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Verkehrsunfall im Kurvenbereich – Haftungsanteile der Unfallbeteiligten

LG Itzehoe – Az.: 2 O 7/19 – Urteil vom 21.10.2019

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 1.376,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2018 sowie weitere € 201,71 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2018 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 74 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 26 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagten können die Vollstreckung des jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Der Streitwert wird auf 5.387,44 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles.

Der Kläger ist Leasingnehmer und Halter des Pkw VW Touareg mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 01.09.2018 befuhr die Ehefrau des Klägers, die Zeugin …, gegen 13:20 Uhr die Straße … von … kommend in Richtung … . Der Beklagte zu 2) fuhr mit seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … aus der Gegenrichtung der Zeugin entgegen. Das Fahrzeug ist bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert.

In dem Bereich einer Kurve näherten sich die Fahrzeuge an. Die Fahrbahn im Bereich der langgezogenen Kurve ist teilweise derart schmal, dass sie nur von einem Fahrzeug befahren werden kann. Vor der Kurve in Fahrtrichtung der Zeugin … befand sich an der rechten Fahrbahnseite eine Haltebucht und das Verkehrszeichen 208. Rechts und links neben der Fahrbahn befinden sich Bäume und Sträucher.

Die Zeugin passierte die Haltebucht und das Verkehrszeichen und fuhr in die Kurve ein. Als sie das auf sie zukommende Fahrzeug des Beklagten zu 2) bemerkte, wich die Zeugin mit dem Fahrzeug des Klägers auf eine neben der Fahrbahn angrenzende Rasenfläche aus und stoppte das Fahrzeug. Der Beklagte zu 2) brachte sein Fahrzeug neben dem Fahrzeug des Klägers auf der Fahrbahn zum Stehen.

Zwischen den Parteien ist streitig, welches Fahrzeug als erstes anfuhr. Anschließend kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Am Fahrzeug des Klägers entstanden Schleifspuren an der Karosserie, den Reifen und Felgen.

Der Kläger holte einen Kostenvoranschlag für die Reparatur seines Fahrzeugs sein. Danach betragen die Kosten € 3.817,26 netto. Auf die Reparaturkalkulation der Autohaus … GmbH vom 06.08.09.2018 wird ergänzend Bezug genommen (Anlage K 2).

Der Kläger wurde nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen seines Leasingvertrags ermächtigt, die Ansprüche für die Schadensregulierung im eigenen Namen geltend zu machen. Dies bestätigte der Leasinggeber dem Kläger mit Schreiben vom 20.09.2018, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Anlage K 1).

Mit Schreiben vom 17.09.2018 forderte der Kläger über seinen Rechtsanwalt die Beklagte zu 1) unter Fristsetzung zur Regulierung des Schadens auf. Die Beklagte zu 1) antwortete mit Schreiben vom 05.11.2018, dass nach ihrer Ansicht, das Fahrzeug des Klägers in einer Haltebucht hätte warten müssen, bis der vorfahrtsberechtigte Beklagte zu 2) die Straße passiert hätte. Auf den Inhalt des Schreibens vom 05.11.2018 wird ergänzend Bezug genommen (Anlage K 3).

Auf eine weitere Anforderung des Rechtsanwalts des Klägers zur Schadensregulierung leistete die Beklagte zu 1) ebenfalls keine Zahlungen.

Der Kläger behauptet, die Zeugin … habe das Fahrzeug des Beklagten zu 2) erst erkennen können, nachdem sie schon die Haltebucht vor der Kurve passiert habe. Der hohe Bewuchs der Bäume und Sträucher habe die Sicht der Zeugin erschwert. Der Beklagte zu 2) sei nach dem Anhalten in der Kurve angefahren, als das Fahrzeug des Klägers noch gestanden habe. Er habe dadurch die Kollision verursacht. Auch das streifende Schadensbild an dem Fahrzeug des Klägers spreche für den vorgenannten Unfallverlauf. Bei einem Einlenken der Zeugin hätten anstelle der streifenden Schäden Verformungen im Blech entstehen müssen, die nicht vorlägen.

