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Verkehrsunfall in Italien: Schadensersatzansprüche nach italienischem Recht

LG Nürnberg-Fürth, Az.: 8 O 4100/12

Urteil vom 16.01.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.113,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 1,5 % vom 1.09.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe von 2,5% vom 1.01.2012 bis zum 31.12.2013 und ab dem 01.01.2014 in Höhe des in Italien geltenden gesetzlichen Zinssatzes, jeweils nach Aufwertung durch den italienischen Istat-Index, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 582,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 1,5 % vom 1.09.2011 bis zum 31.12.2011, in Höhe von 2,5% vom 1.01.2012 bis zum 31.12.2013 und ab dem 01.01.2014 in Höhe des in Italien geltenden gesetzlichen Zinssatzes, jeweils nach Aufwertung durch den italienischen Istat-Index, zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei 61 % und die Beklagtenpartei 39 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Im Übrigen wird dem Kläger nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.862,50 € festgesetzt.

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Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Italien in Anspruch.

Verkehrsunfall in Italien: Schadensersatzansprüche nach italienischem Recht
Symbolfoto: Janeuk86/bigstock

Der Kläger ist Halter des Fahrzeuges MB Sprinter 313 cdi, amtliches Kennzeichen … Das Fahrzeug stand. ursprünglich im Eigentum der Mercedes Benz Leasing GmbH. Mit Schreiben vom 16.08.2011 ermächtigte die Leasingbank den Kläger, den Schaden an dem genannten Fahrzeug gegenüber dem Schädiger in eigenem Namen geltend zu machen. Fahrer des klägerischen Fahrzeuges zum Unfallzeitpunkt war der Zeuge … .

Am 15.07.2011 gegen 03.40 Uhr prallte zunächst der Zeuge … mit dem bei der Beklagten kraftfahrthaftpflichtversicherten Mitsubishi mit dem amtlichen Kennzeichen … (Italien) auf der Brennerautobahn A 22 in Fahrtrichtung Süd, in etwa bei der Kilometrierung 128+200 von hinten auf den drittbeteiligten und von dem Zeugen … geführten Lkw MAN TGA 37 mit dem amtlichen Kennzeichen … (Österreich) auf. Infolge des Zusammenpralles drehte sich der Pkw des Zeugen … im Uhrzeigersinn und kam nach ca. 30 Metern zumindest teilweise auf der Fahrbahn zum Stehen. Der Zeuge … stieg aus seinem Fahrzeug aus und verließ die Unfallstelle, ohne diese durch ein Warndreieck zu kennzeichnen.

Anschließend befuhr der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs die rechte Fahrspur der Brennerautobahn A 22 in südlicher Richtung. Trotz eingeleiteter Notbremsung fuhr er in das auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug des Zeugen … auf, wodurch sein Fahrzeug einen Totalschaden erlitt. Der Kläger kündigte nach den streitgegenständlichen Verkehrsunfall aufgrund des Totalschadens den Leasingvertrag über das verunfallte Fahrzeug.

Dem Kläger entstanden durch den Unfall die folgenden Schadenspositionen:

Übersetzungskosten netto Unfallbericht ital. Polizei 216,00 €

Standgebühren Abschleppunternehmer Italien 442,00 €

Verladung Unfallfahrzeug auf Transporter 120,00 €

Autobahn Jahres Vignette Österreich 76,50 €

Abschleppgebühren 799,44 €

Abmeldegebühr Stadt Nürnberg 5,00 €

Mautgebühren Ersatzfahrzeug Österreich 8,00 €

Mautgebühren Ersatzfahrzeug Brenner 8,00 €

Mautgebühren Ersatzfahrzeug Italien 10,00 €

Der Kläger behauptet, der Zeuge … habe sein Fahrzeug vollständig unbeleuchtet auf der Fahrbahn liegen lassen, als er die Unfallstelle verlassen habe. Das Fahrzeug des Zeugen … sei auf der unterbrochenen Linie zwischen der rechten Fahrspur und der Überholspur zum Stehen gekommen. Trotz eingeschalteten Abblendlichtes sei es ihm nicht möglich gewesen, dass liegengebliebene Fahrzeug des Zeugen … zu sehen. Er behauptet, dass er. selbst wenn er mit einer noch niedrigeren als der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit gefahren wäre, aufgrund der Dunkelheit nicht in der Lage gewesen wäre, das Fahrzeug rechtzeitig zu erkennen, um noch unfallvermeidend abbremsen zu können. Der Unfall sei daher für den Zeugen … unvermeidbar gewesen.

