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Verkehrsunfall – hälftige Haftung

LG Duisburg – Az.: 1 O 288/16 – Urteil vom 18.05.2018

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.357,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 18.07.2014 auf der  Straße 40 in   unter Zugrundelegung eines 50 prozentigen Haftungsanteils der Beklagten zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 68,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2016 zu zahlen.

Die Klage wird hinsichtlich der Anträge zu 1. und 4. im Übrigen und hinsichtlich des Antrags zu 5. in Höhe von 68,60 EUR nebst Zinsen abgewiesen.

Im Übrigen ist die Klage unter Zugrundelegung eines 50 prozentigen Haftungsanteils der Beklagten gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall, der sich am 18.07.2014 gegen 18:00 Uhr auf der   Straße auf Höhe des Hauses Nr. 40 in   ereignet hat.

Der Kläger war Eigentümer eines Motorrads der Marke Suzuki, Typ GSX-R 750, amtliches Kennzeichen   . Die Beklagte zu 1. war Halterin eines Pkw Ford Mondeo mit dem amtlichen Kennzeichen   , das bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist.

Die   Straße war am Unfalltag in jede Fahrtrichtung auf jeweils einer Fahrspur befahrbar. Die Straßenmitte war im Bereich der dort verlaufenden Straßenbahngleise mittels gelber Fahrbahnmarkierungen als Sperrfläche markiert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen in der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft   , Az.  , verwiesen (Bl. 11 ff. EA).

Die Beklagte zu 1. befuhr die   Straße vor dem Kläger. Der Kläger, der außer einem Helm keine Schutzbekleidung trug, näherte sich dem Beklagtenfahrzeug aus gleicher Fahrtrichtung von hinten. Die Beklagte zu 1. lenkte ihr Fahrzeug aus ihrer Fahrtrichtung nach links, um über die Sperrfläche hinweg auf einen auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Supermarkt-Parkplatz zu fahren. Im Bereich der markierten Sperrfläche kam es zu einer Kollision zwischen den Fahrzeugen. Der Kläger wurde über das Fahrzeug der Beklagten hinweggeschleudert. Die Einzelheiten des Unfallhergangs sind zwischen den Parteien überwiegend streitig.

Im Zusammenhang mit den Sachschäden an dem Motorrad entstand dem Kläger ein Schaden von 6.580,39 EUR. Wegen der genauen Zusammensetzung wird auf S. 5 der Klageschrift vom 28.09.2016 Bezug genommen (Bl. 5 GA). Für das Abschleppen des beschädigten Motorrads musste der Kläger 137,20 EUR aufwenden (vgl. Bescheid Bl. 68 GA).

Der Kläger erlitt bei dem Unfall verschiedene Verletzungen, insbesondere eine Radiusfraktur linksseitig mit Weichteilschäden im Frakturbereich, eine Schnittverletzung des rechten Mittelfingers auf Höhe des Endgliedes mit Durchtrennung der Strecksehne, eine offene Fermurschaftfraktur rechts und eine Patellamehrfragmentfraktur rechts. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 6 f. der Klageschrift vom 28.09.2016 Bezug genommen (Bl. 6 f.GA).

Der Kläger wurde zunächst sechs Tage im Klinikum Niederrhein stationär behandelt. Vom 23.07.2014 bis zum 21.08.2014 und vom 17.08.2016 bis zum 24.08.2016 wurde er stationär in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik   stationär behandelt. Nach dem Verlassen des Krankenhauses war der Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen. Insgesamt musste sich der Kläger 13 Operationen unterziehen.

Der Kläger beauftragte vorgerichtlich seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, die ihm für ihre außergerichtliche Tätigkeit 2.217,45 EUR in Rechnung stellten.

Die Beklagte zu 2. vertrat vorgerichtlich die Auffassung, die Beklagten seien nur zum Ersatz des Schadens zu einer Quote von 30 % verpflichtet; sie zahlte auf den Sachschaden 1.932,42 EUR, ein Schmerzensgeld von 300,00 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 334,75 EUR an den Kläger.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten würden allein für die Folgen des Unfalls haften. In diesem Zusammenhang behauptet er, er sei mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h in einigem Abstand zur Beklagten auf dem rechten Fahrstreifen auf der Straße gefahren. Der Verkehr habe sich aufgrund einer Baustelle auf der Autobahn BAB  zurückgestaut. Vor dem Fahrzeug der Beklagten habe es eine Lücke gegeben. Die Beklagte habe ihr Fahrzeug ohne erkennbaren Grund an den rechten Fahrbahnrand gesteuert und dort angehalten. Dadurch habe sie ein Verkehrshindernis dargestellt; der Kläger habe deshalb sein Fahrzeug auf die Sperrfläche gelenkt, um an dem Fahrzeug der Beklagten vorbeizukommen. Er habe das Beklagtenfahrzeug mit ca. 50 km/h überholt. Plötzlich sei die Beklagte ohne Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers scharf nach links gefahren, um auf den Supermarkt-Parkplatz zu gelangen. Dieses Fahrmanöver sei für den Kläger unvorhersehbar gewesen, er habe keine Chance für ein Ausweichmanöver mehr gehabt. Bei der Kollision habe er sich das Bein eingeklemmt und sei über das Fahrzeug der Beklagten hinwegkatapultiert worden.