Durch den Unfall stehe ihm Ersatz der fiktiven Reparaturkosten inklusive der UPE-Aufschläge zu. Ferner sei das Fahrzeug auch bei durchgeführter Reparatur in Höhe von € 1.145,18 wertgemindert. Da die Reparaturdauer voraussichtlich fünf Tage beanspruche, stehe ihm ein Nutzungsausfall in Höhe von 5 x € 80,00, also € 400,- zu. Ferner habe er Anspruch auf € 25,- Auslagenpauschale und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 480,20 nach einem Gegenstandswert von € 5.387,44.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger als Gesamtschuldner 5.387,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.11.2018 zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2) und die Zeugin hätten nicht nur nebeneinander gehalten, sondern auch miteinander gesprochen. Beide Fahrzeuge seien gleichzeitig wieder angefahren. Die Zeugin … habe das Fahrzeug des Klägers dabei zu früh nach links gelenkt, wodurch es zu der Kollision gekommen sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, die Zeugin habe gegen ihre Wartepflicht nach dem Verkehrszeichen 208 verstoßen. Dem Beklagten zu 2) könne kein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO angelastet werden, weil die Zeugin … zu früh nach links gelenkt habe.

Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Kläger bei fiktiver Abrechnung nicht zu. Mit Nichtwissen wird bestritten, dass er über kein weiteres Fahrzeug verfügt. Der Zuschlag von 19 % auf Ersatzteilaufschläge sei bei fiktiven Abrechnungen ebenfalls nicht erstattungsfähig. Ferner stehe dem Kläger nur eine Kostenpauschale von € 20,00 zu. Die Wertminderung bestehe nicht, weil die Kosten der Erneuerung in dem Wertminderungsverlangen des Klägers nicht berücksichtigt seien.

Die Klage ist der Beklagten zu 1 am 31.01.2019 und dem Beklagten zu 2 am 30.01.2019 zugestellt worden.

Das Gericht hat den Beklagten zu 2) gem. § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2019 (Bl. 31 ff. d.A.).

Das Gericht hat außerdem Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2019 (Bl. 31 ff. d.A.) und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen … vom 24.06.2019 (Bl. 50 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von € 1.376,18 gegen den Beklagten zu 2) aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG gegen die Beklagte zu 1) aus § 115 VVG.

1.

Nach § 18 Abs. 1 StVG ist unter anderem, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt wird, der andere Fahrer des Kraftfahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach vor. Der Beklagte zu 2) war Fahrer des Kraftfahrzeugs mit dem Kennzeichen …, bei dessen Betrieb des von dem Kläger geleasten Kraftfahrzeugs mit dem Kennzeichen … beschädigt worden ist. Für die Ersatzansprüche wurde der Kläger vom Leasinggeber ermächtigt, die Kosten im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. Anlage K 1), so dass er aktivlegitimiert ist.

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Der Höhe nach steht dem Kläger aber nur ein Anspruch von € 1.376,18 zu. Dies folgt aus §§ 17 Abs. 1 und 2,18 Abs. 3 StVG. Danach hängt unter anderem, wenn der Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht worden ist, im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter und Fahrer die Verpflichtung zum Ersatz des Umfangs des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Diese Abwägung führt hier dazu, dass der Kläger von den Beklagten nur 30 % des ihm entstandenen Schadens ersetzt verlangen kann.