Hinsichtlich der Schadenshöhe behauptet der Kläger, der Wiederbeschaffungswert seines Fahrzeuges betrage abzgl. des Restwertes 11.590,00 €. Ferner seien ihm pauschale Regulierungskosten in Höhe von 25,00 € entstanden. Aus dem Leasingvertrag sei er zur Rückgabe des verunfallten Fahrzeuges an die Leasinggeberin in Nürnberg und mithin zu dessen Rücktransport verpflichtet gewesen. Dadurch seien ihm Kosten in Höhe von 555,00 € sowie Mietkosten für den Transportanhänger für das Unfallfahrzeug in Höhe von 189,08 € entstanden. Der Kläger macht ferner Kosten für das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten in Höhe von 481,20 € (netto) und Nutzungsausfall für die Wiederbeschaffung für 12 Tage zu einem Tagessatz von 79,00 €, entsprechend einem Gesamtbetrag von 948,00 € geltend. Der Kläger behauptet ferner, dass sich im Unfallfahrzeug ein Navigationsgerät mit einem Anschaffungswert von 131,92 € befunden habe, welches durch den Unfall vollständig beschädigt worden sei. Ferner sei das Fahrzeug mit einer Autobahn-Vignette für die Schweiz versehen gewesen (31, 50 €). Für das Ersatzfahrzeug zur Auslieferung der Ladung nach Rom macht er eine Kilometerpauschale von 0,45 € für 502 km geltend (225,90 €). Der Lohn für den Fahrer für das Ersatzfahrzeug habe pauschal 100,00 € betragen.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.862,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2011 sowie 869,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: die kostenpflichtige Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, dass das Fahrzeug des Zeugen … beleuchtet gewesen sei und halb auf dem Standstreifen und halb auf dem rechten Fahrstreifen zum Stehen gekommen sei. Der Zeuge … sei vorher naturgemäß mit Licht gefahren und habe das Licht auch nach dem Unfall nicht abgestellt. Da nur die Nebelscheinwerfer beschädigt gewesen seien und ansonsten die Beleuchtung nach dem Erstunfall intakt gewesen sei, habe am Fahrzeug des Zeugen … das Standlicht und die Warnblinkanlage geleuchtet.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass zu Lasten des Zeugen … die nach italienischem Recht geltende Vermutung streite, dass der Auffahrende die Verantwortung für eine Kollision trage, da er den notwendigen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten habe. Der Zeuge … habe sorgfaltswidrig seine Geschwindigkeit nicht so eingerichtet, dass er vor dem havarierten Fahrzeug des Zeugen … rechtzeitig habe anhalten können. Dadurch habe der Zeuge … gegen das im italienische Recht geltende Sichtfahrgebot verstoßen. Dieses gelte im italienischen Straßenverkehrsrecht auch nachts auf Autobahnen. Ein verunglücktes oder liegengebliebenes Fahrzeug sei dabei ein vorhersehbares Hindernis, mit dem ein Fahrer rechnen müsse. Da italienisches Rechts zur Anwendung komme, verbiete sich eine Quotenbildung, die von der deutschen Rechtslage geprägt sei, wonach nachts auf Autobahnen erheblich schneller gefahren werden dürfe, als sich der Bremsweg ausleuchten lasse.

Zur Schadenshöhe wendet die Beklagte ein, der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger könne den Wiederbeschaffungswert nur netto geltend machen. Da eine fiktive Abrechnung von tatsächlich angefallenen Positionen dem italienischen Recht fremd sei, sei zudem von dem Wiederbeschaffungswert der tatsächlich erzielte Restwert abzuziehen. Ferner sei im italienischen Recht eine allgemeine Unkostenpauschale nicht vorgesehen. Die Beklagte bestreitet ferner die Erstattungsfähigkeit der Rücktransportkosten sowie die Anschaffungskosten und die vollständige Beschädigung des Navigationsgerätes. Sie bestreitet ferner mit Nichtwissen, dass das klägerische Fahrzeug mit einer Autobahnvignette für die Schweiz versehen gewesen sei, die geltend gemachten Fahrtkosten für die Auslieferung des Ersatzfahrzeuges nach Rom sowie den Umstand, dass ein Betrag von 100,00 € für einen zusätzlichen Fahrer angefallen sei. Ferner seien nach dem maßgeblichen italienischen Recht die Sachverständigenkosten sowie eine pauschale Nutzungsentschädigung für ein gewerblich genutztes Fahrzeug nicht erstattungsfähig. Der Kläger habe vielmehr einen Gewinnentgang nachzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ferner die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verzugszinsen nach italienischem Recht nicht vorliegen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … sowie durch Erholung eines mündlichen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2013 (Bl. 105 d. A.) Bezug genommen. Mit Beschluss vom 29.05.2013 (Bl. 44 d. A.) wurde eine Rechtsauskunft zum anwendbaren italienischen Recht erholt. Auf die schriftliche Rechtsauskunft vom 30.07.2013 (Bl. 75 d. A.) wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth für die Klage gegen den ausländischen Versicherer wegen behaupteter Schäden aus einem Verkehrsunfall international zuständig. Der Geschädigte kann vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer des Schädigers erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates ansässig ist (Art. 11 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Lit. b Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, im Folgenden – EuGVVO; EuGH NJW 2008, 819; BGH NZV 2011, 178). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben, so dass an der internationalen Zuständigkeit kein Zweifel besteht. Insbesondere besteht aufgrund der in Art. 3 der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.05.2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) enthaltenen Verpflichtung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, mithin auch in Italien, ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers (siehe auch OLG Nürnberg, NJW-RR 2012, 1178).

II.

Die Klage hat jedoch nur teilweise Erfolg. Nach den hier maßgeblichen Sachnormen Art. 254 cc des italienischen Rechts haftet die Beklagte dem Kläger gegenüber nur in Höhe von 40% für die Folgen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalles.

1.

Nach der für Verkehrsunfälle ab dem 11.01.2009 geltenden Regelung des Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom II-Verordnung) ist auf den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 15.07.2011 das Recht des Unfallortes und somit italienisches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 24 Rom II-Verordnung spricht Art. 4 1 Rom II-Verordnung eine Sachnormverweisung aus. Gemäß Art. 15 lit a) ist das italienische Sachrecht insbesondere auch für die hier streitgegenständliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach sowie gem. Art. 15 lit. c) für das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens maßgebend.

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2.

