AG Neu-Ulm, Az.: 4 C 507/16, Urteil vom 08.07.2016
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 168,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.04.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 168,47 € festgesetzt.
Tatbestand
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Der Kläger kann gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB, § 115 Abs. 1 Nr.1 VVG von der Beklagten restliche Reparaturkosten in Höhe von 168,47 € verlangen.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweislast über seine Eigentümerstellung durch Vorlage der auf ihn ausgestellten Zulassungsbescheinigung, des Kaufvertrags sowie des Einzahlungsbeleges nachgekommen und hat erklärt, dass das Fahrzeug weder geleast noch finanziert oder sicherungsübereignet sei. Dagegen hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben, zumal sie vorgerichtlich bereits einen Großteil des Schadens ersetzt hat.
Die Alleinhaftung der Beklagten für die dem Kläger beim Verkehrsunfall vom 01.06.2015 entstandenen Schäden steht außer Streit. Die Parteien streiten letztlich noch um die Höhe des Schadens.
Der Kläger rechnet seinen Schaden konkret ab, dabei sind die Brutto-Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, der hier unstreitig weit über der Höhe der Brutto-Reparaturkosten liegt, zu ersetzen. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte den zur Herstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag verlangen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Schädiger danach die Aufwendungen zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. BGHZ 155, 1; BGHZ 160, 377, 383 f.). Denn er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 09.03.2010, VI ZR 6/09). Die Schadensbetrachtung hat sich nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist auch subjektbezogen (BGHZ 54, 82, 85; BGH, NJW 1992, 302, 303). Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGHZ 115, 364, 368 f; 132, 373, 376 f; 155, 1, 4 f; 162, 161, 164 f; 163, 362, 365). Es darf jedoch gerade bei der Reparatur von Kraftfahrzeugen nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (BGHZ 63, 182, 185; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930). Das Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers (BGHZ 63, 182, 185; BGH NJW 1992, 302, 303; LG Köln, Urt. v. 07.05.2014 – 9 S 314/13, juris; AG Villingen-Schwenningen, Urt. v. 15.01.2015 – 11 C 507/14, juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2004, NJW-RR 2005, 248, 249, AG Villingen-Schwenningen, Urt. v. 15.01.2015 – 11 C 507/14, juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen.
Anders mag es sich zwar verhalten, wenn der Geschädigte unredlich handelt und z. B. Vorschäden bewusst verschweigt oder die fehlende Unfallbedingtheit feststeht. Das steht hier aber nicht in Rede und wird von Beklagtenseite auch nicht vorgetragen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis die Schadensbeseitigung für den Schädiger durchführen lässt. Hätte der Geschädigte, wie es § 249 Abs. 1 BGB vorsieht, die Schadensbeseitigung dem Schädiger überlassen, hätte dieser sich ebenfalls mit dem Verhalten der Werkstatt auseinandersetzen müssen. Dem Schädiger entsteht dadurch auch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen kann (BGHZ 63, 182, 187). Insofern hat er die gleiche Rechtsstellung, wie wenn er die Reparatur gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst in Auftrag gegeben hätte.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind hier die Kosten der Erneuerung der Schutzleiste für das Einstiegsblech, die für die Außendichtung in Ansatz gebrachten Kosten und die Kosten der Lackierung des Außengriffs ersatzfähig, zumal die Kosten der Außendichtung und der Lackierung bereits im Kostenvoranschlag vorgesehen waren. Dass der Kostenvoranschlag die Kosten für die Erneuerung der Schutzleiste nicht vorsieht, steht dem nicht entgegen. Die Mehrkosten sind dem Kläger in Rechnung gestellt worden und die Beklagte hat aus den dargelegten Gründen das Werkstattrisiko zu tragen, zumal die Schätzung und der tatsächliche Schaden nicht in auffälligem Missverhältnis zueinander stehen. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat der Kläger die Reparaturkosten insoweit für erforderlich halten dürfen.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 291, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.