Zunächst ist die Haftung des Beklagten zu 2) nicht nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Danach ist die Ersatzpflicht eines Fahrers ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch dessen Verschulden verursacht worden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Umstände, die das nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG vermutete Verschulden des Beklagten zu 2) einer Schadensverursachung ausschließen könnten, bestehen nicht. Unstreitig standen die beiden Fahrzeuge im Kurvenbereich der Straße … nebeneinander, das Fahrzeug des Klägers in Fahrtrichtung … und das Fahrzeug des Beklagten zu 2) in der Gegenrichtung. Das Fahrzeug des Klägers war durch die Zeugin … auf den Grünstreifen neben der Fahrbahn gelenkt worden, das Fahrzeug des Beklagten zu 2) befand sich auf der Fahrbahn. In diese Situation hat der Beklagte zu 2) gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO verstoßen, indem er sich nicht mit der Zeugin … darüber verständigte, wer in dieser beengten Situation als erstes losfährt. Weder die Zeugin noch der Beklagte zu 2) haben vorgetragen, dass sie sich in dieser Situation, in der die Fahrzeuge auf engsten Raum nebeneinander standen darüber verständigt hatten. Eine solche Verständigung war sowohl dem Beklagten zu 2) als auch der Zeugin zumutbar gewesen. Schließlich hatten beide vorher noch durch die geöffneten Fenster miteinander gesprochen. Im Übrigen hätte eine solche Verständigung darüber, wer als erstes anfährt dem Gebot der Rücksichtnahme entsprochen, um einen Schaden an den Fahrzeugen zu verhindern. Dass es zu einem Gespräch zwischen der Zeugin und dem Beklagten zu 2) gekommen war, hatte die Zeugin … in ihrer Vernehmung bekundet. Sie schilderte, mit dem Fahrzeug des Klägers in den Kurvenbereich gefahren zu sein und danach auf den begrünten Streifen neben der Fahrbahn gehalten zu haben. Sie habe ihr Fenster heruntergefahren und mit dem Beklagten zu 2) gesprochen. Insoweit war die Aussage der Zeugin glaubhaft. Auch der Beklagte zu 2) bestätigte in seiner Anhörung, dass die Fahrzeuge nebeneinander gestanden hatten.

Ein Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 StVO kann vorliegend nicht festgestellt werden. Der Sachverständige … stellt in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.6.2019 fest, dass nur die Darstellung der Beklagten eine vollumfängliche Zuordnung der wechselseitigen Schäden zulasse. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten anhand der Fotos von den Schäden an den Fahrzeugen, der Örtlichkeit und der Schilderungen der Parteien zu dem Ergebnis, dass allein das Unfallgeschehen, wie es der Beklagte zu 2) geschildert hatte, wonach die beiden Fahrzeuge zunächst nebeneinanderstanden und sodann sich der Pkw des Klägers nach vorne bewegte und eine Lenkbewegung nach links durchführte, zu den streifenden Berührungen der linken Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeugs mit dem Heckstoßfängerbereich des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) kommen könne. Der Sachverständige führte aus, dass es bei dieser beschriebenen Lenkbewegung zu Kurvenbahnen komme. Dies führe dazu, dass sie die Karosserie des Fahrzeugs um einen Kurvenmittelpunkt drehe, der sich in einer gedachten Verlängerung der Hinterachse befinde. Durch das Einlenken des Fahrzeugs auf der Fahrbahn komme es somit zu einer stetigen Annäherung der linken Fahrzeugseite, hier des Fahrzeugs des Klägers, zu dem linken Heckstoßfängerbereich des Fahrzeugs des Beklagten zu 2). Ferner komme es zu einer Zunahme der Antriebskraft, wobei zu Beginn des Kontaktes eine geringere Kraftbeaufschlagung sowie eine geringe Flächenpressung erzeugt werden, welche im Zuge der weiteren Fahrt stetig ein entsprechendes Schadensbild einer von vorne nach hinten stetig zunehmenden Antriebskraft habe. Diese Schäden habe der Sachverständige auch am Fahrzeug des Klägers feststellen können. Die festgestellten wechselseitigen Schäden ließen sich vollumfänglich der Darstellung des Beklagten zu 2) bezüglich der Schadensentstehung zuordnen. Würde man die Darstellung des Klägers über den Unfallverlauf zugrunde legen, hätte dies bedeutet, dass der linke Heckstoßfängerbereich des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) beginnend von dem hinteren Bereich der Fahrertür mit leichter Zunahme der Antriebskraft an der linken Fahrzeugseite des Fahrzeugs des Klägers vorbeigefahren wäre. Ein entsprechender Schaden, der bei dieser Sachlage zu erwarten wäre, sei weder an dem klägerischen noch an dem Beklagtenfahrzeug festzustellen gewesen. Insbesondere hätte es ein Kontakt der Außenspiegel geben müssen, der nicht festzustellen gewesen sei.

