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Verkehrsunfall – Grundurteil bei Zahlungsantrag und unbezifferten Feststellungsantrag

OLG München – Az.: 20 U 3169/19 – Urteil vom 04.12.2019

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 09.05.2019, Az. 52 O 2333/18, mit dem Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 102.189,94 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach einem Unfall vor einem Reitstall des Beklagten geltend. Außerdem begehrt sie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihr alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen.

Der Beklagte verteidigte sich erstinstanzlich vor allem damit, dass ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 BGB vorliege.

Im Übrigen wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht erließ am 09.05.2019 ein Grundurteil, wonach der Anspruch der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Unfall dem Grunde nach gerechtfertigt sei.

Der Beklagte legte gegen das ihm am 18.05.2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 17.06.2019, per Telefax eingegangen am selben Tage, Berufung ein. Diese begründete er nach Fristverlängerung bis zum 16.08.2019 mit Schriftsatz vom 13.08.2019, eingegangen am selben Tage. Er ist der Auffassung, dass das angefochtene Grundurteil unzulässig sei und hält den Sachvortrag der Klägerin für unschlüssig.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Landshut vom 09.05.2019, Az. 52 O 2333/18, wie folgt abzuändern: Die Klage wird abgewiesen.

Hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 20.08.2019 (Bl. 25/28, Bd. II) wies der Senat die Parteien darauf hin, dass das angefochtene Grundurteil unzulässig sei, außerdem ein unzulässiges Teilurteil vorliege und regte die Entscheidung im schriftlichen Verfahren an. Die Parteien stimmten dem jeweils mit Schriftsatz vom 14.10.2019 zu. Am 16.10.2019 beschloss der Senat gem. § 128 Abs.2 ZPO, dass er im schriftlichen Verfahren entscheiden werde.

II.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Landshut war gem. § 538 Abs.2 Satz 1 Nr.4 und 7 ZPO mit dem Verfahren aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, weil das Grundurteil unzulässig ist und zugleich ein „verdecktes“ und gleichfalls unzulässiges Teilurteil vorliegt.

1. Da die Voraussetzungen des § 304 ZPO nicht vorlagen, ist das Grundurteil verfahrensfehlerhaft erlassen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2019 – VII ZR 103/16; BGH, Urteil vom 09.11.2006, VII ZR 151/05 = NJW-RR 2007, 305; beck-online). Im vorliegenden Fall wurden aber nicht nur Zahlungsanträge gestellt, sondern in Ziffer 4 wurde beantragt, der Klägerin „alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund des Schadensereignisses … künftig noch entstehen werden“. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einer nicht bezifferten Feststellungsklage ein Grundurteil wesensgemäß ausscheidet (BGH, Urteil vom 27. 1. 2000, IX ZR 45/98 = NJW 2000, 1572, beck- online; Zöller – Vollkommer, 31. Aufl., § 304 Rn.2 m.w.N.). Es konnte hier daher kein umfassendes Grundurteil ergehen. Allenfalls hätte das Erstgericht ein Teil- Grundurteil und Teil- Endurteil (letzteres bezüglich des Feststellungsantrags) erlassen können.

Hat – wie hier – das Gericht in derartigen Fällen dennoch (nur) ein „Grundurteil“ erlassen, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darin in der Regel nicht zugleich der Erlass eines stattgebenden Feststellungsurteils (BGH, Urteil vom 22.07.2009, XII ZR 77/06 = NJW 2009, 2814, beck-online; Zöller a.a.O.). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht bzw. nicht eindeutig, dass die Erstrichterin zugleich ein Endurteil bezüglich des Feststellungsantrags erlassen wollte.

2. Damit stellt das „Grundurteil“ zugleich ein „verstecktes“ Teilurteil im Sinne von § 301 ZPO dar. Dieses ist gleichfalls unzulässig, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2009, XII ZR 77/06 = NJW 2009, 2814, beck-online; Zöller – Vollkommer, 31. Aufl., § 301 Rn.2). Dies betrifft namentlich die Frage eines Mitverschuldens der Klägerin, die das Erstgericht im Rahmen der Leistungsklage verneint hat, über die aber im Rahmen des Feststellungsurteils erneut entschieden werden müsste.

3. Der Senat hat von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht, weil nach Abwägung der Parteiinteressen der Verlust einer Tatsacheninstanz schwerer wiegen würde als eine eventuell schnellere Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz.

III.

1. Eine Kostenentscheidung ist im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung nicht veranlasst, weil die abschließende Kostenentscheidung dem Erstgericht vorbehalten ist.

2. Auch aufhebende und zurückverweisende Urteile sind gem. § 708 Nr.10 Satz 1 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil nur dadurch eine eventuell eingeleitete Vollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil einzustellen ist (vgl. §§ 775 Nr.1, 776 ZPO).

IV.

Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.1 Nr.1 ZPO zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 S.1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt, im Übrigen handelt es sich nur um eine Einzelfallentscheidung.

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