Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Unfall zwischen Fahrrad und Auto: Wer haftet, wenn der Radfahrer den Gehweg falsch benutzt?
- Wie kam es zum Unfall und zur Klage?
- Was genau wollte die Fahrradfahrerin vom Gericht?
- Was sagten die Autofahrerin und ihre Versicherung dazu?
- Die Entscheidung des Gerichts: Klage abgewiesen
- Warum entschied das Gericht so? Die detaillierte Begründung
- Keine weiteren Ansprüche und die Kosten des Verfahrens
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann darf man als Radfahrer den Gehweg nutzen und welche Risiken birgt das für die Haftung bei einem Unfall?
- Welche schwerwiegenden Konsequenzen kann es haben, wenn Radfahrer den Gehweg verbotswidrig und zusätzlich entgegen der Fahrtrichtung nutzen?
- Was bedeutet die Missachtung der Sorgfaltspflicht beim Einfahren von einem Gehweg auf die Fahrbahn für Radfahrer?
- Welche Rolle spielt die sogenannte Betriebsgefahr eines Autos bei einem Unfall mit einem grob regelwidrig fahrenden Radfahrer?
- Wann gilt ein Radfahrer bei einem Unfall als allein schuld und muss die gesamten Kosten tragen?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 O 23/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Frankfurt (Oder)
- Datum: 19.07.2024
- Aktenzeichen: 12 O 23/23
- Rechtsbereiche: Straßenverkehrsgesetz (StVG), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Versicherungsvertragsgesetz (VVG), Straßenverkehrsordnung (StVO), Zivilprozessordnung (ZPO)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Fahrradfahrerin, die nach einem Verkehrsunfall Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden von den Beklagten forderte und bereit war, sich eine Mithaftung von 50 % anrechnen zu lassen.
- Beklagte: Die Fahrerin und Halterin eines Pkw sowie die Haftpflichtversicherung dieses Pkw, die die Klageabweisung beantragten und argumentierten, der Unfall sei allein von der Klägerin verursacht und verschuldet worden.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin kollidierte als Fahrradfahrerin auf einem Gehweg mit einem aus einer Seitenstraße einfahrenden Pkw der Beklagten. Infolge des Unfalls erlitt die Klägerin Verletzungen und ihr Fahrrad wurde beschädigt.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage des Verfahrens war, ob die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall hatte und inwieweit die beteiligten Parteien ein Verschulden an dem Unfallereignis tragen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin den Unfall durch grob verkehrswidriges Verhalten selbst und allein verschuldet hat. Sie befuhr den Gehweg entgegen den Vorschriften der StVO, in falscher Richtung und missachtete ihre besondere Sorgfaltspflicht als Einfahrende von einem anderen Straßenteil. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges trat vollständig zurück, da die Fahrerin des Pkw alle Sorgfaltspflichten beachtet hatte.
- Folgen: Die Klägerin erhält keinen Schadensersatz für die geltend gemachten materiellen und immateriellen Schäden und muss die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Ihr Antrag auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden war ebenfalls unbegründet.
Der Fall vor Gericht
Unfall zwischen Fahrrad und Auto: Wer haftet, wenn der Radfahrer den Gehweg falsch benutzt?
Viele kennen es: Man ist mit dem Fahrrad unterwegs und fragt sich, ob man kurz den Gehweg benutzen darf, um schneller voranzukommen oder einer vielbefahrenen Straße auszuweichen. Doch was passiert, wenn es dabei zu einem Unfall kommt? Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Juli 2024 (Aktenzeichen: 12 O 23/23) beleuchtet genau solch einen Fall und gibt wichtige Antworten zur Schuldfrage.
Wie kam es zum Unfall und zur Klage?

Am Abend des 29. Oktober 2021, gegen 19:00 Uhr, war eine Frau mit ihrem Fahrrad auf dem Gehweg der S… S… unterwegs. Sie fuhr auf der linken Straßenseite, also entgegen der üblichen Fahrtrichtung für Fahrzeuge auf der Fahrbahn. Sie näherte sich der Einmündung des S…, einer kleineren Straße, die in die S… S… mündet. Wichtig zu wissen: Der Verkehr auf der S… S… hat Vorfahrt gegenüber dem Verkehr aus dem S…. Die Zufahrt vom S… auf die S… S… ist zusätzlich durch ein Stoppschild geregelt.
Zur gleichen Zeit fuhr eine Autofahrerin mit ihrem BMW aus dem S… und wollte in die S… S… einbiegen. Sie war sowohl die Fahrerin als auch die Halterin des Wagens, der bei einer Versicherungsgesellschaft haftpflichtversichert war. Genau im Einmündungsbereich kam es dann zur Kollision: Das Auto der Beklagten stieß mit dem Fahrrad der Klägerin zusammen.
Infolge des Unfalls stürzte die Fahrradfahrerin. Sie erlitt einen komplizierten Bruch am Schienbeinkopf des linken Beins, der operativ mit einer Platte versorgt werden musste (eine sogenannte Plattenosteosynthese), sowie eine Prellung der linken Hand. Sie musste daraufhin vom Unfalltag bis zum 8. November 2021 im Krankenhaus bleiben. Auch ihr Fahrrad wurde bei dem Unfall beschädigt. Als die Fahrradfahrerin Schadensersatz von der Haftpflichtversicherung des Autos forderte, lehnte diese eine Zahlung ab. Die Begründung der Versicherung: Die Fahrradfahrerin sei allein schuld an dem Unfall. Daraufhin reichte die Fahrradfahrerin Klage beim Gericht ein.