Maßgebliche Vorschrift für den Haftungsgrund ist im italienischen Recht Art. 254 cc (codice civile – Italienisches Zivilgesetzbuch). Gemäß Art. 254 Abs. 1 cc ist der Lenker eines nicht schienengebundenen Fahrzeugs verpflichtet, den durch den Verkehr des Fahrzeuges an Personen oder Sachen verursachten Schaden zu ersetzen, wenn er nicht nachweist, alles zur Vermeidung des Schadens Mögliche getan zu haben. Im Fall des Zusammenstoßes von Fahrzeugen wird dagegen gemäß Art. 254 Abs. 2 cc bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass jeder Lenker in gleichem Ausmaß zur Verursachung des an den einzelnen Fahrzeugen entstandenen Schadens beigetragen hat. Nach der erholten Rechtsauskunft findet diese Vermutung indes nach ständiger italienischer Rechtsprechung dann keine Anwendung, wenn ein Auffahrunfall vorliegt. In diesen Fällen wird die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes gemäß Art. 149 Codice delle Strada (ital. Straßenverkehrsordnung, im Folgenden C.d.S.) durch das auffahrende Fahrzeug und somit die Schuld von dessen Fahrer stets „de facto“ vermutet. Dieser haftet aufgrund der Vermutung mithin alleine, sofern er nicht dem besonders hoch angesetzten Sorgfaltsmaßstab Rechnung tragen und den Beweis für seine Unschuld liefern kann.

Die Parteien sind der erholten Rechtsauskunft inhaltlich nicht entgegengetreten. Aufgrund der Qualifikation der Beauftragten, die sowohl in Deutschland als auch in Italien als Rechtsanwältin zugelassen ist und der Gründlichkeit der mit (Rechtsprechung-) Belegen gestützten Auskunft ist von deren Vollständigkeit und Richtigkeit auszugehen. Die darin enthaltenen Erwägungen sind deshalb dem Streitfall zugrunde zu legen.

a) Der Verkehrsunfall hat sich sowohl „durch den Verkehr“ des klägerischen Fahrzeuges als auch „durch den Verkehr“ des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs des … ereignet. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass das Fahrzeug des Zeugen … zum Unfallzeitpunkt in havariertem Zustand auf der Straße liegen geblieben war und der Zeuge … dieses bereits verlassen hatte. Um ein Fahrzeug als im „laufenden Zustand“ und damit im Verkehr im Sinne des Art. 254 cc betrachten zu können, ist es gleich, ob es in einem zum Umlauf geeigneten Ort fährt bzw. nicht fährt (Urteil des Italienischen Kassationshofes vom 15.10.1997 Nr. 10110; Auskunft zum Italienischen Recht, Bl. 79 d. A.). Auch ein liegen gebliebener und fahruntüchtiger Pkw bleibt so lange im Verkehr, als er aufgrund seines Standortes Gefahren für den fließenden Verkehr hervorrufen kann (so auch im Hinblick auf den in § 7 StVG sinngemäß verwendeten Begriff „bei dem Betrieb“ BGH, NJW 1996, 2023-2025). Als Zusammenstoß gemäß Art. 254 Abs. 2 cc wird danach jeder Stoß bzw. Aufprall angesehen, der zwischen zwei fahrenden Fahrzeugen bzw. einem fahrenden und einem stehenden Fahrzeug erfolgt (Urteil des Italienischen Kassationshofes, a.a.O.; Auskunft zum Italienischen Recht, Bl. 79 d. A.). Kommt danach grundsätzlich bei einem auf einer öffentlichen Straße stehenden Fahrzeug Art. 254 Abs. 2 cc zur Anwendung, so muss auch bei einem Auffahrunfall auf ein – wie vorliegend – auf einer öffentlichen Straße liegen gebliebenes Fahrzeug die von Art. 254 Abs. 2 cc abweichende Vermutung greifen, dass der Auffahrende die Verantwortung für die Kollision trägt, da er den notwendigen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten hat.

b) Von der de facto vermuteten Schuld des Zeugen … hat der Kläger sich nach dem im italienischen Recht geltenden strengen Maßstab auch nicht zu entlasten vermocht. Will sich der Auffahrende von seiner vermuteten Haftung entlasten, so muss er den Beweis für seine Unschuld erbringen. Dies beinhaltet den Nachweis, dass er nicht nur alle Verkehrsregeln beachtet hat, sondern auch den Schaden unmöglich verhindern konnte und der Schaden mithin auf Zufall beruht (italienische Rechtsauskunft, Bl. 79 d. A.).