Der Kläger behauptet weiter, das verletzte Bein lasse sich nicht mehr über 90 Grad strecken; die verletzten Finger ließen sich nicht mehr beugen. Er sei infolge des Unfalls auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Er werde auch weiterhin vollständig arbeitsunfähig sein.  Die Verletzungen, der er infolge des Unfalls erlitt, wären auch eingetreten, wenn er Schutzkleidung getragen hätte.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, ihm den Eigenanteil von 360,00 EUR (36 x 10 EUR), den er unstreitig für seinen stationären Krankenhausaufenthalt gezahlt hat, zu ersetzen; allenfalls müsse er sich hiervon 5 EUR als ersparte Aufwendungen abziehen lassen.

Der Kläger behauptet weiter, er habe mit seiner damaligen Lebensgefährtin (die nunmehr seine Ehefrau sei) und seinem Kind am 22.03.2014 eine Reise nach Ägypten für den Zeitraum 28.07.2014 bis 18.08.2014 gebucht. Aufgrund des Unfallereignisses und der Krankenhausaufenthalte habe er die Reise nicht durchführen können. Seine Lebensgefährtin habe den Urlaub mit dem Kind aufgrund der Pflege des Klägers absagen müssen. Für die Urlaubsreise seien Kosten in Höhe von 2.907,00 EUR entstanden, wovon 969,00 EUR auf den Kläger entfallen seien (vgl. Reisebestätigung vom 22.03.2014, Bl. 67 GA). Eine Reiserücktrittsversicherung habe nicht bestanden.

Der Kläger behauptet weiter, seine Ehefrau sei infolge der Notwendigkeit, den Kläger zu pflegen, ein Verdienstausfallschaden von 400 EUR monatlich entstanden; für den Zeitraum von August 2014 bis Dezember 2015 ergebe dies einen Gesamtschaden von 6.800,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 10 der Klageschrift Bezug genommen (Bl. 10 GA).

Der Kläger ist außerdem der Meinung, die Beklagten seinen ihm zum Ersatz seines eigenen Verdienstausfalls verpflichtet, der sich monatlich auf 690,53 EUR belaufe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 28.09.2016 (Bl. 11 f. GA) und auf den Schriftsatz vom 20.01.2017 (Bl. 160 f. GA) verwiesen.

Außerdem meint der Kläger, die Beklagte schulde ihm den Ersatz von Fahrtkosten, die seine Lebensgefährtin aufgewandt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen (Bl. 12 f. GA).

Der Kläger beantragt,

1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 4.606,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2014 zu zahlen;

2.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.882,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten;

3.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens aber restliche 29.700,00 EUR, zu zahlen;

4.  festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 18.07.2014 auf der   Straße 40 in   zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;

5.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 10.124,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

6.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.053,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

7.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine Verdienstausfallrente von 690,53 EUR monatlich, zahlbar vierteljährlich im Voraus, beginnend ab dem 01.10.2016, zu zahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten zum Unfallhergang, im Kopf der Beklagten sei – ebenso wie bei anderen Anwohnern – verankert gewesen, dass man wie vor Anbringung der Sperrmarkierung an der betreffenden Stelle links auf den Parkplatz fahren dürfe. Die Beklagte habe sich zur Mitte eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Vor dem Ausscheren habe sie sich mit doppelter Rückschau vergewissert, keinen anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Der Kläger sei nicht unmittelbar hinter der Beklagten gefahren, sondern sei bereits im Bereich der letzten zurückliegenden Kreuzung auf den gesperrten linken Fahrstreifen gewechselt, um die aufgestauten Fahrzeuge links zu überholen. Er habe versucht, auch die Beklagte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h zu überholen.

Der Kläger hätte die schweren Verletzungen und die Verletzungsfolgen nicht erlitten, wenn er Schutzkleidung getragen hätte.

Die Beklagten sind der Auffassung, der Kläger müsse sich gegenüber dem im Rahmen des Krankenhausaufenthalts gezahlten Eigenanteil seine anderweitig ersparten Aufwendungen anrechnen lassen.

