deutsche Rentenversicherung Bund nicht verpflichtet gewesen, die Beitragszahlungen bei der Beklagten zu regressieren. Zudem habe die Beklagte ihre Haftung für den Körperschaden des Klägers bestritten. Es sei dem Kläger daher nicht zuzumuten, gegen die Deutsche Rentenversicherung zu prozessieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 03.05.2017 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil des Landgerichts Aschaffenburg erweist sich nach Überprüfung durch den Senat anhand des Berufungsvorbringens im Ergebnis wie in der Begründung als zutreffend. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird vorab vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils verwiesen. Mit Blick auf die Berufungsangriffe sind folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:

1. Für die Frage, ob dem Kläger die Aktivlegitimation wegen des behaupteten Rentenminderungsschadens zusteht, ist von folgenden rechtlichen Grundlagen auszugehen: Soweit ein Anspruch auf etwa unfallbedingt (bisher) nicht geleistete Rentenversicherungsbeiträge besteht, geht dieser nach § 119 SGB X auf den Rentenversicherungsträger über. § 119 SGB X in der Fassung vom 1.1.2001 ist aufgrund der Rückwirkungsregelung in § 120 Abs. 1 S. 1 SGB X im Streitfall anwendbar. Danach erfolgt ein Anspruchsübergang des Sozialversicherten auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung auf den Rentenversicherungsträger, wenn der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten nachweisen kann, oder danach pflichtversichert wird. Es handelt sich hier um eine im Verhältnis zu § 116 SGB X eigenständige Legalzession. Der Anspruch geht vollständig auf den Rentenversicherungsträger als Treuhänder über, dem Geschädigten verbleibt nicht etwa eine Art Einzugsermächtigung; er kann weder aus eigenem Recht noch in gewillkürter Prozessstandschaft des Sozialversicherungsträgers klagen. Steht fest, daß der Geschädigte aufgrund des Schadensereignisses geringere Rentenbeiträge zahlt, so hat der Schädiger sämtliche Rentenbeiträge zu ersetzen, auch wenn eine nachteilige Beeinflussung späterer Renten durch den Beitragsausfall noch gar nicht feststeht. Der Ausgleichsanspruch entsteht bereits mit dem Auftreten der Beitragslücke; prinzipiell reicht allein die Möglichkeit einer Rentenverkürzung für das Entstehen des Ersatzanspruches aus (vgl. nur: BGH NJW 1987,S. 3179; VersR 1992, S. 367; VersR 1995, S. 1076/1077; jeweils m.w.N.). Der aktuelle Schaden des Geschädigten liegt in der Beitragsverkürzung. Da allein in der Beitragsverkürzung ein Schaden liegt, der einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Rentenversicherungsbeiträge gewährt, kommt es auf die Darlegung des Klägers zu einem tatsächlich eintretenden zukünftigen Schaden aufgrund der verkürzten Rentenbeiträge nicht an. Der Rentenversicherungsträger ist zur Durchsetzung des Anspruchs auf Ersatz von Pflichtbeiträgen – allein – aktivlegitimiert. Kommt der Rentenversicherungsträger seiner sozialrechtlichen Pflicht zum Einzug der Beiträge nicht nach und kommt es daher zu einer Rentenminderung, hat der Geschädigte keinen persönlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger, sondern allenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen den Rentenversicherungsträger, der auf Gutschriften auf dem Beitragskonto gerichtet und vor dem Sozialgericht geltend gemacht werden muss. Durch den vollständigen Ersatz unfallbedingt ausgefallener Pflichtbeiträge im Rahmen der Haftung wird der Schaden ausgeglichen und erfüllt der Schädiger seine Schadensersatzpflicht. Das Beitragskonto weist im Ist-Verlauf dieselben Pflichtbeiträge wie im Soll-Verlauf aus. Ein Anspruch auf Ersatz einer Rentenminderung kommt daneben nicht mehr in Betracht (OLG Celle VersR 2013, 1052, OLG München NZS 2012, 862, Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, Rdnrn. 44 und 763, 12. Aufl. m. w. N. aus der Rechtsprechung; Jahnke, Der Verdienstausfallschaden im Schadensersatzrecht, 3. Aufl, Rn. 955, BGH, VersR 2004,492 – insbesondere juris-Rdnr. 15).

Verbleibt gleichwohl eine Rentenminderung, weil der Rentenversicherungsträger – aus welchen Gründen auch immer – den Beitragsanspruch nicht oder nicht in der gerechtfertigten Höhe durchsetzt, steht dem Verletzten nur ein Schadensersatzanspruch gegen den Rentenversicherungsträger zu, der im sozialgerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden muss (vgl. OLG Celle, Az. 14 U 193/10, Rn. 194, zit. nach juris).

Dass der Kläger hier im Zeitpunkt des Unfallereignisses bereits Pflichtbeitragszeiten vorzuweisen hatte, ergibt sich aus der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verfahren vor dem LG Aschaffenburg, Az. 1 O 626/05 mit Schriftsatz vom 18.03.2013 vorgelegten Bescheinigung über den Rentenverlauf (s. Bl. 788). Danach wies der Kläger bis zum Unfall bereits 11 Monate Pflichtbeitragszeiten auf.

2. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes und des Abwesenheitsgeldes hat das Landgericht richtig entschieden. Der Senat nimmt insoweit auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.

3. Bei dem Schriftzug auf der Klageerwiderung handelt es sich um eine Unterschrift im Sinne des § 130 Nr. 6 ZPO. Es handelt sich bei dem Schriftzug um eine vollständige Namensunterschrift und nicht um eine Paraphe. Die Lesbarkeit oder die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben ist nicht entscheidend, sondern es kommt darauf an, dass der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird (vgl. BGH VersR 2015, 1045 Rn. 11). Das ist hier der Fall. Zweifel an der Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestehen nicht, da dieser vor dem Landgericht seine Urheberschaft bestätigt hat. Weitergehende Zweifel an der Urheberschaft hat die Berufung nicht aufgezeigt. Im übrigen hätte sich ein etwaiger Mangel der Form nicht ausgewirkt, weil in der mündlichen Verhandlung ein Klageabweisungsantrag gestellt wurde und die teilweise Klageabweisung aus Rechtsgründen und nicht aus tatsächlichen Gründen erfolgt ist.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führten, bestehen nicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von § 47 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen sein (14.400,00 € + 50.400,00 € ((1.200,00 €x 12 Monate x 3,5)) + 2885,00 €).

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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