aa) Der Kläger hat bereits den Beweis nicht erbracht, dass der Zeuge … alle Verkehrsregeln beachtet hat, denn er hat den vermuteten Verstoß des … gegen das Sichtfahrgebot nicht entkräftet. Gemäß Art. 149 Abs. 1 C.d.S. muss der Fahrer während der Fahrt mit seinem Fahrzeug zum vorausfahrenden Fahrzeug einen so großen Sicherheitsabstand einhalten, dass er auf jeden Fall rechtzeitig anhalten und Kollisionen mit dem vorausfahrenden Fahrzeug vermeiden kann. Dabei ist er gemäß Art. 141 C.d.S. verpflichtet, je nach (…) Straßeneigenschaften und Straßenverhältnissen, nach Verkehrsverhältnissen und Verkehrslage sowie nach den anderen jeweils gegebenen Umständen die Geschwindigkeit des Fahrzeuges so zu regeln, dass keine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen besteht und jede Unordnung im Verkehr vermieden werden kann. Dabei muss er ständig die Kontrolle über sein Fahrzeug bewahren und jederzeit in der Lage sein (…), das Fahrzeug auf der Strecke innerhalb seines Sichtfeldes und vor jedem vorhersehbaren Hindernis rechtzeitig anzuhalten (Art. 141 Abs. 2 C.d.S.). Weiterhin muss gemäß Art. 149 Abs. 2 C.d.S. i. V. m. Art. 348 der Verordnung zur Ausführung und Anwendung der Neuen Straßenverkehrsordnung („Regolamento di esecuzione ed attuazione del nuovo codice della strada“) der Sicherheitsabstand immer mindestens der Strecke entsprechen, die in dem Zeitraum zurückgelegt wird, der zwischen der ersten Wahrnehmung der Gefahr und der Bremsung liegt. Eine Einschränkung dieses Gebots für die Fahrt auf Autobahnen sieht das italienische Recht nicht vor. Dies bedeutet, dass die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges, welches nachts unterwegs ist, stets dem Abstand angepasst sein muss, welcher der Sichtweite entspricht, die für eine Bremsung – und Berücksichtigung einer entsprechenden Reaktionszeit – notwendig ist; mit anderen Worten, dem Fahrer obliegt auch nachts die Pflicht, so zu fahren, dass er das Fahrzeug innerhalb der Sichtzone, die durch die eingeschalteten Lichter eingeräumt wird, bremsen kann, um so der immanenten und unüberwindbaren Gefahr entgegenzuwirken, Dritte anzufahren, die sich zufällig auf der Fahrbahn befinden (Landgericht Mudena, Urteil vom 09.08.2005, Nr. 1451; Italienische Rechtsauskunft, Bl. 80 d. A.). Auch von dem durchschnittlich sorgfältigen Verkehrsteilnehmer ist die Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht zu fordern.

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge … diesen strengen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Das Gericht geht davon aus, dass der Zeuge entweder unter Verstoß gegen das Sichtfahrgebot zu schnell gefahren ist oder aufgrund einer Unachtsamkeit nicht rechtzeitig auf das havarierte Beklagtenfahrzeug reagiert hat. Der Zeuge … selbst hat als Fahrer des klägerischen Fahrzeugs angegeben, er sei unmittelbar vor dem Unfall mit eingeschaltetem Abblendlicht und einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h gefahren. Die Zeugen … konnten hingegen zur Geschwindigkeit des Klägers keine Angaben machen. Nach den in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der dem Gericht aus einer Vielzahl anderer Verfahren als ausgesprochen zuverlässig und sachkundig bekannt ist, hätte der Zeuge … das Fahrzeug des Zeugen … im unbeleuchteten Zustand in einem Abstand von etwa 40 Meter erkennen können. Unter Berücksichtigung einer entsprechenden Reaktionszeit hatte der Zeuge … dem Sachverständigen zufolge mithin bei einer Geschwindigkeit von 65 km/h sein Fahrzeug nach Erkennen des havarierten Fahrzeug noch rechtzeitig abbremsen und den Unfall so verhindern können. Eine aktive Beleuchtung (Rundumlicht oder Warnblinkanlage) hätte nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen dagegen dazu geführt, dass das Fahrzeug für den Zeugen … deutlich besser erkennbar gewesen wäre und er mithin auch noch bei einer Geschwindigkeit von noch rund 100 km/h rechtzeitig hätte abbremsen und den Unfall verhindern können. Für einen Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des Zeugen … sind Feststellungen zum Beleuchtungszustand des Fahrzeuges des Zeugen … entbehrlich. Das Auffahren auf ein die Fahrbahn versperrendes Kraftfahrzeug erlaubt grundsätzlich eine alternative Schuldfeststellung dahin, dass entweder der Bremsweg des Auffahrenden länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend gewesen sein muss; bei Fallgestaltungen wie dieser ist die Wahlfeststellung zwingend. Allein die Tatsache der Kollision erlaubt schon diese Schlussfolgerung (BGH NJW-RR 1988, 406; OLG Frankfurt NZV 2001, 169 bis 170). Es kann mithin vorliegend die alternative Feststellung getroffen werden, dass der Zeuge … entweder die nach den Maßstäben des im italienischem Recht geltenden Sichtfahrgebotes gebotene Geschwindigkeit von 65 km/h überschritten und dadurch das unbeleuchtete Fahrzeug des Zeugen … zu spät wahrgenommen hat oder dass er bei der Fahrt unaufmerksam war und daher auf das beleuchtete Fahrzeug des Zeugen … zu spät reagiert hat, obwohl ihm im letzteren Fall ein rechtzeitiges Abbremsen noch möglich gewesen wäre.

bb) Der Kläger hat darüber hinaus den Nachweis nicht erbracht, dass der Zeuge … den Unfall unmöglich verhindern konnte. Die italienische Rechtsprechung sieht den Entlastungsbeweis diesbezüglich nur dann als erbracht an, wenn dem Fahrer der Schaden auf der Kausalitätsebene nicht zugerechnet werden kann (Bakku, Schadenersatz nach Kfz-Unfällen in Italien, DAR 8/2003, 337, 338). Dabei hinaus muss der Fahrer in den Grenzen der Vorhersehbarkeit auf Unvorsichtigkeiten Dritter gefasst sein. Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist dem Kläger nicht gelungen. Nach den zuvor getroffenen Feststellungen hätte der Zeuge … bei einer Geschwindigkeit von 65 km/h das havarierte Fahrzeug auch in unbeleuchtetem Zustand noch rechtzeitig erkennen können und anhalten können, so dass die Kausalität des Sorgfaltspflichtverstoßes des Zeugen … für den streitgegenständlichen Unfall feststeht.