Die Fahrtkosten seien ebenfalls nicht erstattungsfähig. Drei tägliche Besuche seien für die Heilung des Klägers nicht erforderlich gewesen. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass die Lebensgefährtin des Klägers diesen nach Bad Ems gefahren und dort jedes Wochenende besucht habe. Im Übrigen seien die Kosten zu hoch angesetzt.

Die Beklagten erklären sich zum Vortrag des Klägers bezüglich der Urlaubsreise und des Verdienstausfalls der Ehefrau mit Nichtwissen.

Die Beklagten bestreiten, dass bei dem Kläger ein unfallbedingter Verdienstausfall eingetreten sei. Sie halten die Erwerbsprognose des Klägers für schlecht. Aus dem Lebenslauf des Klägers ergebe sich eine wechselhafte und unstete Erwerbsbiographie. Er habe – was unstreitig ist – die Schule ohne Abschluss verlassen und danach nach der Behauptung der Beklagten erst nach 11 Jahren einen Beruf erlernt. Auch sei er abgesehen von seiner Ausbildungszeit dauerhaft arbeitslos gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger ohne den Unfall zukünftig ein Erwerbseinkommen erzielt hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 8 ff. der Klageerwiderung vom 16.12.2016 verwiesen (Bl. 118 ff. GA).

Die Akten Staatsanwaltschaft  , Az.  , lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Klageschrift ist den Beklagten jeweils am 04.11.2016 zugestellt worden. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2017 (Bl. 199 ff. GA) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.   vom 21.11.2017 (Bl. 269 ff. GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Kammer legt den Klageantrag zu 4. dahingehend aus, dass dieser sich allein auf zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfallereignis bezieht. Das ergibt sich im Vergleich zu den anderen geltend gemachten Anträgen. Zwar würde der Antrag seinem Wortlaut nach auch die bereits mit den übrigen Klageanträgen geltend gemachten Ansprüche, nämlich auch die bislang entstanden Schäden, umfassen. Die Stellung eines derart weitgehenden Antrags liegt jedoch ersichtlich nicht im Interesse des Klägers, weil die Klage insoweit offensichtlich teilweise unzulässig und damit teilweise abzuweisen wäre. Erkennbar geht es dem Kläger nur um die Feststellung zur Verpflichtung zum Ersatz zukünftiger Schäden.

II.

Die Kammer hatte gemäß § 301 Abs. 1 S. 1 u. S. 2, § 304 ZPO durch Grund- und Teilurteil zu entscheiden, weil die mit der Klage geltend gemachten Leistungsansprüche zwischen den Parteien nach Grund und Höhe streitig sind und alle Ansprüche zwar dem Grund nach bestehen, die Klage aber nur bezüglich der Sachschäden, der Abschleppkosten und der Krankenhauszuzahlungen, jeweils nebst Zinsen, entscheidungsreif ist. Im Übrigen ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, weil die Höhe des zu erstattenden Betrages vom Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme abhängt. Über den Antrag zu 4. war ebenfalls durch Teil-Endurteil zu entscheiden, um die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen hinsichtlich des Haftungsgrundes zu vermeiden (OLG Köln, Urteil vom 09.04.2002 – 3 U 166/01 – juris).

III.

Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht   ist sachlich gemäß §§ 23, 71 GVG und örtlich gemäß § 20 StVG, § 32 ZPO zuständig, weil der Streitwert 5.000,00 EUR übersteigt und der Unfallort im Bezirk des angerufenen Gerichts liegt.

Der Kläger verfügt auch über das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bezüglich des Antrags zu 4. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Vom Bestehen eines solchen Feststellungsinteresse ist auszugehen, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet, oder sich der Beklagte eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil in Folge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Ein solch schutzwürdiges Interesse ist bezüglich des Antrags zu 4. darin zu sehen, dass nach dem Vortrag des Klägers die Möglichkeit künftiger, noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Schäden besteht. Ohne die Erhebung der Feststellungsklage müsste der Kläger den vermeintlichen Haftungsgrund in einem späteren Prozess ggf. erneut nachweisen; auch bestände die Gefahr, dass die Ansprüche zu dem späteren Zeitpunkt bereits verjährt sind.

IV.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie dem Grunde nach teilweise gerechtfertigt.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von restlichen 1.357,77 EUR (Sachschäden) und 68,60 EUR (Abschleppkosten) gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 u. 2. StVG, §§ 113, 115 VVG. Hinsichtlich der nicht entscheidungsreifen Leistungsanträge ist die Klage dem Grunde nach teilweise gerechtfertigt.

a) Die Ansprüche des Klägers bestehen dem Grunde nach.