Was genau wollte die Fahrradfahrerin vom Gericht?
Die Klägerin (also die Person, die die Klage eingereicht hat) war der Meinung, der Unfall sei für sie unvermeidbar gewesen. Sie räumte zwar ein, dass sie den Gehweg benutzt hatte, und war deshalb bereit, eine Mitschuld von 50 % zu akzeptieren. Sie erklärte, dass sie wegen des Unfalls bis zum 27. April 2022 nicht arbeiten konnte und ihr Bein für mindestens 18 Wochen nicht belasten durfte. In dieser Zeit sei sie vollständig auf fremde Hilfe angewiesen gewesen.
Angesichts dieser schweren Folgen forderte sie ein sogenanntes Schmerzensgeld – das ist eine Entschädigung für erlittene Schmerzen und Beeinträchtigungen – von mindestens 7.500 Euro. Davon sollten ihr die Autofahrerin und deren Versicherung die Hälfte, also mindestens 3.750 Euro, erstatten. Zusätzlich verlangte sie Ersatz für entstandene Kosten, wie zum Beispiel für das beschädigte Fahrrad, in Höhe von 3.016,38 Euro. Auch hier forderte sie die Hälfte, also 1.508,42 Euro.
Die Fahrradfahrerin argumentierte weiter, dass ihre Verletzungen noch nicht vollständig ausgeheilt seien. Sie rechnete damit, dass in Zukunft weitere Kosten entstehen könnten, etwa für Psychotherapien. Außerdem sei eine weitere Operation notwendig, um die Metallteile im Bein wieder zu entfernen, und es bestehe die Gefahr einer Arthrose (ein Gelenkverschleiß) im betroffenen Bereich. Deshalb beantragte sie beim Gericht auch die Feststellung, dass die Autofahrerin und ihre Versicherung für alle zukünftigen materiellen (also sachlichen) und immateriellen (also nicht direkt in Geld messbaren, wie Schmerzen) Schäden haften müssen, die noch aus dem Unfall entstehen könnten. Dies sollte gelten, soweit die Kosten nicht von Sozialversicherungsträgern, wie der Krankenkasse, oder anderen Dritten übernommen werden. Ihre Forderungen richtete sie gegen die Autofahrerin und die Versicherung als sogenannte Gesamtschuldner. Das bedeutet, sie hätte sich aussuchen können, von wem sie das Geld verlangt, und die beiden Beklagten (also die Autofahrerin und die Versicherung) hätten sich dann untereinander einigen müssen, wer welchen Anteil zahlt.
Was sagten die Autofahrerin und ihre Versicherung dazu?
Die Autofahrerin und ihre Haftpflichtversicherung forderten, die Klage komplett abzuweisen. Ihr Argument: Der Unfall sei allein von der Fahrradfahrerin verursacht und verschuldet worden. Sie habe bei Dunkelheit, dunkel gekleidet, verkehrswidrig den Gehweg auf der falschen Straßenseite benutzt. Das sei ein klarer Verstoß gegen § 2 Absatz 5 der Straßenverkehrsordnung (kurz StVO – das ist das Regelwerk für den Verkehr in Deutschland). Dieser Paragraph besagt, dass Fahrräder grundsätzlich die Fahrbahn benutzen müssen und Gehwege nur in Ausnahmefällen, etwa für Kinder, freigegeben sind.
Zudem sei die Fahrradfahrerin, anstatt sich wegen ihrer gefährlichen Fahrweise besonders vorsichtig zu verhalten, ungebremst gegen die Seite des Autos gefahren, das bereits dabei war, die Einmündung zu überqueren. Die Fahrradfahrerin habe als jemand, der von einem anderen Straßenteil (dem Gehweg) auf die Fahrbahn einfahren wollte, eine besonders hohe Sorgfaltspflicht gehabt, wie es § 10 der StVO vorschreibt. Diese Pflicht habe sie missachtet.
Das Gericht hörte zur Klärung des Unfallhergangs zwei Zeugen und auch die Fahrradfahrerin selbst an.
Die Entscheidung des Gerichts: Klage abgewiesen
Das Landgericht Frankfurt (Oder) wies die Klage der Fahrradfahrerin vollständig ab. Das bedeutet, sie bekommt weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz für ihr Fahrrad oder andere Kosten. Im Gegenteil: Die Fahrradfahrerin muss die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist zudem vorläufig vollstreckbar. Das heißt, die Gegenseite könnte die ihr entstandenen Kosten von der Klägerin einfordern, müsste dafür aber eine Sicherheit hinterlegen.
Warum entschied das Gericht so? Die detaillierte Begründung
Das Gericht erklärte, dass die Klage zwar zulässig war – also alle formellen Voraussetzungen für ein Gerichtsverfahren erfüllt waren – aber in der Sache selbst unbegründet sei. Die Fahrradfahrerin habe keinen Anspruch auf den geforderten Schadensersatz. Warum nicht? Weil sie nach Überzeugung des Gerichts den Unfall durch ihr eigenes, grob verkehrswidriges Verhalten allein verschuldet hat.
Das Fehlverhalten der Fahrradfahrerin im Detail
Es war unbestritten, dass die Klägerin mit dem Fahrrad den Gehweg der S… S… befuhr. Das Gericht wertete dies als einen groben Verstoß gegen § 2 Absatz 5 der StVO. Nach dieser Vorschrift ist das Fahrradfahren auf Gehwegen nur Kindern bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr erlaubt, nicht aber Erwachsenen. Hinzu kam, dass die Klägerin auf der linken, also der falschen Seite der S… S… fuhr. Auch das stufte das Gericht als grob verkehrswidrig ein. Man stelle sich vor, auf einer Autobahn würde jemand in die falsche Richtung fahren – das ist ähnlich gefährlich und regelwidrig.