cc) Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass der Unfall auf Zufall beruhte. Der Zufall in diesem Sinne ist durch ein unvorhergesehenes und unvorhersehbares Element gekennzeichnet, das sich unabhängig von jeder menschlichen Kontrolle in den Kausalprozess einschaltet und das Entstehen des Erfolges unvermeidbar werden lässt, so dass es als seine einzige Ursache in Erscheinung tritt (Reiß, Der deliktische Schadensersatz im italienischen Recht, zfS 205, 527, 528). Bei einem liegen gebliebenen Fahrzeug hingegen handelt es sich jedoch nicht um ein unvorhersehbares Element, sondern gerade um eine typische Gefahr, welcher mit dem Sichtfahrgebot begegnet werden soll. Der Kraftfahrer muss seine Geschwindigkeit gerade auch auf unbeleuchtete auf der Fahrbahn stehende Fahrzeuge einrichten (so auch im deutschen Recht zum Sichtfahrgebot BGH VersR 1988, 412). Nur bei Gegenständen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist, kann etwas anderes gelten. Für auf der Straße liegengebliebene Fahrzeuge, mögen sie auch unbeleuchtet sein, greift diese Ausnahme jedoch nicht ein. Hier ist vom Kraftfahrer zu fordern, seine Fahrweise so zu wählen, dass er rechtzeitig anhalten und einen Unfall so vermeiden kann (so auch im deutschen Recht zum Sichtfahrgebot, BGH VersR 1987, 1241).

c) Nachdem der Kläger den Zeugen … mithin nicht von dem Vorwurf des vermuteten Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot hat entlasten können, führt diese de facto Vermutung im vorliegenden Fall gleichwohl nicht zur vollen Haftung zu Lasten des klägerischen Fahrzeuges. Denn insoweit ist der Anteil der Mitverursachung des Zeugen … am Unfallgeschehen zu berücksichtigen.

Inwieweit eine anteilige Entlastung von dem de facto Verschulden des Auffahrenden – außerhalb der nach einem Teil der italienischen Rechtsprechung möglichen Entlastung bei einem unvorhersehbaren Hindernis (vgl. Ital. Rechtsauskunft, Bl. 79 d.A.) – möglich ist, ergibt zwar sich eindeutig aus der erholten Rechtsauskunft, wohl aber aus der Rechtsnatur des Art. 254 cc selbst. Die Vermutung einer hälftigen Haftung der Fahrzeugführer nach Art. 2054 Abs. 2 cc versteht sich grundsätzlich subsidiär und findet nur dann Anwendung, wenn es nicht möglich ist, den Unfallhergang und das jeweilige Verschulden oder den kausalen Anteil der Fahrlässigkeit an dem Ereignis mit Sicherheit zu ermitteln (Backu, Schadenersatz nach Kfz-Unfällen in Italien, DAR 2003, 337). Konsequenterweise muss dies auch für die de facto vermutete volle Haftung des Auffahrenden gelten. Will sich der Auffahrende von seiner vermuteten Haftung entlasten, muss er daher beweisen, dass das nicht rechtzeitige Anhalten und die darauf folgende Kollision auf Gründen beruhen, die ihm gänzlich oder auch nur zum Teil nicht zuzurechnen sind (Reiß, a.a. O., 527). Ist es danach möglich, den Unfallhergang und das jeweilige Verschulden oder den kausalen Anteil der Fahrlässigkeit an dem Ereignis zu ermitteln, so können die Haftungsanteile von der vermuteten vollen Haftung des Auffahrenden abweichend festgesetzt werden. So liegt es hier.