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten zu 1. folgt aus § 7 Abs. 1 StVG, weil sie die Halterin des unfallbeteiligten Pkw war, bei dessen Betrieb das Eigentum des Klägers beschädigt und dessen Gesundheit verletzt worden ist. Die Beklagte zu 2. haftet dem Kläger gemäß §§ 113, 115 VVG, weil das Fahrzeug der Beklagten zu 1. bei ihr haftpflichtversichert war. Aber auch der Kläger haftet seinerseits für die Folgen des Unfalls, weil er der Halter des ebenfalls an dem Unfall beteiligten Motorrads war. Der Unfall war auch für keine Partei unabwendbar, weil jede Partei durch Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und Befolgung der Straßenverkehrsvorschriften den Unfall vermieden hätte.

Steht danach die grundsätzliche Haftung der Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leisteten Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1 u. 2 StVG). Besonderes Gewicht kommt dabei dem jeweiligen Verschulden der Parteien zu. Grundsätzlich muss sich jede Partei die sie treffende Betriebsgefahr zurechnen lassen. Eine alleinige Haftung einer Partei kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Verursachungsbeitrag bzw. das Verschulden der Partei derart schwerwiegend ist, dass dahinter die Haftung des anderen Beteiligten vollständig zurücktritt; das setzt in der Regel ein weit überwiegendes oder alleiniges Verschulden der Partei voraus. Im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge kann das Gericht allerdings nur solche Tatsachen zugrunde legen, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen feststehen.

Gemessen an diesen Grundsätzen haften die Parteien für die Folgen des Unfalls je zur Hälfte. Beide Parteien haben den Unfall durch Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung schuldhaft herbeigeführt.

aa) Die Beklagte hat beim Abbiegen auf den Supermarkt-Parkplatz gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss sich derjenige, der in ein Grundstück abbiegen möchte, so verhalten, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das erfordert es, dass der Abbiegende seine Absicht zum Abbiegen rechtzeitig anzeigt, indem er den Fahrtrichtungsanzeiger setzt, sich links einsortiert und seine Geschwindigkeit ausreichend reduziert; außerdem ist er gehalten, sich unmittelbar vor dem Abbiegen durch eine doppelte Rückschau zu vergewissern, dass er den Abbiegevorgang gefahrlos durchführen kann. Diesen Sorgfaltsanforderungen hat das Verhalten der Beklagten nicht genügt.

Die Beklagte hat sich zunächst schon nach ihrem eigenen Vortrag nichts linksseitig einsortiert. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung geschildert, dass sie „eher rechts eingeordnet“ stand, weil sie eine Ausholbewegung unternommen habe. Die Kammer versteht dies dahingehend, dass die Zeugin von der Fahrstreifenmitte aus ein Stück nach rechts versetzt stand, bevor sie den Abbiegevorgang eingeleitet hat. Dem stehen die Angaben des Klägers nicht entgegen. Dieser hat im Rahmen seiner eigenen informatorischen Anhörung angegeben, er könne den genauen Abstand zum Bordsteinrand nicht angeben, es wäre aber „wohl“ nicht ausreichend Platz gewesen, um die Tür vollständig vor dem Bordsteinrand zu öffnen; aus der Unsicherheit des Klägers lässt sich entnehmen, dass sich das Beklagtenfahrzeug nicht äußerst rechtsseitig auf der Straße befunden haben kann.

Desweiteren steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte keine ausreichende Rückschau gehalten hat, bevor sie in das Grundstück abgebogen ist. Es fragt sich bereits, ob die Beklagte selbst ausreichend dargelegt hat, den Anforderungen nachgekommen zu sein; sie gab an, in den Rückspiegel gesehen zu haben, ob sie darüber hinaus in den Seitenspiegel gesehen hat, wisse sie nicht mehr. Ungeachtet dessen ist allerdings erwiesen, dass die Rückschau der Beklagten nicht ausreichend gewesen ist, weil sie das herannahende Klägerfahrzeug nach eigenen Angaben nicht gesehen haben will, obwohl dieses nach den Feststellungen des Sachverständigen für die Beklagte erkennbar gewesen sein muss. Der Sachverständige   hat ausgeführt, dass die Beklagte das Motorrad bei konzentrierter Rückschau sowohl durch den Schulterblick als auch im Außenspiegel hätte erkennen können. Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugen. Anhang der Simulationsbilder, die der Sachverständige angefertigt hat, ist die Sichtbarkeit des Motorrads für die Beklagte ohne weiteres nachvollziehbar. Dabei ist der Sachverständige auch von den richtigen Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Insbesondere ist er zu Recht zugrunde gelegt, dass sich das Motorrad über die Sperrfläche genähert hat, weil dies wiederum zur Überzeugung des Gerichts feststeht (s.u.). Soweit der Sachverständige bei der Abstandsberechnung einen maximalen Abstand von 67 m zugrunde gelegt hat, war auch dies zutreffend; ein solcher maximaler Abstand ergibt sich bei Einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h. Die Kammer kann bei ihrer Entscheidung jedenfalls nicht von einer höheren Geschwindigkeit des Klägerfahrzeugs ausgehen. Soweit die Beklagte eine Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h behauptet hat, ist ihr der entsprechende Nachweis nicht gelungen. Keiner der Zeugen konnte eine entsprechende Geschwindigkeit bekunden; sie selbst will das Klägerfahrzeug nicht gesehen haben; anhand der Unfall- und Schadensspuren hat der Sachverständige auch nur eine Geschwindigkeit von bis zu 60 km/h ermitteln können. Im Falle einer geringeren Geschwindigkeit des Klägerfahrzeugs hätte sich dieses im Zeitpunkt des Abbiegens noch näher an dem Beklagtenfahrzeug befunden und wäre erst recht erkennbar gewesen. Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen haben die Parteien nicht vorgebracht.