Keine Vorfahrt für die verbotswidrig fahrende Radfahrerin
Die Fahrradfahrerin glaubte, sie hätte Vorfahrt gegenüber dem Auto gehabt, das aus dem S… kam. Das Gericht sah das aber ganz anders. Zwar hat der Verkehr auf der Fahrbahn der S… S… grundsätzlich Vorfahrt. Aber: Diese Regel gilt nicht für einen Radfahrer, der verbotenerweise und in falscher Richtung auf dem Gehweg fährt. Für die Klägerin galt stattdessen § 10 der StVO. Diese Regelung betrifft das Einfahren von anderen Straßenteilen (wie einem Gehweg) in eine Fahrbahn. Wer das tut, muss sich so verhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer auf keinen Fall gefährdet werden. Man muss quasi warten, bis die Bahn frei ist.
Das Gericht zog sogar einen Vergleich zu Fußgängern heran: Da die Fahrradfahrerin den Gehweg benutzte, müsse sie sich an die Regeln für Fußgänger halten (§ 25 StVO). Das bedeutet, sie hätte die Straße nur überqueren dürfen, wenn absolut kein Verkehr kommt, denn Autos haben gegenüber Fußgängern (und damit auch gegenüber einem verbotswidrig auf dem Gehweg fahrenden Radfahrer) Vorrang.
Die Fahrradfahrerin gab bei ihrer Anhörung vor Gericht selbst zu, dass sie das Auto der Beklagten am Stoppschild des S… hatte stehen sehen, als sie mit dem Fahrrad auf die Einmündung zufuhr. Anstatt jedoch zu warten, bis das Auto abgefahren war, fuhr sie einfach weiter in den Einmündungsbereich hinein. Offensichtlich, so das Gericht, war sie fälschlicherweise davon ausgegangen, Vorfahrt zu haben. Dieses massive Missachten der Verkehrsregeln war so schwerwiegend, dass selbst die sogenannte Betriebsgefahr des Autos – also das allgemeine Risiko, das von jedem Fahrzeug im Verkehr ausgeht, selbst wenn der Fahrer alles richtig macht – vollständig hinter dem Fehlverhalten der Radfahrerin zurücktrat. Ob das Licht am Fahrrad der Klägerin an war oder nicht, spielte für die Entscheidung keine Rolle mehr, da die bereits festgestellten Verstöße so gravierend waren.
Die Autofahrerin handelte sorgfältig
Die Autofahrerin konnte das Gericht davon überzeugen, dass sie alle notwendigen Sorgfaltspflichten beachtet hatte, als sie aus dem S… in die S… S… einbog. Zwei Zeugen, die sich in einem Auto direkt hinter dem Fahrzeug der Beklagten befanden, sagten glaubhaft aus. Sie bestätigten, dass die Fahrradfahrerin ungebremst mit dem Auto kollidiert sei. Eine Zeugin beschrieb, dass es für sie so aussah, als hätte die Fahrradfahrerin einfach angenommen, sie könne fahren. Die Zeugin hatte gesehen, wie das Auto der Beklagten an der Einmündung hielt. Weil die S… S… von dort schlecht einsehbar war, tastete sich das Auto langsam in die Kreuzung hinein. Genau in diesem Moment sei die Fahrradfahrerin ungebremst gegen das Auto gefahren.
Der andere Zeuge gab an, das Auto der Beklagten habe beim Einfahren in die Kreuzung angefahren, was für ihn den logischen Schluss zuließ, dass es zuvor gestanden haben musste. Das Gericht folgte dieser Einschätzung. Die Autofahrerin durfte darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer, also auch die Fahrradfahrerin, an die Verkehrsregeln halten und nicht einfach von einem Gehweg auf die Fahrbahn fahren, ohne auf den Verkehr zu achten. Genau das tat die Klägerin aber nicht.
Warum kein Unfallgutachten nötig war
Für die Beurteilung des Unfalls war es nach Ansicht des Gerichts letztlich unerheblich, ob die Fahrradfahrerin gegen die vordere rechte Seite des Autos fuhr oder sich mit dem Fahrrad direkt vor der Front des Wagens befand, als es zur Kollision kam. Entscheidend war, dass die Klägerin in extrem grober Weise verkehrswidrig in den Einmündungsbereich eingefahren war, und das möglicherweise genau in dem Moment, als die Autofahrerin mit ihrem Fahrzeug anfuhr.
Deshalb musste das Gericht auch kein teures Unfallrekonstruktionsgutachten einholen, wie es die Klägerin beantragt hatte. Ein solches Gutachten hätte vielleicht die genaue Kollisionsstelle klären können, aber darauf kam es – wie gesagt – nicht mehr an, da die groben Verkehrsverstöße der Klägerin unstrittig waren und den Unfall allein verursacht hatten.
Keine weiteren Ansprüche und die Kosten des Verfahrens
Da das Gericht entschied, dass die Fahrradfahrerin den Unfall allein verschuldet hat und die Autofahrerin sowie ihre Versicherung somit nicht haften müssen, mussten auch die genaue Höhe des materiellen Schadens und des Schmerzensgeldes nicht mehr geklärt werden. Folglich war auch der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden unbegründet. Ohne einen Hauptanspruch auf Schadensersatz gibt es auch keinen Anspruch auf Zinsen, die die Klägerin ebenfalls gefordert hatte.