Dem Kläger ist der Nachweis gelungen, dass der Unfall teilweise auf Umständen beruht, die dem Zeugen … nicht zuzurechnen sind. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass dem Zeugen … ein Mitverursachungsanteil dahin gehend anzulasten ist, dass sein Fahrzeug unbeleuchtet war und er dieses nicht durch ein Warndreieck nach hinten gesichert hat. Gem. Art. 162 D.d.S. i.V.m. Art. 357 der Verordnung zur Ausführung und Anwendung der neuen Straßenverkehrsordnung müssen Fahrzeuge, die aus irgend einem Grund außerhalb geschlossener Ortschaften auf der Fahrbahn stehen bleiben, bei Nacht, wenn die Schlussleuchten oder das Warnblinklicht fehlen oder nicht ausreichen, durch das Warndreieck angekündigt werden. Ein Warndreieck muss mithin zumindest dann zwingend aufgestellt werden, wenn die fahrzeugeigene Beleuchtung nicht für eine hinreichende Sichtbarkeit des Fahrzeuges sorgt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass das Fahrzeug des Zeugen … unbeleuchtet auf der Fahrbahn lag. Es stützt diese Überzeugung auf die übereinstimmenden und glaubhaften Angaben des Zeugen … und der ebenfalls glaubhaften Aussagen des neutralen Zeugen …. Beide Zeugen haben insoweit übereinstimmend angegeben, dass das Fahrzeug des Zeugen … ihrer Erinnerung nach überhaupt nicht beleuchtet war. Auch die Zeugin … war sich sicher, dass das Fahrzeug des Zeugen … unmittelbar vor der streitgegenständlichen Kollision unbeleuchtet war. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Zeuge … als Fahrer des klägerischen Fahrzeuges grundsätzlich ein Interesse daran gehabt hätte, sein Fahrverhalten zu rechtfertigen. Zudem hatte er, wenngleich nicht selbst unmittelbar von dem Ausgang des Rechtsstreits wirtschaftlich betroffen, als Angestellter des Klägers zumindest ein mittelbares Interesse an einem für den Kläger günstigen Ausgang des Rechtsstreits. Gleiches gilt, wenngleich auch in eingeschränkterem Maße, auch für die Zeugin … als Ehefrau des …. Das Gericht hat aus dem unmittelbaren Eindruck der Zeugen … in der mündlichen Verhandlung dennoch keinen Anlass gehabt, an der Wahrhaftigkeit der Angaben der beiden Zeugen zu zweifeln. Die Zeugen schilderten den Sachverhalt ruhig und sichtbar um eine korrekte Wiedergabe der ihnen erinnerlichen Umstände bemüht und ohne erkennbare Tendenz, den Sachverhalt zu ihren Gunsten zu beschönigen. Die beiden Zeugen werden in ihren Angaben zur Beleuchtung des Fahrzeuges zudem bestätigt durch den neutralen Zeugen …. Auch dieser schilderte die ihm erinnerlichen Umstände ohne jeglichen Belastungseifer gegenüber einem der beteiligten Fahrzeugführer und in deutlichem Bemühen um eine genaue Wiedergabe des ihm erinnerlichen Unfallgeschehens. Den Angaben der drei genannten Zeugen widerspricht letztendlich auch nicht die Angabe des Zeugen … selbst. Dieser konnte aus eigener Erinnerung keine Angaben dazu machen, ob sein Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug durch Abblendlicht oder die Warnblinkanlage beleuchtet wurde. Er konnte lediglich angeben, dass er vor dem ersten Unfall mit dem durch den Zeugen … geführten Lkw das Abblendlicht eingeschaltet hatte. Seiner Erinnerung nach habe er beim Verlassen seines Fahrzeuges die Lichter nicht ausgeschaltet. Er gab ferner an, dass an seinem Fahrzeug eine Automatik vorhanden gewesen sei, welche sicherstellen sollte, dass sich bei einem heftigen Bremsvorgang die Warnblinkanlage automatisch einschaltet. Die Angaben des Zeugen zur Beleuchtung seines Fahrzeuges beruhen mithin letztendlich auf Schlussfolgerungen aus dem Beleuchtungszustand seiner Fahrzeuges vor dem ersten der beiden Unfälle und aus der grundsätzlichen technischen Ausstattung seines Fahrzeuges, nicht aber auf seiner tatsächlichen Wahrnehmung. Aufgrund der totalen Zerstörung des Fahrzeuges des Zeugen … nach dem zweiten, hier streitgegenständlichen, Unfall konnte jedoch auch durch den Sachverständigen letztendlich nicht mehr genau nachvollzogen werden, inwieweit bereits durch den ersten Unfall die Beleuchtung des Beklagtenfahrzeugs beschädigt war. Nach den Bekundungen der Zeugen … und … und des Zeugen… muss davon ausgegangen werden, dass das Abblendlicht, auch wenn es von dem Zeugen … beim Verlassen des Fahrzeuges nicht ausgeschaltet wurde, zum Unfallzeitpunkt zumindest nicht mehr funktionsfähig war und dass auch die Warnblinkanlage nicht aktiviert war.

Entgegen dem Sachvortrag der Beklagtenpartei aus dem Schriftsatz vom 10.01.2014, wonach das Fahrzeug des Zeugen … auf dem Standstreifen und lediglich zur Hälfte auf der rechten Fahrbahn liegen geblieben sei, ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kollision vollständig auf der Fahrbahn befand. Dies ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen … und … und des Zeugen … selbst. Lediglich der Zeuge … gab an, dass Fahrzeug habe halb auf dem Standstreifen gestanden. Da der Zeuge jedoch, wie er selbst einräumte, deutliche Unsicherheiten hinsichtlich der Endstellung des Fahrzeuges nach der ersten Kollision zeigte und zudem im Widerspruch zu den Angaben der anderen Zeugen angab, das Fahrzeug des Zeuge … habe auf der Fahrerseite gelegen, glaubt das Gericht den Angaben des Zeugen … in diesem Punkt nicht.

Nach alledem wäre der Zeuge … verpflichtet gewesen, in ausreichender Entfernung hinter seinem liegengebliebenen Fahrzeug ein Warndreieck aufzustellen, was er unterlassen hat. Insbesondere nachdem das Fahrzeug des Zeugen … bei Dunkelheit unbeleuchtet mitten auf der Fahrbahn stand, musste er mit allen ihm möglichen und zumutbaren Mitteln dafür sorgen, dass der nachfolgende Verkehr rechtzeitig gewarnt wird. Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Warndreiecks entfiel auch nicht etwa dadurch, dass der Lkw des Zeugen … bei eingeschalteter Warnblinkanlage beleuchtet war, denn Art. 162 D.d.S. i.V.m. Art. 357 der Verordnung zur Ausführung und Anwendung der neuen Straßenverkehrsordnung stellt insoweit klar auf die Beleuchtung des liegen gebliebenen Fahrzeuges selbst ab. Die örtlichen Verhältnisse waren auch so beschaffen, dass es dem Zeugen … möglich gewesen wäre, das Warndreieck in einer ausreichenden Entfernung hinter seinem Pkw aufzustellen. Wird ein auf der Fahrbahn stehendes Fahrzeug bei Dunkelheit nicht ausreichend beleuchtet, entspricht es der Lebenserfahrung, dass der Unfall durch die mangelnde Beleuchtung und die Unterlassung der gebotenen Aufstellung eines Warndreiecks jedenfalls mitverursacht worden ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge …, seinen eigenen glaubhaften Angaben folgend, die im Rahmen des Sichtfahrgebotes gebotenen Geschwindigkeit von 65 km/h zumindest nicht grob überschritten hat und auch ansonsten keine Anhaltspunkte für eine grobe Unaufmerksamkeit gegeben waren, die dazu geführt hätte, dass der Zeuge … das Fahrzeug auch bei einem in ausreichender Entfernung aufgestellten Warndreieck oder gar bei Beleuchtung des Fahrzeuges nicht wahrgenommen hätte.