Soweit der Kläger angab, die Beklagte habe keinen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt, ist ihm der diesbezügliche Nachweis nicht gelungen. Zwar haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge   angegeben bzw. bekundet, dass die Beklagte keinen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Diese Angaben besitzen aber keine ausreichende Überzeugungskraft, um die Kammer von der Wahrheit der klägerischen Behauptung zu überzeugen. Sie stehen nämlich im Widerspruch zu den Angaben der Beklagten, die angegeben hat, den Fahrtrichtungsanzeiger vor dem Abbiegen gesetzt zu haben. Die Kammer sieht sich außerstande zu entscheiden, welche der Parteien bzw. Zeugen in diesem Punkt die Wahrheit gesagt haben. Für die Behauptung der Beklagten spricht allerdings, dass der Zeuge   – auch wenn er sich im Rahmen seiner Vernehmung daran nicht mehr erinnern konnte – nur drei Tage nach dem Unfall in seinem Vermerk niedergelegt hat, dass die Beklagte einen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte (Bl. 71 EA). Der Zeuge hatte von seiner Position aus einen guten Blick auf die Unfallstelle. Es leuchtet auch ein, dass der Zeuge auf derartige Details geachtet hat, weil er als Polizeibeamter genau weiß, auf welche Details es nach einem Unfallereignis ankommen kann. Auch weißt er als neutraler Zeuge eine besondere Glaubwürdigkeit auf, weil er keinerlei Interesse an dem Obsiegen der einen oder anderen Partei hat; das wird noch unterstrichen durch den Umstand, dass er erkennbar für keine Seite Partei ergriffen hat, sondern die Verkehrsverstöße beider Parteien ohne Über- oder Untertreibungen benannt hat. Dass der Zeuge sich nach Jahren nicht mehr an das entsprechende Detail erinnert, ist auch ohne weiteres erklärbar und ist nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage in Zweifel zu ziehen.

bb) Desweiteren hat die Beklagte gegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 295, 298 der Anlage 2 zur § 41 StVO verstoßen, indem sie unstreitig zum Erreichen des Supermark-Parkplatzes eine durchgezogene Linie und die Sperrfläche überfahren hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob in ihrem Kopf noch verankert gewesen sei, dass man an der Unfallstelle auf den Parkplatz abbiegen dürfe. Es mag sein, dass vor dem Unfall ein Abbiegen in das Grundstück erlaubt gewesen ist. Am Unfalltag war dies jedenfalls nicht mehr der Fall; das Verbot wurde durch die Anbringung der Fahrbahnmarkierung ausreichend deutlich angebracht. Dass die Beklagte diese nicht gesehen hätte, hat sie schon selbst nicht vorgetragen; im Übrigen würde eine entsprechende Unaufmerksamkeit sie auch nicht entlasten.

cc) Aber auch der Kläger muss sich seinerseits Verstöße gegen Vorschriften der StVO entgegenhalten lassen. Dem Kläger ist zunächst ein Verstoß gegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 298 zu Anlage 2 zu § 41 StVO anzulasten. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger unter Missachtung der durch die gelbe Fahrbahnmarkierung angebrachten Verbote den gesperrten linken Fahrstreifen benutzt hat, wobei er eine Vielzahl an anderen Fahrzeugen überholt hat. Damit ist zugleich die Behauptung des Klägers widerlegt, er sei lediglich unmittelbar vor dem Fahrzeug der Beklagten, das ein Hindernis dargestellt habe, auf die Sperrfläche ausgewichen, um an dem Beklagtenfahrzeug vorbeizukommen.