Auch neue Argumente, die die Anwälte der Beklagten kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung noch einreichten, spielten für die Entscheidung keine Rolle mehr und mussten nicht gesondert berücksichtigt werden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wie es § 156 der Zivilprozessordnung (kurz ZPO – das Regelwerk für Gerichtsverfahren in Zivilsachen) in bestimmten Fällen vorsieht, war nicht notwendig, da keine wichtigen Gründe dafür vorlagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens stützt sich auf § 91 der ZPO. Diese Regel besagt vereinfacht: Wer verliert, zahlt. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet sich in § 709 der ZPO.
Die Schlüsselerkenntnisse
Dieses Urteil zeigt deutlich: Wer als Erwachsener mit dem Fahrrad den Gehweg benutzt und dabei noch in die falsche Richtung fährt, trägt bei einem Unfall die volle Verantwortung – selbst wenn ein Auto beteiligt ist. Die Radfahrerin erhielt trotz schwerer Verletzungen keinen Schadensersatz, da sie durch das verbotene Fahren auf dem Gehweg und in falscher Richtung so grob gegen die Verkehrsregeln verstoßen hatte, dass ihre Schuld alle anderen Faktoren überwog. Das Gericht stellte klar: Wer sich nicht an grundlegende Verkehrsregeln hält, kann sich nicht auf Vorfahrtsrechte berufen und muss anderen Verkehrsteilnehmern aus dem Weg gehen. Die Entscheidung warnt alle Radfahrer eindringlich davor, „mal eben schnell“ den Gehweg zu nutzen, da dies bei einem Unfall zur vollständigen Haftung führen kann.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann darf man als Radfahrer den Gehweg nutzen und welche Risiken birgt das für die Haftung bei einem Unfall?
Grundsätzlich sind Gehwege für Fußgänger reserviert und dürfen von Radfahrern nicht befahren werden. Das Befahren des Gehwegs mit dem Fahrrad ist nur in wenigen, gesetzlich klar definierten Ausnahmefällen erlaubt.
Ausnahmen: Wann das Befahren des Gehwegs zulässig ist
Sie dürfen als Radfahrer den Gehweg nur nutzen, wenn eine der folgenden Situationen zutrifft:
- Kinder bis acht Jahre: Kinder, die das achte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, müssen den Gehweg benutzen.
- Kinder von acht bis zehn Jahren: Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren dürfen den Gehweg benutzen.
- Begleitpersonen: Erwachsene, die Kinder unter zehn Jahren mit dem Fahrrad begleiten, dürfen den Gehweg ebenfalls mitbenutzen. Dies dient dem Schutz der Kinder.
- Ausdrückliche Beschilderung: Wenn ein Verkehrsschild dies erlaubt. Dies ist der Fall bei:
- Zusatzzeichen „Radfahrer frei“: Dieses Zeichen unter einem Fußgängerwegschild erlaubt Radfahrern die Nutzung des Gehwegs.
- Gemeinsamer Geh- und Radweg: Ein blaues, rundes Schild, das einen Fußgänger und einen Radfahrer nebeneinander zeigt, weist auf einen gemeinsamen Weg hin.
- Getrennter Geh- und Radweg: Ein blaues, rundes Schild mit einer senkrechten Linie, die einen Fußgänger und einen Radfahrer voneinander trennt, kennzeichnet getrennte Bereiche.
Wichtig dabei ist immer: Selbst wenn die Nutzung des Gehwegs erlaubt ist, müssen Radfahrer stets besondere Rücksicht auf Fußgänger nehmen und ihre Geschwindigkeit anpassen. Fußgänger haben Vorrang und dürfen nicht gefährdet oder behindert werden. Bei Bedarf muss angehalten werden.
Risiken für die Haftung bei einem Unfall auf dem Gehweg
Das unerlaubte Befahren eines Gehwegs birgt erhebliche Risiken für die Haftung bei einem Unfall. Stellen Sie sich vor, Sie verursachen einen Unfall auf dem Gehweg, obwohl Sie dort nicht fahren durften.
- Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO): Die unerlaubte Nutzung des Gehwegs ist ein klarer Verstoß gegen grundlegende Verkehrsregeln. Die StVO legt fest, wer wo fahren darf, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten.
- Erhöhtes Haftungsrisiko: Kommt es zu einem Unfall, während Sie den Gehweg unerlaubt nutzen, wird dies als schwerwiegendes Fehlverhalten Ihrerseits gewertet. Ihre Haftung für entstandene Schäden ist dann deutlich höher. Es wird angenommen, dass Sie durch Ihr Fehlverhalten die Gefahr für den Unfall erst geschaffen oder erheblich erhöht haben.
- Mitverschulden oder Alleinschuld: Im Falle eines Unfalls kann Ihnen ein erhebliches Mitverschulden oder sogar die Alleinschuld zugerechnet werden. Das bedeutet:
- Wenn Sie als Radfahrer jemanden verletzen oder fremdes Eigentum beschädigen, müssen Sie für die entstandenen Schadensersatzansprüche (z.B. Reparaturkosten, Arztkosten, Verdienstausfall) und möglicherweise Schmerzensgeld in vollem Umfang oder zumindest zu einem sehr großen Teil aufkommen.
- Ihre eigenen Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, die Ihnen durch den Unfall entstanden sind, können stark gemindert oder sogar ganz entfallen, selbst wenn der Unfallgegner ebenfalls eine Teilschuld trägt.