Das Gericht stuft die Verursachungsbeiträge der Parteien auf 60 % zu 40 % zu Lasten des klägerischen Fahrzeuges ein. Dem liegt auf der einen Seite zum einen der im italienischen Recht geltende strenge Maßstab des Sichtfahrgebotes zugrunde, gegen welchen der Zeuge … verstoßen hat. Auf der anderen Seite stuft das Gericht den Verursachungsbeitrag des Zeugen … als etwas geringer ein, weil ihm als schuldhafter Sorgfaltspflichtverstoß lediglich das Unterlassen des Aufstellens eines Warndreiecks nachgewiesen wurde, während hinsichtlich der mangelnden Beleuchtung des Fahrzeuges technisches Versagen nicht auszuschließen war.

3.

Nach Art. 2056 Abs. 1 C.C. ist der dem Geschädigten zustehende Schadenersatz nach den Bestimmungen der Artikel 1223, 1226, und 2059 c.c. festzusetzen.

a) Die Ersatzfähigkeit der Abschleppkosten in Höhe von 799,44 € ist zwischen den Parteien nicht streitig. Gleiches gilt für die Übersetzungskosten für den Unfallbericht der italienischen Polizei in Höhe von 216,00 €, die Standgebühren des Abschleppunternehmens in Italien in Höhe von 442,00 €, die Verladung des Unfallfahrzeuges auf den Transporter in Höhe von 120,00 €, die Autobahn-Jahres-Vignette für Österreich in Höhe von 76,50 €, die Abmeldegebühren für das klägerische Fahrzeug bei der Stadt Nürnberg in Höhe von 5,00 € sowie die Mautgebühren für das Ersatzfahrzeug in Österreich in Höhe von 8,00 €, für den Brenner in Höhe von 8,00 € sowie für Italien in Höhe von 10,00 €.

b) Hinsichtlich des zwischen den Parteien grundsätzlich unstreitigen Wiederbeschaffungswertes war der Nettobetrag in Höhe von 14.161,00 € (14.450,00 € abzgl. Differenzsteuer in Höhe von 2 %) anzusetzen (ital. Rechtsauskunft, Bl. 82 d.A.). Davon abzuziehen war der Restwert in Höhe von 2.860,00 €. Auf einen etwa erzielten tatsächlichen Restwert musste dabei nicht abgestellt werden. Auch im italienischen Recht wird insoweit der Restwert gutachterlich festgestellt, wobei häufig ein Mittelwert zugrunde gelegt wird (ital. Rechtsauskunft, Bl. 82 d.A.). Insoweit konnte auf das durch den klägerseits beauftragten Gutachter ermittelte und beklagtenseits unbestrittene höchste verbindliche Restwertkaufangebot auf dem regionalen allgemeinen Markt zurückgegriffen werden. Als Wiederbeschaffungsaufwand war damit ein Betrag von 11.301,00 € zugrunde zu legen.

c) Der Kläger hat auch Anspruch auf Erstattung seiner aufgewendeten außergerichtlichen Gutachterkosten in Höhe von 481,20 €. Nach der Rechtsauskunft gibt es in Italien keine Rechtsprechung, die sich ausdrücklich mit der Erstattung vorgerichtlich aufgewendeter Sachverständigenkosten befasst. Außergerichtlich werden solche Kosten beim Vorliegen eines Totalschadens ersetzt. In der italienischen Rechtslehre wird allerdings die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten durchaus bejaht. Sind solche Kosten erforderlich, um das Vorliegen eines Totalschadens festzustellen, sind sie vom Schädiger deshalb zu erstatten (vgl. Holger Backu, Schadenersatz nach Kfz-Unfällen in Italien, DAR 2003, 337, 344). Da hier für den Vergleich zwischen dem Wiederbeschaffungsaufwand und den zur Instandsetzung erforderlichen Reparaturkosten ein Sachverständigengutachten erforderlich war (das schließlich einen Totalschaden feststellte), sind die hierfür aufgewendeten Kosten zu erstatten.

d) Der Kläger hat zudem Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Rücktransport des verunfallten Fahrzeuges nach Deutschland. Die Erstattungsfähigkeit dieser Position ergibt sich aus dem im italienischen Recht geltenden Grundsatz, dass der Schadenersatz auch diejenigen Neben- sowie Folgekosten beinhaltet, welche kausal im direkten Zusammenhang mit dem Unfall stehen (Art. 2056 i.V.m. 1223, 1226 sowie 2059 cc, ital. Rechtsauskunft, Bl. 83 d.A.). Der Kläger war nach den Bestimmungen des von ihm geschlossenen Leasingvertrages zum Rücktransport des Fahrzeuges nach Deutschland verpflichtet. Der Kläger kündigte nach den streitgegenständlichen Verkehrsunfall aufgrund des Totalschadens den Leasingvertrag gem. Ziff. X. Nr. 6 des Leasingvertrages (Anlage K 14 zum Schriftsatz des Klägers vom 14.10.2013). Gem. Ziff. XVI Nr. 1 des genannten Vertrages war er demnach verpflichtet, das Fahrzeug auf seine Kosten und Gefahr unverzüglich am vereinbarten Rückgabeort zurückzugeben, wobei als Rückgabeort nach dem Leasingantrag des Klägers vom 11.08.2011 (Anlage K 14 zum Schriftsatz des Klägers vom 14.10.2013) die Mercedes-Benz- Niederlassung, N…-Straße, N…. vereinbart war.