Das ergibt sich zunächst aus der Aussage des Zeugen   . Der Zeuge hat angegeben, gesehen zu haben, wie der Kläger an mindestens 10 Fahrzeugen über die Sperrfläche vorbeigefahren ist. Die Aussage des Zeugen   ist überzeugend. Wie ausgeführt, hatte der Zeuge einen guten Blickwinkel, um die Geschehnisse wahrzunehmen. Er konnte von seiner Position den Anfahrtsweg des Klägers genau beobachten. Er hat detailliert den Hergang des Verkehrsunfalls geschildert. Seine Aussage ist plausibel und widerspruchsfrei. Sie ist über einen langen Zeitraum konstant, weil sie mit dem Vermerk übereinstimmt, den der Zeuge unmittelbar nach dem Unfall gegenüber der Ermittlungsbehörde gefertigt hat (Bl. 70 GA). Dass der Zeuge sich nicht auf seine Aussage mit dem Vermerk vorbereitet hat und dessen Inhalt schlicht wiederholt, ergibt sich daraus, dass der Zeuge in seiner Vernehmung angab, sich an Details (den gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger) nicht mehr erinnern zu können; das zeigt, dass der Zeuge sich seiner Erinnerungen bzw. Erinnerungslücken bewusst ist. Der Zeuge steht dem Ausgang des Rechtsstreits neutral gegenüber.

Hinzu kommt, dass eine Aussage im Einklang steht mit den Angaben der weiteren neutralen Zeugen. Sowohl der Zeuge   als auch die Zeugen   und   gaben an, hinter sich hinter dem Beklagtenfahrzeug im stockenden Verkehr befunden zu haben, als sie links von dem Kläger mit seinem Motorrad überholt worden seien. Deren Aussagen sind jeweils glaubhaft. Auch sie konnten die wesentlichen Hergänge ausreichend detailliert und widerspruchsfrei beschreiben. Sie sind ebenfalls neutral und haben kein Interesse an dem Obsiegen der Beklagten im Prozess. Die Aussagen lassen sich widerspruchsfrei zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen, wenn der Kläger – wie von der Beklagten behauptet – über die Sperrfläche an der Fahrzeugkolonne vorbeigefahren ist.

Demgegenüber sind die Angaben des Klägers, er sei hinter der Beklagten gefahren und zwischen den Parteien hätte sich kein anderes Fahrzeug befunden, in seiner informatorischen Anhörung unglaubhaft. Die Angabe des Klägers steht zunächst im Widerspruch zu den Aussagen der vorgenannten Zeugen, mit denen sie sich nicht in Einklang bringen lässt. Die Aussage ist aber auch in sich widersprüchlich: Der Kläger gab zunächst an, es sei viel Verkehr gewesen („Stop-and-Go“); dennoch soll zwischen ihm und der Beklagten ein Abstand von 50 bis 100 m bestanden haben. Vor dem Beklagtenfahrzeug sollen noch 3-4 Autolängen Platz gewesen sein. Letztere Angabe änderte er später nach einem Vorhalt des Gerichts sogar dahingehend, dass dort noch mehr Platz gewesen sein soll. Wenn aber derart dichter Verkehr gewesen wäre, wie ihn der Kläger selbst und auch alle anderen Beteiligten geschildert haben (Rückstau, „Stop and Go“), können derart große Lücken nicht vorgelegen haben, weil die Fahrzeuge dann typischerweise zueinander aufschließen und sich sodann nur langsam voran bewegen. Auch ist ein Fahren mit 50 km/h dann nicht möglich. Aber auch die Geschichte des Klägers zu seinem Ausweichvorgang ist unplausibel und widersprüchlich. So gab er an, die Beklagte habe ihr Tempo stark reduziert und angehalten, sodass er reflexartig nach links ausweichen musste. Bremslichter will der Kläger aber nicht gesehen haben. Diese müssen aber aufgeleuchtet haben, wenn die Beklagte abrupt abgebremst hat; dass die Bremslichter defekt gewesen seien, hat der Kläger nicht behauptet. Auch kann es nicht zutreffen, dass er mit 50 km/h in einem Abstand von 50 bis 100 m zu dem vorausfahrenden Beklagtenfahrzeug gefahren sein will, dass er aber habe ausweichen müssen, um ein Auffahren zu verhindern; bei diesen Geschwindigkeiten und Abständen hätte er ausreichend Platz gehabt, um sein Fahrzeug hinter der Beklagten zum Stillst and zu bringen. Ebenfalls nicht überzeugend war seine ursprüngliche Angabe, dass er in eine Lücke von 3-4 Fahrzeugen vor dem Beklagtenfahrzeug einfahren wollte, aber beim Überholen noch mit 50 km/h gefahren sei; bei dieser Geschwindigkeit wäre ein Einfahren in die Lücke nicht mehr möglich gewesen, ohne mit dem voranfahrenden Fahrzeug zu kollidieren. Soweit er auf den entsprechenden Vorhalt dann angab, vor dem Beklagtenfahrzeug sei eine größere Lücke gewesen, wertet die Kammer dies als reine Schutzbehauptung, um seinen falschen Sachvortrag zu relativieren. Schließlich ist es auch gänzlich unplausibel, dass der Kläger das angebliche Ausweichmanöver „reflexartig“ einleitet, ohne zugleich sein eigenes Fahrzeug abzubremsen; bei dem von ihm behaupteten Hergang würde jedermann zusätzlich zu dem Ausweichen auch ein Bremsmanöver einleiten. Bereits aufgrund dieser Widersprüche und Ungereimtheiten geht die Kammer davon aus, dass der Kläger bewusst die Unwahrheit gesagt hat, um zu verschleiern, dass er über die Sperrfläche an der Kolonne vorbeigefahren ist. Seine Motivation ist ohne weiteres darin zu sehen, dass er einer Kürzung seines Anspruchs aufgrund seiner Mitverursachung vermeiden will.