Die Haftung des Beklagten zu 2) ist auch nicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG ausgeschlossen. Danach ist die Haftung des Fahrers ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf der Beschaffenheit des Fahrzeugs, noch auf einem Versagen der Vorrichtungen beruht. Dies ist hier nicht der Fall gewesen. Es liegt kein unabwendbares Ereignis vor. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 StVG gilt ein Ereignis nur dann als unverwendbar, wenn sowohl der Halter als auch der Fahrzeugführer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Dies ist hier nicht der Fall gewesen. Es steht insbesondere nicht zu Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) nicht zumindest gegen § 1 Abs. 1 StVO gestoßen hat (siehe oben).

2.

Die nach § 17 Abs. 1 2,18 Abs. 3 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten führt zu einer Verteilung des Schadens zu einer Quote von 30 % zu 70 % zu Lasten des Klägers.

Zunächst ist auch die Haftung des Klägers als Halter des Unfallbeteiligten Fahrzeuges nicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG ausgeschlossen. Für das klägerische Fahrzeug ist der Unfall ebenfalls nicht unabwendbar gewesen. Wie bereits geschildert hätte es der gegenseitigen Rücksichtnahmepflicht im Straßenverkehr nach § 1 Abs. 1 StVO entsprochen, wenn sich die Zeugin … und der Beklagte zu 2) abgesprochen hätten, bevor sie aus der stehenden Position in der Kurve angefahren war.

Ein Verstoß der Zeugin … gegen das Verkehrszeichen 208, das Verbot der Durchfahrt bei Gegenverkehr, das den Verkehrsteilnehmer zum Unterlassen des Fahrens einer Engstelle verpflichtet, wenn nicht gewiss ist, dass Gegenverkehr nicht behindert wird, kann zur Überzeugung des Gerichts nicht festgestellt werden. Die hierzu gehörte Zeugin … bekundete, das Fahrzeug des Beklagten zu 2) erst recht spät gesehen zu haben, und zwar im Kurvenbereich kurz bevor sie auf den Grünstreifen gefahren sei. Sie habe ferner aufgrund der hohen Büsche an dem von ihr aus gesehenen linken Fahrbahnrand das sich in der Kurve nähernde Fahrzeugs des Beklagten zu 2) schlecht erkennen können. Auch die dunkelgraue Farbe des Fahrzeugs habe dazu beigetragen, dass sie es erst spät der erkannt habe. Die Haltebucht habe sie zu diesem Zeitpunkt schon passiert gehabt. Die Aussage der Zeugin war glaubhaft. Sie war in sich schlüssig und frei von Widersprüchen. Unsicherheiten und Erinnerungslücken räumt die Zeugin freimütig ein. Die Zeugin war glaubwürdig. Zwar handelt es sich bei der Zeugin um die Ehefrau des Klägers, die dem Kläger besonders nahe steht. In ihrer Aussage hat die Zeugin aber nicht erkennen lassen, dass sich von dieser Nähe hat leiten lassen.