Die Kosten für den Rücktransport setzen sich zusammen aus der Miete für den Transportanhänger in Höhe von 189,08 € sowie für die Durchführung des Rücktransportes in Höhe von 555,00 € netto.

e) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Ersatz einer allgemeinen Nutzungsausfallentschädigung. Eine Entschädigung für den Ausfall des verunfallten Fahrzeuges wird nach der italienischen Rechtsprechung unabhängig davon zugesprochen, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wurde. Der Nutzungsausfall wird danach nach billigem Ermessen dafür gewährt, dass das Fahrzeug für die Dauer der Reparatur bzw. bis zur Wiederbeschaffung dem Geschädigten nicht zur Verfügung steht, er sich aber fortlaufenden Kosten ausgesetzt sieht (ital. Rechtsauskunft, Bl. 85 d.A. mit Rechtsprechungsnachweisen). Nach dem von der Klagepartei vorgelegten Gutachten des KfZ-Sachverständigen … war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 10-12 Tagen auszugehen. Demnach war Nutzungsausfallentschädigung in Höhe 79,00 € täglich für eine Dauer von 12 Tagen und mithin insgesamt in Höhe von 948,00 festzusetzen.

f) Soweit die Klagepartei Fahrtkosten für den Einsatz eines Ersatzfahrzeuges zur Auslieferung der Ladung aus dem verunfallten Fahrzeug geltend macht, setzt das Gericht nach billigem Ermessen eine Pauschale von 0,25 € pro Kilometer, entsprechend einem Gesamtbetrag von 125,50 € bei einer Entfernung von 502 Km fest.

g) Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf die geltend gemachte allgemeine Regulierungspauschale. Nach der erholten Rechtsauskunft müssen allgemeine Unkosten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach konkret dargelegt und nachgewiesen werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, in welcher Form und in welcher Höhe ihm allgemeine Unkosten entstanden sind. Schließlich hat der Kläger auch den Kostennachweis für das Navigationssystem und die Autobahn-Jahresvignette für die Schweiz sowie die Fahrerpauschale für das Ersatzfahrzeug für die Strecke Fürth-Rom nicht erbracht.

h) Nach alledem ergibt sich ein erstattungsfähiger Gesamtbetrag von 15.284,68 €. Bei einer Haftungsquote der Beklagtenpartei von 40 % hat der Kläger mithin einen Zahlungsanspruch in Höhe von 6.113,87 €.

4.

Der Kläger hat ferner einen Zinsanspruch sowie einen Anspruch auf die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 582, 50 €.

a) Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.113,87 € ist als Vermögensschaden („Wertschuldverhältnisse“) nach Art. 1282 Abs. 1 c.c. zu verzinsen, ohne dass es hierfür einer Inverzugsetzung bedürfte (Art. 1219 Abs. 2 Nr. 1 c.c.) Dabei sind die Zinsen nach der einschlägigen Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofes grundsätzlich ab dem Unfalltag zu berechnen. Der Zinsbeginn war daher wie beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO) ab dem 01.09.2011 festzusetzen.

Die Zinshöhe war nach Art. 1284 Abs. 1 C.C i.V.m. der Festsetzung per ministerialem Dekret für das Jahr 2011 auf 1,5 % und für die Jahre 2012 und 2013 auf 2,5 %, jeweils nach Aufwertung des Hauptsachebetrages durch den italienischen Istat-Index (vgl. Zur Berechnung ital. Rechtsauskunft, Bl. 85 d.A.) festzusetzen.

b) Der Kläger hat auch Anspruch auf die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 582,50 €. Nach der Rechtsauskunft bestätigt der italienische Kassationsgerichtshof einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich zur Streitbeilegung erforderlich gewordenen Kosten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie notwendig bzw. nützlich waren. Dies bedeutet, dass der Kläger, von dem Kenntnisse zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall im Ausland nicht zu erwarten sind, hierfür einen Rechtsanwalt in seinem Heimatland in Anspruch nehmen durfte. Die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten bemisst sich nach deutschem Recht, da dies der Betrag ist, den der Kläger nach als erforderlich aufbringen musste. Die erforderlichen Rechtsanwaltsgebühren errechnen sich aus dem berechtigten Gegenstandswert von 6.113,87 €. Keinen Bedenken begegnet es, insoweit eine 1,5 Gebühr anzusetzen. Nach der amtlichen Anmerkung zur Geschäftsgebühr nach VV 2300 kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Damit stellt in durchschnittlichen bzw. „normalen“ Fällen die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr dar, so dass lediglich bei überdurchschnittlichen, weil umfangreichen oder schwierigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine Geschäftsgebühr über 1,3 gerechtfertigt ist (BGH VersR 2007, 265; BGH VersR 2009, 415). Nachdem im Streitfall u.a. die materielle Prüfung ausländischen Rechts und die Kontaktaufnahme mit einem ausländischen Versicherer erforderlich waren, kann der Streitfall durchaus als schwierig und umfangreich angesehen werden. Der Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr ist deshalb nicht zu beanstanden. Dies bedeutet, dass bei dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger bei einem berechtigten Gegenstandswert von 6.113,87 € eine 1,5 fache Geschäftsgebühr von 562,50 € zzgl. Einer Auslagenpauschale von 20,00 €, mithin insgesamt 582,50 € zuzusprechen war. Nachdem es sich bei der Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten um einen Folgeschaden vermögensrechtlicher Natur handelt, waren auch insoweit Zinsen zuzusprechen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, 2 ZPO für den Kläger und auf § 708 Nr. 11, 2. Alt. I.V.m. § 711, S. 1, 2 ZPO für die Beklagte.

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