Auch die Aussage des Zeugen   ist nicht geeignet, den Klägervortrag zu stützen. Der Zeuge   hat zwar – ebenso wie der Kläger – bekundet, der Kläger sei zunächst hinter der Beklagten auf dem rechten Fahrstreifen gefahren und erst direkt vor dem Unfall auf den Sperrstreifen gewechselt. Die Aussage ist aber ebenfalls unglaubhaft. Sie steht zunächst im Widerspruch zu den überzeugenden Aussagen der anderen Zeugen (s.o.). Sie steht aber auch teilweise im Widerspruch zu den eigenen Angaben des Klägers. Während der Kläger angab, die Beklagte habe ihre Geschwindigkeit so stark reduziert, dass er habe ausweichen müssen, gab der Zeuge an, sie sei lediglich langsamer geworden, sodass der Kläger auch hätte abbremsen könne; nicht einmal ein starkes Abbremsen sei nötig gewesen. Unter Zugrundlegung dieser Geschichte wäre aber das „reflexhafte“ Ausweichmanöver des Klägers nicht mehr erklärlich. Auch bzgl. der Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs widersprechen sich die Angaben des Klägers und des Zeugen. Während der Kläger angab, die Beklagte habe ihr Fahrzeug nahezu angehalten, bekundete der Zeuge, es sei weiter mit 30 km/h gefahren. Letzteres wiederum hätte allerdings in einer Stop-and-Go Situation keinen Anlass zu einem Überholvorgang gegeben. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist außerdem eingeschränkt: Das Näheverhältnis zwischen dem Zeugen und dem Beklagten ist zwar kein genereller Anlass, an der Wahrheit der Aussage des Zeugen zu zweifeln; es ist aber geeignet, die ohnehin bestehenden Zweifel weiter zu verstärken. Hinzu kommt, dass die Kammer davon ausgeht, dass der Zeuge selbst die Sperrfläche befahren hat und damit seinerseits den gleichen Verkehrsverstoß begangen hat, wie der Kläger; dies mag für ihn ein weiterer Anlass sein, den Hergang falsch darzustellen. Dass der Zeuge ebenfalls die Sperrfläche befahren haben muss, ergibt si ch bereits daraus, dass er angab, hinter dem Kläger hergefahren zu sein. Auch haben zumindest die Zeugen   und   bekundet, von zwei Motorrädern auf der Sperrfläche überholt worden zu sein.

dd) Der Kläger hat außerdem gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen, weil er mit seinem Motorrad die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat. Er ist nämlich mit mindesten 58 km/h gefahren. Das ergibt sich aus den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, der diese Geschwindigkeit anhand der objektiven und von den Polizeibeamten nach dem Unfall gesicherten Spuren errechnet hat. Die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend und nachvollziehbar. Einwendungen hiergegen haben die Parteien nicht vorgebracht. Diese Feststellungen des Sachverständigen stehen im Einklang mit den Angaben der neutralen Zeugen, die überwiegend angaben, eine erhöhte Geschwindigkeit bei dem Klägerfahrzeug wahrgenommen zu haben, auch wenn sie sich auf eine genaue Geschwindigkeit nicht festlegen konnten. Steht allerdings diese Kollisionsgeschwindigkeit fest, ist zugleich erwiesen, dass der Kläger mindestens mit dieser Geschwindigkeit auch vor dem Unfall gefahren sein muss. Er selbst gab sogar an, noch „leicht vom Gas gegangen“ zu sein, sodass sich seine Geschwindigkeit etwas reduziert habe.