Für Sie als Radfahrer bedeutet dies, dass die Missachtung der Regeln auf dem Gehweg nicht nur zu Bußgeldern führen kann, sondern im Falle eines Unfalls weitreichende finanzielle Konsequenzen haben kann. Das unerlaubte Befahren des Gehwegs ist ein Risiko, das die Rechtsprechung im Schadensfall sehr ernst nimmt.
Welche schwerwiegenden Konsequenzen kann es haben, wenn Radfahrer den Gehweg verbotswidrig und zusätzlich entgegen der Fahrtrichtung nutzen?
Wenn Radfahrer den Gehweg nutzen, obwohl dies nicht erlaubt ist, und dabei auch noch entgegen der Fahrtrichtung fahren, handelt es sich um eine Kombination aus zwei schwerwiegenden Verkehrsverstößen. Diese doppelte Missachtung der Regeln wird von Gerichten in Deutschland als besonders riskant und fahrlässig eingestuft. Die Konsequenzen können weit über ein einfaches Bußgeld hinausgehen und sowohl finanzielle als auch rechtliche Folgen nach sich ziehen.
Hohe Bußgelder und Punkte in Flensburg
Zunächst einmal ist das Fahren auf dem Gehweg für Radfahrer grundsätzlich verboten, es sei denn, es ist ausdrücklich durch Schilder erlaubt (z.B. „Radfahrer frei“ oder „Radweg“). Das Fahren entgegen der Fahrtrichtung ist auf Straßen und Radwegen, wo Gegenverkehr nicht explizit zugelassen ist, ebenfalls untersagt. Die Kombination dieser beiden Verstöße führt in der Regel zu höheren Bußgeldern, als wenn nur ein Verstoß vorliegen würde. Zusätzlich können für solche schwerwiegenden Verkehrsregelbrüche auch Punkte im Fahreignungsregister (Flensburg) eingetragen werden. Dies kann sich negativ auf Ihre Fahrerlaubnis für andere Fahrzeuge auswirken, selbst wenn Sie „nur“ mit dem Fahrrad unterwegs waren.
Erhebliche zivilrechtliche Haftung bei einem Unfall
Die wohl gravierendste Konsequenz entsteht, wenn es zu einem Unfall kommt. Ein Radfahrer, der auf dem Gehweg entgegen der Fahrtrichtung fährt, schafft eine extreme und unvorhersehbare Gefahrensituation. Andere Verkehrsteilnehmer, wie Autofahrer oder Fußgänger, müssen an dieser Stelle nicht mit einem Radfahrer rechnen, schon gar nicht aus der „falschen“ Richtung.
In einem solchen Fall wird dem Radfahrer eine sehr hohe, oft alleinige Schuld am Unfall zugesprochen. Dies hat weitreichende finanzielle Folgen:
- Schadensersatzpflicht: Der Radfahrer ist verpflichtet, den gesamten Schaden zu ersetzen, der durch den Unfall entstanden ist. Dazu gehören Reparaturkosten für beteiligte Fahrzeuge oder Gegenstände, medizinische Behandlungskosten von verletzten Personen, Verdienstausfall und auch Kosten für Sachverständige oder Anwälte der Gegenseite. Stellen Sie sich vor, Sie verursachen einen Unfall mit einem teuren Auto – die Reparaturkosten können schnell Zehntausende Euro betragen.
- Schmerzensgeld: Wenn durch den Unfall Personen verletzt werden, muss der Radfahrer zusätzlich Schmerzensgeld zahlen. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere der Verletzungen und den daraus resultierenden Beeinträchtigungen ab und kann ebenfalls sehr hoch ausfallen, insbesondere bei bleibenden Schäden.
- Kein oder nur geringer Anspruch auf eigenen Schadensersatz: Selbst wenn der Radfahrer selbst verletzt wird oder sein Fahrrad beschädigt wird, ist es aufgrund der doppelten Regelverstöße extrem unwahrscheinlich, dass er selbst Schadensersatz oder Schmerzensgeld von anderen Unfallbeteiligten erhält. Die Gerichte sehen hierin eine grobe Eigenverantwortung für den Unfall. Ihre private Haftpflichtversicherung könnte zudem die Leistung ganz oder teilweise verweigern, wenn Ihnen grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das verbotswidrige Fahren auf dem Gehweg und zusätzlich entgegen der Fahrtrichtung nicht nur gegen Verkehrsregeln verstößt, sondern im Falle eines Unfalls zu einer massiven finanziellen Belastung und rechtlichen Verantwortung führen kann, da Ihnen in der Regel die alleinige oder überwiegende Schuld zugerechnet wird.
Was bedeutet die Missachtung der Sorgfaltspflicht beim Einfahren von einem Gehweg auf die Fahrbahn für Radfahrer?
Wenn Radfahrer von einem Gehweg auf die Fahrbahn einfahren möchten, unterliegen sie einer besonderen Sorgfaltspflicht. Diese Pflicht ist im deutschen Verkehrsrecht, speziell in § 10 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), verankert. Dieser Paragraph regelt das Einfahren und Anfahren aus bestimmten Verkehrsbereichen.