Die Aussage der Zeugin deckt sich mit den Feststellungen des Sachverständigen … in seinem schriftlichen Gutachten. Der Sachverständige hat in seiner Fotodokumentation die entsprechende Landstraße aus Sicht der Zeugin fotografiert. Dort ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.6.2019 auf Foto 5 (Fotoanlage) ein hoher Bewuchs rechts und links neben der Fahrbahn zu erkennen. Das ebenfalls dort abgestellte Fahrzeuge kann auf dem Foto in der Tat nur schlecht erkannt werden. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die Aussage der Zeugin für plausibel. Zum gleichen Ergebnis gelangte der Sachverständige, der aufgrund des vorhandenen Baumbewuchses nicht ausschließen kann, dass die Zeugin das Fahrzeug des Beklagten zu 2 erst nach Passieren der Haltebucht und des Verkehrsschildes mit den Zeichen 208 wahrgenommen hatte.

Ein Verstoß der Zeugin gegen das Zeichen 208 liegt dennoch vor, denn die Zeugin hätte dem bevorrechtigten Beklagten zu 2) die Engstelle zunächst passieren lassen müssen, bevor sie mit dem klägerischen Fahrzeug ihre Fahrt fortgesetzt hatte. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 2) sei zuerst angefahren, konnte der Sachverständige … in seinem schriftlichen Gutachten nicht bestätigen. Diese Schilderung des Schadenshergangs decke sich nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht mit dem vorgefundenen Schadensbildern. Demnach sind denknotwendig entweder beide Fahrzeuge gleichzeitig angefahren oder die Zeugin … vor dem Beklagten zu 2). In beiden Fällen hätte die Zeugin gegen das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 2) verstoßen.

Das Gericht folgte den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

Ausgangspunkt für die weitere Beurteilung der Haftung ist die sich im Unfall wirkliche Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeugen. Diese ist vorliegend vergleichbar. Es handelt sich um zwei Pkw. Soweit für beide Fahrer ein Verstoß gegen das gegenseitige Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 1 StVO festzustellen war, führt der wechselseitige Verstoß auf keiner Zeit zu einer Erhöhung oder Verringerung des Verursachungsbeitrags. Auf Seiten des Klägers ist jedoch der Verstoß der Zeugin … gegen das Verkehrszeichen 208 und das daraus resultierende Vorfahrtsrecht Beklagten zu 2) zu würdigen. Grundsätzlich tritt bei einer Verletzung des Vorrechts des Gegenverkehrs in einer Engstelle die Betriebsgefahr des bevorrechtigten Kraftfahrzeugs zurück, sodass der Wartepflichtige in der Regel den gesamten Schaden zu tragen hat (vergleiche OLG Bamberg Urteil vom 3.12.2013 5U 95/13). Abweichend von diesem Regelfall ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass nicht feststellbar ist, dass die Zeugin fahrlässig in den Kurvenbereich gefahren ist und dem Beklagten zu 2) dessen Vorfahrtsrecht genommen hatte. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass durch das Befahren der Kurve und das erstmalige Übersehen des Beklagten zu 2) im Kurvenbereich der Schaden nicht entstanden ist. Der Zeugin war es gelungen, ihr Fahrzeug an den rechten Fahrbahnrand zu manövrieren, sodass beide Fahrzeuge unbeschadet nebeneinanderstehen konnten. Erst durch das anschließende Anfahren und den dadurch bedingten Verstoß gegen das Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 2), der sich nicht mit der Zeugin darüber abgestimmt hatte, wer in dieser Engstelle als erstes anfährt, war es zum Schadensereignis gekommen. Dennoch ist hier ein überwiegender Verstoß der Zeugin festzustellen, sodass nach Abwägung der vorgenannten Umstände eine Haftungsquote von 30 % zu 70 % zulasten des Klägers angemessen ist.

3.

Der Kläger kann demnach Schäden in Höhe von € 1.376,18 geltend machen.