ee) Diese gegenseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge rechtfertigen eine Haftungsquote der Parteien von jeweils 50 %. Die Verursachungsbeiträge der Parteien und ihr Verschulden wiegen etwa gleich schwer. Soweit der Kläger angibt, er habe nicht damit rechnen können, dass das Fahrzeug der Beklagten nach links abbiegt, folgt die Kammer dem nicht. Die Kammer muss mangels entsprechendem gegenteiligem Nachweis davon ausgehen, dass die Abbiegeabsicht rechtzeitig angezeigt war. Deshalb misst die Kammer dem leicht rechtsorientierten Einsortieren keine besondere Bedeutung bei. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe wegen der durchgezogenen Linie darauf vertraut, dass die Beklagte diese nicht durchfahren werde. Der Kläger hat nämlich seinerseits in grob verkehrswidriger Weise eine Sperrfläche befahren, um den angestauten Verkehr zu überholen; wer derart rücksichtslos um des eigenen Vorankommens gegen Verkehrsregeln verstößt, kann nicht ernsthaft für sich in Anspruch nehmen, auf die Verkehrstreue anderer Verkehrsteilnehmer vertrauen zu dürfen. Das gilt umso mehr, als der Kläger sein gefährliches Fahrmanöver mit erhöhter Geschwindigkeit durchgeführt hat. Diese Verstöße wiegen etwa genauso schwer, wie die Verstöße der Beklagten. Zwar hat die Beklagte gegen eine besondere Sorgfaltspflicht verstoßen, indem sie nicht ausreichend Rückschau gehalten hat, was im Allgemeinen schwerer wiegt als der Verstoß des Klägers. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Sperrfläche das Befahren des linken Fahrstreifens verboten hat und unstreitig kein Gegenverkehr bestand, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass andere Verkehrsteilnehmer den Fahrtweg der Beklagten kreuzten, deutlich herabgesetzt war. Zwar durfte die Beklagte aufgrund ihres eigenen Verkehrsverstoßes auch ihrerseits nicht darauf vertrauen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer verkehrswidrig von hin ten links herannahte. Gleichwohl mildert die angeordnete Sperrfläche aus Sicht des Gerichts die Schwere des Verstoßes der Beklagten ab.

b) Der Umfang des zu ersetzenden Betrages richtet sich nach §§ 249 ff. BGB.

Der Anspruch des Klägers betraf zunächst die Sachschäden an seinem Motorrad, die der Kläger mit dem Antrag zu 1. geltend macht. Diese betrugen unstreitig 6.580,39 EUR. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Haftungsquote bestand ein Anspruch in Höhe von 3.290,19 EUR. Nach Abzug der bereits gezahlten 1.932,42 EUR (§ 362 Abs. 1 BGB) verbleibt der aus dem Tenor ersichtliche Restanspruch von 1.357,77 EUR. Hinsichtlich der darüberhinausgehenden Klageforderung ist die Klage unbegründet.

Des Weiteren umfasst der Anspruch die Abschleppkosten, die im Antrag zu 5. enthalten sind. Unstreitig betrugen die Abschleppkosten 137,20 EUR. Unter Zugrundelegung der Haftungsquote von 50% ergab sich ein Anspruch von 68,60 EUR. Hinsichtlich der darüberhinausgehenden Teilforderung ist die Klage unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm im Krankenhaus zu leistenden Zuzahlungen von 360,00 EUR. Zwar kann der Kläger grundsätzlich Erstattung von Zuzahlungen verlangen. Allerdings muss er sich zugleich im Rahmen der Vorteilsausgleichung diejenigen Beträge abziehen lassen, die er durch das schädigende Ereignis eingespart hat. Bei einem Erwachsenen schätzt die Kammer die tägliche Eigenersparnis auf 15-20 EUR pro Krankenhaustag (vgl. hierzu Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, 6. Teil, § 249 BGB, Rn. 498), sodass die Eigenersparnis die täglichen Krankenhauskosten (10 EUR) sogar übersteigen. Ein Anspruch des Klägers verbleibt nach Abzug der Eigenersparnis deshalb nicht; die Klage ist insoweit teilweise unbegründet.

c) Hinsichtlich der weitergehenden Leistungsanträge ist die Klage noch nicht entscheidungsreif. Der Umfang des zu ersetzenden Betrages muss im Rahmen der Beweisaufnahme weiter aufgeklärt werden, sodass insoweit lediglich durch Grundurteil zu entscheiden war.

2. Aus den unter Ziff. 1 a) genannten Gründen ist der Feststellungsantrag zu 4. in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist er unbegründet.

3. Der Zinsanspruch folgt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 288, 291 BGB. Hinsichtlich des Antrags zu 1. befanden sich die Beklagten erst ab dem 07.01.2015 in Verzug, nachdem sie mit Schreiben vom 06.01.2015 die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert haben (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dass den Beklagten zuvor eine Mahnung übersandt worden ist, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit die Klage mit den Hauptforderungen teilweise abgewiesen worden ist, besteht der Zinsanspruch mangels Hauptforderung ebenfalls nicht.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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