Die erhöhte Sorgfaltspflicht und ihre Bedeutung
Die grundlegende Regel des § 10 StVO besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer, der aus einem anderen Straßenteil (wie zum Beispiel einem Gehweg, einem Grundstück, einem Feldweg oder einer privaten Ausfahrt) auf die Fahrbahn wechselt, den fließenden Verkehr nicht behindern oder gefährden darf. Für Radfahrer, die den Gehweg nutzen und dann auf die Fahrbahn wechseln möchten, hat dies wichtige Konsequenzen:
- Keine Vorfahrt: Auch wenn an der Stelle, an der Sie einfahren, normalerweise Vorfahrtsregeln für den Straßenverkehr gelten würden, treten diese in diesem speziellen Fall zurück. Der Radfahrer hat in dieser Situation keine Vorfahrt gegenüber dem Verkehr, der sich bereits auf der Fahrbahn befindet.
- Besondere Vorsicht: Radfahrer müssen beim Einfahren extrem vorsichtig sein. Das bedeutet, sie müssen sich vergewissern, dass sie niemanden gefährden oder behindern, der bereits auf der Fahrbahn unterwegs ist. Sie müssen dem durchgehenden Verkehr auf der Fahrbahn Vorfahrt gewähren und dürfen diesen nicht zum Bremsen oder Ausweichen zwingen. Man kann es sich so vorstellen, als würde man von einem Privatgrundstück auf die Straße fahren – man muss warten, bis die Fahrbahn frei ist.
Folgen der Missachtung
Wird diese besondere Sorgfaltspflicht missachtet und es kommt dadurch zu einem Unfall, kann dies ernste Folgen haben:
- Alleinige oder überwiegende Haftung: Im Falle eines Unfalls tragen Radfahrer, die gegen diese Pflicht verstoßen haben, in der Regel die alleinige oder zumindest überwiegende Schuld. Das kann bedeuten, dass sie für alle entstandenen Schäden der anderen Verkehrsteilnehmer (beispielsweise Reparaturkosten am Auto oder Personenschäden) aufkommen müssen.
- Bußgelder: Ein Verstoß gegen die Regeln des § 10 StVO kann zudem mit einem Bußgeld belegt werden.
Für viele Radfahrer, die regelmäßig den Gehweg nutzen, ist diese spezielle Regelung beim Wechsel auf die Fahrbahn oft nicht bekannt. Das Verständnis dieser Pflicht ist jedoch entscheidend, um die eigene Sicherheit und die anderer Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Welche Rolle spielt die sogenannte Betriebsgefahr eines Autos bei einem Unfall mit einem grob regelwidrig fahrenden Radfahrer?
Die sogenannte Betriebsgefahr eines Autos ist ein zentrales Konzept im deutschen Verkehrsrecht. Sie beschreibt die abstrakte Gefahr, die allein vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht. Das bedeutet, dass selbst wenn ein Autofahrer alle Verkehrsregeln beachtet und sich vorbildlich verhält, vom Fahrzeug an sich – aufgrund seiner Größe, Geschwindigkeit und Masse – eine grundsätzliche Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht. Diese abstrakte Gefahr führt dazu, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs bei einem Unfall grundsätzlich für daraus entstandene Schäden mithaftet, selbst wenn ihn kein direktes Verschulden trifft. Diese Haftung wird als Gefährdungshaftung bezeichnet.
Wann die Betriebsgefahr in den Hintergrund tritt
Die Bedeutung der Betriebsgefahr für die Haftungsverteilung kann jedoch erheblich verringert werden oder sogar vollständig entfallen, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer, wie ein Radfahrer, einen groben Verkehrsverstoß begeht, der ursächlich für den Unfall ist. Im deutschen Recht wird die Haftung bei Unfällen zwischen mehreren Beteiligten nach einer umfassenden Abwägung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldens jedes Beteiligten verteilt (nach § 17 Straßenverkehrsgesetz, StVG).
Wenn ein Radfahrer durch ein besonders schwerwiegendes und eklatantes Fehlverhalten den Unfall maßgeblich verursacht, kann dieses Verhalten die Betriebsgefahr des Autos vollständig überlagern. Stellen Sie sich vor, ein Radfahrer fährt beispielsweise bei Rotlicht über eine viel befahrene Kreuzung oder fährt betrunken und ohne Licht auf der falschen Straßenseite direkt in ein entgegenkommendes Auto, obwohl der Autofahrer keinerlei Möglichkeit hatte, den Zusammenstoß zu vermeiden. In solchen Fällen kann das so grobe und unverantwortliche Verhalten des Radfahrers dazu führen, dass die abstrakte Betriebsgefahr des Autos vollständig in den Hintergrund rückt.
Das bedeutet für Sie: Wenn der Unfall ausschließlich auf den groben Verkehrsverstoß des Radfahrers zurückzuführen ist und dem Autofahrer keinerlei eigene Pflichtverletzung oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, dann kann die Betriebsgefahr des Autos für die Haftungsverteilung bedeutungslos werden. In einem solchen extremen Fall würde der Autofahrer in der Regel nicht für den Schaden des Radfahrers haften, da das Fehlverhalten des Radfahrers die Betriebsgefahr des Autos überwiegt. Dies gilt jedoch nur, wenn der Autofahrer seinerseits alle Sorgfaltspflichten beachtet hat. Trifft den Autofahrer auch nur eine geringe Fahrlässigkeit, wie eine unangepasste Geschwindigkeit, kann die Betriebsgefahr wieder eine Rolle spielen.
Wann gilt ein Radfahrer bei einem Unfall als allein schuld und muss die gesamten Kosten tragen?