Die Reparaturkosten des Klägers betragen laut dem Kostenvoranschlag der Autohaus … GmbH netto € 3.817,26. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten waren die UPE-Aufschläge, also Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung des Fahrzeugherstellers durch erforderliche Lagerhaltung, in Höhe von jeweils 19 % nicht von den Reparaturkosten abzuziehen. Insoweit hat der Sachverständige hierzu in seinem schriftlichen Gutachten festgestellt, dass Aufschläge in Höhe von 19 % ortsüblich und nicht zu beanstanden seien. Unbeachtlich ist insoweit, dass der Kläger Ersatz fiktiver Reparaturkosten geltend macht. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass sich die Frage der Ersatzfähigkeit sogenannter UPE-Aufschläge nach den allgemeinen Grundsätzen zu Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten richtet (BGH NJW 2019,852). Danach darf der Geschädigte, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Sachverständige … hat die Ortsüblichkeit der UPE- Aufschläge bestätigt.

Eine Wertminderung steht dem Kläger nur in Höhe von € 750,00 zu. Der Sachverständige gelangt in seinem schriftlichen Gutachten vom 25.6.2019 zu dem Ergebnis dass eine Wertminderung, die durch die Lackierung der auszutauschen Bauteile erforderlich sei sowie die Erneuerung des Scheibenrades hinten links mit Reifen grundsätzlich gerechtfertigt sei. Aufgrund des Fahrzeugalters seien die einschlägigen Berechnungsmodelle jedoch nicht geeignet, die Höhe der Wertminderung zu erfassen. Bei den üblichen Berechnungsmodelle von Ruhkopf- Sahm, Halbgewachs BVSK sowie Hamburger Modell hätten sich Wertminderungen zwischen € 0,- und € 1300,- ermitteln lassen. Da es sich nach Auffassung des Sachverständigen um einen jedenfalls offenbarungspflichtigen Schaden bei einem Verkauf handle, die Erneuerung des Scheibenrads zu den Gesamtinstandsetzungskosten erheblich beitrage und aufgrund der Instandsetzung der Tür hinten links sowie der erforderlichen Lackierung sei jedenfalls ein merkantiler Minderwert in Höhe von € 750,- als angemessen zu bezeichnen.

Grundsätzlich steht dem Kläger während der voraussichtlichen Reparatur des streitgegenständlichen Fahrzeuges ein sogenannter Nutzungsausfallschaden zu. Voraussetzung ist, dass es sich hierbei um das einzige Fahrzeug des Klägers handelt, auf dessen Nutzung er im täglichen Leben angewiesen ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Trotz Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nicht dargelegt, dass es sich hierbei um sein einziges Fahrzeug handelt.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf eine allgemeine Kostenpauschale, die nach ständiger Rechtsprechung des OLG Schleswig € 20,00 beträgt.

Demnach ergeben sich folgende Schadensersatzansprüche:

Reparatur netto € 3.817,26

Wertminderung € 750,00

Kostenpauschale € 20,00

Gesamt: € 4.587,26

30 % hiervon sind erstattungsfähig, mithin € 1.376,18.

Die Haftung der Beklagten zu 1) folgt aus § 115 VVG.

4.

Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Zinsen stehen dem Kläger ab dem 5.11.2018 zu. Die Beklagte teilte mit Ihrem Schreiben vom gleichen Tag dem Kläger mit, dass sie eine Einstandspflicht ablehnt und verweigerte ernsthaft und endgültig die Leistung. Einer gesonderten Mahnung bedurfte es ausnahmsweise nicht.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten besteht dem Grunde nach ebenfalls aus § 18 Abs. 1, S. 1 StVG, in der Höhe nach aber nur in Höhe von € 201,71. Der Kläger kann eine 1,3-fache Gebühr bezogen auf einen Gegenstandswert von bis zu € 1.376,18 in Höhe von € 149,50, eine Kostenpauschale nach Ziffer 7002 VV RVG in Höhe von € 20,00 und Umsatzsteuer hierauf in Höhe von € 32,21, insgesamt also € 201,71 verlangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 48 GKG, § 3 ZPO.

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