Ein Radfahrer gilt bei einem Unfall als allein schuld, wenn er durch sein Verhalten die einzige oder überwiegende Ursache für den Unfall gesetzt hat und der andere Unfallbeteiligte keine oder nur eine extrem geringe Rolle spielt. Dies ist oft der Fall, wenn der Radfahrer grobe Verkehrsverstöße begangen oder grundlegende Sorgfaltspflichten massiv missachtet hat. In solchen Fällen entfällt die sogenannte Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs, beispielsweise eines Autos, vollständig oder tritt so weit in den Hintergrund, dass der Radfahrer die volle Verantwortung trägt.
Grobe Verkehrsverstöße als Ursache
Eine Alleinschuld des Radfahrers liegt besonders dann nahe, wenn er einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) begangen hat, der direkt zum Unfall führte. Beispiele hierfür sind:
- Überfahren einer roten Ampel: Wenn der Radfahrer bei Rotlicht fährt und es dadurch zu einem Zusammenstoß kommt.
- Missachtung der Vorfahrt: Ignoriert der Radfahrer ein Stoppschild, ein Vorfahrt-gewähren-Schild oder die Regel „Rechts vor Links“ und verursacht dadurch einen Unfall.
- Geisterfahrer: Fährt der Radfahrer entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung auf der falschen Straßenseite oder einem Radweg und kollidiert mit einem entgegenkommenden Fahrzeug.
- Fahren unter erheblichem Alkoholeinfluss oder Drogen: Wenn der Radfahrer aufgrund einer schweren Beeinträchtigung durch Alkohol oder Drogen die Kontrolle verliert oder Verkehrsregeln missachtet.
- Fahren ohne Licht im Dunkeln: Wenn ein Radfahrer bei Dunkelheit oder schlechter Sicht ohne funktionierende Beleuchtung fährt und dadurch von anderen Verkehrsteilnehmern nicht oder zu spät erkannt wird, was zum Unfall führt.
Missachtung von Sorgfaltspflichten
Auch die massive Missachtung allgemeiner Sorgfaltspflichten kann zur Alleinschuld führen. Das bedeutet, der Radfahrer hat die nötige Vorsicht im Straßenverkehr in einem Maße vernachlässigt, das den Unfall direkt und überwiegend herbeigeführt hat. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Radfahrer extrem unaufmerksam ist, plötzlich und ohne jegliche Rücksichtnahme die Fahrbahn wechselt oder aus einem Grundstück fährt, ohne auf den Verkehr zu achten.
Finanzielle Konsequenzen der Alleinschuld
Wenn ein Radfahrer als allein schuld an einem Unfall befunden wird, hat dies weitreichende finanzielle Auswirkungen:
- Keine Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz: Der Radfahrer kann von den anderen Unfallbeteiligten kein Schmerzensgeld für erlittene Verletzungen und keinen Schadensersatz für Sachschäden (z.B. am eigenen Fahrrad oder der Kleidung) verlangen.
- Übernahme eigener Kosten: Der Radfahrer muss alle eigenen Kosten tragen, die durch den Unfall entstehen, wie Reparaturkosten für das Fahrrad, Behandlungskosten für Verletzungen, die nicht von der Krankenversicherung gedeckt sind, oder Verdienstausfall.
- Haftung für Schäden Dritter: Darüber hinaus muss der Radfahrer die Schäden des anderen Unfallbeteiligten ersetzen. Das betrifft beispielsweise die Reparaturkosten des beteiligten Autos, mögliche Personenschäden anderer Verkehrsteilnehmer oder andere Folgeschäden.
- Prozesskosten: Kommt es zu einem Rechtsstreit und wird der Radfahrer als allein schuld befunden, muss er in der Regel die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen. Dazu gehören die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten beider Seiten.
Kurz gesagt: Die Alleinschuld des Radfahrers bedeutet, dass er vollumfänglich für alle Unfallfolgen verantwortlich ist und sämtliche hieraus resultierenden Kosten selbst tragen oder an andere Unfallbeteiligte erstatten muss.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Grober Verkehrsverstoß
Ein grober Verkehrsverstoß liegt vor, wenn jemand eine Verkehrsvorschrift in besonders schwerwiegender Weise missachtet und dadurch ein erhöhtes Risiko für einen Unfall schafft. Es handelt sich nicht um eine geringfügige Regelwidrigkeit, sondern um ein deutliches Fehlverhalten, das die Sicherheit im Straßenverkehr erheblich gefährdet. Im vorliegenden Fall war das unerlaubte Fahren auf dem Gehweg und zudem entgegen der Fahrtrichtung ein grober Verkehrsverstoß. Juristisch ist diese Einstufung wichtig, weil sie Auswirkungen auf die Haftung und die Schuldfrage bei einem Unfall hat.
Beispiel: Ein Autofahrer, der bei Rot über eine Ampel fährt und dadurch einen Unfall verursacht, begeht einen groben Verkehrsverstoß.
Besondere Sorgfaltspflicht beim Einfahren (§ 10 StVO)
Die besondere Sorgfaltspflicht gemäß § 10 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verpflichtet Verkehrsteilnehmer, die aus einem anderen Verkehrsbereich – wie einem Gehweg oder Grundstück – auf die Fahrbahn wechseln, den fließenden Verkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Das bedeutet konkret, dass sie keine Vorfahrt haben und besonders vorsichtig sein müssen, bevor sie einfahren, um Unfälle zu vermeiden. Im beschriebenen Unfall hatte die Fahrradfahrerin diese Pflicht missachtet, als sie ungebremst auf die Fahrbahn fuhr, obwohl ein Auto Vorrang hatte.
Beispiel: Wenn Sie von einem Parkplatz auf eine Hauptstraße fahren, müssen Sie erst warten, bis kein Verkehr mehr kommt, bevor Sie losfahren.
Betriebsgefahr des Fahrzeugs
Die Betriebsgefahr ist die abstrakte Gefahr, die vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht – also das Risiko, das grundsätzlich von einem Fahrzeug im Straßenverkehr ausgeht, selbst wenn der Fahrer richtig handelt. Nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) muss der Fahrzeughalter deshalb bei Unfällen grundsätzlich eine Mithaftung tragen, auch ohne eigenes Verschulden (Gefährdungshaftung). Im Fall eines grob fahrfehlerhaften Verhaltens eines anderen Verkehrsteilnehmers (z. B. Radfahrer mit grobem Verkehrsverstoß) kann diese Betriebsgefahr jedoch in den Hintergrund treten, sodass der Radfahrer allein haftet.
Beispiel: Ein Fahrzeughalter haftet normalerweise auch dann mit, wenn sein Auto in einen Unfall verwickelt wird, obwohl sein Fahrer keinen Fehler begangen hat.
Gesamtschuldnerische Haftung
Gesamtschuldnerische Haftung bedeutet, dass mehrere Personen oder Parteien gemeinsam für den Schaden haften und der Geschädigte wählen kann, von wem er den vollen Schaden ersetzt bekommt. Die Gesamtschuldner müssen sich untereinander einigen oder gegebenenfalls selbst regeln, wer welchen Anteil zahlt. Im vorliegenden Fall konnte die Fahrradfahrerin sowohl von der Autofahrerin als auch von deren Versicherung Schadensersatz verlangen, sofern diese gesamtschuldnerisch haften.
Beispiel: Wenn zwei Personen gemeinsam Ihr Auto beschädigen, können Sie von beiden die volle Schadenssumme fordern; sie klären dann untereinander, wer wie viel bezahlt.
Vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 709 ZPO)
Vorläufige Vollstreckbarkeit ist eine Regel aus der Zivilprozessordnung (ZPO), die es dem Gewinner eines Rechtsstreits erlaubt, seine Kosten oder Ansprüche sofort durchzusetzen, auch wenn gegen das Urteil noch Rechtsmittel (z. B. Berufung) eingelegt werden können. Der Schuldner muss in der Regel eine Sicherheit hinterlegen, um die Vollstreckung abzuwenden. Dadurch soll dem Gewinner vermieden werden, dass er bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens leer ausgeht. Im beschriebenen Urteil war die Klage abgewiesen und zugleich vorläufig vollstreckbar, sodass die Fahrradfahrerin die Kosten tragen muss, obwohl sie noch Rechtsmittel ergreifen könnte.
Beispiel: Wenn Sie vor Gericht Recht bekommen, aber die Gegenpartei Berufung einlegt, können Sie trotzdem schon sofort die zugesprochenen Kosten einfordern.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung (StVO): Fahrräder müssen grundsätzlich die Fahrbahn benutzen; die Benutzung von Gehwegen ist nur in engen Ausnahmefällen, beispielsweise für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr, erlaubt. Diese Vorschrift schützt Fußgänger und regelt klar die Verkehrsbereiche für Radfahrer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat durch das Befahren des Gehwegs als erwachsene Fahrradfahrerin gegen diese Vorschrift verstoßen, was als grob verkehrswidrig bewertet wurde und die Grundlage für die alleinige Haftung bildet.
- § 10 StVO (Einordnen und Einfahren): Wer von einem anderen Verkehrsraum, etwa Gehweg oder Grundstück, auf die Fahrbahn einfahren will, muss besondere Vorsicht walten lassen und darf keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden oder behindern. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Fahrradfahrerin hatte die Pflicht, vor dem Einfahren in die Fahrbahn anzuhalten und dem Verkehr auf der Straße Vorfahrt zu gewähren, was sie jedoch missachtete und dadurch den Unfall verursachte.
- § 25 StVO (Verhalten Fußgänger): Fußgänger müssen beim Überqueren von Fahrbahnen besondere Vorsicht walten lassen und haben keine Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen; sie dürfen nur queren, wenn der Verkehr es erlaubt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verglich das Verhalten der Fahrradfahrerin auf dem Gehweg mit dem von Fußgängern, die keine Vorfahrt haben, um die Pflichten und das Fehlverhalten der Klägerin zu untermauern.
- § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum, Leben, Körper, Gesundheit oder andere Rechte eines anderen widerrechtlich verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Gericht festgestellt hat, dass die Fahrradfahrerin den Unfall grob fahrlässig bzw. allein verschuldet hat, entfällt ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Autofahrerin und deren Versicherung.
- § 91 Zivilprozessordnung (ZPO): Die Kosten des Rechtsstreits hat derjenige zu tragen, der unterliegt, um die Prozessführung nicht leichtfertig zu fördern. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Weil die Fahrradfahrerin mit ihrer Klage scheiterte, muss sie die gesamten Verfahrenskosten tragen.
- § 709 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit): Entscheidungen über Kosten können trotz Rechtsmittel vorläufig vollstreckbar sein, damit der obsiegende Teil seine Kosten ansuchen kann, bevor das Urteil endgültig rechtskräftig wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, sodass die Gegenseite die Kosten gegebenenfalls sofort von der Klägerin einfordern kann, auch wenn diese noch Rechtsmittel einlegen sollte.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt (Oder) – Az.: 12 O 23/23 – Urteil vom 19.07.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz